Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 12. Predigt am Feiertag Mariä Reinigung.

Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 12. Predigt am Feiertag Mariä Reinigung.

(1855.)

Luk. 2, 22-40.
Und da die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz Mosis kamen, brachten sie ihn gen Jerusalem, auf dass sie ihn darstellten dem Herrn (wie denn geschrieben steht in dem Gesetz des Herrn: „allerlei Männlein, das zum ersten die Mutter bricht, soll dem Herrn geheiligt heißen“), und dass sie gäben das Opfer, nach dem gesagt ist in dem Gesetz des Herrn: ein paar Turteltauben, oder zwei junge Tauben. Und siehe, ein Mensch war zu Jerusalem, mit Namen Simeon, und derselbe Mensch war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israel, und der Heilige Geist war in ihm. Und ihm war eine Antwort worden von dem Heiligen Geist, er sollte den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christ des Herrn gesehen; und kam aus Anregen des Geistes in den Tempel. Und da die Eltern das Kind Jesum in den Tempel brachten, dass sie für ihn täten, wie man pflegt nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volks Israel. Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich des, das von ihm geredet ward. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel, und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird (und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen), auf dass vieler Herzen Gedanken offenbar werden. Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuel, vom Geschlechte Aser, die war wohl betagt, und hatte gelebt sieben Jahr mit ihrem Manne nach ihrer Jungfrauschaft, und war eine Witwe bei vier und achtzig Jahren. Die kam nimmer vom Tempel, diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Dieselbige trat auch hinzu zu derselbigen Stunde und pries den Herrn und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung zu Jerusalem warteten. Und da sie es alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder in Galiläam zu ihrer Stadt Nazareth. Aber das Kind wuchs und ward stark im Geist, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.

Es wird uns noch einmal weihnachtlich zu Mute bei diesem Evangelium, es ist noch einmal das Jesuskind in Windeln gewickelt, das uns hier vorgetragen wird, das Jesuskind, nicht wie es in der Krippe liegt, von den Engeln besungen, von den Hirten besucht; nicht wie es in Bethlehem weilt, von den Weisen angebetet, von Herodes angefeindet, sondern wie es am vierzigsten Tage nach Seiner Geburt von Seiner Mutter im Tempel zu Jerusalem Gott dargestellt wird zum Dank für Seine Geburt und zur Weihe für Sein ganzes Leben.

Wo und wie auch dieses Jesuskind erscheint, in Seiner Nähe ist's immer gut sein und lieblich wohnen. Der dumpfe Stall zu Bethlehem wurde zu einem Heiligtum verklärt durch das holde Himmelslicht, das dieses Kindlein umstrahlt, und auch der herrliche Tempel zu Jerusalem erscheint uns in einem ganz neuen Licht, in einem höheren Glanz, da Der zum ersten Mal über seine Marmorschwelle getragen wird, der hier einst die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit verkünden und an der Stelle dieses vergänglichen Tempels eine ewige Kirche gründen sollte, die auch die Pforten de: Hölle nicht überwältigen können.

Wo und wie dieses Jesuskind erscheint, da übt's immer eine wunderbare Anziehungskraft auf die Herzen und sammelt als der rechte Seelenmagnet um sich ein Häuflein frommer Seelen. Dort zu Bethlehem waren's die Hirten, die vom Felde kamen, die Weisen, die herzu pilgerten aus dem fernen Morgenlande. Hier im Tempel zu Jerusalem sehen wir auch wieder eine Gemeinde um dieses Kindlein versammelt; eine kleine zwar: denn es sind nur fünf Seelen mit dem Kindlein selber, aber doch eine liebliche Gemeinde. Lieblich von innen: denn es sind lauter andächtige Gäste, lauter fromme Israeliten im Tempel dort beisammen, wie ja auch wir Prediger am heutigen Feiertage zufrieden sind mit einem kleinen Häuflein Zuhörer, wenn wir nur denken dürfen: es sind andächtige Zuhörer, es sind heilsbegierige Seelen. Lieblich auch von außen ist die kleine Gemeinde, die wir dort beisammen. finden im Tempel zu Jerusalem: denn es sind alle Lebensalter hier versammelt in schönen Musterbildern. Da ist das Greisenalter am Rande des Grabes, der ehrwürdige Simeon und die 84-jährige Hanna; da ist ein Ehepaar inmitten des Lebens, der ehrliche Josef und die holdselige Maria; da ist ein liebliches Kindlein ohne Gleichen, der göttliche Jesusknabe; jedes in seiner Art lieb und fromm, jedes in seiner Weise Gott zum Dienste sich darstellend und dem Herrn ein Lob bereitend. Lasst uns bei diesem lieblichen Anblick ein wenig verweilen und betrachten:

Die Darstellung Jesu im Tempel ein Vorbild für jedes Lebensalter, dass es dem Herrn sich darstelle im heiligen Schmuck;

1) die Jugend zum gesegneten Wachstum;
2) das Mannesalter zum willigen Gehorsam;
3) das Greisenalter zum seligen Heimgang.

Komm, o Herr, in jede Seele,
Lass sie Deine Wohnung sein,
Dass Dir einst nicht Eine fehle
In der Gotteskinder Reih'n.
Lass uns Deines Geistes Gaben
Reichlich miteinander haben,
Offenbare heiliglich, Haupt, in allen Gliedern Dich. Amen.

Die Darstellung Jesu im Tempel sei uns ein Vorbild für jedes Lebensalter, dass es dem Herrn sich darstelle im heiligen Schmuck; dass sich Ihm darstelle

1) die Jugend zu gesegnetem Wachstum.

Das lehrt uns das Jesuskind dort im Tempel zu Jerusalem, wie es dem Herrn zum Eigentum geheiligt wird und wie es vor dem Herrn aufwächst und stark wird im Geist.

Die Darstellung des Jesuskinds im Tempel hat ihren Grund im Gesetz Mosis. Jeder erstgeborene Sohn in Israel sollte eigentlich dem Herrn zum Priesterdienst geheiligt sein; weil aber dafür der Stamm Levi eingetreten war, der alle geistlichen Ämter versah, so musste jeder erstgeborene Sohn einen Monat nach seiner Geburt Gott wenigstens im Tempel dargestellt und hier um eine kleine Abgabe von seiner Verpflichtung für den Dienst des Herrn losgekauft werden, zum Zeugnis über den Knaben: du bist nun zwar frei vom geistlichen Stand und Amt, aber auch im weltlichen Beruf bleibst du doch lebenslang ein Eigentum des Herrn, zu Seinem Dienste verpflichtet. So ward nun auch der holde Jesusknabe Gott im Tempel dargestellt. Fürs äußere Priesteramt sollte Er nicht heranwachsen, das priesterliche Brustschild von Gold und Edelsteinen sollte Er nicht tragen an Seinem Knechtsgewand, aber ein Eigentum des Herrn sollte Er doch lebenslang bleiben, zum Dienste Seines himmlischen Vaters sollte Er doch heranwachsen von Kind auf, ein Lehrer sollte doch aus Ihm werden, dem kein Lehrer gleich, und ein Hohepriester, herrlicher als Melchisedek und Aaron, ja zu einem heiligen Opfer sollte Er mit Leib und Seele, auf Leben und Sterben dem Herrn sich ergeben, und so wird Er als ein zartes Lämmlein schon hinaufgetragen in den Tempel vor Gottes Angesicht, um vorläufig geweiht und gezeichnet zu werden für seinen dereinstigen Opfertod als das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.

Eine ähnliche Weihe zum Dienste des Herrn, meine Lieben, wird auch unserer Jugend zu Teil; eine ähnliche Darstellung im Tempel geht auch mit unsern Kindlein vor, mit den Mädchen so gut als mit den Knaben, mit den Nachgeborenen so gut als mit der Erstgeburt. Oder ist nicht jede Taufe eines Christenkindes auch eine Darstellung im Tempel, dabei das Kindlein mit Lob und Dank vor Gottes Antlitz gebracht und zu Seinem Eigentum geweiht wird? Ist nicht jede Konfirmation unserer Kinder auch eine Darstellung im Tempel, dabei sie ihrem Gott und Heiland sich darstellen sollen im heiligen Schmucke kindlicher Unschuld, frommen Glaubens, fröhlichen Gehorsams? Sollen unsere lieben Kinder nicht fort und fort von ihren Eltern dem Herrn dargestellt werden hier in Seinem Haus, indem man sie mitbringt zur Predigt und zum Gottesdienst, damit sie lernen gerne sein in dem, das des Vaters ist, und daheim im eigenen Haus, indem man betend alle Tage mit ihnen und für sie vor den Gnadenthron des himmlischen Vaters tritt, dass Er sie bewahre vor dem Argen und sie erhalte bei dem Einen, dass sie Seinen Namen fürchten?

O vergiss es nicht, liebes Kind, auch du gehörst dem Herrn, von deinem Tauftag an steht dir auf der Stirn geschrieben: Ich bin getauft auf Deinen Namen, Gott Vater, Sohn und Heil'ger Geist. Vergiss es nicht, lieber Sohn und liebe Tochter, was du am Konfirmationsaltar versprochen: Es sei in mir kein Tropfen Blut, Der nicht, Herr, Deinen Willen tut. Vergiss es nicht, christlicher Jüngling und christliche Jungfrau: was du immer werden magst in dieser Welt, dein schönster, dein heiligster Beruf in jedem Stand ist der, dem Herrn allein zur Ehre zu leben, zu leiden und zu sterben. Vergesst es nicht, christliche Eltern, dem himmlischen Vater eure Kinder fleißig darzustellen. Stellt sie Ihm dar, nicht nur indem ihr sie zur Laufe bringt in den ersten Wochen ihres Lebens und zur Schule schicket in den Schuljahren und zur Kirche mitnehmt an eurer Seite, damit sie frühe lernen gerne sein in dem, das ihres Vaters ist. Stellt sie Ihm dar auch daheim durch fromme Zucht, durch christliches Vorbild, durch tägliche Fürbitte. Stellt sie Ihm dar im Schmucke unverdorbener Jugend, nicht als verwahrloste, sondern als wohlerzogene Kinder, auf denen Sein Auge mit Wohlgefallen ruhen könne. Stellt sie Ihm dar auch in ihren Schwächen und Gebrechen, in ihren Unarten und Sünden, und bittet den Herrn: hilf Du, wo ich nicht helfen kann, ziehe Du, wo meine Zucht nichts ausrichtet. Stellt sie dem Herrn dar mit Freuden, wenn ihr könnt, wie Hanna ihren Samuel, wie Maria ihren Jesusknaben, und dankt Ihm von dem alle gute und alle vollkommene Gabe kommt, für alle Freude, die Er euch erleben lässt an euren Kindern. Stellt sie ihm aber auch dar mit Tränen, wenn es sein muss, wie jener unglückliche Vater im Evangelium seinen armen besessenen Knaben zu Jesu brachte, wie jenes kananäische Weib mit Tränen den Herrn anlag um ihrer kranken Tochter willen. Auch aus einem Angst- und Tränensohn kann ja noch etwas werden durch Muttertränen und Vatertreue unter dem Segen von oben.

Ja, wenn so unsere Jugend frühe schon dem Herrn geheiligt würde und sich selbst betrachten lernte als ein Eigentum des Herrn, dann würde sie auch wachsen vor dem Herrn und stark werden im Geist. Wie es von dem Jesusknaben heißt am Schluss unseres Textes: „aber das Kind wuchs und ward stark im Geist, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei Ihm.“

Unsere Kinder wachsen auch schnell herauf, in Kurzem ist da viel erlebt; eh man sich's versieht, gehen sie uns über den Kopf, und man hat mit Recht gesagt, unsere Kinder seien eigentlich lebendige Kalender für uns, denn nichts zeigt uns so augenscheinlich, wie schnell wir selber alt werden, als wenn wir sehen, wie schnell unsere Kinder groß werden. Aber ach! dieses unser Altern wollten wir uns ja gerne gefallen lassen, über dieses Großwerden unserer Kinder wollten wir uns ja von Herzen freuen, wenn sie nur immer wachsen würden wie an Alter, so auch an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen; wenn sie nur stark würden wie am Leib, so am Geist; wenn wir nur sagen dürften von unsern Söhnen und Töchtern, wie es vom Jesuskind heißt: Gottes Gnade ist bei ihnen.

O, es ist so etwas Betrübtes, wenn man von einem Jüngling oder von einem Mädchen sagen muss: ja es wächst freilich, aber nur der Leib wächst, das Fleisch, die Unart, die Hoffart, die Eitelkeit, der Eigensinn, die Torheit wächst, und nicht der Geist, und nicht die Weisheit, und nicht die Gnade bei Gott und den Menschen. es ist so traurig, wenn man sehen muss in Schulen und Häusern, auf Straßen und Gassen, wie eine zuchtlose Jugend, ein ungeschlachtes Geschlecht heraufwächst den Eltern zum Herzeleid, der Welt zur künftigen Geißel! Und wie kann dem abgeholfen werden? Wie kann unsere Jugend zu einem gesegneten Wachstum gelangen? Nicht anders, als wenn sie dem Herrn frühe schon zugeführt, Ihm dargestellt wird zu Seinem Dienst und Eigentum durch Kirche und Schule, durch christliche Erziehung und fleißige Fürbitte. Was macht gesunde und wohlgeratene Kinder? Gute Nahrung allein tut's nicht. Frische Luft und Bewegung macht's auch nicht allein. Scheltworte und Schläge richten's auch nicht aus. Guter Unterricht in Schule und Haus ist auch noch nicht Alles. Nein, soll dein Kind stark werden am Geist und gedeihen am inwendigen Menschen, soll es reich werden an Weisheit und aufwachsen in Gottes Gnade und zu der Menschen Gefallen, o so bring es dem Herrn, führ es beizeiten ein in Gottes Haus, in Gottes Wort, in Gottes Reich. Von oben müssen sie kommen, die Segenskräfte zu gedeihlichem Wachstum. Gottes Wort ist die lautere Milch, bei der eine liebe Kinderseele am besten gedeiht; Gottes Geist ist die Lebensluft, darin die jungen Herzen am lieblichsten erstarken; Gottes Haus ist die Schule, darin die Jugend zu allem Guten noch das Beste lernen muss, das Eine, was nottut; Gottes Reich ist der Boden, darin die jungen Gewächse Wurzel schlagen müssen, damit sie fest stehen gegen den Strom der Verführung und gegen die Stürme der Anfechtung. Ohne diesen Boden, ohne diese Schule, ohne diese Lebensluft, ohne diese Geistesnahrung wirst du mit allem Unterricht und aller Bildung an deinem Kinde nichts heranziehen als eine ungesunde, verweichlichte und verkrüppelte Pflanze, oder ein wildes, störriges, ausgeartetes Gewächs, das aus der Art schlägt und böse Früchte bringt dir zum Kummer, ihm selber zum Verderben.

O darum lasst uns nicht müde werden, unsere Jugend zu Dem hinzuweisen, zu Dem hinzuführen, Dem darzustellen und ans Herz zu legen, der als Kindlein selbst für uns sich dem Vater zum Dienst und Opfer dargestellt.

Die Treue des himmlischen Vaters, welcher der rechte Vater ist über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden; die Liebe des Heilands, welcher die Kindlein geherzt hat und gesprochen: ihrer ist das Himmelreich; die Pflege des Heiligen Geistes, der in den zarten Kinderseelen schon so gerne Seine Wohnung aufschlägt, wie die Biene im Schoß der Rose, und Seine Gnadengaben hineinlegt, wie den Tautropfen in den Lilienkelch - o das ist ein edler Beistand zu unserer Arbeit, das ist eine starke Himmelswache und ein schönes Engelsgeleit für unsere Jugend. „Gottes Gnade mit ihnen,“ ja das sei unsere Hoffnung bei Allem, was wir an unsern Kindern tun, unser Trost bei Allem, was wir nicht an ihnen tun können, unser Gebet, so lang wir bei ihnen sind, und unser Segen, wenn wir einst von ihnen scheiden.

O selig Haus, wo man die lieben Kleinen
Mit Händen des Gebets ans Herz Dir legt,
Du Freund der Kinder, der sie als die Seinen
Mit mehr als Mutterliebe hegt und pflegt,
Wo sie zu Deinen Füßen gern sich sammeln
Und horchen Deiner süßen Rede zu,
Und lernen früh Dein Lob mit Freuden stammeln,
Sich Deiner freun, Du lieber Heiland Du.

Aber dazu gehört auch:

2) dass wir selber im reiferen Alter dem Herrn uns darstellen zu willigem Gehorsam.

Das zeigen uns im Texte Maria und Josef, wie sie in frommem Gehorsam Gottes Gebote ausrichten und Seinem Willen sich unterwerfen. Als fromme Israeliten, gehorsam dem Gesetz Mosis, kamen Josef und Maria herauf in den Tempel, um sich dem Herrn darzustellen als solche Leute, die in Seinen Wegen wandeln und Seine Gebote halten und darnach tun. Vielleicht der Gang kam sie sauer an von Haushaltung und Handwerk weg. Vielleicht die Opfergabe tat ihnen weh, ob's gleich nur ein paar Turteltauben waren, denn sie waren arme Leute. Aber darum bleibt ein redlicher Josef, eine fromme Maria doch nicht weg, wo es gilt, dem Herrn sich darzustellen in willigem Gehorsam.

Tue auch also, christlicher Hausvater, christliche Hausfrau. Wohl mag die Last des Berufes oft schwer auf dem Manne liegen und das Getriebe des Hauswesens die Frau vollauf in Anspruch nehmen; wohl mag bald der Druck der zeitlichen Sorgen, bald die Zerstreuung irdischer Freuden uns abziehen wollen vom Angesichte des Herrn, uns abhalten wollen vom Umgang mit Gott. Aber versäume es darum nicht, liebe Seele, deinem Herrn und Gott auch mitten im Getriebe deines irdischen Berufs dich darzustellen als Sein folgsamer Knecht, als Seine fromme Magd. Mach es dir darum doch zum Gesetz, trotz Allem, was sich dazwischen stellen will, den Weg offen zu erhalten zwischen deinem Haus und Gottes Haus, zwischen deinem Herzen und Gottes Herzen, zwischen deinem irdischen und himmlischen Beruf. Sieh, gerade je mehr die Sorgen und Geschäfte dieses Lebens dich in ihren Strudel hineinziehen, umso nötiger hast du's, dass du immer wieder aufblickst zu Gott, Ihm dich darstellst hier in Seinem Haus und daheim in deinem Kämmerlein, und aus Seinem Wort wieder das rechte Licht empfängst für all dein Tun und Lassen, von Seinem Geist wieder die rechte Richtung dir geben lässt für all dein Dichten und Trachten.

Ja stelle dich Ihm dar alle Morgen im Morgengebet und bitt Ihn: o Herr hilf, o Herr lass Alles wohlgelingen. Stelle dich Ihm dar alle Abend im Abendsegen und frag Ihn: Herr, zeige mir, was ich heute gefehlt und versäumt habe. Stelle dich Ihm dar hier in Seinem Haus, wenn Sein Wort verkündet wird, und sprich: rede Herr, Dein Knecht hört. Stelle dich Ihm dar an Seinem Altar, wenn das Mahl der Versöhnung ausgeteilt wird, und fleh Ihn an: reinige mich von meiner Untugend und wasche mich von meiner Missetat. Betrachte dich als Seinen Diener in deinem Stand und Beruf; wandle vor Ihm und sei fromm.

O, meine Lieben, welchen Segen müsste uns das bringen für unsern innern Menschen, wie müsste uns das zur Reinigung und Läuterung dienen bei der Sünde, die uns immerdar anklebt, zur Befestigung im Guten, zum Wachstum in der Erkenntnis, zur Erquickung und Erhebung unter dem Drucke zeitlicher Sorgen, wenn wir so dem Herrn uns fleißig darstellen würden in willigem Gehorsam gegen Seine Gebote und in demütiger Unterwerfung unter Seinen heiligen Willen!

Nicht nur zum Tun, auch zum Leiden sollen wir dem Herrn uns darstellen in willigem Gehorsam. „Es wird ein Schwert durch deine Seele dringen!“ so wird der Mutter Maria geweissagt vom Geiste des Herrn. Ein schwererer Gang stand ihr noch in der Zukunft bevor als der, den sie heraufgetan heut in den Tempel zu Jerusalem, der Gang zum Kreuz auf Golgatha. Ein teureres Opfer sollte sie noch bringen, als das sie bei der Darstellung Jesu im Tempel gebracht, Ihn selber, ihren lieben Sohn sollte sie mit blutendem Herzen dem Herrn zu Füßen legen.

Solche Opfergänge kommen in jedem Pilgerleben vor, wenn's einmal hineingeht ins reifere Alter; solche schneidende Schwerter können durch jedes Christenherz gehen im Kampf und Gedräng des Lebens. In Sorgen der Nahrung und Bekümmernissen der Liebe, in Hauskreuz und Welthändeln, bei Kränkungen die von Menschen, und Prüfungen die von Gott kommen, an Krankenbetten und Gräbern, o da dringt auch heut noch oft ein zweischneidig Schwert durch unsere Seele; da blutet nicht nur ein weiches Frauenherz, da will oft auch das starke Mannesherz fast brechen. Aber da, mein Christ, da gilt's, dem Herrn dich darzustellen als ein williges Opfer im heiligen Schmuck des Gehorsams und der Ergebung, und deinen Nacken geduldig zu beugen unter das Kreuz, das Er auflegt. Da, Mann, zeige deinen Heldenmut, da, Frau, zeige deine Sanftmut, da, Christ, zeige den Gehorsam des Glaubens und die Geduld der Heiligen. Und gib Acht, was du aus dir selbst und für dich allein nie tragen, nie dulden, nie leisten, nie durchmachen könntest, das wird dir möglich werden, wenn du Ihm dich darstellst auch in deinen Bekümmernissen und Schwachheiten, vor Seinem Angesicht immer neue Kraft dir holst zum Arbeiten und zum Dulden, und Ihn kindlich bittest:

Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang!
Führst Du uns durch raue Wege,
Gib uns auch die nöt'ge Pflege.
Tu uns nach dem Lauf Deine Türe auf.

Das tut Er auch Seinen treuen Knechten. Schauet noch, Geliebte,

3) wie auch das Greisenalter sich dem Herrn darstellen darf zum seligen Heimgang.

Schaut das an dem edlen Greisenpaar dort im Tempel, an dem silberhaarigen Simeon und der 84 jährigen Hanna. Schaut wie sie dem Herrn sich darstellen zum letzten Tagewerk und zum friedlichen Heimgang.

„Sie kam nimmer vom Tempel,“ heißt's von der hochbetagten Hanna, „diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.“ Zum Arbeiten waren ihre alten Hände zu steif geworden, aber zum Beten kann sie sie immer noch brauchen. In der Welt war sie unnütz und vielleicht unwert geworden, aber im Hause Gottes hatte sie ein Plätzlein, das ihr Niemand streitig machte. Den Mann ihrer Jugend hatte sie längst begraben und die Gespielen ihrer Kindheit alle überlebt, aber der beste Freund war ihr geblieben, ihr Herr und Gott, der war nun ihr täglicher Umgang, Ihm lebte sie nun ganz allein. Gottes Wort zu hören, auf eine selige Ewigkeit sich vorzubereiten, das war nun ihr einziger Beruf, ihr letztes Tagewerk. Und nun seht jenen Simeon ihr zur Seite. Er hat lebenslang gewartet auf den Trost Israel, sein Haar ist grau geworden, Jahr um Jahr ist hingegangen, der Weltlust ist er längst abgestorben, aber die Hoffnung auf den Herrn und Sein Heil, die ist in ihm lebendig geblieben, die hat sein Herz jung und frisch erhalten, dass er nicht dahinfiel in der Schwachheit des Alters, „denn ihm war eine Antwort worden vom heiligen Geist, er sollte den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christ des Herrn gesehen.“ Und als er nun das göttliche Kind auf den Armen hält, als ihm der Geist sagt: „der ist's, welchen Gott bereitet hat vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis des Volks Israel“ da macht ihn die Freude wieder jung, da lobt er Gott, da weissagt er von dem Kinde, da segnet er dessen Eltern, da wird er ein Prediger, Priester und Prophet noch hart am Rande des Grabes, und mit ihm stimmt Hanna ein „und preist den Herrn und redet von Ihm zu Allen, die auf die Erlösung zu Jerusalem warteten.“

Da seht, wie man noch am Rande des Grabes dem Herrn leben und dienen und sich Ihm darstellen kann im heiligen Schmuck. Müder Erdenpilger, wenn du der Welt abgestorben bist und ihrer Lust, dann lass den Herrn noch deine Lust, Sein Wort deine Speise, Sein Haus deine Heimat sein. Wenn du der Welt nichts mehr nützen kannst durch deine Arbeit, dann falte deine Hände zum Beten wie Hanna, erhebe sie zum Segnen wie Simeon, und preise den Herrn für alle Barmherzigkeit und Treue, die Er an dir getan hat lebenslang, bereite dich vor auf die große Ewigkeit und teile den Deinigen Rat und Trost, Lehre und Vermahnung mit aus dem Schatz deiner Erfahrung. Das ist das schönste Tagwerk, die legte Lebensfreude für ein frommes Alter. O es ist so etwas Jämmerliches um ein gottverlassenes Alter, wenn ein Greis, der mit Einem Fuß im Grabe steht, sich mit allen zehn Fingern noch anklammert an seinen Mammon oder an die Zerstreuungen der Welt; wenn ein zahnloser Mund, der bald im Tode sich entfärben wird, noch im Lästern sein letztes Geschäft oder im Wohlleben seine letzte Freude sucht. Aber Gottlob, es ist auch heute noch da und dort in unseren Kirchen und Häusern so eine ehrwürdige Simeons- und Hannagestalt zu sehen, die mit Ehren ihr graues Haar trägt und fröhlich im Silberschmuck dem Herrn sich darstellt zum letzten Tagewerk und zum seligen Heimgang.

„Herr, nun lässt Du Deinen Diener im Frieden fahren, wie Du gesagt hast, denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen.“ So lautet Simeons schöner Schwanengesang. Ja wer im Leben sich seinem Gott zum Dienste dargestellt, der darf auch im letzten Stündlein sich Ihm getrost zur Verfügung stellen: „Herr, wie Du willst, so schick's mit mir im Leben und im Sterben.“ Wer hienieden seinen Heiland gefunden, mit Augen des Glaubens Ihn geschaut, mit Armen der Liebe Ihn umfangen hat, der hat den Zweck seines Lebens erreicht, der darf im Frieden hinfahren und eingehen vom Glauben zum Schauen, vom Vorhof ins Heiligtum. Solch seligen Heimgang schenk auch uns einst, o Herr. Ob wir alt werden sollen wie Simeon und Hanna, steht in Deiner Hand; aber lass uns nur wie sie Dich im Glauben suchen und finden, Dir in Liebe und Gehorsam dienen, Dir uns darstellen im heiligen Schmuck der Unschuld und Gerechtigkeit. Lass uns leben in Deiner Furcht, dann können wir auch sterben in Deinem Frieden;

Dann wird's auch uns gelingen, Dass einst wie Simeon
Wir sterbend dürfen singen Den süßen Schwanenton:
Mir werden nun im Frieden Die Augen zugedrückt,
Dieweil ich schon hienieden Den Heiland hab erblickt. Amen.

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