Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 11. Predigt am Bartholomäusfeiertag.

Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 11. Predigt am Bartholomäusfeiertag.

(1848.)

Marc. 3, 31-35.
Und es kam die Mutter Jesu und seine Brüder und stunden draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. (Und das Volk saß um ihn.) Und sie sprachen zu ihm: siehe, deine Mutter und deine Brüder draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah rings um sich auf die Jünger, die um ihn im Kreis saßen, und sprach: siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder. Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Es hat etwas gar Liebliches, wenn wir große und berühmte Männer, die durch ihren Beruf, durch ihre Taten, durch ihre Tugenden der ganzen Welt angehören, auch einmal beobachten und belauschen dürfen im stillen Kreis ihrer Familie, in ihrem Umgang mit Weib und Kind. So wenn wir von jenem guten König von Frankreich, Heinrich IV., lesen, dass ihn einer seiner Minister einmal antraf, auf dem Boden sitzend und mit seinem Kinde spielend; oder wenn wir von dem großen Glaubenshelden Luther vernehmen, wie er nach seinem ernsten Tagewerk, da er sich mit Kaiser und Papst herumgestritten, am Abend als ein guter Hausvater sich zu Weib und Kind hinsetzte und ein frommes, fröhliches Lied mit ihnen zur Laute sang, oder wenn wir die herzlichen, lieblichen Briefe lesen, die er mitten unter den ernstesten Geschäften an seine herzliebe Hausfrau oder an sein Söhnlein Johannes geschrieben. Diese starken Helden und großen Männer werden uns da menschlich näher gerückt, wir fühlen, sie sind unseres Gleichen, Fleisch von unserem Fleisch und Bein von unserem Bein.

So ist es uns denn auch besonders merkwürdig, den größten Helden der Menschheit, den, vor dessen Namen sich alle derer Knie beugen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, zu betrachten im Verhältnis zu seinen Blutsfreunden, zu Mutter und Pflegevater, zu Bruder und Schwester, Ihn zu beobachten als gehorsames Kind, als zärtlichen Sohn, als liebreichen Freund und Bruder. Aber da will es uns manchmal vorkommen, Sein Herz sei zu weit, Sein Beruf zu groß gewesen, als dass er noch Raum gehabt hätte für den Gedanken an Vater und Mutter, an Bruder und Schwester; da will uns der, welcher lauter Liebe und Erbarmen ist gegen die fremdeste Seele, gegen den verlorensten Sünder, oft fast hart erscheinen im Benehmen gegen Seine Allernächsten, wenn Er auf der Hochzeit zu Kana eine zarte Bitte seiner Mutter zurückweist mit den herben Worten: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? oder wenn Er, wie hier in unserem Evangelium, Seine Mutter und Seine Brüder nicht kennen, nicht vor sich lassen will.

Wie haben wir das zu reimen mit Seiner Freundlichkeit und Leutseligkeit? Gelten denn in Seinen heiligen Augen die ersten, natürlichsten, zartesten Bande nichts, die Bande des Bluts? Lasst uns das näher erwägen, lasst uns nach Anleitung unseres Textes unter Gottes Beistand die Frage beantworten:

Was gelten im Reich Gottes die Bande des Bluts?

Wir sehen:

1) sie sollen geheiligt werden im Reich Gottes durch den Geist des Herrn;
2) sie müssen zurückstehen im Reich Gottes gegen die Sache des Herrn;
3) sie können ersetzt werden im Reich Gottes durch die Gemeinschaft im Herrn.

Jesu, meine Ruh,
Ew'ge Liebe Du!
Dein ist all mein Tun und Wallen,
Nichts als Du soll mir gefallen,
Ew'ge Liebe Du, Jesu meine Ruh! Amen.

Was gelten im Reich Gottes die Bande des Bluts?

1) Sie sollen geheiligt werden durch den Geist des Herrn.

Durch den Geist des Herrn erst bekommen sie die rechte. Bedeutung und den rechten Segen.

Man hat es dem Christentum von alten Zeiten an bis auf diesen Tag teils zum Lobe, teils zum Vorwurf nachgesagt, dass die Bande des Bluts ihm nichts gelten; wer ein rechter Christ sein wolle, der müsse sich von allen menschlichen Banden losschälen, der könne kein zärtlicher Vater, kein hingebender Gatte, kein patriotischer Bürger sein. Gottes Freund und aller Welt Feind! sei da der Wahlspruch. Und wenn man den Heiland selbst in unserem Text, als Seine Mutter und Seine Brüder nach ihm fragten, sagen hört: „wer ist meine Mutter und meine Brüder?“ da könnte man fast meinen, Sein Herz sei zu himmlisch gewesen, um irgend durch irdische Bande gefesselt zu werden, im Reich Gottes gehe es so geistlich her, dass die Gefühle des Bluts da nichts mehr gelten. Aber dem ist nicht also. Auch hier gilt das Wort des Herrn aus der Bergpredigt: ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Oder wer ist ein gehorsameres Kind gewesen, als Er, von dem es heißt: Er war Seinen Eltern untertan? Wer ein zärtlicherer Sohn, als Er, der vom qualvollen Kreuz herab noch sterbend für Seine Mutter sorgte? Wer ein wärmerer Vaterlandsfreund, als Er, der Tränen heiligen Mitleids geweint um das undankbare Volk, das ihn verstieß?

Nein, nicht aufgelöst werden im Reich Gottes die Bande des Bluts, sondern nur geheiligt durch den heiligen Geist. Durch den Geist des Herrn erst bekommen sie ihre rechte hohe Bedeutung. Oder wird nicht das beste, das gehorsamste, das dankbarste Kind dasjenige sein, das mit frommem Sinn in seinen Eltern Stellvertreter sieht des höchsten Gottes, des himmlischen Vaters? Wird nicht der treueste Gatte der sein, der nach dem Worte der Schrift den Ehestand als einen heiligen, vom Schöpfer selbst im Paradiese eingesetzten Stand betrachtet und seinen Bund am Altar geschlossen hat im Aufsehen zum Gott der Liebe? Wird nicht der beste Vater der sein und das die zärtlichste Mutter, die ihr Kind im Glauben ansehen als ein heiliges Pfand vom himmlischen Vater ihnen geliehen, damit sie's Ihm erziehen und tüchtig machen für Sein himmlisches Reich? Wird nicht der der beste und gewissenhafteste Bürger sein, der nicht Menschen bloß, sondern Gott und seinem Heilande dient in Ausrichtung seines Berufs und in Erfüllung seiner Pflichten? Nein, der rechte Christ hört nicht auf, ein Mensch, ein Gatte, Vater, Freund, Bürger zu sein, er wird gerade erst ein ganzer, rechter Mensch, Gatte, Vater, Freund und Bürger; das Christentum, die Religion der Liebe, tötet nicht ab die natürlichsten und zartesten Liebesbande, die der Schöpfer in unsere Brust gepflanzt, sondern es gibt ihnen erst die rechte Kraft und Weihe.

Und gibt ihnen den rechten Segen. Lasst zwei Ehepaare in die Ehe treten mit dem gleichen Vermögen, mit den gleichen Kräften Leibs und der Seele, mit der gleichen Liebe, aber das eine Paar im eitlen Weltsinn ohne Glauben und Christentum, das andere verbunden in dem Herrn wo, meint ihr, wird mehr Segen, mehr Frieden, mehr Freude im Hause sein? O gewiss, wo man den Herrn mit einziehen lässt ins Haus, den himmlischen Freudenstifter und Segenspender. Vergleiche jene beiden Häuser, wann du willst. Besuche sie in glücklichen Tagen: dort wirst du Übermut finden und Leichtsinn, hier eine ruhige Freude in dem Herrn, da man die Gaben Gottes mit Danksagung genießt. Sprich bei ihnen ein in der Trübsal: dort wirst du murrende, verzagende, trostlose Leute finden, die vergehen in ihrem Elende; hier wirst du wohl auch nasse Augen treffen und gebeugte Herzen, aber auch Augen, die gläubig aufblicken zum Vater, Herzen, die stille sind in Gott, Hände, die sich falten im Gebet, Lippen, die da gelassen sprechen lernen: der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt. Sieh' nach dem Tagwerk in beiden Häusern: dort ein unruhig Dichten und Trachten, ein eitles Rennen und Jagen nach irdischen Dingen, ein törichtes Reichwerden-wollen: hier ein ruhiger Fleiß, eine fromme Treue, belohnt vom Segen des Herrn. Sieh nach ihren Kindern: dort Kinder, nur im Weltsinn erzogen, oder gar an Seele und Geist verwahrlost und durch böses Beispiel verdorben, die den Eltern zuletzt oft mit Kummer und Herzeleid lohnen; hier dagegen Kinder, auferzogen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn, der Eltern Freude und Krone.

Und wie es in einem Hause ist, so ist's bei einem ganzen Volk. Der Geist des Herrn, der Sinn Christi, der bringt erst den rechten Segen zu den Banden des Bluts. Darum nichts Besseres können wir unserem teuren Vaterland erflehen, als dass der Geist des Glaubens, der fromme Sinn der Väter unter uns lebendig bleibe. Nichts Besseres können wir in unsere Ehen, zu unserer Kinderzucht, zu unsern Freundschaften, zu allen unsern menschlichen Verbindungen wünschen, als die Furcht des Herrn, den Geist Christi. Denn auch hier gilt's: wer Gottes Willen tut, mit mir verbunden ist in der Furcht und Liebe des Herrn, der ist doppelt mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

O selig Haus, wo Mann und Weib in Einer, In Deiner Liebe Eines Geistes sind; Als Beide Eines Heils gewürdigt, Keiner im Glaubensgrunde anders ist gesinnt; Wo Beide unzertrennbar an Dir hangen In Lieb und Leid, Gemach und Ungemach, Und nur bei Dir zu bleiben stets verlangen An jedem guten wie am bösen Tag.

Nur bei dir - ja gälte es selbst von Allem, vom Liebsten sich loszureißen um Seinetwillen, nur bei dem Herrn! Das führt uns aufs Andere:

2) Die Bande des Bluts müssen auch im Reich Gottes zurückstehen gegen die Sache des Herrn.

Sie dürfen uns nicht abführen von Gottes Wegen, und sie dürfen uns nicht träge machen für höhere Pflichten.

Sie dürfen uns nicht abführen von Gottes Wegen. Als Petrus den Herrn, der den Jüngern Sein Leiden und Sterben ankündigte, anfuhr mit den ängstlichen Worten: schone Dein selbst, das widerfahre Dir nur nicht! da sprach der Herr voll heiligen Unwillens: du bist mir ärgerlich, Satan, du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Und als demselben Petrus hernachmals die Väter des Volkes verbieten wollten, nicht mehr zu predigen im Namen des Herrn, da antwortete er: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Ja, und wären's die nächsten und liebsten Menschen, wär's Vater oder Mutter, wär's Bruder oder Schwester, wär's Mann oder Weib, was dich abführen will von Gottes Wegen: wer Vater und Mutter, Bruder und Schwester mehr liebt als den Herrn, der ist Sein nicht wert. Es ist bitter und schneidet ins Herz, wenn eine herzliche Liebe, eine treue Menschenfreundschaft aufhören soll um Gottes willen, wenn das scharfe Wort des Herrn sich erfüllt: ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert, denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater und die Tochter wider ihre Mutter und die Schnur wider ihre Schwieger. Wenn ein frommes Kind mit Schmerzen inne wird: mein Vater tut nicht, was recht ist vor Gott, ich kann mir ihn nicht mehr zum Muster nehmen in Allem, was etwa eine Tugend, etwa ein Lob ist; wenn ein gottesfürchtig Weib die Wahl hat: entweder ihres Mannes Zorn erregen oder von der Kirche wegbleiben und ihr Gebetbuch verstecken; wenn ein Freund einsieht: entweder ich muss meinem Freund, meinem Herzensfreund, absagen, mit dem ich von Kind auf Freud und Leid geteilt, oder ich muss meinem Gott absagen und meinem Gewissen Gewalt tun: das Alles tut weh, und wir können als Boten des Evangeliums des Friedens nur mit dem Apostel sagen: ist es möglich, so viel an euch ist, haltet mit allen Menschen Frieden. Aber ist's nicht mehr möglich, ist's wider Gott und Gewissen, dann in Gottes Namen lass fahren dahin, dann gilts: Gott mehr gehorchen als den Menschen. Sollte hier unter uns so ein unglücklich Weib sein, dem der Mann verbieten wollte, zu beten, zur Kirche zu gehen, der Armen zu pflegen, Gott zu dienen, der gebieten wir im Namen Christi: in Sanftmut und Demut tue, was der Herr dich heißt, bete du getrost fort, bete trog deinem Mann, bete vor Allem für deinen Mann. Sollte hier so ein armes Kind sein, dem seine Eltern statt Vorbilder des Guten vielmehr Verführer wären zum Bösen, dem sagen wir: gehorche Gott mehr als den Menschen; begegne deinem Vater und deiner Mutter mit Ehrerbietung nach wie vor, tu' ihnen zu Gefallen, was du kannst und darfst, aber wo du nicht darfst, wo es gegen Gott und dein Gewissen geht, da bitte sie und müsstest du mit Tränen und auf den Knien sie bitten: das verlangt nicht von mir, und bitte Gott auf deinen Knien für sie, dass Er ihnen das Herz wolle wenden! mach' es nicht wie die Tochter der Herodias, die dem blutigen Rat ihrer bösen Mutter folgte! mach es wie Jonathan, der gut machte an David, was sein finsterer Vater gedachte böse zu machen. Sollte es je einmal dahin kommen es ist Gottlob noch lange nicht so weit auch in diesen Zeiten gewaltiger Erschütterung, und Gott wird's in Gnaden verhüten für alle Zukunft aber sollte es dahin kommen, dass man von Menschenwegen uns unsern Glauben nehmen, unser Christentum verbieten wollte, dann wäre es wieder an der Zeit, hinzustehen und mit Petrus zu sprechen: wir können's ja nicht lassen, und mit Luther zu sagen: hier steh' ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Wo der Geist Gottes treibt, da darf Fleisch und Blut nicht mehr mitsprechen; wo es das ewige Leben gilt, da müssen zeitliche Rücksichten schweigen. Die Bande des Bluts müssen zurückstehen hinter Gottes Sache, sie dürfen uns nicht abführen von Gottes Wegen. Und sie dürfen uns auch nicht träge machen für höhere Pflichten.

Jesu Mutter und Jesu Brüder wollten ihn gewiss zu nichts Bösem verleiten, als sie, Ihn abriefen von Seiner Predigt; es wäre Ihm wohlbekommen ein Stündlein Ruhe in ihrer Mitte. Aber das Volk saß um Ihn her, Sein armes Volk, das wie die Schafe war, die keinen Hirten haben, Sein geliebtes Volk, das Ihm vom Vater übergeben war, es zu speisen mit seinem göttlichen Evangelium; das war jetzt Seine Familie, für die Er sorgen musste; das war jetzt Sein Tagewerk, zu wirken, so lang es Tag war, ehe die Nacht kam, da Niemand wirken kann - und Er blieb. Diese höhere Pflicht ging vor. So hatte Er's als Kindlein gehalten, da Seine Mutter ihn suchte: wisst Ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist? So hielt Er's im Eifer Seines Amtes, als Seine Jünger Ihm Speise brachten zum Jakobsbrunnen und Er antwortete: Meine Speise ist die, dass ich den Willen tue des, der mich gesandt hat. So hielt Er's bis in Sein Leiden und in seinen Tod hinein: ob auch ein Schrecken durch Seiner Jünger Herz, ein Schwert durch Seiner Mutter Seele ging, als er am Kreuze blutete: keine Bande des Bluts und menschlicher Freundschaft durften ihn abhalten von höheren Pflichten. So haben's auch seine Jünger gehalten: kein Petrus hätte Alles verlassen, kein Paulus hätte die Schmach Christi auf sich genommen, kein Missionar wäre unter die Heiden gereist, kein Luther wäre nach Worms gegangen, wenn sie sich besprochen hätten mit Fleisch und Blut, wenn Weibestränen und Freundesbitten mehr vermocht hätten als der Ruf des Herrn.

Nein, meine Lieben, wo's die Sache des Herrn gilt, da muss auch das Liebste auf Erden zurückstehen, wo's Gott fordert, da müssen wir auch das Teuerste können verlassen und hergeben. Zumal in großen Entscheidungszeiten, da gilt's, mit solchem Verleugnungssinn gewappnet sein, da darf kein süßes Herzensband, kein weichlich Gefühl uns aufhalten, unser Angesicht stracks gen Jerusalem zu. wenden, da muss man mancher ruhigen Stunde, mancher erlaubten Freude, mancher süßen Gewohnheit absagen im Dienste des Herrn. Da muss der Mann sich losreißen können von Weib und Kind, wohin die Pflicht ihn ruft, da muss auch das Weib eine Heldin werden und Mann und Kind dem Herrn können zum Dienst übergeben, wie jene heldenmütige Mutter zur Makkabäerzeit, als sie ihre sieben Söhne sterben sah unter ihren Augen und vermahnte sie noch selber zum Märtyrertod. Von solchem Verleugnungssinn wolle der Herr zu dieser ernsten, schweren Zeit auch in unsere schwachen Herzen etwas pflanzen durch seinen heiligen Geist; Herr, erheb die matten Kräfte, Dass sie sich doch reißen los, und durch alle Weltgeschäfte Durchgebrochen flehen bloß; Weg mit Menschenfurcht und Zagen, Weichheit, Vernunftbedenklichkeit, Fort die Scheu vor Schmach und Plagen, Weg des Fleisches Zärtlichkeit.

Solche Verleugnung bleibt ja nicht unbelohnt; denn, meine Lieben,

3) die Bande des Bluts können ersetzt werden im Reich Gottes durch die Gemeinschaft des Geistes;

die führt uns andere Freunde zu und andere Freuden zum Ersatz.

Andere Freunde. Da seht den Herrn an in unserem Evangelium mitten unter Seinem Volk und Seinen Jüngern. „Und Er sah rings um die Jünger, die um Ihn im Kreise saßen, und sprach: siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder. Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ wie reich fühlt er sich im Besitz dieser Freunde, die Er sich selbst gewonnen! Er hat Vater und Mutter verlassen; um den Willen zu tun Seines Vaters im Himmel; aber dafür hat Er das Zeugnis gehabt vom himmlischen Vater: das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe. Er hat kein Haus gehabt und keinen heimatlichen Herd, sich von der Liebe einer Gattin pflegen zu lassen und Kindlein zu herzen; aber an Freunden, die Ihm nachfolgten auf allen Seinen Wegen, an Jüngerinnen, die sich freuten, Ihm zu dienen und Seine Füße zu waschen, an Weinenden unter Seinem Kreuz, an Trauernden über Seinem Grab hat's Ihm darum nicht gefehlt. Diese frommen Seelen, die Er um sich sammelte durch Sein Wort, das war Seine Familie; die Herzen, die Er für den Himmel gewonnen, das waren Seine Kinder. Er hat sich müssen ausstoßen lassen von Seinem eigenen geliebten Volk, aber dafür hat er ein Volk um sich gesammelt aus allen Heiden und Völkern und Zungen, das ihm huldigt und dient als Seinem himmlischen König von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ja, meine Lieben, die Gemeinschaft im Geist gibt Ersatz auch für das Süßeste auf Erden, für die Bande menschlicher Liebe und Freundschaft. Es ist freilich ein herber Verlust und eine Entbehrung, die einem Lebenslang nachgeht, wenn ein Kind Mutterliebe und Vatertreue entbehren soll - aber dennoch, der Glaube gibt überschwänglichen Ersaß, dennoch ist kein Waisenkind so arm und verlassen, das wir nicht dürfen gen Himmel weisen und sprechen: dort hast du einen Vater, den rechten Vater über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden; dort wacht über dir eine mehr als mütterliche Liebe, die Liebe dessen, der da spricht: und ob auch eine Mutter ihres Kindleins vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Es ist freilich ein betrübter Stand um den Witwenstand, wenn das verlassene Weib weint um den Mann ihrer Jugend, um den Freund ihres Herzens, um die Stütze ihrer Schwachheit; aber selig auch sie, wenn sie im Glauben sich hält an den besten Herzensfreund, an den treuesten Berater, an ihren Herrn Jesum Christum. Es mag freilich manches einsame Herz mit Wehmut hinblicken auf den Nachbar, der von fröhlichen Kindern umblüht ist, die ihm seines Lebens Abend erheitern; aber weißt du nicht, dass du dir auch im Geiste Kinder erziehen kannst, wenn du Seelen erbauest durch Wort und Wandel, Herzen gewinnst für Gott und Sein Reich, so wie ein Paulus, ein Johannes ihre Christen, die sie gewonnen, ihre lieben Kindlein heißen in ihren Briefen? Es ist freilich bitter, ohne Freund und Vertrauten einsam zu stehen in der Welt; aber es ist doch süß, wenn man sich als ein Glied weiß in der großen Gemeinschaft der Heiligen, verbunden im Geist mit allen denen, die den Herrn lieb haben, und sich sagen darf: Wer in der weiten Welt Gottes Willen tut, an Christum glaubt, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. Es ist freilich wehmütig, wenn Freund um Freund uns wegstirbt und wir immer einsamer stehen in der Welt; aber es ist auch ein seliger Trost, sich dann in Hoffnung zu freuen auf die leuchtende Versammlung seliger Geister droben im himmlischen Jerusalem, auf die Menge vieler tausend Engel und auf die Gemeinde der Erstgeborenen und auf die Geister der vollendeten Gerechten und aufs Antlitz Gottes und auf Jesum, den Mittler des neuen Testaments. Das sind ja Freundschaften, durch die jede Erdenfreundschaft uns aufgewogen wird tausendfach!

Und da fehlt's dann auch nicht an Freuden, womit im Reich Gottes die Freuden menschlichen Umgangs ersetzt werden. Statt der Stimme von Vater und Mutter das Wort Gottes; statt dem Gespräch mit einem menschlichen Freunde das Gespräch des Herzens mit Gott, das Gebet; statt einem eigenen Hause das Haus des Herrn, wo man am liebsten daheim ist; statt irdischer Lust die Speise, den Willen zu tun des Vaters im Himmel; statt menschlicher Freundschaft die Seligkeit, ganz dem Herrn zu gehören; statt weltlicher Sorgen für sich und die Seinen die Ruhe einer in Gott zufriedenen Seele; bei irdischer Entbehrung himmlische Hoffnung und am Abend des Lebens der Trost: ich habe einen guten Kampf gekämpft; und drüben das weiße Kleid derer, die gekommen sind aus großer Trübsal, und die Krone der Überwinder und die Gesellschaft aller Gotteskinder. D Herr, nimm uns Alles, wenn's sein muss auf Erden, und schenk uns nur Dich dafür und die selige Gemeinschaft Deines Geistes und Dein ewiges himmlisches Reich.

Herr, erhöre,
Ich begehre Nichts als
Deine freie Gnad,
Die Du gibest,
Wo Du liebest,
Und man Dich liebt in der Tat,
Lass Dich finden,
Lass Dich finden,
Der hat Alles, der Dich hat. Amen.

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