Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 74.

Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 74.

(1) Eine Unterweisung Assaphs. Gott, warum verstößt du uns so gar? Und bist so grimmig zornig über die Schafe deiner Weide? (2) Gedenke an deine Gemeine, die du von altersher erworben, und dir zum Erbteil erlöst hast, an den Berg Zion, da du auf wohnst. (3) Tritt auf sie mit Füßen, und stoße sie gar zu Boden. Der Feind hat alles verdorben im Heiligtum, (4) Deine Widerwärtigen brüllen in deinen Häusern, und setzen ihre Götzen darein. (5) Man sieht die Äxte oben her blitzen, wie man in einen Wald haut; (6) Und zerhauen alle seine Tafelwerke mit Beil und Barten. (7) Sie verbrennen dein Heiligtum, sie entweihen die Wohnung deines Namens zu Boden. (8) Sie sprechen in ihrem Herzen: Lasst uns sie plündern. Sie verbrennen alle Häuser Gottes im Lande. (9) Unsere Zeichen sehen wir nicht, und kein Prophet predigt mehr, und kein Lehrer lehrt mehr. (10) Ach Gott, wie lange soll der Widerwärtige schmähen, und der Feind deinen Namen so gar verlästern? (11) Warum wendest du deine Hand ab, und deine Rechte von deinem Schoß so gar? (12) Aber Gott ist mein König von altersher, der alle Hilfe tut, so auf Erden geschieht. (13) Du zertrennst das Meer durch deine Kraft, und zerbrichst die Köpfe der Drachen im Wasser. (14) Du zerschlägst die Köpfe der Walfische, und gibst sie zur Speise dem Volke in der Einöde. (15) Du lässt quellen Brunnen und Bäche; du lässt versiegen starke Ströme. (16) Tag und Nacht ist dein; du machst, dass beides Sonne und Gestirn ihren gewissen Lauf haben. (17) Du setzt einem jeglichen Lande seine Grenze; Sommer und Winter machst du. (18) So gedenke doch des, dass der Feind den Herrn schmäht, und ein törichtes Volk lästert deinen Namen. (19) Du willst nicht dem Tier geben die Seele deiner Turteltaube, und deiner elenden Tiere nicht so gar vergessen. (20) Gedenke an den Bund; denn das Land ist allenthalben jämmerlich verheert, und die Häuser sind zerrissen. (21) Lass den Geringen nicht mit Schanden davongehen; denn die Armen und Elenden rühmen deinen Namen. (22) Mache dich auf, Gott, und führe aus deine Sache; gedenke an die Schmach, die dir täglich von den Toren wiederfährt. (23) Vergiss nicht des Geschreies deiner Feinde; das Toben deiner Widerwärtigen wird je länger je größer.
Es ist eine wichtige Bitte, deren Ernst wir erst in den letzten Jahren wieder recht erkannt haben, die Bitte in unserem alten Betstundengebet: Behüte uns vor Misswachs, Teuerung, Krieg und Aufruhr, Feuer- und Wassersnot, vor ansteckenden Krankheiten an Menschen und Vieh. Aber noch wichtiger: Gott gebe, dass wir das nicht auch mit Schmerzen erfahren müssen ist die andere Bitte in demselben Gebet: Nimm nicht weg die teure Beilage der evangelischen Wahrheit, ob wir solches wohl mit unserem Undank und Kaltsinn verschuldet haben, sondern erhalte uns dein Wort, dass auch unsere Nachkommen deinen Bund erben, und die Wohnung deines Namens bei uns bleibe für und für. Es ist etwas Bitteres um leibliche Landplagen: um Misswachs, wie wir ihn seit einer Reihe von Jahren mehr oder weniger erlebt haben in den Weinbergen, an den Obstbäumen, auf den Fruchtfeldern, in den Kartoffeläckern; um die Teuerung, wie sie jetzt noch auf unserem Lande lastet, dass es nicht nur dem armen, sondern auch dem mittleren Mann schwer wird, sein Brot zu bezahlen; um den Krieg, wie er vor ein paar Jahren wieder da und dort aufgelodert ist rings um uns her und auch jetzt noch droht, von Morgen her über ganz Europa sich zu verbreiten; um den Aufruhr, wie er vor fünf und vier Jahren fast in allen Ländern und auch bei uns hin und her in Stadt und Land die Bande der Zucht und Ordnung gelöst und den Boden unterwühlt hat; um Feuersnot, wie sie bald da bald dort ihren roten Flammenschein verbreitet; um Wassersnot, wie sie in diesem Frühjahr so schauerlich gewütet hat in unserem unglücklichen Filstal; um ansteckende Krankheiten an Menschen, wie jetzt wieder die Cholera durch so manches Land und so manche Stadt ihren schrecklichen Gang geht; um ansteckende Krankheiten am Vieh, wie sie vor ein paar Jahren die Schafherden in unserem Lande hingerafft und Hirten und Herden geschlagen haben. Und im Blick auf solche Landplagen haben wir Ursache, jeden Morgen und jeden Abend um gnädige Bewahrung zu bitten, für gnädige Verschonung zu danken.

Aber noch schlimmer doch sind die geistlichen Land- und Kirchenplagen. Wenn uns Gott in seinem Zorn zum leiblichen Brot auch noch das geistliche Lebensbrot nehmen wollte, sein seligmachend Wort und Evangelium; wenn auch die Saaten des Glaubens und die Früchte der Gerechtigkeit vollends überschwemmt und weggeschwemmt werden sollten von den schmutzigen Strömen des Unglaubens oder des Aberglaubens; wenn der Leuchter des Evangeliums sollte von der Stätte gestoßen; wenn die Kanzeln verwaist, die Altäre zerstört, die Kirchen verwüstet werden sollten und unserem armen Volk vollends der letzte Trost und Halt genommen würde, der Trost und Halt an Gottes Wort, das, Geliebte, wäre eine Schale des Wehs und ein Becher des Zorns, wie wir ihn bisher gottlob noch nicht haben verschmecken müssen und der uns beim bloßen Gedanken daran die brünstige Bitte muss auf die Lippen legen: Behüt uns, lieber Herr und Gott.

Auch solche geistliche Land- und Kirchenplagen sind über das Volk Gottes schon gekommen in alter und in neuer Zeit und können wiederkommen in Zukunft. Damals als ums Jahr 600 vor Christi Geburt das Reich Juda und die Heilige Stadt Jerusalem und der ehrwürdige Tempel Salomos von den Chaldäern zerstört und das Volk abgeführt ward in die Gefangenschaft zu Babel, wo ihre Harfen hingen an den Weiden und sie weinten, wenn sie Zions gedachten; (wie der Herr schon zur Zeit Salomos gedroht hatte: Werdet ihr nicht halten meine Rechte und Gebote, so werde ich Israel ausrotten von dem Lande, das ich ihm gegeben habe, und das Haus, das ich geheiligt habe meinem Namen, werde ich wegtun von meinem Angesicht und Israel wird ein Sprichwort und Stichelrede sein unter allen Völkern, und dieses Haus, so erhaben es ist, wer vorbeigeht vor demselben, wird sich entsetzen und zischen und sagen: Warum hat der Herr diesem Hause, diesem Lande also getan? damals als 70 Jahre nach Christi Geburt Land und Stadt und Tempel abermals und zum letzten Mal und unter den schrecklichsten Gräueln überschwemmt, erobert, verwüstet, vernichtet ward von den Adlern der römischen Legionen, wie der hochgelobte Menschensohn selber geweissagt hatte: Wo das Aas ist, da sammeln sich die Adler; und: Euer Haus soll euch wüste gelassen werden; damals auch, als im ersten, zweiten, dritten Jahrhundert nach Christus von den stolzen Römern so manche blutige Verfolgung erging über die Christen, ihre Kirchen zerstört, ihre Bücher verbrannt, ihre Heiligen gefoltert, enthauptet, zersägt, gebraten und den Löwen vorgeworfen wurden; - damals auch noch, als vor 200 Jahren der 30 jährige Religionskrieg durch Deutschland wütete und insbesondere unser armes Württemberg verheerte, wo einmal über die heiligen Weihnachtsfeiertage mehr als 100 Kirchen im Land ohne Gottesdienst waren und nach dem Krieg 70 Kirchen in der Asche lagen, so dass Gerhardt mit Recht sang:

Lass blühen wie zuvor
Die Länder so verheert,
Die Kirchen so zerstöret
Richt aus der Asch empor;

da hat die Christenheit zu erfahren bekommen, was es ist um die geistlichen Landplagen und um die Gerichte am Hause Gottes. Und solche Gerichte, meine Lieben, können wiederkommen und werden wiederkommen vor dem letzten Endgericht; wie bald oder wie spät, das steht in Gottes Hand. Aber umso wichtiger und eindringlicher muss uns bei solchen Gedanken unser 74. Psalm werden, der wahrscheinlich auf die Gräuel der Verwüstung zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft sich bezieht, und nichts anderes ist als ein: Angstgebet um die Not der Kirche.

Wir vernehmen:

1) Eine schmerzliche Klage über die Verwüstung des Heiligtums, V. 1-11.
2) Eine gläubige Bitte um die Hilfe des Herrn, V. 12-23.

1)

Recht schmerzlich beginnt die Klage:

V. 1: „Gott, warum verstößt du uns so gar und bist so grimmig zornig über die Schafe deiner Weide?“ Gilt's denn nicht mehr wie in alten Zeiten: Du führst dein Volk wie eine Herde Schafe durch Mosen und Aaron? (Ps. 77.) Ist's nicht mehr wahr, was wir sonst rühmen durften: Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide? (Ps. 100.) und was du verheißen hast: Ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen, wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirret sind? (Ez. 34.) Warum verstößt du uns so gar, dein auserwähltes Volk? Warum? Ach, die Antwort ist nicht schwer: Weil sein Volk ihn verlassen hat, weil seine Herde entlaufen ist aus der Hut des guten Hirten. Wohl hat er sie erwählt von altersher: Ihr sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein! Wohl hat er sie treulich geweidet lange Zeit und auf der rechten Straße geführt bald mit dem Stab Sanft, bald mit dem Stab Wehe; wohl ist er auch den Verirrten nachgegangen und hat sie vom Abgrund heimgerufen durch die Stimme seiner Propheten und hat sie gesucht, wie ein Hirte seine Schafe sucht. Aber wenn sie nun nicht wollen? wenn sie seinen Ruf verachten, den Hirten nicht hören, in den Abgrund laufen blindlings wer hat dann die Schuld? Darf man dann noch fragen: Warum? Nur eins ist dann noch dunkel und schwer: nämlich dass mit den Schuldigen auch die Unschuldigen gestraft werden, dass wenn ein ganzes Volk um seiner Sünden willen von Gott gestraft wird, auch die Frommen äußerlich mitleiden, wiewohl seine echten Schafe auch in solchen Trübsalszeiten doch innerlich die Hirtentreue ihres Herrn erfahren und mit David rühmen dürfen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken. und Stab trösten mich. Aber freilich, es ist dann dem Frommen nicht bloß um seine Person, sondern um das Volk des Herrn, um die Gemeinde Gottes zu tun, wie Assaph fortfährt:

V. 2: „Gedenke an deine Gemeinde, die du von altersher erworben und dir zum Erbteil erlöst hast, an den Berg Zion, da du auf wohnst.“ Wohl ist Israel ein altes Erbteil des Herrn und Zion sein heiliger Berg, darauf er sein Haus sich erbauen ließ. Und darum tut es dem Herrn auch leid, wenn er solchen Ernst muss brauchen und anfangen mit seinen Gerichten am eigenen Haus. Sagt er doch selber: Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein trautes Kind? Darum so oft ich wider ihn rede, gedenke ich doch seiner wohl; darum bricht mir mein Herz, dass ich mich seiner erbarmen muss. (Jer. 31, 20.) Denn Gott plagt nicht von Herzen die Menschen. Aber immer schweigen kann der Heilige im Himmel nicht. Wo Güte nichts hilft, da muss er die Rute brauchen, und wo die Rute nichts hilft, da muss er zum Schwert greifen; und je höher ein Volk, eine Gemeinde gestanden ist in der Gnade Gottes, um so tiefer kann sie fallen, wenn man die Gnade freventlich verscherzt. ist nicht nur das gesegnete Land Kanaan zur Wüste und der geheiligte Zionsberg zu einem Trümmerhaufen geworden, so sind auch Christengemeinden und Christenstädte, die lange geblüht und geleuchtet hatten in der Gnade des Herrn, verworfen worden endlich, wenn die Gerichtszeit kam; Sardes und Laodicea, Ephesus und Smyrna, Pergamus, Thyatira und Philadelphia, jene sieben Christenstädte in Kleinasien, die einst zur Zeit, da Johannes seine Offenbarung schrieb, wie Sterne leuchteten in der Christenheit, sind jetzt entweder Schutthaufen oder von ungläubigen Mohammedanern bewohnt, weil sie die Mahnungen und Warnungen verachteten, die ihnen der Herr durch seinen heiligen Seher zukommen ließ; und Konstantinopel, seit 400 Jahren die Hauptstadt des türkischen Reichs, war einst die erste Stadt der Christenheit, als der christliche Kaiser Konstantin seinen Thron dorthin verlegte; aber das Erbteil des Herrn ist dem Feind in die Hände gefallen, weil sein Volk sich von ihm abgewandt. Und nun welcher Gräuel der Verwüstung:

V. 3: „Tritt auf sie mit Füßen und stoße sie gar zu Boden. Der Feind hat alles verdorben im Heiligtum!“ Nicht dass die Felder verwüstet, die Häuser geplündert, die Freunde erschlagen sind, nicht das ist dem frommen Sänger das Ärgste; aber dass auch das Heiligtum entweiht ist, dass in das hochwürdige Haus des Herrn die Heiden eingebrochen sind mit unheiligem Tritt und es mit Blut befleckt, mit Unrat beschmutzt, mit frecher Hand geplündert, mit wildem Geschrei erfüllt, mit Feuer zerstöret haben, wie es geschah zur Zeit Nebukadnezars und wieder geschah zur Zeit des römischen Kriegs durch Titus, - das schneidet dem gläubigen Sohn Israels am tiefsten durchs Herz. Diese Gräuel der Verwüstung werden nun geschildert:

V. 4: „Deine Widerwärtigen brüllen in deinen Häusern und setzen ihre Götzen darein.“ Wo Davids Harfe klang, da klirren nun Schwert und Spieß; wo sonst fromme Psalmen tönten, da ertönt nun das Mordgeschrei wilder Krieger, ja da brüllen sie mit trunkenem Mut Schandlieder und Spottgesänge. Wo nur heilige Opfer rauchten auf dem Altare des Herrn, da grinst nun ein Götzenbild vom Altar. Noch mehr:

V. 5. 6: „Man sieht die Äxte oben her blitzen, wie man in einen Wald haut; und zerhauen alle seine Tafelwerke mit Beil und Barten.“ Das köstliche Getäfel und Schnitzwerk, wozu der Libanon seine Zedern und Ophir sein Gold und Elfenbein gegeben, wozu nicht nur das ganze Land Israel, sondern auch fremde Könige und Fürsten ihre Steuer gegeben, - es wird von den Äxten zerhauen als wär's gemeines Holzwerk, teils aus gemeiner roher Wut, die nichts Schönes und Heiliges sehen kann, teils aus schmutziger Raubgier, um die Kleinodien als Beute mit hinauszuschleppen und um ein Spottgeld zu verschachern. O Geliebte, wenn wir denken, dass einst vielleicht auch in diesem Gotteshaus, das von gläubigen Vätern so ehrwürdig hingestellt, von frommen Händen, auch von königlichen Händen jetzt wieder so schön geschmückt ist, dass auch hier einst ein wilder Haufe ungläubiger Wüteriche einbrechen sollte und würde die Stühle mit der Axt zerhauen, in denen so mancher fromme Pilger Gottes seine seligen Ruhestunden verlebt, die Kanzel zertrümmern, von der das Wort Gottes so oft erschallt ist seit vier Jahrhunderten, diesen Tisch Gottes zerbrechen, an dem so mancher Abendmahlsgast einen Vorschmack des Himmels genossen, diese Kelche und heiligen Gefäße rauben, aus denen so manche Seele getränkt wurde mit dem Blute der Versöhnung, die Grabsteine zerschlagen, unter denen die frommen Väter der Vorzeit schlafen, die Fenster zertrümmern, die uns Christum so schön vor Augen malen im Stande seiner Erniedrigung und Erhöhung, müssen wir nicht bei dem bloßen Gedanken schaudern und brünstig bitten: Behüt uns, lieber Herr und Gott!

V. 7. 8: „Sie verbrennen dein Heiligtum, sie entweihen die Wohnung deines Namens zu Boden. Sie sprechen in ihrem Herzen: Lasst uns sie plündern. Sie verbrennen alle Häuser Gottes im Lande.“ Ja nicht nur der herrliche Salomostempel auf dem Zionsberg wurde in Asche gelegt, auch die Bethäuser und Synagogen im Land umher wurden in Schutt verwandelt, so zur Zeit der letzten Zerstörung Jerusalems, so ohne Zweifel auch schon früher unter Antiochus zur Makkabäerzeit, unter Nebukadnezar, sofern damals schon ein Bethaus auch da und dort im Lande stand. Ganz ausgerottet soll der Dienst des wahren Gottes werden, so dass das Auge kein Zeichen des Glaubens mehr schauen, das Ohr keine Predigt des Gottesworts mehr hören darf:

V. 9: „Unsere Zeichen sehen wir nicht, und kein Prophet predigt mehr, und kein Lehrer lehrt mehr.“ Denkt euch, meine Lieben, wenn das auch hier zu Land einmal gelten sollte: wenn wir das Zeichen unseres Heils nicht mehr sehen dürften, kein Kreuz mehr von einem Kirchturm glänzte, kein Kreuz mehr auf den Gräbern unserer Lieben stände, wie schon einer von jenen gesungen:

Reißt die Kreuze aus der Erden,
Alle sollen Schwerter werden!

Wenn's auch hier zu Land dahin käme, wohin sie's bringen wollen: kein Prophet predigt mehr und kein Lehrer lehrt uns mehr; wenn die „Pfaffen“, wie sie's nennen, einmal ausgerottet wären: kein Prediger des Evangeliums mehr auf einer Kanzel, keiner mehr an einem Krankenbett, keiner mehr am Taufstein, keiner am Altar, keiner mehr am Grabe stände, und das uralt liebe, teure Gotteswort, das so viel tausend Seelen getröstet und erquickt hat in diesem Jammertal, müsste verstummt sein ringsum im Land - o behüte uns, lieber Herr und Gott! - Ja da verstehen wir wohl den brünstigen Angstruf unseres Assaph:

V. 10: „Ach Gott, wie lange soll der Widerwärtige schmähen, und der Feind deinen Namen so gar verlästern?“ Eine Woche, ein Tag so ohne Gottes Wort wäre zu lang; geschweige denn Jahre und Jahrzehnte! Ja da stimmen wir mit ein:

V. 11: „Warum wendest du deine Hand ab, und deine Rechte von deinem Schoß so gar?“ Erwache, Herr, erwache!

Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort
Und steure aller Feinde Mord,
Die Jesum Christum, deinen Sohn,
Wollen stürzen von seinem Thron!

Aber nun erhebt sich der Sänger und wir mit ihm zur:

2)

Gläubigen Bitte um die Hilfe des Herrn, V. 12-23.

V. 12: „Aber Gott ist mein König von altersher, der alle Hilfe tut, so auf Erden geschieht.“ O herrliches „Aber“; ja, wie auch die Feinde toben, Gott ist doch König; der Herr aller Herren, der Alleingewaltige, der immer noch Meister wird. Gott ist mein König, so darf sein Volk sagen, der sein Volk nicht wird auf ewig verstoßen und dem Feind zur Beute lassen. „Von altersher“; schon oft seit alten Tagen hat er's ja sein Volk erfahren lassen, dass er alle Hilfe tut; und wenn die Not am größten, dann war Gott am nächsten.

V. 13. 14: „Du zertrennst das Meer durch deine Kraft und zerbrichst die Köpfe der Drachen im Wasser. Du zerschlägst die Köpfe der Walfische und gibst sie zur Speise dem Volke in der Einöde.“ Da weist der Sänger zurück auf die Wunder beim Auszug aus Ägypten. „Den Drachen des Wassers“, das Krokodil, d. h. die Macht Ägyptens, hat der Herr damals zerschlagen; die „Walfische“, d. h. die Übermacht Pharaos, in den Fluten des roten Meers ersäuft, dass ihre Leichname von den Wellen herausgeworfen und von den Schakalen der Wüste gefressen wurden, das ist das „Volk der Einöde“.

V. 15: „Du lässt quellen Brunnen und Bäche; du lässt versiegen starke Ströme.“ Ja zum Feind hat er gesprochen: Bis hierher und nicht weiter; hie sollen sich legen deine stolzen Wellen. Aber seinem Volk hat er Wasser quellen lassen aus dem Felsen. So kann er immer noch zu den Fluten des Verderbens sprechen: Bis hierher und nicht weiter; und kann immer noch aus Schutt und Asche neue Brünnlein des Heils erwecken für die Seinen. Das ist ja seine Haus- und Reichsordnung: Durch Nacht zum Licht, und nach Regen Sonnenschein.

V. 16. 17: „Tag und Nacht ist dein; du machst, dass beides Sonne und Gestirn ihren gewissen Lauf haben. Du setzt einem jeglichen Lande seine Grenze; Sommer und Winter machst du.“ Nach der dunklen Nacht kommt ja doch immer wieder die goldene Sonne und nach dem strengen Winter der holde Frühling. Sollte das nicht auch gelten im Reiche Gottes? Ja, glaub es, Kind Gottes, glaub es, Gemeinde des Herrn:

Auf den Nebel folgt die Sonn, auf das Trauern Freud und Wonn,
Auf die schwere, bittre Pein stellt sich Trost und Labsal ein;
Meine Seele, die zuvor sank bis an des Todes Tor,
Steigt gen Himmel nun empor.

Alles Ding hat seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit! Des tröste dich, Volk Gottes; bist du auch oft nur eine verschüchterte Taube: dein Gott und Herr wird dich nicht geben in die Krallen des Geiers.

V. 18. 19: „So gedenke doch des, dass der Feind den Herrn schmäht, und ein törichtes Volk lästert deinen Namen. Du willst nicht dem Tier geben die Seele deiner Turteltaube und deiner elenden Tiere nicht so gar vergessen.“ Ein schönes, rührendes Bild. Ja, Gemeinde Gottes, sei du nur seine Turteltaube, sei rein und ohne Falsch wie die Taube, sei sanftmütig und friedfertig wie die Taube, schmiege dich liebreich und vertrauensvoll wie die Taube deinem Gott ans Herz und schwing auf Flügeln des Gebets wie die Taube über die Not der Welt dich himmelan, dann wird er dich nicht dem Geier zur Beute geben, dann wird er auch über dir sprechen: Eine ist meine Taube! Gilt's ja doch seine Sache, seine Ehre, seinen Bund:

V. 20. 21: „Gedenke an den Bund, denn das Land ist allenthalben jämmerlich verheert und die Häuser sind zerrissen. Lass den Geringen nicht mit Schanden davongehen; denn die Armen und Elenden rühmen deinen Namen.“ Ja wenn auch wir's nicht wert sind, wenn auch wir als die Armen und Elenden uns demütigen vor Gott und Menschen um seines Bundes willen doch, um seiner untrüglichen Gottesverheißungen willen, um seiner ewigen Treu und Gnade willen kann er und will er und wird er sein Reich nicht untergehen lassen auf Erden. Selbst der Menschen Unglaube kann ja seine Treue nicht aufheben. Darum getrost im Glauben stimmen wir ein in den letzten kraftvollen Hilferuf:

V. 22. 23: „Mache dich auf, Gott, und führe aus deine Sache; gedenke an die Schmach, die dir täglich von den Toren wiederfährt. Vergiss nicht des Geschreies deiner Feinde; das Toben deiner Widerwärtigen wird je länger je größer.“ Ja, Herr, groß ist auch heutzutage das Toben deiner Widersacher und schwere Gerichte drohen deiner Kirche. Verlass uns nicht, o starker, treuer Gott. Halt uns fest im Glauben und im Bekenntnis deines Namens, wenn die Stunde der Versuchung kommt und du deine Tenne wirst fegen und die Spreu vom Weizen sondern, auf dass wir treu erfunden werden. Und endlich, Herr, baue dein Zion und richte dein ewiges Friedensreich auf.

Erhalt uns, Herr, im wahren Glauben
Noch fernerhin bis an das End.
Lass nichts uns deine Schätze rauben:
Dein heilig Wort und Sakrament.
Erfülle deiner Christen Herzen,
O Gott, mit deinem Gnadenheil
Und gib nach überwundnen Schmerzen
Uns droben einst das bessre Teil!
Amen.

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