Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 73.
(1) Ein Psalm Assaphs. Israel hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist. (2) Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen, mein Tritt hätte beinahe geglitten. (3) Denn es verdross mich auf die Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Gottlosen so wohl ging. (4) Denn sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest wie ein Palast. (5) Sie sind nicht im Unglück wie andere Leute, und werden nicht wie andere Menschen geplagt. (6) Darum muss ihr Trotzen köstlich Ding sein, und ihr Frevel muss wohlgetan heißen. (7) Ihre Person brüstet sich wie ein fetter Wanst; sie tun, was sie nur gedenken. (8) Sie vernichten alles, und reden übel davon, und reden und lästern hoch her. (9) Was sie reden, das muss vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das muss gelten auf Erden. (10) Darum fällt ihnen ihr Pöbel zu, und laufen ihnen zu mit Haufen, wie Wasser. (11) Und sprechen: Was sollte Gott nach jenen fragen? Was sollte der Höchste ihrer achten? (12) Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glückselig in der Welt, und werden reich. (13) Soll es denn umsonst sein, dass mein Herz unsträflich lebt, und ich meine Hände in Unschuld wasche? (14) Und bin geplagt täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da? (15) Ich hätte auch schier so gesagt, wie sie; aber siehe, damit hätte ich verdammt alle deine Kinder, die je gewesen sind. (16) Ich gedachte ihm nach, dass ich es begreifen möchte; aber es war mir zu schwer, (17) Bis dass ich ging in das Heiligtum Gottes, und merkte auf ihr Ende. (18) Aber du setzt sie auf das Schlüpfrige, und stürzt sie zu Boden. (19) Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter, und nehmen ein Ende mit Schrecken. (20) Wie ein Traum, wenn einer erwacht, so machst du, Herr, ihr Bild in der Stadt verschmäht. (21) Aber es tut mir wehe im Herzen, und sticht mich in meinen Nieren, (22) Dass ich muss ein Narr sein, und nichts wissen, und muss wie ein Tier sein vor dir. (23) Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. (24) Du leitest mich nach deinem Rat, und nimmst mich endlich mit Ehren an. (25) Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. (26) Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. (27) Denn, siehe, die von dir weichen, werden umkommen; du bringst um alle, die wider dich huren. (28) Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte, und meine Zuversicht setze auf den Herrn Herrn, dass ich verkündige alles dein Tun.
Ein herrlicher Lehrpsalm, mit welchem das dritte Buch im Psalter beginnt. Zwar nicht der Meister David selber, von dem wir künftig nur noch etliche Psalmen bekommen, hat diesen Psalm gedichtet, sondern es ist sein Sänger Assaph, den wir schon vom 50. Psalm her kennen, von dem dieser und sofort eine Reihe von noch zehn Psalmen, im Ganzen also gerade ein Dutzend Psalmen herrührt. Aber der Jünger ist seines Meisters, der Diener seines Königs würdig; auch in diesem Psalm wie nur je in einem vernimmt man den Flügelschlag Davidischer Begeisterung, oder vielmehr das Wehen des Heiligen Geistes; ja es finden sich gerade in diesem Psalm einige Goldsprüche und Kernworte, die zu den funkelndsten Juwelen und leuchtendsten Kleinodien nicht nur des Psalters, sondern der ganzen Heiligen Schrift gehören. Wieder ein Beweis, wie der Heilige Geist seine Gnadengaben in jedes menschliche Gefäß niederlegen kann, ohne gebunden zu sein an irgendeinen menschlichen Namen. Fürwahr wenn Assaph nichts gedichtet hätte als den 25. Vers unseres Psalms, so hätte er schon ein Gedächtnis seines Namens sich gestiftet bei allen frommen, himmlisch gesinnten Seelen, und wie er jetzt wohl droben im himmlischen Heiligtum steht im Chor der Harfenschläger, so behauptet er auch in der Kirche Gottes hienieden durch alle Zeiten seinen Rang in der heiligen Zeugenwolke, die des Herrn Ruhm verkündigen in allen Zungen und Völkern. Den Inhalt unseres Psalms können wir nicht schöner ausdrücken als mit den Worten des ersten Verses:
„Israel hat dennoch Gott zum Trost.“
V. 1: „Israel hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist.“ Also wer in Wahrheit zum geistlichen Israel, zum echten Volk Gottes gehört, der darf sich auf Gott getrost verlassen. Das ist der Lehrsatz, den Assaph hinstellt als einen festen und unumstößlichen, als einen Fels, auf den man getrost könne bauen. Diesen Sah beweist er nun im Psalm, und dieser Psalm zerfällt in zwei Teile. Das „Dennoch“ deutet zurück auf ein „Zwar“; „zwar“ es will oft nicht so scheinen, „zwar“ man könnte oft das Gegenteil meinen; aber „dennoch“ ist es so, „dennoch“ bleibt es dabei. Das „Zwar“ also, das sind die Zweifel des Kleinglaubens, die auch den Frommen manchmal ergreifen, die Rätsel des Weltlaufes, die uns oft irre machen wollen an dem gerechten Weltregiment Gottes; das „Dennoch“ aber, das ist der Sieg des Glaubens über den Kleinglauben, der Sieg des Guten über das Böse, die Lösung der irdischen Rätsel im himmlischen Licht. Also können wir den ganzen Psalm teilen in das
„Zwar des Kleinglaubens“
und das
„Dennoch des Glaubens“.
Das „Zwar“ geht V. 2-14; das „Dennoch“ kommt V. 15-28.
Also:
1) Das „Zwar“; die Zweifel des Kleinglaubens, die Rätsel des Weltlaufs.
Die Zweifel des Kleinglaubens gesteht Assaph offenherzig:
V. 2: „Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen, mein Tritt hätte beinahe geglitten.“ Ja auch der Fromme kann hie und da straucheln und einen Fehltritt tun, wenn er auch nicht im Staube liegen bleibt; auch der Gläubige kann dann und wann auf eine Sandbank geraten und eine Zeit lang hängen bleiben, wenn er auch nicht Schiffbruch leidet am Glauben. Das sehen wir an Abraham und Moses, an David und Petrus; und es ist schön von diesen Gottesmännern, dass sie sich nicht als Heilige hinstellen, sondern solche schwache Stunden offen gestehen, Gott zur Ehre, sich selbst zur Demütigung, uns andern zur Warnung. Und was ist's denn, was auch einen Assaph kann straucheln machen im Glauben? Das sind die Rätsel des Weltlaufs.
V. 3: „Denn es verdross mich auf die Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Gottlosen so wohl ging.“ So ist's. Wir hören von Kind auf: Die Sünde ist der Leute Verderben. Wir sollen's glauben und möchten's glauben: Ein allmächtiger, gerechter, lebendiger Gott sitzt im Regimente, schützt die Frommen und straft die Frevler, und doch sehen wir so oft das Gegenteil; sehen den reichen Mann herrlich und in Freuden leben und den armen Lazarus vor seiner Türe schmachten; sehen Hiob in der Asche sitzen und Pharao auf dem Throne prangen; sehen Herodes in Ehren und Johannes im Kerker; sehen Ahab triumphieren und Naboth gesteinigt, und erleben Ähnliches noch alle Tage im großen und im kleinen, in unserem und in anderer Leben, sagt selbst, wie geht's uns da? Zwar zum Abfall vom Guten bringen solche Erfahrungen den Frommen nicht; denn er liebt das Gute nicht um des Lohnes, sondern um seiner selbst willen, und er verabscheut das Schlechte nicht um der Strafe, sondern um seiner selbst willen; aber irre machen im Glauben können sie ihn doch. Wenn wir nicht laut darüber murren, so verdrießt's uns doch im Stillen, und wenn es uns nicht empört wider Gott, so kann es uns doch beugen und entmutigen. Da muss man denn mit Verwunderung und Widerwillen sehen:
V. 4: „Denn sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest wie ein Palast.“ Hat doch so oft das Sprichwort recht: Unkraut verdirbt nicht, während so manche edle Lilie eines reinen Herzens, so manche blühende Rose einer schuldlosen Jugend, so mancher fruchtbare Baum eines gemeinnützigen Lebens vor der Zeit vom Tode geknickt wird.
Sehen wir doch so manchen echten Christen, so manchen rechtschaffenen Bürger, so manchen treuen Gatten und Vater hinaustragen viel zu früh nach menschlicher Rechnung, während der freche Taugenichts in strotzender Kraft und Gesundheit dasteht wie ein fester Palast, als könnte der Tod ihm nichts anhaben. Und während so manche redliche Seele sich lebenslang herumschlagen muss mit Hunger und Kummer und Missgeschick aller Art, während oft über ein unschuldiges Haupt, über ein gottesfürchtiges Haus das Unglück Schlag auf Schlag siebenfach hereinbricht, so heißt's von den Gottlosen:
V. 5: „Sie sind nicht im Unglück wie andere Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt.“ Nicht nur dass sie in ihrem Übermut um die Züchtigungen Gottes sich nichts bekümmern, auch wenn sie davon getroffen werden; nicht nur dass sie mancher Plage entgehen, weil sie sich alles erlauben und sich auch auf krummen Wegen überall hinauszuhelfen wissen; nein es ist oft wirklich, als wären sie die Schoßkinder des Glücks und hätten einen Freibrief gegen alle Gerichte Gottes. - Und wenn sie dann durch solche Langmut und Geduld Gottes in ihrem Übermut bestärkt werden und sich als rechtliche Leute hinstellen, für die Gott selbst sich bekenne:
V. 6: „Darum muss ihr Trotzen köstlich Ding sein und ihr Frevel muss wohlgetan heißen.“ Und wenn sie nur um so lustiger fortsündigen und mit frecher Stirn wollen Zaum und Zügel von sich werfen, wie es heißt:
V. 7: „Ihre Person brüstet sich wie ein fetter Wanst;“ und wenn sie dann alles mit Füßen treten, Scham und Scheu, Recht und Gerechtigkeit, Treu und Glauben, göttlich Gebot und menschlich Gesetz, und aus Schwarz-Weiß und aus Weiß Schwarz machen: „sie tun, was sie nur gedenken,“
V. 8: „Sie vernichten alles und reden übel davon und reden und lästern hoch her,“ und wenn sich dann der blinde Haufen von solchen Großsprechern imponieren lässt, über ihre frechen Witze lacht, als wäre es göttliche Weisheit, ihre verführerischen Bücher verschlingt, als wäre es Lebensbrot, ihren prahlerischen Volksreden zuklatscht, als wäre es Gottes Wort:
V. 9: „Was sie reden, das muss vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das muss gelten auf Erden,“ und wenn dann tausende ihnen nachlaufen in den Unglauben, in die Sünde, ins Verderben hinein, wie wir's erlebt haben und wie es geschildert ist
V. 10: „Darum fällt ihnen der Pöbel zu und laufen ihnen zu mit Haufen wie Wasser,“ und wenn der redliche Mann, der gläubige Christ dasteht als der Narr, von Menschen verlacht, von Gott verlassen:
V. 11: „Was sollte Gott nach jenen fragen? Was sollte der Höchste ihrer achten?“ - da kann es wohl auch einem Jeremias kommen, dass er unmutig fragt (Kap. 12): Warum geht es doch den Gottlosen so wohl und die Verräter haben alles die Fülle; und einem Assaph, dass er bitter hinweist auf solchen Triumph der Bösen:
V. 12: „Siehe, das sind die Gottlosen, die sind glückselig in der Welt und werden reich;“ und dass er bitter hindeutet auf sein eigenes Kreuz:
V. 13. 14: „Soll es denn umsonst sein, dass mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche? Und bin geplagt täglich und meine Strafe ist alle Morgen da?“ Mit jedem Tage neue Plage, mit jedem Morgen neue Sorgen? Ist denn auch noch ein lebendiger Gott im Himmel, der mit gerechter Waage wägt, oder ist es am Ende klüger, es mit der Losung zu halten: Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot?
Das ist das bedenkliche „Zwar“, meine Lieben, das sind die Zweifel des Kleinglaubens, die Rätsel des Weltlaufs, die auch einem Assaph können zu schaffen machen, dass er schier strauchelt im Glauben. Aber aus dem Glauben fällt er nicht, Israel hat dennoch Gott zum Trost; und dieses „Dennoch“, dieser Sieg des Glaubens ringt sich nun immer heller und kräftiger hervor und schwingt sich immer kühner auf:
2) V. 15-28: Das „Dennoch“ des Glaubens.
V. 15: „Ich hätte auch schier so gesagt; aber siehe, damit hätte ich verdammt alle deine Kinder, die je gewesen sind.“ Wie? alle die edlen Gottesknechte und Gotteskinder, die treu geblieben sind der Stimme Gottes in ihrem Herzen und nicht gewankt haben auf dem schmalen Pfad trotz allem Spott und Hohn der Welt; wie? alle die frommen Seelen und edlen Dulder, die sich von der Welt unbefleckt erhalten haben und haben ihr Kreuz geduldig ihrem Herrn nachgetragen und haben gemieden die vergängliche Lust der Sünde - alle die sollten Toren gewesen sein? Ein Wahn ihr frommer Glaube? Eine Narrheit ihr heiliges Leben? Eine Torheit ihr geduldiges Leiden? Eine Täuschung ihr seliges Sterben? Das Wort, das sie glaubten, die Tugend, die sie übten, der Gott, auf den sie vertrauten, die Ewigkeit, auf die sie hofften, nichts als Lug und Trug? Abraham mit seinem Gehorsam und Hiob mit seiner Ergebung, David mit seinem Gottvertrauen und Jesaias mit seiner Himmelsahnung, Maria mit ihrem himmlischen Sinn, Magdalena mit ihren Bußtränen, Paulus mit seinem Glauben, Johannes mit seiner Liebe, Petrus mit seiner Hoffnung, Stefanus mit seinem Martyrium, sie alle Toren und Narren? Nein, das kann nicht sein; das hieße Gottes Kinder verdammen, Gott selbst lästern. Nein, es muss einen Ausweg geben aus diesem Labyrinth, eine Lösung dieser Zweifel, ein „Dennoch“ auf das „Zwar“ des Zweifels. Und auch da heißt's: Sucht, so werdet ihr finden. Assaph hat gesucht und gefunden. Gesucht:
V. 16: „Ich gedachte ihm nach, dass ich es begreifen möchte; aber es war mir zu schwer.“ Gefunden:
V. 17: „Bis dass ich ging in das Heiligtum Gottes und merkte auf ihr Ende.“ Siehe, da dämmert's, da wird's hell, da kommt die Lösung: „Bis dass ich ging ins Heiligtum Gottes.“ Seele, bist du dran, irre zu werden im Glauben - geh ins Heiligtum Gottes. Siehe hier in diesem Gotteshaus ist das Heiligtum, da kannst du dich wieder zurechtfinden aus dem Gewirre der Welt, da kannst du deinen Glauben wieder stärken am Glauben der Gemeinde und es wieder innewerden: Was auch die Welt sagt, es ist etwas des Heilands sein, und: Ein Tag in seinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend. Siehe hier in diesem Bibelbuch ist ein Heiligtum Gottes, da lies, da forsche, da stärke dich wieder an den ewigen herrlichen Gottesverheißungen und schau die Wege, die der Herr mit den Seinigen gegangen ist von Anbeginn der Welt, durchs Kreuz zur Krone. Siehe da drin in deiner Brust ist ein Heiligtum Gottes; da kehre ein in dir selbst, besinne dich auf deine heiligsten Überzeugungen, auf deine seligsten Erfahrungen, auf dein besseres Ich und vernimm das Zeugnis des Geistes in dir, dass du Gottes Kind seiest, das dir kein Spott der Welt rauben kann. Siehe daheim in deinem Kämmerlein ist ein Heiligtum Gottes; da wirf dich nieder vor Gott in frommem Gebet und schütt ihm dein Herz aus und bitt ihn: Herr, stärk mir den Glauben; lass dich finden, lass dich finden, denn mein Herz verlangt nach dir! Und siehe, droben endlich ist das rechte Heiligtum Gottes; dort stelle dich im Geiste hin, wo's wie Schuppen von unsern Augen fallen wird und der Glaube sich ins Schauen verwandelt und alle Rätsel des Lebens sich lösen, und sprich zu dir selbst:
Dort werd ich das im Licht erkennen,
Was ich auf Erden dunkel sah;
Das wunderbar und heilig nennen,
Was unbegreiflich hier geschah;
Dort denkt mein Geist mit Preis und Dank
Die Schickung im Zusammenhang.
Geh ins Heiligtum, besprich dich mit Gott, sieh dir die Welt an im Lichte der Ewigkeit und merk auf das Ende! Noch ist nicht aller Tage Abend, noch ist nicht aller Nächte Morgen angebrochen! O ein dunkler Abend auf die Tage der Frevler; o ein goldener Morgen auf die Nächte der Frommen! Ein dunkler Abend auf die Nächte der Frevler:
V. 18-20: „Aber du setzt sie auf das Schlüpfrige und stürzt sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken. Wie ein Traum, wenn einer erwacht, so machst du, Herr, ihr Bild in der Stadt verschmäht.“ Preise niemand glücklich vor seinem Ende, am wenigsten die Gottlosen. Wie? wenn das Glück des Frevlers oft während seines Lebens schon einen tiefen Fall tut, oder wenn ihn der Tod herausreißt mitten aus seiner Herrlichkeit und wenn auf dem Sterbebett noch sein Gewissen erwacht und wenn er ein Ende nimmt mit Schrecken und wenn nun alle seine Herrlichkeit verflogen ist wie ein Traumbild, hinter ihm auf Erden nichts bleibt als Schande und vor ihm in der Ewigkeit nichts ist als Verdammnis, willst du ihn dann noch beneiden? willst du dann noch fragen: Wo ist die Gerechtigkeit Gottes? Nein, dann erkenne nur demütig deine Torheit und Kurzsichtigkeit:
V. 21. 22: „Aber es tut mir wehe im Herzen und sticht mich in meinen Nieren, dass ich muss ein Narr sein und nichts wissen und muss wie ein Tier sein vor dir.“ Aber dann ergreif auch umso fester und getroster die Vaterhand deines Gottes, und sprich Assaph nach sein kräftiges „Dennoch“:
V. 23: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich an meiner rechten Hand.“ Ja wohl:
Von Gott will ich nicht lassen, denn er lässt nicht von mir,
Führt mich zur rechten Straßen, wenn ich geh in der Irr.
Er reicht mir seine Hand: Den Abend wie den Morgen
Will er mich wohl versorgen, wo ich auch bin im Land.
Und nun kommt's immer schöner und heller und getroster. Nun kommen die herrlichen Worte des frommen Gottvertrauens, die schon so mancher Pilger Gottes sich zum Wahlspruch genommen auf dunklen Pfaden:
V. 24: „Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an.“ O seliger Pilger glaube: Du leitest mich nach deinem Rat; ob auch oft auf dunklen Wegen, ob auch oft gegen meinen Willen - doch nach deinem alleinweisen, ewigguten, väterlichen Rat. O selige Pilgerhoffnung: Du nimmst mich endlich zu Ehren an, nach allem Leid und Trübsal dieses Lebens nimmst du mich auf aus Gnaden in deine Herrlichkeit, wo die Schmach in Ehre sich verkehrt und das Kreuz die Krone bringt! Und nun, gestärkt von solchem Glauben und solcher Hoffnung, schwingt sich Assaphs Geist wie auf Adlerflügeln gen Himmel empor, in Gottes Schoß hinein mit dem kühnen, herrlichen Wort:
V. 25. 26: „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ Ein größeres Wort als das ist kaum je aus sündigem Menschenmund gekommen. Nur der Triumphruf eines Paulus ist ihm gleich oder darüber zu stellen, Römer 8: Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier. Wer will verdammen? Christus ist hier. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? Aber in dem allem überwinden wir weit, denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwart noch Zukunft, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn! Solche herrliche Worte sind freilich leichter nachsprechen als nachfühlen. Und doch ist es so: Die Erde mit all ihren Schätzen und der Himmel mit all seinen Sternen kann uns Gott nicht ersehen; unsere Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wer den hat, der hat genug, der hat mit ihm alles, der braucht sein Glück nicht mehr lang zu suchen im Himmel und auf Erden; wer Gott hat, der ist selig. O so wollen wir denn ihn, das beste, vollkommenste Teil, das eine, was not ist, das höchste Gut je mehr und mehr suchen in den Leiden wie in den Freuden dieser Zeit; dann sind wir geborgen für Zeit und Ewigkeit. Denn:
V. 27: „Siehe, die von dir weichen, werden umkommen; du bringst um alle, die wider dich huren.“ Aber V. 28: „Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte, und meine Zuversicht sehe auf den Herrn Herrn, dass ich verkündige alles dein Tun,“ im Glauben hier, im Schauen dort! Ja, Du bist mein, weil ich dich fasse
Und dich nicht, o mein Licht,
Aus dem Herzen lasse;
Lass mich, lass mich hingelangen,
Da du mich und ich dich
Ewig werd umfangen.
Amen.