Gerok, Karl von – Andachten zum Psalter - Psalm 48.
(1) Ein Psalmlied der Kinder Korahs. (2) Groß ist der Herr und hochberühmt in der Stadt unseres Gottes, auf seinem heiligen Berge. (3) Der Berg Zion ist wie ein schön Zweiglein, des sich das ganze Land tröstet; an der Seite gegen Mitternacht liegt die Stadt des großen Königs. (4) Gott ist in ihren Palästen bekannt, dass er der Schutz sei. (5) Denn siehe, Könige sind versammelt, und miteinander vorübergezogen. (6) Sie haben sich verwundert, da sie solches sahen, sie haben sich entsetzt, und sind gestürzt. (7) Zittern ist sie daselbst angekommen, Angst wie eine Gebärerin. (8) Du zerbrichst Schiffe im Meer, durch den Ostwind. (9) Wie wir gehört haben, so sehen wir es an der Stadt des Herrn Zebaoth, an der Stadt unseres Gottes; Gott erhält dieselbe ewig, Sela. (10) Gott, wir warten deiner Güte in deinem Tempel. (11) Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Ende; deine Rechte ist voller Gerechtigkeit. (12) Es freue sich der Berg Zion, und die Töchter Judas seien fröhlich, um deiner Rechte willen. (13) Macht euch um Zion, und umfangt sie, zählt ihre Türme; (14) Legt Fleiß an ihre Mauern, und erhöht ihre Paläste, auf dass man davon verkündige bei den Nachkommen, (15) Dass dieser Gott sei unser Gott immer und ewig. Er führt uns wie die Jugend.
Wir haben vorigen Sonntag ein großes Stiftungsfest gefeiert, das Stiftungsfest der christlichen Kirche. Am ersten Pfingstfest ist ja der Grundstein gelegt worden zum größten Bau auf Erden, zum Bau des geistlichen Zions, dessen Mauern einst die ganze Erde umfassen und dessen Zinnen hinaufreichen sollen bis in den seligen Himmel hinein.
Der Grundstein zu diesem Bau ist Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, der Stein von den Bauleuten verworfen, von Gott aber zum Eckstein gemacht. In Angriff genommen ward dieser Bau am Pfingstfest, das war gleichsam das Fest der Grundsteinlegung. Den Hammerschlag bei der Grundsteinlegung hat der königliche Bauherr selber getan, Gott der Allmächtige, so einen gewaltigen Hammerschlag, dass es Funken und Flammen gab - das waren die Feuerflammen am Pfingstfest, und dass der alte Tempel zu Jerusalem erzitterte - das war das Windesbrausen, davon das Haus erfüllt ward. Die Festrede bei jener Grundsteinlegung, die hat der Apostel Petrus gehalten durch seine feurige Pfingstpredigt; und der Baumeister, der damals den Bau begonnen und ihn bis heute fortgeführt hat und ihn fortführen wird bis ans Ende der Tage - das ist der Heilige Geist. Die Bauleute dieses großen Baumeisters, die Zimmerleute und Steinmessen, die Werkmeister und Handlanger des Heiligen Geistes das sind die Diener des Evangeliums von Paulus bis auf Luther und von Luther bis auf unsere Tage; ja auch wir alle sollen unser Steinlein herzutragen nach Kräften zu diesem herrlichen Bau, zum Aufbau der Kirche Christi.
Ein Vorbild dieses neutestamentlichen Baus ist schon im Alten Testament gewesen das auserwählte Volk Israel und im auserwählten Volk insbesondere die heilige Stadt Jerusalem und in der heiligen Stadt wieder der heilige Berg Zion und auf dem Berg Zion der ehrwürdige Tempel Salomos; das war ein Vorbild des geistlichen Tempels, des geistlichen Zions, des geistlichen Jerusalems, des geistlichen Israels, das im neuen Bunde auf unsichtbaren Säulen sollte gegründet und ausgeführt werden durch den heiligen Geist Gottes und unseres Heilandes. Deshalb hat man in der Christenheit alle jene Reichspsalmen, die von Zions Pracht und Herrlichkeit oder auch von Zions Schäden und Nöten handeln, von jeher bildlich gedeutet auf die Herrlichkeit und auf die Notstände des geistlichen Zions, der christlichen Kirche.
So auch unsern 48. Psalm. Er ist der dritte im Kleeblatt der drei herrlichen Reichspsalmen der Kinder Korahs, die wir jetzt nacheinander betrachten und die alle drei von Zion handeln und seiner Herrlichkeit, Psalm 46, 47, 48. Unser 48. Psalm ist wahrscheinlich auf dasselbe freudige Ereignis gedichtet wie der 46., als Sanheribs Heer, das Jerusalem bedrängte, vom Würgengel des Herrn, der Pest, geschlagen, mit Schmach abziehen musste und nun Jerusalem fröhlich wieder aufschaute, wie eine Taube, über der schon der mörderische Geier schwebte, wieder aufschaut, wenn der drohende Raubvogel, der schon mit dem Schnabel gegen sie hackte, vom Pfeil des Jägers jählings getroffen, machtlos neben ihr zu Boden taumelt. Wir wollen aber bei unserer Betrachtung dieses Psalms nicht nur ans leibliche Zion denken und an jene leibliche Errettung, sondern auch ans geistliche Zion, an die Kirche Christi und den göttlichen Schutz und Segen, dessen sie sich freuen darf. Also betrachten wir: Zion, die Stadt des lebendigen Gottes.
1) Zions Ehren, V. 2-9.
2) Zions Pflichten, V. 10-15.
1) Zions Ehren.
Sie hat einen mächtigen König. V. 2: „Groß ist der Herr und hochberühmt in der Stadt unseres Gottes auf seinem heiligen Berge.“ Und dazu V. 4: Gott ist in ihren Palästen bekannt, dass er der Schutz sei.“ Zions König, Geliebte, das ist niemand Geringeres als Gott selber, der Allmächtige, der Herr aller Herren und König aller Könige. So war's schon beim alten Zion und Volk Israel. Gott selber war des Volkes König, und wenn er ihnen auch menschliche Könige gab, Saul und David und Salomo, so blieb er selber doch der höchste König in Zion, wie er das oft bezeugt, so Jesaias 43, 15: „Ich bin der Herr, euer Heiliger, der ich Israel geschaffen habe, euer König,“ und wie die Frommen im Volk ihrerseits es bekennen z. B. Psalm 89, 19: „Der Heilige in Israel ist unser König.“
Auch das neutestamentliche Zion, dessen Bürger wir sind, hat keinen geringeren König, als den allmächtigen Gott, den Herrn der Herrlichkeit. Dieser König hat seine Kirche gegründet; diesem König haben wir alle gehuldigt am Tag unserer Taufe und Taufbundserneurung; diesem König haben wir alle zu dienen und in seinem Reich unter ihm zu leben in Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit; diesen König müssen wir allesamt kennen, denn es gilt von ihm in Wahrheit: Er ist hochberühmt in seiner Stadt; von altersher, vom Pfingstfest an bis heute hat er so viel große Taten getan an den Seinen, soviel Wunder getan unter seinem Volke, dass ihn wahrlich jedes Kind kennen muss in seinem Volke. Gott ist in ihren Palästen bekannt, dass er der Schutz sei.“ Ja wahrlich, das weiß man zu Zion, das weiß man unter seinem Volk in Hütten und Palästen, von altersher bis auf diesen Tag, dass er der Schutzherr ist seines Volks und er allein. Das hat er bewiesen in alten Tagen in jener Drangsal, auf welche dieser Siegespsalm sich bezieht. Als Sanherib mit seinen Hunderttausenden gelagert war vor der Stadt; wer hat da die Stadt beschirmt? Kein menschlicher Schirmherr! Wohl war ein menschlicher König vorhanden in Jerusalem und kein schlimmer dazu: der fromme Hiskia. Aber hat der seine Stadt können beschirmen? Nein, der lag auf seinen Knien in Sack und Asche und flehte um Hilfe von oben. Der Schirmherr war Gott, der Allmächtige, der seinen Würgengel sandte ins Lager der Feinde. Und so bis auf den heutigen Tag nicht menschliche Könige haben eigentlich die Kirche Christi beschirmt, so große es auch gab und so fromme. Kein Kaiser Konstantin und kein Kaiser Karl der Große, kein Herzog Eberhard im Bart und kein Herzog Christof hätte die Kirche Christi können schirmen und bauen, wäre nicht Gott selber, der Allmächtige, mit ihr gewesen. Als zur Zeit der Reformation der mächtige König Heinrich VIII von England wegen eines Buchs, das er gegen Luther geschrieben, vom Papst den Titel erhielt: Defensor ecclesiae, Schirmherr der Kirche, da schrieb Luther: Ich höre sagen, man habe in Rom dem Könige von England den Titel gegeben: Schirmherr der Kirche. Aber ich bitte Gott, dass er mich ja nicht lasse in einer solchen Kirche sein, darinnen nur ein Mensch der Schutzherr ist. Eine Kirche, die an Gott verzagt und Christum verleugnet, die mag einen solchen Schutzherrn haben, aber die wahre Kirche singt: Der Herr ist mein Schutz. Dabei wollen auch wir bleiben und es auch bei allen Kirchennöten und Reichsnöten Zion zur Ehre und zur Freude rechnen: Der Herr ist ihr König. Weiter gehört zu Zions Ehren: sie hat eine herrliche Lage:
V. 3: „Der Berg Zion ist wie ein schön Zweiglein, des sich das ganze Land tröstet; an der Seite gegen Mitternacht liegt die Stadt des großen Königs.“ Die herrliche Lage Zions wird hier gepriesen, wie sich die heilige Stadt mit den Zinnen ihrer Zionsburg und mit den Kuppeln ihres Tempels majestätisch und königlich erhob aus ihren Ölgärten und Palmenhainen und weithin glänzte über Berge, Täler und Ebenen bis ans blaue Meer hinaus. Auch das geistliche Zion, die Kirche Christi, hat eine herrliche Lage; es ist eine hochgelegene, eine hochgebaute Stadt; denn erhaben über die Niederungen des gemeinen Lebens, erhaben über die Dünste und Nebel der Welt ist es gegründet auf ewigen Grund, auf den Felsen des göttlichen Worts, und liegt auf herrlichen Höhen, auf den Bergen der Erlösung, und schaut weithin über die Länder der Erde, die ihm alle einst noch sollen untertan werden, und ragt hoch hinein in den seligen Himmel, dem es verwandt und verschwistert ist. Ja Zion ist schön gelegen und hat eine schöne Aussicht. Das dürfen ja auch wir erfahren, Geliebte. Oder ist's euch nicht auch schon so ergangen, wenn ihr zur Kirche kamt und euch erhobt auf Flügeln der Andacht, dass es euch da war, als ob ihr auf einen schönen Berg stiegt, dass der Druck der Erdensorgen hinter euch blieb wie Dünste und Nebel; dass es euch leichter ums Herz ward, als atmete eure Brust reinere Luft, Himmelsluft; dass schönere Aussichten sich euch auftaten in Zukunft und Vergangenheit, in Zeit und Ewigkeit hinein? Steiget nur recht oft im Geist, steiget so oft es euch zu schwer wird unter dem Druck eurer Sorgen im Geist empor auf den Berg Zion; in andächtiger Betrachtung des göttlichen Worts, im frommen Gebet erhebt euch über dieses gemeine Leben, über diese arme Erde auf die seligen Höhen des Glaubens, und ihr werdet es immer wieder bekennen: Zion ist eine schön gelegene Stadt!
Und fest sind ihre Mauern, so fest, dass all ihre Feinde dran zerschellen. Das gehört weiter zu Zions Ehren.
V. 5-7: „Denn siehe, Könige sind versammelt, und miteinander vorübergezogen. Sie haben sich verwundert, da sie solches sahen, sie haben sich entsetzt und sind gestürzt. Zittern ist sie daselbst angekommen, Angst wie eine Gebärerin.“ Das ward wörtlich erfüllt an der Stadt des lebendigen Gottes damals, als Sanherib samt seinem Heer mit blutigem Kopf wieder abziehen musste von Jerusalem. Da ging's den beutelustigen Feinden nach dem Ausspruch des Propheten Jes. 29, 7. 8: „Wie wenn der Hungrige träumt, er esse, aufwacht und sein Magen ist leer; und wie der Durstige träumt, er trinke, aufwacht und siehe er lechzt und seine Seele schmachtet; also ergehen wird es dem Heere aller Heiden, die kämpfen gegen den Berg Zion.“ Und so ist's auch mit dem geistlichen Zion; seine Mauern sind fest, so fest, dass alle Feinde dran zerschellen. Wieviel und wie mächtige Gegner sind gegen das Reich Christi aufgetreten seit den Tagen des Pfingstfestes - und siehe seine Mauern waren ihnen zu fest; die Schwerter, die dagegen kämpften, sind dran schartig geworden; die Federn, die dagegen schrieben, sind dran stumpf geworden und wären's auch Straußenfedern gewesen, und wenn die Weisheit der Welt und die Macht der Welt auch noch so stolz mit vollen Segeln dagegen heranfuhr es ging, wie es dort mit jener stolzen spanischen Flotte ging, welche die unüberwindliche hieß und im Jahr 1588 gegen England heranzog, um den evangelischen Glauben zu bekämpfen: Gott blies darein - und sie ward zertrümmert nach allen Winden; es ging, wie's in unserem Psalm heißt:
V. 8: „Du zerbrichst Schiffe im Meer, durch den Ostwind.“ Darum ewig dauert die Stadt des lebendigen Gottes. Auch das gehört zu Zions Ehren.
V. 9: „Wie wir gehört haben, so sehen wir es an der Stadt des Herrn Zebaoth, an der Stadt unseres Gottes; Gott erhält dieselbe ewig, Sela.“ Das irdische Jerusalem, das ist freilich jetzt tief herabgekommen, nur ein Schatten noch seiner alten Herrlichkeit, und weder von Davids Zionsburg noch von Salomos Tempelbau steht noch ein Stein auf dem andern. Aber das geistliche Zion, die Kirche Christi ist's, von der es wörtlich gilt: Gott erhält dieselbe ewig, denn sie hat die Verheißung, dass auch die Pforten der Hölle sie nicht sollen überwältigen. Das haben wir gehört von altersher; das haben wir gesehen bis auf diesen Tag und darum singen wir getrost:
Ein' feste Burg ist unser Gott, ein' gute Wehr und Waffen;
Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind mit Ernst er's jetzt meint;
Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist;
Auf Erd ist nicht sein's gleichen.
Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren;
Es streit't für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesus Christ,
Der Herr Zebaoth, und ist kein andrer Gott;
Das Feld muss er behalten!
Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr, Es soll uns doch gelingen!
Der Fürst dieser Welt, wie sau'r er sich stellt,
Tut er uns doch nichts; das macht, er ist gericht't:
Ein Wörtlein kann ihn fällen.
Das Wort sie sollen lassen stahn und kein'n Dank dazu haben!
Er ist bei uns wohl auf dem Plan mit seinem Geist und Gaben.
Nehm'n sie uns den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib,
Lass fahren dahin; sie habens kein'n Gewinn!
Das Reich muss uns doch bleiben!
Und dies, Geliebte, führt uns nun auf des Psalmes und unserer Betrachtung zweiten Teil:
2) Zions Pflichten.
Die heißen fürs erste: Es soll seines Herrn sich freuen.
V. 10: „Gott, wir warten deiner Güte - oder eigentlich: wir danken für deine Güte in deinem Tempel.“ Dazu V. 12: Es freue sich der Berg Zion, und die Töchter Judas seien fröhlich, um deiner Rechte willen.“ Ja wie dort Jerusalem einen feierlichen Kirchgang hielt, ein fröhliches Dankfest feierte nach jener gnädigen Errettung, so sollen auch wir nicht müde werden, dem Herrn zu danken hier in seinem Tempel für alle Gnadenwunder, die er an seiner Kirche getan vom Pfingstfest an bis auf unsere Tage, wo er ja auch durch schwere Stürme seine Kirche gnädig hat hindurchgeführt. Und auch in schwerer Zeit sollen wir sein und seiner Gnadenmittel uns freuen, uns freuen seines Worts und seines Vaternamens, uns freuen unserer Bibel und unserer Gottesdienste. Weiter: des Herrn Namen ausbreiten, auch das gehört zu Zions Pflichten.
V. 11: „Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Ende; deine Rechte ist voller Gerechtigkeit.“ Nicht nur in der Gemeinde soll der Name Gottes bekannt werden und gerühmt, von Predigern gepredigt und angerufen werden in der Gemeinde, sondern auch hinausgetragen soll er werden bis an der Welt Enden: innere und äußere Mission, Arbeit am Reich Gottes im großen und im kleinen - das gehört zu Zions heiligsten Pflichten, das ist ein Beruf, an dem auch wir teilhaben sollen jedes an seinem Ort und nach seiner Kraft. Ebendarum gehört zu diesen Pflichten: Wachen über Zion.
V. 13: „Macht euch um Zion und umfangt sie, zählt ihre Türme.“ Wie man in einer Stadt, die vom Feinde belagert und beschossen wird, täglich Umgang hält, um zu sehen, wo die Türme etwa möchten schadhaft geworden und in die Mauern eine Bresche geschossen sein; wie man damals, nachdem Sanherib abgezogen, Umgang hielt in Jerusalem, so sollen wir auch Zion fleißig besichtigen, ihre Türme zählen, ihre Mauern prüfen, über Zucht und Ordnung in der Gemeinde halten, wachen über christliche Lehre und christliches Leben. Und wenn auch Gott selbst der oberste Schirmherr und Hüter ist in Zion, wenn auch die kirchliche Obrigkeit zunächst das Amt hat, Zionswächter zu sein, so soll doch jeder Bürger Zions, jeder echte Christ auch ein Auge haben für Zions Zustand, ein Herz haben für Zions Schaden, eine Hand haben für Zions Ausbau. Darum bauen an Zion, das gehört weiter zu seinen Pflichten.
V. 14: „Legt Fleiß an ihre Mauern und erhöht ihre Paläste, auf dass man davon verkündige bei den Nachkommen.“ Legt Fleiß an Zions Mauern, d. h. baut an der Stadt des lebendigen Gottes. Erbaut euch selbst je mehr und mehr in Glauben und Liebe und Gehorsam, damit der Heilige Gott in euch wohnen könne und euer Herz je mehr und mehr werde ein Tempel des heiligen Geistes. Erbaut auch andere um euch her durch Vorbild und Wandel. Und wo ihr das nicht selber könnt, da betet täglich recht brünstig: Herr, baue du dein Zion, dein Reich komme. Und hofft auf ihn.
V. 15: „Dass dieser Gott sei unser Gott immer und ewig. Er führt uns wie die Jugend.“ Er führt uns über den Tod hinüber, der da gesprochen: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, und der da verheißen hat seiner Kirche, dass auch die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen sollen, ja dem soll sie trauen und dann wird sie's erfahren in Ewigkeit: Der Herr ist nun und nimmer nicht von seinem Volk geschieden, er bleibt bei seiner Kirche, bis sie aus der streitenden die triumphierende wird.
Und nun noch ein Wort zum Bußtag. Wir haben von Zion gesprochen, der Stadt des lebendigen Gottes, von Zions Ehren und Zions Pflichten. Aber ach es steht nicht so heutzutage in Zion, wie es stehen sollte; die Kirche Christi liegt in großem Notstand; und nicht nur vor den Toren, sondern auch innerhalb ihrer Tore hat sie den Feind: Unglaube, Unwissenheit, Sünde und ungöttliches Wesen aller Art hat sich eingenistet in der Christenheit, als wäre Zion nicht nur eine belagerte, sondern schon eine eroberte Stadt. Zions Ehren liegen darnieder. Und warum? Weil sie ihre Pflichten liegen lässt. Es stände nicht so schlecht ums Reich Gottes und die Kirche Christi, wenn alle Bürger Zions, wenn auch wir alle unserer Pflichten mehr eingedenk wären. Sagt, Geliebte, haben wir unsere Pflichten als Christen bisher treu und gewissenhaft erfüllt? Haben wir unserem König so gedient, wie wir hätten sollen, oder vielleicht Gott und der Welt, Christo und Belial zugleich dienen wollen? Haben wir unseres Königs Wort und Gebot, Predigt und Satzramente so wert gehalten wie sie's verdienen, oder oft undankbar und gleichgültig uns bewiesen gegen die Gnadengüter unserer Kirche? Haben wir gesucht, uns und andere zu erbauen nach Kräften und auch unser Steinlein herbeizutragen zum Bau des Reiches Gottes? Haben wir ein Auge und Herz gehabt für die Reichsangelegenheiten Christi, oder nur für unsere eigenen Angelegenheiten? Haben wir genug gebetet fürs Reich Gottes? Herr, vergib; o Herr, hilf!
Erhalt uns, Herr, im wahren Glauben
Noch fernerhin bis an das End.
Lass nichts uns deine Schätze rauben,
Dein heilig Wort und Sakrament.
Erfülle deiner Christen Herzen,
Gott, mit deinem Gnadenheil,
Und gib nach überwundnen Schmerzen
Uns droben einst das bess're Teil!
Amen.