Gerok, Karl von - Aus ernster Zeit - Vorwort zur ersten Auflage.
Vor Allem bitte ich um Entschuldigung, dass ich abermals mit einem Jahrgang Predigten hervortrete. Viele meiner früheren Zuhörer, die mich seit meinem Amtswechsel nicht mehr hören können, wünschten wenigstens wieder etwas von mir zu lesen, und manche von denen, welche jetzt meine Vorträge besuchen, fragten, ob nicht ein Teil derselben gesammelt würde; auch Amtsbrüder aus der Ferne haben wiederholt ein neues Predigtbuch von mir begehrt. So wollte ich mich nach längerem Zureden dem Versuch nicht entziehen, mit meiner bescheidenen Gabe denen noch einmal zu dienen, die unter so vielem Andern und Bessern gerade an meine Art sich gewöhnt haben.
Diese wird man auch diesmal im Wesentlichen als die alte finden. Ich darf Gottlob und soll an meiner gegenwärtigen Gemeinde Gesetz und Evangelium ungeschminkt und unverkürzt so gut wie in jeder andern Kirche predigen und bin wie früher bemüht, Gottes Wort so wie es für Herz und Leben fruchtbar, für jeden Stand und jede Bildungsstufe verständlich ist, an der Hand des jedesmaligen Textes zu verkünden. Dabei gebietet mir jedoch die Gottesdienstordnung der königlichen Schlosskapelle größere Kürze als früher, weshalb der Aufbau und die Gliederung der Predigten einfacher, die Ausführung sparsamer und gedrängter werden musste; eine Forderung, der ich nur mit Selbstverleugnung mich zu fügen weiß.
Die ernste Zeit, aus der wir jetzt eben herkommen, hat einzelnen unter den hier gesammelten Vorträgen ihr besonderes Gepräge aufgedrückt. Obgleich ich vorherrschend nicht Zeitpredigten, sondern eine von vorübergehenden Ereignissen unabhängige Erbauung bieten möchte, so musste ich doch einigen jener Zeugnisse ihren Platz lasse, nicht nur weil sie an eine große, den Einzelnen wie dem ganzen Volk unvergessliche Zeit erinnern, sondern auch weil diese Zeit die richtende, tröstende und erhebende Macht des göttlichen Worts, das ein Licht auf allen unsern Wegen, ein Richter unsrer Gedanken und Sinne ist, wieder so herrlich und gewaltig wie nur jemals eine bekundet hat.
Den Sonn- und Festtagspredigten, welchen die württembergischen Perikopen teils des ersten, teils des zweiten Jahrgangs zu Grunde liegen, sind einige kirchliche Gelegenheitsreden und Gastpredigten angereiht.
Der Herr begleite diese schlichten Zeugnisse auf ihrem Gang durch die Gemeinde und segne sie da und dort an einem wahrheitsuchenden, friedebegehrenden Herzen unter denen, welche in der Bildung noch nicht so weit fortgeschritten sind, um des Christentums, des göttlichen Worts und der religiösen Erbauung entbehren zu können.
Stuttgart, am Tag Martini 1872.
Der Verfasser.