Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 98.
(1) Ein Psalm. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er siegt mit seiner Rechten, und mit seinem heiligen Arm. (2) Der Herr lässt sein Heil verkündigen, vor den Völkern lässt er seine Gerechtigkeit offenbaren. (3) Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel. Aller Welt Ende sehen das Heil unsers Gottes. (4) Jauchzt dem Herrn alle Welt, singt, rühmt und lobt; (5) Lobt den Herrn mit Harfen, mit Harfen und mit Psalmen; (6) Mit Trompeten und Posaunen jauchzt vor dem Herrn, dem Könige. (7) Das Meer brause, und was darinnen ist, der Erdboden, und die darauf wohnen. (8) Die Wasserströme frohlocken, und alle Berge seien fröhlich, (9) Vor dem Herrn, denn er kommt, das Erdreich zu richten. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit, und die Völker mit Recht.
Auch dieser Psalm, wie die ganze Reihe vom 91sten bis 100sten, gehört unter die sogenannten Königs- oder Reichspsalmen, in welchen Gott besungen und angerufen wird als der herrliche König seines Reiches; seines Machtreiches, wie es durchs ganze Gebiet der Schöpfung geht; seines Gnadenreiches, wie er's unter seinem Volk im alten Bunde schon gepflanzt hat und im neuen vollenden will; seines Herrlichkeitsreiches endlich, wie es am Ende der Tage aufgerichtet werden soll, wenn es im Himmel und auf Erden heißt: Das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu worden. Von dem König dieses Reiches handeln diese zehn Psalmen hintereinander. Dieses Königs Gnadenschutz wird gepriesen Psalm 91, wenn er beginnt: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“ Dieses Königs Wohltaten werden besungen Psalm 92: „Das ist ein köstliches Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster, des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen, auf den zehn Saiten und Psalter, mit Spielen auf der Harfe.“ Dieses Königs Herrlichkeit wird gerühmt Psalm 93: „Der Herr ist König und herrlich geschmückt.“ Dieses Königs Reichstribunal wird angerufen Psalm 94: Herr Gott, des die Rache ist, erscheine.“ Dieses Königs Manifest an sein Volk haben wir vernommen Psalm 95, der die Überschrift trägt: „Ruf des großen Gottes an unser Herz.“ Zu dieses Königs Lob wird die ganze Welt aufgerufen Psalm 96: „Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn alle Welt!“ Dieses Königs Namen wird verkündigt den Bösen zum Schrecken, den Guten zum Trost Psalm 97: „Der Herr ist König, des freue sich das Erdreich und seien fröhlich die Inseln, soviel ihrer ist.“ Zu dieses Königs Lob werden wir abermals aufgerufen Psalm 98 mit den Eingangsworten: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“
Am meisten Ähnlichkeit hat dieser unser Psalm mit dem 96sten, der mit eben diesen Worten beginnt; ja unser 98. Psalm ist von Anfang bis zu Ende eigentlich nur ein Nachklang und Widerhall des 96sten. Es darf uns aber darum nicht bange sein, als bekämen wir bei unserer heutigen Betrachtung nur eine Wiederholung der neulichen. Und wären's heute wieder wörtlich dieselben Verse, die wir damals betrachtet haben - es gäbe bei jedem Vers wieder Neues zu sagen und zu hören, zu denken und lernen. Denn hier zeigt sich eben die Unerschöpflichkeit und Unergründlichkeit des göttlichen Worts, die unser Luther aus eigener Erfahrung so lieblich bezeichnete, als er an einen seiner Freunde schrieb: Er habe nun seit etlichen Jahren die Heilige Schrift jährlich zweimal durchgelesen, ein Kapitel ums andere fleißig durchforscht und wie bei einem fruchttragenden Baum an jedes Ästlein und Zweiglein geklopft, ob er nicht etwa noch ein Äpfelein finde, das ihm bisher entgangen, habe auch wirklich bei jedem neuen Lesen wieder neue göttliche Gedanken und heilsame Wahrheiten entdeckt.
So wolle Gott auch uns neue göttliche Gedanken und heilsame Wahrheiten ans Herz legen, wenn wir abermals wie beim 96. Psalm den Ruf erwägen:
Singt dem Herrn ein neues Lied!
Der Psalm spricht davon:
1) Wem,
2) Von wem dieses neue Lied gesungen werden soll;
das erste V. 1-3; das andere V. 4-9.
1) Wem soll das neue Lied gesungen werden?
V. 1: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er siegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.“ Also dem Allmächtigen und Alleingewaltigen, der immer neue Wunder tut in seinem Reich, dem soll auch immer neuer Preis erschallen von seinem Volk. „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Dieser Aufruf hat freilich seine besondere Kraft und Geltung nach irgendeiner großen Gnadentat und Wunderhilfe des allmächtigen Gottes. Singt dem Herrn ein neues Lied, so hieß es zum Beispiel dort, als Gott das Volk Israel trockenen Fußes durchs rote Meer geführt und seine Verfolger in den Wogen begraben hatte; da sang Mose samt dem Volk Israel ein Siegeslied dem Herrn, und Mirjam, seine Schwester, stimmte ein mit Pauken und Reigen: „Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan. Mann und Ross hat er ins Meer gestürzt.“
Und 700 Jahre nachher, als der fromme König Hiskia den rechten Gottesdienst wieder aufrichtete in Jerusalem, die Götzenhaine ausrottete, die Bergaltäre umstürzte und in Jerusalem ein großes Passahfest hielt, wie seit Salomos Zeiten nicht mehr gefeiert worden war, und als nun wieder der heilige Opferrauch wie vor alters gen Himmel stieg aus den Höfen des Tempels und Davids Psalmen wieder auf dem Zionsberg erklangen mit Harfen und Posaunen; da hieß es auch: Singt dem Herrn ein neues Lied.
Oder abermals 700 Jahre nachher, als jenes Tempelhaus zu Jerusalem vom Brausen des Pfingstwindes erbebte und der Pfingstgeist herabfiel auf die Apostel und sie in neuen Zungen anfingen zu predigen die großen Taten Gottes und nun bald in allen Ländern ringsumher und in allen Sprachen der Heiden das süße Evangelium erscholl von Jesu Christo, dem Heiland der Welt, da hieß es auch in der Menschheit: Singt dem Herrn ein neues Lied.
Oder aber nach 1500 Jahren, als aus der Nacht des Aberglaubens und der Unwissenheit wieder das helle Licht der evangelischen Wahrheit hervorbrach, als Luther in seine Harfe griff: „Ein feste Burg ist unser Gott“; als in hundert Kirchen allerorten das neue Lied des evangelischen Glaubens erscholl, mit dem damals eine evangelische Gemeinde oft die römischen Priester von der Kanzel herab und aus der Kirche hinaussang: „Nun freut euch, liebe Christengmein“; als ringsumher mit einem neuen evangelischen Lebensfrühling auch ein neuer evangelischer Liederflor erblühte, jene Lieder und Choräle der evangelischen Kirche, die wir wie in einem schönen Blumengarten in unserem Gesangbuch beisammen haben; da hieß es auch: Singt dem Herrn ein neues Lied. Oder auch bei Wundertaten und Gnadenhilfen Gottes im äußeren Leben und weltlichen Dingen heißt es oft bei einem Volk: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ So hat man vor ein paar Wochen in München in allen Kirchen ein neues Lied, ein frohes Danklied gesungen in allen Kirchen, als Gott die furchtbare Geißel der Cholera weggetan aus Stadt und Land. So hat man anno 1817 ein neues Lied, ein fröhliches Danklied in allen Kirchen gesungen, als Gott auf die Hungerjahre fruchtbare Zeiten und wohlfeiles Brot wieder schenkte. So ist anno 1815 ein neues Lied, ein Siegeslied und Tedeum durch alle deutschen Lande erschollen, als unter Gottes Beistand unsere siegreichen Heere das Joch der fremden Tyrannei zerbrochen hatten. Da galt es auch: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er siegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.“
Aber gilt's denn auch heute, passt's denn auch auf uns, meine Lieben: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder?“ Ach, wir warten ja schon so lange vergebens auf die Wunderhilfe des Herrn und sehnen uns von Jahr zu Jahr, dass die neue bessere Zeit anbreche, und doch beginnt immer wieder das alte Lied, das Lied von Not und Jammer, von Hunger und Teuerung, und weder im Leiblichen noch im Geistlichen haben wir von Siegen zu singen und von Wundern zu rühmen. Aber Geliebte, auch dann gilt's uns dennoch: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Können wir keine neuen Wunder rühmen und keine neuen Lieder singen, so wollen wir uns der alten Gnadentaten Gottes immer aufs Neue wieder getrösten und die alten Glaubenslieder unserer Väter mit immer neuer Inbrunst singen. Das alte Lied von Gottes Gnade in Christo Jesu ist's denn nicht immer wieder groß und süß und neu für ein gläubiges Gemüt? Die alten Gnadentaten Gottes kommen sie nicht auch uns noch immer zu gut, haben wir nicht mit jedem Jahr wieder Ursache, uns ihrer zu erfreuen, wie wir jetzt, den 31. Oktober 1517, an welchem mit seinen 95 Sätzen Luther den ersten Hammerschlag zu seinem Reformationswerk tat, wieder mit neuer Freude feiern dürfen? Können wir keine sichtbaren Gnadenwunder Gottes in der äußeren Welt rühmen, so wollen wir uns seiner stillen Wunder, seiner geistlichen Mirakel freuen, die er in den Herzen immer noch tut, auch in unseren Herzen, wenn wir nur wollen, auch in betrübter Zeit, ja in der am meisten: nämlich hungrige Seelen speisen mit dem Himmelsbrot seines Wortes, tote Herzen erwecken mit dem Lebenshauch seines Heiligen Geistes, Blinde sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, Sünder selig machen - das sind Taten, bei denen man wohl rühmen darf: Der Herr tut Wunder.
Können wir keine großen Wohltaten Gottes besingen, so wollen wir seine kleinen dankbar erkennen, die jeder Tag und jede Stunde mit sich bringt; an jedem Abend, wenn wir uns mit Gottes Hilfe wieder durchgeschlagen durch des Tages Not und Mühe, darf's ja der Christ seinem Gott zu Ehren rühmen: Er siegt mit seiner Rechten. Und an jedem Morgen, wenn wir durch Gottes Gnade wieder gesund zum neuen Leben erwachen, dürfen wir uns selber ermuntern: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“
V. 2: „Der Herr lässt sein Heil verkündigen, vor den Völkern lässt er seine Gerechtigkeit offenbaren.“ Nicht nur ein Allmächtiger ist er, der Wunder tut mit seinem starken Arm, sondern auch ein Heiliger und Gerechter, der auch der Welt zu ihrem Heil seine Heiligkeit offenbart und seine Gerechtigkeit verkünden lässt. So ist er selber, der große Gott, der erste Prediger gewesen und hat mit den Erzvätern geredet und seinen heiligen Bund mit ihnen aufgerichtet. Dann hat er Mosen und die Propheten gesandt, damit sie zunächst seinem auserwählten Volk Heil und Gerechtigkeit verkündeten, jeder in seiner Art, wie ein alter Ausleger sie aufführt: Jesaias mit seinem Heilbrunnen, Jeremias mit seinem neuen Bund, Ezechiel mit seinem teuren Gotteseid, Daniel mit seiner messianischen Offenbarung, Hoseas mit seinem Seelenbräutigam, Joel mit seiner Geistesergießung, Amos mit seinem süßen evangelischen Freudenwein, Obadias mit seinem Heiligtum auf Zion, Jonas mit seinem Wallfisch, Micha mit seiner Trostpredigt, Nahum mit seinem Frieden, Habakuk mit seinem Glauben, Zephanja mit seinen freundlichen Lippen, Haggai mit seinem Heidentrost, Zacharias mit seinem Zionskönig, Maleachi mit seiner Gerechtigkeitssonne. Endlich hat er seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt, um Heil und Gerechtigkeit aller Welt zu offenbaren durch sein Wort und seinen Wandel, durch sein Leben und sein Sterben. Und die Apostel Jesu Christi sind hingegangen in alle Welt und haben das süße Evangelium und haben das heilige Gesetz Gottes gepredigt aller Kreatur. Und so lässt der Herr heute noch sein Heil verkünden und seine Gerechtigkeit offenbar werden unter allen Völkern. So lässt er auch uns täglich aufs Neue hier in seinem Haus, daheim in unserem Kämmerlein sein Heil offenbaren und seine Gerechtigkeit verkünden, unseren Geist zu erleuchten, unser Herz zu bekehren, unseren Wandel zu bessern, unsere Seelen selig zu machen; sagt, gilt's da nicht, dass wir für solche Guttaten ihm auch dankbar seien und ihm täglich dafür singen ein neues Lied des Dankes und des Gehorsams?
V. 3: „Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel. Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“ Da werden weitere Eigenschaften unseres Gottes gerühmt. Seine Gnade, womit er den Ratschluss gefasst hat zum Heile der Welt; seine Wahrheit oder Wahrhaftigkeit, womit er seinem Ratschlusse treu bleibt und alle seine Verheißungen pünktlich erfüllt ja diese Gnade und Wahrheit, wie herrlich leuchtet sie über dem Volke Gottes, dem echten Israel, durch alle Zeiten hindurch von jenem Tag an, da er's dem Abraham verhieß: In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde bis auf diese Stunde! Diese Gnade und Wahrheit Gottes, hat sie nicht auch über unserem Leben bisher geleuchtet wie ein tröstlicher Stern, der aus den finstersten Wolken immer wieder freundlich hervorblinkt? O so soll sie denn auch der feste unverrückliche Polarstern bleiben, zu dem wir aufblicken in den dunkelsten Zeiten, wie wir jetzt sie erleben, und an den wir unsere Hoffnung knüpfen für uns und alle Welt auf eine endliche Erlösung, auf eine selige Vollendung. Denn so fest Gottes Gnade und Wahrheit steht, so gewiss muss ja noch einmal erfüllt werden die tausendfach verbriefte und versiegelte Verheißung des göttlichen Worts: Aller Welt Ende sehen das Heil unseres Gottes. Ein solcher Gott und Herr, ein Allmächtiger, der Wunder tut mit seinem starken Arm; ein Heiliger und Gerechter, der seine Heiligkeit und Gerechtigkeit aller Welt verkündet; ein Gütiger und Barmherziger, der nach seiner Gnade und Wahrheit will, dass allen Menschen geholfen werde, ist der's nicht wert, dass ihm sein Volk immer wieder ein neues Lied der Anbetung singt; gilt's von dem nicht auch heute:
Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, dem Vater aller Güte,
Dem Gott, der alle Wunder tut, dem Gott, der mein Gemüte
Mit seinem reichen Trost erfüllt, dem Gott, der allen Jammer stillt;
Gebt unserem Gott die Ehre!1)
Wer soll ihm die Ehre geben?
2) Von wem soll ihm das neue Lied gesungen werden?
Davon handelt des Psalmes zweiter Teil:
V. 4: „Jauchzt dem Herrn alle Welt; singt, rühmt und lobt.“ Alle Welt soll ihm singen, denn über alle Welt erstreckt sich das Zepter seiner Allmacht und der Ratschluss seiner Liebe. Alle Kreatur soll mit Singen, mit Rühmen und Loben, d. h. in tausenderlei Sprachen und Weisen ihm die Ehre geben, denn aller Kreatur soll ja sein Heil noch offenbar werden. Freilich dieses große Ruhmkonzert der Schöpfung, diese große Weltharmonie zu Gottes Ehre lässt sich jetzt noch nicht hören. Die Welt ist ja großenteils noch blind für sein Heil, taub für sein Wort, stumm für sein Lob, und statt Harmonie hören wir nur Missklänge der Sünde, der Zwietracht, des Jammers, der Empörung durch die Welt gehen. Darum sollst du wenigstens, Volk Gottes, Gemeinde der Gläubigen, vorangehen mit dem Lobe deines Herrn und Gottes. Dir gilt:
V. 5. 6: „Lobt den Herrn mit Harfen, mit Harfen und mit Psalmen; mit Trompeten und Posaunen jauchzt vor dem Herrn, dem Könige.“ Harfen und Psalmen, Trompeten und Posaunen das waren die Hauptinstrumente bei der heiligen Kirchenmusik des alten Bundes; sie sind auch uns ein Gleichnis, wie in mancherlei geistlichen Weisen und Tönen der Herr heute noch in seiner Gemeinde kann und will gepriesen werden, bald lauter, bald leiser, bald in frohem, bald in ernstem Ton, bald aus Büchern, bald aus dem Herzen. Willst du deinen Gott mit Harfen loben, sagt ein alter Ausleger, so nimm den Psalter Davids und bete von Grund deines Herzens seine Lob- und Dankpsalmen her. Willst du Gott mit einer Posaune loben, so nimm für dich den Propheten Jesaiam und die Kapitel, darinnen er die Allmacht Gottes gewaltig herausstreichet, sonderlich das 40ste. Willst du Gott mit Trompeten loben, nimm für dich den Propheten Daniel wie er betet für das Volk und erwecke damit dein Herz zu gleicher Andacht. Gibt's nicht allemal bei dir einen starken Trompeten- oder Posaunenschall, so siehe doch nur zu, dass es an einem sanften Harfen- und Psalterspiel nicht fehle. Und so auch dies nicht allzeit wollte von statten gehen, so rufe Gott an um den Geist der Gnade und des Gebets. Bläst der in deine Herzenssaiten, so wird's bald stärker tönen. - Ja, ob du hier in versammelter Gemeinde beim Orgelklang oder daheim im Kämmerlein zum Klavier oder ohne Begleitung, selbst ohne Worte deinem Herrn im Herzen singst wenn's nur von Herzen kommt, so dringt's auch zu seinem Herzen. Ob du nach Stand und Amt, nach Geschlecht und Begabung zu einer heiligen Kirchenposaune oder zu einer durchdringenden Trompete inmitten des Volks, zu einer saitenreichen Harfe, welche die Herzen entzückt, oder nur zu einer sanften Zither im häuslichen Kreise bestimmt seist nur nach deinen Kräften: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan. Du bist's ja nicht allein, die ganze Welt soll noch einstimmen ins Lob des Herrn. Auch die unvernünftige Natur ruft nun in steigender Begeisterung der Psalmist auf zum Lobe des Herrn:
V. 7. 8: „Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdboden und die darauf wohnen. Die Wasserströme frohlocken und alle Berge seien fröhlich.“ Ja auch die äußere Schöpfung ist zum Lobe Gottes geschaffen und soll einst frei werden vom Dienste des vergänglichen Wesens und verklärt zu einem höheren Dasein. Wenn jetzt schon das Meer brauset als ein Spiegel göttlicher Allmacht und Majestät; wenn jetzt schon der Erdboden ein buntgestickter Schemel seiner Füße ist; wenn jetzt schon die Berge mit ihren sonnebeglänzten Gipfeln, um die der Adler schwebt, Altäre des großen Gottes sind, - was wird's erst sein, wenn der neue Himmel kommt und die neue Erde; wenn das Meer keine mörderischen Kriegsflotten mehr trägt und keine Schiffe mehr im Sturm verschlingt, sondern seine Toten wiedergibt; wenn der Erdboden kein Blut mehr trinkt und keine Dornen und Disteln mehr trägt; wenn von einem Berg zum anderen die Kunde erschallt: Gebt unserem Gott die Ehre! Was wird es sein an jenem großen Tag der Offenbarung, wo es heißt:
V. 9: „Er kommt, das Erdreich zu richten; er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht.“ Dann, o dann wird ein neues Lied gesungen werden im Himmel und auf Erden: Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Möchten wir dann auch mitsingen:
So kommt vor sein Angesicht, mit Jauchzen Dank zu bringen,
Bezahlet die gelobte Pflicht, und lasst uns fröhlich singen:
Gott hat es alles wohlbedacht, und alles, alles recht gemacht!
Gebt unserem Gott die Ehre!2)
Amen.