Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 107.

Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 107.

(1) Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewig. (2) Sagt, die ihr erlöst seid durch den Herren, die er aus der Not erlöst hat; (3) Und die er aus den Ländern zusammengebracht hat, vom Aufgang, vom Niedergang, von Mitternacht und vom Meer; (4) Die irre gingen in der Wüste, in ungebahntem Wege, und fanden keine Stadt, da sie wohnen konnten, (5) Hungrig und durstig, und ihre Seele verschmachtet; (6) Und sie zum Herrn riefen in ihrer Not, und er sie errettete aus ihren Ängsten, (7) Und führte sie einen richtigen Weg, dass sie gingen zur Stadt, da sie wohnen konnten: (8) Die sollen dem Herrn danken um seine Güte, und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut, (9) Dass er sättigt die durstige Seele, und füllt die hungrige Seele mit Gutem. (10) Die da sitzen mussten in Finsternis und Dunkel, gefangen im Zwang und Eisen; (11) Darum, dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen waren, und das Gesetz des Höchsten geschändet hatten; (12) Darum musste ihr Herz mit Unglück geplagt werden, dass sie dalagen, und ihnen niemand half; (13) Und sie zum Herrn riefen in ihrer Not, und er ihnen half aus ihren Ängsten, (14) Und sie aus der Finsternis und Dunkel führte, und ihre Bande zerriss: (15) Die sollen dem Herrn danken um seine Güte, und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut, (16) Dass er zerbricht eherne Türen, und zerschlägt eiserne Riegel. (17) Die Narren, so geplagt waren um ihrer Übertretung willen, und um ihrer Sünde willen, (18) Dass ihnen ekelte vor aller Speise, und wurden todkrank; (19) Und sie zum Herrn riefen in ihrer Not, und er ihnen half aus ihren Ängsten; (20) Er sandte sein Wort, und machte sie gesund, und errettete sie, dass sie nicht starben: (21) Die sollen dem Herrn danken um seine Güte, und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut; (22) Und Dank opfern, und erzählen seine Werke mit Freuden. (23) Die mit Schiffen auf dem Meer fuhren, und trieben ihren Handel in großen Wassern; (24) Die des Herrn Werke erfahren haben, und seine Wunder im Meer, (25) Wenn er sprach, und einen Sturmwind erregte, der die Wellen erhob, (26) Und sie gen Himmel fuhren, und in den Abgrund fuhren, dass ihre Seele vor Angst verzagte, (27) Dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener, und wussten keinen Rat mehr; (28) Und sie zum Herrn schrien in ihrer Not, und er sie aus ihren Ängsten führte, (29) Und stillte das Unwetter, dass die Wellen sich legten, (30) Und sie froh wurden, dass es stille geworden war, und er sie zu Lande brachte nach ihrem Wunsch: (31) Die sollen dem Herrn danken um seine Güte, und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut, (32) Und ihn bei der Gemeine preisen, und bei den Alten rühmen. (33) Die, welchen ihre Bäche vertrocknet, und die Wasserquellen versiegt waren, (34) Dass ein fruchtbares Land nichts trug, um der Bosheit willen derer, die darinnen wohnten; (35) Und er das Trockene wiederum wasserreich machte, und im dürren Lande Wasserquellen; (36) Und die Hungrigen dahin gesetzt hat, dass sie eine Stadt zurichteten, da sie wohnen könnten, (37) Und Äcker besäen, und Weinberge pflanzen möchten, und die jährlichen Früchte kriegten; (38) Und er sie segnete, dass sie sich sehr mehrten, und ihnen viel Vieh gab. (39) Die, welche niedergedrückt und geschwächt waren von dem Bösen, der sie gezwungen und gedrungen hatte; (40) Da Verachtung auf die Fürsten geschüttet war, dass alles irrig und wüste stand; (41) Und er den Armen schützte vor Elend, und sein Geschlecht wie eine Herde mehrte. (42) Solches werden die Frommen sehen, und sich freuen; und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden. (43) Wer ist weise und behält dies? So werden sie merken, wie viele Wohltat der Herr erzeigt.

„Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet.“ Dieses goldene Davidswort aus dem 68. Psalm ist sozusagen das Thema, welches in dem eben verlesenen 107. Psalm mit lieblichen Variationen auf der Harfe begleitet und weiter ausgeführt wird. Ohne Zweifel stammt dieser schöne Psalm aus der Zeit, wo das Volk Israel soeben es recht herrlich erfahren hatte: „Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet“; nämlich nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Da ermuntert nun der Psalmist nicht nur sich selbst und sein Volk zum Preise des Gottes, der so Großes an ihnen getan, mit dem schönen Aufruf, der, wie neulich bemerkt, besonders in den späten bösen Zeiten Israels oftmals zum Troste wiederkehrt: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währt ewig“; sondern alle, die jemals ähnliche Hilfe von Gott erfahren und ähnliche Erlösung erlebt haben in allerlei Nöten, sei es vorher oder nachher, sie alle ruft er auf, miteinzustimmen in dieses Lob Gottes als des großen Helfers, Retters und Erlösers.

Auch uns, Geliebte, gilt dieser Aufruf. Denn auch wir haben diese Wunderhilfen Gottes schon erfahren und unter uns allen ist gewiss kein einziges, in dessen Leben, habe es dreißig oder fünfzig oder siebzig Jahre jetzt gedauert, der Herr nicht manches Denkmal seiner schützenden Gnade und helfenden Allmacht gestiftet hätte; keines, das es nicht aus eigener zehnfältiger, ja hundertfältiger Erfahrung bezeugen könnte: „Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet.“ So wollen denn auch wir nicht schweigen von alledem, was der Herr Großes an uns getan, und wenn es einst im Himmel, wie ein frommer Lehrer sagt, zu den seligsten Unterhaltungen der Seligen gehören wird, miteinander zu reden und einander zu erzählen von allen Gnadenführungen und Wunderwegen des Herrn, die er mit einem jeglichen besonders gegangen, so ist es schon hienieden ein himmlisches Geschäft und ein seliger Genuss, die großen Taten Gottes zu preisen, die er an uns getan. Und wenn wir unter der Last unseres Kreuzes und unter dem Druck mannigfaltiger Sorgen oft kleinmütig zagen wollen, so können wir ja unsern Mut nicht besser aufrichten und unsern Glauben nicht besser stärken, als wenn wir uns erinnern an so manche Wunderhilfe Gottes, die er von altersher an den Seinen, ja die er von jeher auch an uns selber schon getan hat, damit wir aufs neue ins Herz fassen den Hiobstrost: „Aus sechs Trübsalen wird er dich erretten und in der siebenten wird dich kein Unglück rühren.“ (Hiob 5, 19.) Also:

„Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet.“

Diesen goldenen Trostspruch wollen wir von unserem Psalm uns wieder recht kräftig in unser verzagtes Herz hineinsingen lassen. Es sind sechs Variationen, wenn ich so sagen darf, die in unserem Psalm über dieses Thema gespielt werden; es werden sechserlei Trübsale genannt, aus denen der Herr die Seinigen errettet hat und noch immerdar errettet. Zuerst:

V. 1-2 wird gleichsam zum Vorspiel ein fröhlicher Griff in die Harfe getan und zum Lobe Gottes ermuntert, V. 1: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währt ewig.“ Und wofür besonders sollen wir ihm danken? wodurch vorzüglich beweist er seine Güte? durch Hilfe in der Not, durch Erlösung aus allerlei Trübsal. V. 2: „Sagt, die ihr erlöst seid durch den Herrn, die er aus der Not erlöst hat.“ Nun werden sechs Trübsale aufgezählt, aus denen er errettet hat und noch immerdar errettet.

1)

Die erste Trübsal ist die, aus welcher damals gerade das Volk Israel herkam mit Gottes Hilfe: das Elend der Fremdlingschaft und Pilgrimschaft, V. 3-9.

V. 3: „Die er aus den Ländern zusammengebracht hat, vom Aufgang, vom Niedergang, von Mitternacht und vom Meer.“ Siebzig Jahre lang waren sie Gefangene gewesen im fremden Heidenland, sie saßen an den Wassern zu Babylon und weinten, wenn sie an Zion gedachten, und ihre Harfen hingen müßig an den Weiden und niemand hatte Mut und Lust, in die Saiten zu greifen zu einem fröhlichen Psalm das waren schwere Jahre der Fremdlingschaft und bittere Zeiten des Heimwehs. Und auch als endlich die Stunde der Erlösung schlug und sie heimkehren durften ins Vaterland, da war's eine mühselige Wanderschaft:

V. 4: „Die irre gingen in der Wüste, in ungebahntem Wege, und fanden keine Stadt, da sie wohnen konnten.“ Da gab es wieder Mühsale und Beschwerden, wie einst auf dem Zug Israels aus Ägypten. Ja da mochte mancher Pilger am Wege hinsinken, wie einst Hagar in der Wüste mit ihrem Sohn Ismael:

V. 5: „Hungrig und durstig und ihre Seele verschmachtet.“ Aber rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. Das ist auch dort wahr geworden:

V. 6: „Und sie zum Herrn riefen in ihrer Not, und er sie errettete aus ihren Ängsten,“ wie er einst Hagar errettete in ihren Ängsten, da sie das Brünnlein hinter sich rauschen hörte wie den Fittich eines rettenden Engels.

V. 7: „Und führte sie einen richtigen Weg, dass sie gingen zur Stadt, da sie wohnen konnten.“ Endlich kamen sie wieder zur Ruhe im lieben Land, in der Stadt des Herrn. Und wenn sie auch anfangs nur einen Schutthaufen fanden, wo einst die herrliche Stadt Davids und Salomos gestanden, sie waren doch wieder auf heimatlichem Boden. Und als nun nach unsäglicher Mühe und langen Kämpfen mit bösen Nachbarn endlich Jerusalems Mauern wieder gebaut und die Zinnen des neuen Tempels wieder aufgerichtet waren, da hieß es wohl von den Fremdlingen und Pilgrimen, die der Herr so gnädig heimgeführt hatte:

V. 8. 9: „Die sollen dem Herrn danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut, dass er sättigt die durstige Seele und füllt die hungrige Seele mit Gutem.“ Geliebte, wenn wir auch von keiner solchen Fremdlingschaft zu erzählen, von keiner solchen Heimkehr zu rühmen haben, wie die Kinder Israel dort: hat nicht vielleicht doch auch da und dort eins von uns im kleinen etwas von solcher Hilfe Gottes auf mühevollen Wegen erfahren? Wären mehr Männer hier anwesend, ich würde fragen: Ist kein alter Mann da, der einst in seiner Jugend gewandert ist aufs Handwerk oder gereist in Geschäften - und Gott hat ihn behütet in irgend einer Not auf dem Wege und gnädig wieder heimgebracht, dass er heute noch davon zu erzählen weiß? oder ihr Frauen, wenn eine von euch in der Jugend dienen musste und unter fremden, vielleicht auch bösen Leuten leben, wo ihr das bittere Heimweh am Herzen nagte, und Gott hat dich endlich heimgebracht unter gute Leute, wo dir wieder wohl wurde; oder wenn eins einen Dienst und Unterkunft suchte mit Sorgen und Gott hat ihm endlich eine Türe aufgetan; oder wenn eins von uns auf der Reise in Todesgefahr geriet und wurde gnädig behütet gibt's da nicht auch von Gnade zu rühmen und für Hilfe zu danken, und wenn's auch nur kleine Nöten sind und kleine Hilfen, so man nur den Finger Gottes drin spürt, so ist alles groß und schön und dankens- und preisenswert. So las ich neulich von einem alten Pfarrer, der im Westfälischen bei einer Reise auf meilenweiter sandiger Heide mit seiner alten zerbrechlichen Kutsche verirrte. Die Nacht brach herein, kein Weg war mehr zu finden und kein Fahrgeleise zu sehen auf der weiten Heidefläche und die Verlegenheit ward immer größer von Minute zu Minute. Da ließ der alte Pfarrer halten und stieg aus und fing an zu beten unter dem dunkelnden Abendhimmel: „Lieber Herr und Gott, du hast Israel einst durch die Wüste geführt in einer Wolkensäule bei Tag und in einer Feuersäule bei Nacht und hast dem David gesagt, Psalm 32: Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst; du hast Wege aller Wegen, hilf auch uns auf den rechten Weg.“ Kaum hat der Mann Gottes Amen gesagt und sein Käpplein wieder aufs graue Haupt gesetzt, so hören sie durch die Nacht her eine helle Stimme singen:

Weg' hast du allerwegen, an Mitteln fehlt dir's nicht;
Dein Tun ist lauter Segen, dein Gang ist lauter Licht;
Dein Werk kann niemand hindern, dein Arbeit darf nicht ruhn,
Wenn du, was deinen Kindern ersprießlich ist, willst tun.1)

Ein Hirtenknabe war's, der spät noch seine Herde heimtrieb, und der ward nun ihr Führer, oder vielmehr der Herr war ihr Führer „und führte sie einen richtigen Weg, dass sie gingen zur Stadt, da sie wohnen konnten“; und als dann am Tor der Herberg der Knecht seinem alten Herrn den Wagentritt herunterließ, da sprach er: „Herr Pfarrer, nun hab ich einmal gesehen, dass Beten hilft.“ Und beim Abendbrot unterm sicheren Dach, da hieß es dann auch von diesen verirrten und zurechtgebrachten Wanderern wie in unserem Psalm, V. 8. 9: „Die sollen dem Herrn danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut, dass er sättigt die durstige Seele und füllt die hungrige Seele mit Gutem.“

2)

Die zweite Trübsal, aus welcher der Herr die Seinen errettet, sind Kerker und Bande, V. 10-16.

V. 10: „Die da sitzen mussten in Finsternis und Dunkel, gefangen im Zwang und Eisen.“ Auch solche gab's in Israel unter Hohen und Niedern, als die Gerichte Gottes hereinbrachen und das Volk weggeführt ward in die Gefangenschaft, wie König Manasse, Hiskias Sohn, von seinem Throne weg in Ketten und Fesseln nach Babel geführt ward, und zwar zur gerechten Strafe dafür, dass er übel getan hatte vor dem Herrn. Denn er und sein Volk musste leiden zur Strafe:

V. 11. 12: „Darum, dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen waren und das Gesetz des Höchsten geschändet hatten; darum musste ihr Herz mit Unglück geplagt werden, dass sie dalagen und ihnen niemand half.“ Aber als sie Buße taten im Kerker,

V. 13: „als sie zum Herrn riefen in ihrer Not, da half er ihnen aus ihren Ängsten, wie einem Manasse, ja wie er dem ganzen Volk aus der Gefangenschaft half.

V. 14: Und sie aus der Finsternis und Dunkel führte und ihre Bande zerriss.“ Da hieß es abermals im Rückblick auf die überstandene Strafzeit:

V. 15: „Die sollen dem Herrn danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut;“ und V. 16: „Dass er zerbricht eherne Türen und zerschlägt eiserne Riegel.“ Und das tut er noch allezeit; nicht nur unschuldig Gefangene kann er los und ledig lassen, wie er Josef in Ägypten aus dem Gefängnis führte, wie er dem Petrus im Kerker zu Jerusalem seinen rettenden Engel sandte. Nein auch solche, die da sitzen müssen in Finsternis, die gefangen sind in Zwang und Eisen, darum dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen sind, auch die können seine Hilfe erfahren, auch denen will er sein Gnadenlicht wieder leuchten lassen, so sie sich zu ihm bekehren von ganzem Herzen wie Manasse. O dass das die Gefangenen mehr beherzigen wollten in unsern Zuchthäusern und Strafgefängnissen, dass da so manche gefesselten Hände sich betend wollten zum Herrn erheben, dass da so manches verwilderte Herz wollte in sich gehen und umkehren zum Herrn wie der verlorene Sohn; dann kämen die Missetäter gebessert aus den Strafanstalten, statt so oft nur verderbter und schlechter als zuvor; dann würden sie auch von den Banden befreit, die schlimmer sind als eiserne Fesseln, und aus dem Kerker erlöst, der finsterer ist als die finsterste Gefängniszelle: aus den Fesseln des Lasters und aus dem Kerker der Sünde. Dass uns der Herr davon erlöst hat, dass wir einen Erlöser haben, der uns aus dem Gefängnis der Sünde erlöst, einen Durchbrecher aller Bande, der die Bande des Seelenfeinds zerrissen hat dafür, Geliebte, wollen wir allesamt, auch die wir nie im Kerker saßen und so Gott will nie ins Gefängnis kommen durch menschliches Urteil, dem Herrn danken allezeit um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.

3)

Eine dritte Trübsal, aus der er die Seinen errettet, ist Krankenlager und Siechbett, V. 17-22. Diese Kranken heißen:

V. 17: „Die Narren, so geplagt waren um ihrer Übertretung willen und um ihrer Sünde willen.“ Denn auch Krankheit ist ja manchmal, wenngleich nicht immer, Strafe begangener, vielleicht längst begangener und längst vergessener Sünden, und mit jeder Sünde, die wir tun, wird ein geheimes Krankheitsgift, ein zukünftiger Todeskeim in unsern Leib gepflanzt. - Aber wenn dann der Kranke, sei es in verschuldetem oder unverschuldetem Leiden daliegt auf seinem Schmerzenslager und kann kein menschlicher Arzt helfen und keine irdische Arznei erquicken; wenn es so steht, wie dort:

V. 18: „Dass ihnen ekelte vor aller Speise und wurden todkrank;“ und man schrie nun zum rechten Arzt:

V. 19: „Und sie zum Herrn riefen in ihrer Not, und er ihnen half aus ihren Ängsten;“ half ihnen, wie er dem Hiob half von seinem Aussatz, wie er dem Hiskia half, da er sterben sollte und zum Herrn winselte wie ein Kranich und der Herr setzte seinem Leben noch fünfzehn Jahre zu, wie er dem Gichtbrüchigen half an Leib und Seele mit den zwei großen Gnadenworten: Deine Sünden sind dir vergeben, und: Stehe auf, nimm dein Bett und wandle; wenn er so hilft, wie er auch uns schon geholfen hat; denn unter uns allen ist gewiss keines, das nicht schon auf einem Krankenlager des Herrn Hilfe erfahren hat, das nicht auch schon vom Rande des Grabes zurückgeführt ward durch Gottes allmächtige Retterhand, das nicht Gott als den rechten Arzt hätte kennen gelernt an seinem eigenen Siechbett, oder am Bette der Seinen, eines Kindes, eines Gatten, eines Vaters oder einer Mutter; dann, Geliebte, wenn es auch bei uns oder den Unsrigen hieß:

V. 20: „Er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, dass sie nicht starben;“ o dann sollten auch wir immer eingedenk bleiben der heiligen Pflicht:

V. 21: „Die sollen dem Herrn danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.“ Dann sollten wir nachher nicht Not und Hilfe so bald wieder vergessen, sondern:

V. 22: „Dank opfern und erzählen seine Werke mit Freuden;“ nach der Mahnung: Opfere Gott Dank und bezahle dem Höchsten deine Gelübde. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

4)

Eine vierte Trübsal, aus welcher der Herr errettet, heißt Sturm und Wassersnot, V. 23-32.

V. 23. 24: „Die mit Schiffen auf dem Meer fuhren und trieben ihren Handel in großen Wassern; die des Herrn Werke erfahren haben und seine Wunder im Meer.“ Nirgends wird der Mensch seine Schwachheit und Hilflosigkeit, nirgends aber auch wird er die Wunder Gottes, seine Allmacht und Größe so deutlich inne als auf dem unermesslichen Meer, wenn er da in seinem Schiff wie in einer Nutzschale hinschwimmt über dem nassen Abgrund, preisgegeben den Wellen und Winden. Und wenn nun ein Meersturm sich erhebt, wie er so anschaulich geschildert wird:

V. 25-27: „Wenn er sprach und einen Sturmwind erregte, der die Wellen erhob, und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund fuhren, dass ihre Seele vor Angst verzagte, dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener und wussten keinen Rat mehr,“ da kann man beten lernen, V. 28, und zum Herrn schreien in der Not; da kann man aber auch Gottes helfende Allmacht so wunderbar erfahren wie fast nirgends, wenn es heißt:

V. 29. 30: „Und stillte das Unwetter, dass die Wellen sich legten, und sie froh wurden, dass es stille geworden war, und er sie zu Lande brachte nach ihrem Wunsch.“ Und wenn man dann endlich nach langer gefahrvoller und mühsamer Seefahrt wohlbehalten ans Land steigt und wieder festen Boden unter den Füßen hat, sollte es dann nicht gelten bei diesen Geretteten:

V. 31. 32: „Die sollen dem Herrn danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut, und ihn bei der Gemeine preisen und bei den Alten rühmen.“ Das ist freilich insbesondere geschrieben für Meeranwohner, wie die Israeliten waren, wie noch heutigentags in großen Seestädten, z. B. Hamburg, die fromme Sitte ist, dass man in der Kirche betet für die Schiffe auf dem Meer und in der Kirche dankt, wenn ein Schiff wohlbehalten heimgekommen ist. Das ist aber auch etwas für unsere Auswanderer, die über den atlantischen Ozean fahren, und für die vielen in unserem Land, welche Brüder und Freunde auf dem Wasser oder über dem Wasser haben. O wie müssten wir da immer zittern und zagen, wüssten wir nicht, dass der heute noch lebt, der einst den Jonas wieder ans Land brachte, der den Paulus im Schiffbruch errettete und der den Sturm stillte auf dem See Genezareth, dass es ganz stille ward, und von dem auch heute noch seine Gläubigen rühmen wörtlich wie bildlich:

Nun weiß und glaub ich feste, ich rühm's auch ohne Scheu,
Dass Gott, der Höchst und Beste, mir herzlich günstig sei,
Und dass in allen Fällen er mir zur Rechten steh,
Und dämpfe Sturm und Wellen und was mir bringt Weh.2)

5)

Nun eine fünfte Trübsal, die uns näher angeht; das ist: 5) Misswachs und Hungersnot, V. 33-38. Ach, meine Lieben, erfahren wir's nicht seit einer Reihe von Jahren alljährlich mehr oder weniger:

V. 34: „Dass ein fruchtbares Land nichts trug um der Bosheit willen derer, die darin wohnten.“ Muss es nicht gerade jetzt wieder, da ein unerwarteter Frühlingsfrost die kleingläubigen Herzen schon wieder erschreckt hat, muss es da nicht unser gemeinsames brünstiges Gebet sein jeden Sonntag, jede Betstunde, jeden Morgen und jeden Abend, dass wir wieder unter Gottes gnädigem Segen möchten

V. 37. 38: „Unsere Äcker besäen und Weinberge pflanzen und die jährlichen Früchte kriegten; und er sie segnete, dass sie sich sehr mehrten und ihnen viel Vieh gebe.“ Wollen wir da nicht mit doppelter Inbrunst beten: Unser täglich Brot gib uns heute, und: Vor Seuchen und teurer Zeit, vor Hagel und Unwetter, vor Feuer und Wassersnot behüt uns, lieber Herr und Gott. Und wenn wir endlich auch von der sechsten Trübsal etwas erfahren, nämlich:

6) V. 39-42 von Hass und Gewalttat böser Menschen; wenn oft der Arme und Geringe, wie es V. 39 heißt, niedergedrückt und geschwächt wird von den Mächtigen, und der Unschuldige und Gerechte verlästert und verfolgt wird von der Bosheit, o auch dann wollen wir uns freuen, dass wir einen Freund im Himmel haben, der mächtiger ist als all unsere Feinde auf Erden, und wollen ihm danken, der auch heute noch den Armen schützen kann vor Elend und aller Bosheit das Maul stopfen wird (V. 42) früher oder später. Dann wollen wir auch (V. 43) weise sein und alles dies behalten, und wenn die siebte Trübsal kommt, dann wollen wir an die sechs denken, aus denen er uns schon errettet hat, und alle Tage im Glauben beten: Erlöse uns von dem Übel! Ja tue das, getreuer Gott und Helfer: Erlöse uns von dem Übel; lass es uns hienieden schon kindlich glauben und selig erfahren: „Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet.“ Und endlich, wenn unser Stündlein kommt, bescher uns ein seliges Ende und nimm uns in Gnaden aus diesem Jammertal zu dir in deinen Himmel.

Mach End, o Herr, mach Ende an aller unsrer Not;
Stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod
Uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein:
So gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein! 3)
Amen.

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