Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 31.
(1) Ein Psalm Davids, vorzusingen. (2) Herr, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zu Schanden werden; errette mich durch deine Gerechtigkeit. (3) Neige deine Ohren zu mir, eilend hilf mir. Sei mir ein starker Fels, und eine Burg, dass du mir hilfst. (4) Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen. (5) Du wollest mich aus dem Netz ziehen, das sie mir gestellt haben; denn du bist meine Stärke. (6) In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott. (7) Ich hasse, die da halten auf lose Lehre; ich hoffe aber auf den Herrn. (8) Ich freue mich und bin fröhlich über deiner Güte, dass du mein Elend ansiehst, und erkennst meine Seele in der Not, (9) Und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes; du stellst meine Füße auf weiten Raum. (10) Herr, sei mir gnädig, denn mir ist Angst, meine Gestalt ist verfallen vor Trauern, dazu meine Seele und mein Bauch. (11) Denn mein Leben hat abgenommen vor Betrübnis, und meine Zeit vor Seufzen; meine Kraft ist verfallen vor meiner Missetat, und meine Gebeine sind verschmachtet. (12) Es geht mir so übel, dass ich bin eine große Schmach geworden meinen Nachbarn, und eine Scheu meinen Verwandten; die mich sehen auf der Gasse, fliehen vor mir. (13) Meiner ist vergessen im Herzen, wie eines Toten; ich bin geworden, wie ein zerbrochenes Gefäß. (14) Denn viele schelten mich übel, dass jedermann sich vor mir scheut; sie ratschlagen miteinander über mich, und denken mir das Leben zu nehmen. (15) Ich aber, Herr, hoffe auf dich, und spreche: Du bist mein Gott! (16) Meine Zeit steht in deinen Händen. Errette mich von der Hand meiner Feinde, und von denen, die mich verfolgen. (17) Lass leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte. (18) Herr, lass mich nicht zu Schanden werden, denn ich rufe dich an. Die Gottlosen müssen zu Schanden und geschweigt werden in der Hölle. (19) Verstummen müssen falsche Mäuler, die da reden wider den Gerechten, steif, stolz und höhnisch. (20) Wie groß ist deine Güte, die du verborgen hast denen, die dich fürchten, und erzeigst denen, die vor den Leuten auf dich trauen. (21) Du verbirgst sie heimlich bei dir vor jedermanns Trotz; du verdeckst sie in der Hütte vor den zänkischen Zungen. (22) Gelobt sei der Herr, dass er hat eine wunderliche Güte mir bewiesen, in einer festen Stadt. (23) Denn ich sprach in meinem Zagen: Ich bin von deinen Augen verstoßen; dennoch hörtest du meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie. (24) Liebt den Herrn, alle seine Heiligen. Die Gläubigen behütet der Herr, und vergilt reichlich dem, der Hochmut übet. (25) Seid getrost und unverzagt, alle, die ihr des Herrn harrt.
Eine der lieblichsten Wahrheiten, welche uns die heilige Adventszeit predigt, in der wir jetzt stehen, ist die: Gott ist getreu. Gott ist getreu und tut, was er verheißt; Gott ist getreu und handelt väterlich. Das hat er aufs herrlichste bewiesen, als er nach Erfüllung der Zeiten seinen Sohn in die Welt sandte, der Welt zum Licht und Trost und Heil. Da war alles Seufzen der Welt gestillt, alles Sehnen der Frommen erfüllt; da war es bewiesen und bewährt für ewige Zeiten: Gott ist getreu!
Selig, wer festhält an dieser Wahrheit: Gott ist getreu; selig, wer's auch in der Trübsal sich nicht rauben lässt. Wie ein Stern glänzt durch die Trübsalsnacht das goldene Wort: Gott ist getreu. Auch durch unsern 31. Psalm schimmert tröstlich dieser Gedanke hindurch: Gott ist getreu. Es ist ein Klagepsalm, in tiefer Not aus einem angstvollen Herzen emporgesungen zu Gott; aber der Glaube an Gottes Vatertreue tritt doch immer wieder kräftig hervor, und wie in einer schwarzen Herbstnacht, wo die finstern Wolken am Himmel sich jagen und die Winde kläglich durchs dürre Laub seufzen und in den Wetterfahnen ächzen, doch hin und wieder ein Sternlein tröstlich zwischen den Wolken hindurchschimmert und uns sagt: Über den Stürmen und Wolken gibt's eine bessere Welt voll Licht und Frieden, so schimmern auch in unserem Psalm zwischen den trüben Klagen, die sich da wie finstre Wolken hintereinander herdrängen, einzelne Sprüche des Glaubens und Gottvertrauens wie liebliche Sterne freundlich und tröstlich hervor. Ja Sterne finden sich in diesem Psalm, an denen sich schon manches frommen Dulders Blick erquickt hat in finstrer Trübsalsnacht, Sterne, die schon in sterbende Augen Himmelstrost und Himmelsfrieden gestrahlt. Wir wollen uns auch daran erquicken, indem wir unseren Psalm näher betrachten, diesen
Hilferuf einer bedrängten Seele nach ihrem treuen Gott und Herrn.
Wir haben:
1) Einen getrosten Aufblick zum getreuen Gott. (V. 1-9.)
2) Eine rührende Klage über die bittere Not, da werden die Sterne des Trostes auf einen Augenblick wie ausgelöscht von den nächtlichen Wolken der Schwermut. (V. 10-19.) Aber die Sterne siegen.
3) Mit einem fröhlichen Preis der göttlichen Hilfe schließt der Psalm. (V. 20-22.) - Also:
1) Getroster Ausblick zu dem getreuen Gott.
„Herr, ich traue auf dich,“ beginnt David gleich im Eingang V. 2 und damit hat er die rechte Tonart angeschlagen auf seiner Harfe, den Ton, den er so wohl versteht, den Ton heldenmütigen Glaubens, unerschütterlichen Gottvertrauens. In solchem Vertrauen bringt er dann getrost seine Bitte vor: „Lass mich nimmermehr zu Schanden werden; errette mich durch deine Gerechtigkeit,“ und V. 3: „Neige deine Ohren zu mir, eilend hilf mir; sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir hilfst.“ Wie der Ertrinkende den Felsen ergreift, um sich aus den Fluten zu retten; wie der von Feinden Verfolgte eilt, in einer sichern Burg sich zu bergen und die Tore hinter sich zuzuschlagen, so flüchtet die von Feinden verfolgte, von Ängsten umflutete Seele Davids zu Gott, ja in Gott hinein als in eine feste Burg. Und das ist er auch, V. 4: Denn du bist mein Fels und meine Burg,“ schon manchmal hab ich das erfahren und erprobt, unter deinem Schutz war ich noch immer sicher und wohlgeborgen. Wohl hat das David oft erprobt in seinem stürmevollen Leben. Auch Luther hat das erprobt, darum hat er so kühnlich gesungen: Ein feste Burg ist unser Gott. Und viel Gläubige haben das erprobt. Als einst im dreißigjährigen Krieg der Stadt Stettin in Pommern schwere Belagerung drohte und man ängstlich in der Stadt vom bevorstehenden Sturm redete, da sprach ein frommer Bürger unerschrocken: „Noch hat es keine Not, noch haben wir einen guten Wassergraben um die Stadt: die Tränen der Frommen, die drin beten, und gute Mauern um die Stadt: das sind die Verheißungen des treuen Gottes.“ Der hat's auch verstanden, was es heißt: Denn du bist mein Fels und meine Burg „und um deines Namens willen,“ weil du der treue Gott, der Menschenhüter heißt von alters her, „wollest du mich leiten und führen.“ Wir wissen es ja noch aus Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte; er führt mich auf rechter Straße - um seines Namens willen. Nun bekommen wir einen Wink, welcherlei Not es war, in der David schwebte.
V. 5: „Du wollest mich aus dem Netz ziehen, das sie mir gestellt haben; denn du bist meine Stärke.“ Also die Bosheit menschlicher Feinde war's, was den frommen Sänger so sehr ins Gedränge brachte. Doch er weiß es wohl und wir wollen's auch nicht vergessen: Alle Netze menschlicher List, alle Schlingen menschlicher Bosheit, alle Ketten menschlicher Gewalt, nichts sind sie als Spinngewebe, die der allmächtige Gott mit einem Hieb zerhaut, wenn er will; keine menschliche List noch Gewalt, keine menschliche noch teuflische Bosheit darf der fürchten, der mit David spricht: Du bist meine Stärke!“ Und wenn der Tod leibhaftig ihm vor Augen stände, er fährt getrost fort:
V. 6: „In deine Hände befehl‘ ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott!“ Kennst du diesen Spruch, liebe Seele? O wer sollte ihn nicht kennen! Das ist ja meines Heilands Sterbeseufzer gewesen auf Golgatha: In deine Hände befehl‘ ich meinen Geist. O tröstliches, köstliches, ewig gesegnetes Wort! Auch unsers Luther Sterbeseufzer ist's gewesen; als er in der Nacht des 18. Februar 1546 vom Tode gefasst in Eisleben sich auf sein Sterbebett legte, hat er auf der Schwelle des Stübleins, das seine Sterbekammer werden sollte, noch mit lauter Stimme geseufzt: „In deine Hände befehl‘ ich meinen Geist; du hast mich erlöst, du treuer Gott!“ und ist darauf im Frieden entschlafen. Gebe der Herr, dass das einst auch unser Sterbeseufzer werde, mit dem wir getrost unser Haupt zum letzten Schlummer neigen; und inzwischen sei es ein Not- und Hilferuf auch in den Ängsten des Lebens: „In deine Hände befehl‘ ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott!“ Wer so seinen Leib und seine Seele gläubig übergeben hat in die Hände seines treuen Gottes o der ist selig in dem Gedanken:
Gott ist getreu: sein Herz, sein Vaterherz
Vergisst die Seinen nie;
Gott ist getreu, im Wohlsein und im Schmerz
Erfreut und trägt er sie;
Mich deckt seiner Allmacht Flügel,
Stürzt ein ihr Berge, fallt ihr Hügel:
Gott ist getreu!
In solcher Zuversicht fährt David fort zu triumphieren:
V. 7: „Ich hasse, die da halten auf lose Lehren, die sich auf Eitles verlassen auf Geld, Gut, Macht der Erde, ich hoffe aber auf den Herrn.“ Ich bleibe dabei, der Herr ist meine Burg. Und darum mitten in der Trübsal V. 8: „Freue ich mich und bin fröhlich über deiner Güte, dass du mein Elend ansiehst und erkennst meine Seele in der Not.“ Das ist der Troststern, der dem Frommen auch die Nacht der Trübsal erhellt - die Güte, die Treue seines Gottes, der die Not der Seinen kennt und lässt sie nicht verderben; wie David weiter hofft
V. 9: „Und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes; du stellst meine Füße auf weiten Raum;“ hilfst mir aus dem Gedränge, dass ich fröhlich wieder aufatmen darf. So schaut David schon im Geist die Hilfe aus aller Not; er weiß ja das Eine: Gott ist getreu!
Aber siehe, nun wälzen Wolken, schwarze Wolken der Angst, der Sorge, der Schwermut über seine Seele sich her und löschen ihm auf eine Zeitlang alle Hoffnungssterne, alle Himmelslichter göttlicher Verheißung aus. Es geht ja so im Menschenherzen, auch im Christenherzen her. Nach dem freudigsten Aufschwung des Glaubens und der Hoffnung sinkt oft plötzlich die Seele wie flügellahm hinab in die tiefsten Tiefen der Schwermut. Der böse Geist des Kleinglaubens, die unheimlichen Mächte der Finsternis gönnen der Seele nicht ihren Frieden, machen gleichsam noch den letzten Anlauf, sie in den Staub zu werfen. So kommen wir jetzt
2) an des Psalms zweiten Teil: eine rührende Klage über die bittere Not. Da ist jeder Vers gleichsam ein Jammerruf, jedes Wort fast ein Seufzer.
(V. 10-19.)
V. 10. 11: „Herr, sei mir gnädig, denn mir ist Angst, meine Gestalt ist verfallen vor Trauern, dazu meine Seele und mein Bauch. Denn mein Leben hat abgenommen vor Betrübnis, und meine Zeit vor Seufzen; meine Kraft ist verfallen vor meiner Missetat, und meine Gebeine sind verschmachtet.“ Da geht es dem David, wie es oft auch uns geht in langer schwerer Trübsalszeit: man kennt sich selber nicht mehr. Leiblich kennt man sich nicht mehr; hin ist die Kraft in den Gebeinen, das Rot in den Wangen, der Glanz in den Augen, wie ein Schatten nur schleicht man einher; und geistig kennt man sich auch nicht mehr: verschwunden ist der frohe Mut, der helle Verstand, der kräftige Wille. Man kann nicht mehr recht denken; man kommt zu keinem Entschluss mehr; man kommt sich selber so schwach, so töricht, so schlecht, so verächtlich vor; man fürchtet sich fast vor dem Lichte des Tages, ja vor den Augen seiner liebsten Freunde. Wie man sich selber nicht mehr kennt, so ist's einem, als wollten auch die liebsten Freunde uns nicht mehr kennen. Auch darüber klagt David:
V. 12. 13: „Es geht mir so übel, dass ich bin eine große Schmach geworden meinen Nachbarn, und eine Scheu meinen Verwandten; die mich sehen auf der Gasse, fliehen vor mir. Meiner ist vergessen im Herzen, wie eines Toten; ich bin geworden, wie ein zerbrochenes Gefäß.“ Wer auch nur eine Seele noch hat, auf die er trauen darf; ein Auge, das ihn mit Liebe anschaut; ein Ohr, das offen ist für seine Klagen; eine Brust, an die er sich werfen kann mit seinen Tränen; einen Mund, der ein tröstlich Wort zu ihm redet; eine Hand, die er fassen darf, die's ihm sagt durch einen warmen Händedruck, ich verstehe dich, ich fühle mit dir, ich leide mit dir; wer auch nur noch einen Freund hat auf Erden, o der ist noch nicht ganz unglücklich; geteilter Schmerz ist halber Schmerz. Wem aber auch dieser Trost genommen ist, bei wem es soweit gekommen ist wie bei David, als er selbst seinen Jonathan verloren hatte, wie bei Hiob, als selbst seine Freunde zu seinen Anklägern wurden, wie bei Jesus, als selbst sein Petrus ihn verriet und alle seine Jünger von ihm flohen -wer es fühlen muss: Ich bin vergessen wie ein Toter, mein Name ist schon ausgestrichen in den Herzen der Meinen, ich bin weggeworfen wie ein zerbrochenes Gefäß, wie eine Tasse, die man oft zum Munde geführt, wie ein Glas, das man oft in die Hand genommen, aber jetzt wirft man‘s in den Winkel, denn es ist zerbrochen, es ist unnütz, bei wem's so weit gekommen ist, dass er keinen Freund mehr hat: für den ist freilich der Prüfung trübste Stunde gekommen. Dankt Gott, ihr Betrübten alle, so lang er euch nur noch einen Trost gelassen hat auf Erden, einen Freund, heiße er Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, Bruder oder Schwester, Gatte oder Gattin, Freund oder Freundin. Wem aber Gott auch das versagt haben sollte, den Freund auf Erden, nun der vergesse einen nicht, den Freund im Himmel, der tröste sich im Glauben:
Gott ist getreu! er ist mein treuester Freund,
Dies weiß, dies hoff ich fest;
Ich weiß gewiss, dass er mich keinen Feind
Zu hart versuchen lässt;
Er stärkt mich nach seinem Bunde
In meiner Prüfung trübster Stunde:
Gott ist getreu!
Noch einmal klagt David; er selber kennt sich nicht mehr; die Freunde kennen ihn nicht mehr; was Wunder, wenn die Feinde ihm das Messer gleichsam an die Kehle setzen:
V. 14: „Denn viele schelten mich übel, dass jedermann sich vor mir scheut; sie ratschlagen miteinander über mich, und denken mir das Leben zu nehmen.“ Aber auch in dieser äußersten Not hält sein Glaube die Probe:
V. 15: „Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!“ Tröstliches „Ich aber“. Mögen die Feinde ringsum mich bedrängen, mögen die besten Freunde mich verlassen, mag mein eigen Herz oft schier verzagen; mögen die Fluten der Not mir übers Haupt gehen: Ich aber - dem allem zum Trotz, hoffe auf den Herrn. Wer kann's nachsprechen, dieses kräftige: Ich aber? Und wer kann's nachsprechen, das tröstliche: Du bist mein Gott! mein mit all deiner Allmacht, Weisheit, Liebe, Treue; mein Gott, den ich nicht fahren lasse, wollte sich auch die ganze Heeresmacht der Hölle werfen zwischen mich und ihn, sondern ich halte ihn fest und fass ihn immer aufs Neue mit Glaubensarmen. Darum weiß ich:
V. 16: „Meine Zeit steht in deinen Händen. Errette mich von der Hand meiner Feinde, und von denen, die mich verfolgen.“ Meine Zeit steht in Gottes Hand; keines Feindes Macht, keine Not der Welt kann mir auch nur um eine Stunde die Zeit abkürzen, die mein Gott mir zugemessen; kein Haar fällt von meinem Haupt ohne seinen Willen; drum will ich nicht zittern, sondern auf ihn hoffen und beten:
V. 17: „Lass leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte.“ Ja wenn nur der himmlische Vater uns sein Antlitz leuchten lässt, wenn wir nur im Glauben das Vaterauge da droben leuchten sehen und das Heilandsantlitz erblicken, das voll Gnade und Erbarmung auf uns herniederschaut, dann erschrecken uns nicht mehr die boshaften Angesichter von tausend Feinden und die Basiliskenblicke giftiger Verfolger. Ein Blick aus deinem Auge tröstet meine Seele. Und nun legt er noch einmal seine Sache dem himmlischen Sachwalter ans Herz:
V. 18. 19: „Herr, lass mich nicht zu Schanden werden, denn ich rufe dich an. Die Gottlosen müssen zu Schanden und geschweigt werden in der Hölle. Verstummen müssen falsche Mäuler, die da reden wider den Gerechten, steif, stolz und höhnisch.“ So macht's der gläubige Gottesknecht. Nicht mit seinen Feinden macht er seine Sache aus, sondern mit seinem Gott im Kämmerlein; er weiß, der tritt für mich ein zur rechten Zeit, und wenn er für mich spricht, dann müssen verstummen alle Feinde. So hat er sich wieder hindurchgebetet zu froher Zuversicht. Nun sind die finsteren Schwermutswolken verzogen und hell und klar leuchten wieder die ewigen Sterne der Gottesverheißungen hernieder durch die Nacht und hell und klar steht's in seiner Seele: Gott ist getreu!
3) Ein fröhlicher Preis der göttlichen Hilfe schließt den Psalm V. 20-25,
so fröhlich, dass manche Ausleger meinen, David habe diesen Schluss erst später angehängt, als die Not vorüber war.
V. 20: „Wie groß ist deine Güte, die du verborgen hast denen, die dich fürchten, und erzeigest denen, die vor den Leuten auf dich trauen.“ Wie ein köstliches Weihnachtsgeschenk oder wie einen Sparpfennig, den man erst herausgibt, wenn die Not am höchsten, hat Gott seine Güte verborgen, zurückgelegt, aufgehoben den Seinen; aber zur rechten Zeit rückt er damit heraus und rechtfertigt alle, die auf ihn trauen und auch vor der Welt ihr Vertrauen bekennen. Gott ist getreu!
V. 21: „Du verbirgst sie heimlich bei dir vor jedermanns Trotz; du verdeckst sie in der Hütte vor den zänkischen Zungen.“ Wie eine Henne ihre Küchlein birgt unter ihre Flügel, eine Mutter ihr Kindlein birgt in ihren Mantel, so der Herr die Seinen, bis der Sturm vorüber ist. Gott ist getreu!
V. 22: „Gelobt sei der Herr, dass er hat eine wunderliche Güte mir bewiesen, in einer festen Stadt.“ Ja wie hinter sichern Mauern einer festen Stadt hat mich Gott geborgen, dass kein Pfeil des Feindes mich treffen konnte: Gott ist getreu! Ich hab's zwar einen Augenblick fast vergessen
V. 23: „Denn ich sprach in meinem Zagen: Ich bin von deinen Augen verstoßen; dennoch hörtest du meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie,“ und wollte verzagen, aber nun rühm ich's mit Dank und Beschämung: Gott ist getreu! - Und was er erfahren, das soll allen Frommen zugutekommen und eine Mahnung werden zum fröhlichen Gottvertrauen.
V. 24. 25: „Liebt den Herrn, alle seine Heiligen. Die Gläubigen behütet der Herr, und vergilt reichlich dem, der Hochmut übt. Seid getrost und unverzagt, alle, die ihr des Herrn harrt.“ Ja auch wir wollen's nicht vergessen, wie ein Blättlein Immergrün wollen wir's mit heimnehmen in dieser Winterszeit und uns dran erquicken in aller Trübsal: Gott ist getreu!
Vergiss, o Seel, es nicht, Wie zärtlich treu er ist!
Gott treu zu sein, sei deine liebste Pflicht,
Weil du so wert ihm bist.
Halt fest an Gott, sei treu im Glauben,
Lass nichts den starken Trost dir rauben:
Gott ist getreu! Amen.