Gerok, Karl von - Aus ernster Zeit - 5. Predigt am Christfest. (1868.)

Gerok, Karl von - Aus ernster Zeit - 5. Predigt am Christfest. (1868.)

Luk. 2, 1-14.

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde; und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land, zur Stadt David, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte David war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: fürchtet euch nicht; siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt David. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen!

„Lass dich erleuchten, meine Seele,
Versäume nicht den Gnadenschein,
Der Glanz aus dieser kleinen Höhle
Streckt sich in alle Welt hinein,
Er treibet weg der Trübsal Nacht,
Der Sünde und des Todes Macht.“ 1)

Mit solchen Worten lädt uns eines unsrer Weihnachtslieder ein zum anbetenden Hintritt an die Krippe Jesu, wo vom Angesichte des göttlichen Kindes ein Widerschein himmlischen Lichtes ausgeht in alle Welt und hineinfällt in alle gläubigen Herzen. Ein großer Maler hat uns das schön vor Augen gestellt. In Korreggios berühmter „heiliger Nacht“ sehen wir das neugeborene Jesuskind in seiner Mutter Schoß, begrüßt von den anbetenden Hirten. Alle Beleuchtung aber auf dem nächtlichen Bilde geht aus vom Antlitz des Kindleins. Marias seliges Gesicht, der Hirten bärtige Gestalten, die Engel, die über der Szene schweben, selbst der dunkle Hintergrund des Stalls mit seinen Bewohnern und das nächtliche Feld draußen, alles glänzt im näheren oder ferneren Widerschein vom Antlitz des göttlichen Kindes, zum Zeichen: „der Glanz aus dieser kleinen Höhle streckt sich in alle Welt hinein.“

Der Glanz aus dieser kleinen Höhle streckt sich in alle Welt hinein. Könige und Hirten, Hoch und Nieder, Erde und Himmel, Leben und Sterben, das Alles wird freundlich beleuchtet und festlich bestrahlt von der Krippe zu Bethlehem aus. Lasst uns dem weiter nachdenken und betrachten:

Das Himmelslicht in Erdennacht, das von der Krippe des menschgewordenen Gottessohnes ausgeht;

1) schon auf unsre Kinderwiegen;
2) dann auf unsre Lebenspfade; und endlich
3) auf unsere Sterbebetten.

Jesu, schöne Weihnachtssonne,
Bestrahle mich mit deiner Gunst,
Dein Licht sei meine Weihnachtwonne
Und lehre mich die selge Kunst:
Wie ich im Lichte wandeln soll
Und sei des Weihnachtglanzes voll! Amen. 2)

1)

Ein Himmelslicht in Erdennacht fällt von der Krippe des menschgewordenen Gottessohns schon auf unsere Kinderwiegen. Schon in die Dämmerung unserer frühesten Kindheit wirft ja das heilige Christfest seinen Freudenschein. Wer unter uns denkt nicht mit einem Nachglanz froher Erinnerung an die Weihnachtsfreuden seiner Kindheit, an die ahnungsvolle Erwartung der Adventszeit, an die strahlende Bescherung des Heiligen Abends, an die fröhlichen Spiele der Christfeiertage? Und wer unter uns findet nicht heute noch seinen Genuss darin, die Weihnachtsfreude, der er selbst nun entwachsen ist, wenigstens der nachwachsenden Jugend zu bereiten? In der ärmsten Hütte, wo sonst wenig Freude das Jahr über einkehrt, soll doch in diesen Feiertagen auch ein Christbäumchen glänzen, und im Palaste, wo jeder Tag des Guten und Schönen viel bringt, soll doch das Weihnachtsfest noch neuen Glanz und besondere Freude bringen. Wo arme Eltern nicht im Stande sind, ihren Kindern eine Freude zu machen, da tritt die Liebe Anderer hilfreich ins Mittel; und wer selber keinen Kinderkreis um sich hat, der sucht sich und schafft sich seine Familie zur Bescherung unter Freunden und Verwandten, oder unter Armen und Verwaisten.

Das Christfest ist unser großes Kinderfest. Und wie kommt das, meine Lieben? Es kommt daher, dass es ein Kind ist, das dort in der Krippe zu Bethlehem liegt; es kommt daher, dass der Sohn Gottes durch seine Geburt schon das zarte Kindesalter geheiligt hat, wie die Kirche anbetend singt: „den aller Weltkreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß. Er ist ein Kindlein worden klein, der alle Ding erhält allein“3); darum fällt von der Krippe Jesu ein freundliches Licht auch auf unsre Kinderwiegen, in unsre Kinderstuben, in unsre Kinderherzen hinein.

Darum ruft das heutige Christfest allen Eltern zu: freut euch eurer Kinder und pflegt ihrer; ehrt in ihnen ein Geschenk der göttlichen Gnade; betrachtet in ihnen ihre Verwandtschaft mit dem göttlichen Kind in der Krippe; pflegt in ihnen das Fünklein des göttlichen Ebenbilds, das der menschgewordene Gottessohn durch seine heilige Geburt der Menschheit und insbesondere der Kindheit wieder eingepflanzt hat. Darum bindet uns das heutige Christfest die ganze Kinderwelt aufs Herz mit der Mahnung: freut euch nicht nur ihrer, sondern macht ihnen auch Freude. Und macht ihnen nicht nur eine flüchtige, durchs Übermaß im Geben oft sogar schädliche Freude, sondern tut auch das Beste an ihnen, indem ihr sie aufzieht in der Zucht und Vermahnung zum Herrn und bildet nach dem Vorbilde des Jesuskinds. Seht, ihr Christen, das holde Kindlein dort in der Krippe an in seiner rührenden Armut und Hilfsbedürftigkeit, und was ihr ihm gern tun möchtet in dankbarer Liebe, das tut an seinen tausend kleinen Brüderlein und Schwesterlein um euch her, an euren eigenen und an fremden Kindern. ( Pflegt der Säuglinge und errichtet Krippen für die, welche keine Wiege oder keine Pflege haben daheim, im Andenken an die Krippe zu Bethlehem. Bewahrt die heranwachsenden und schafft Bewahranstalten für die, welche daheim nicht bewahrt sind an Leib und Seele.) Übt Elternliebe an euren Kindern und öffnet Waisenhäuser denen, welche keinen Vater, keine Mutter mehr haben. Kurz um des Jesuskindes willen habt die Kinder lieb, und tut ihnen wohl an Leib und Seele!

Unsern Kindern aber wollen wir heut sagen: Liebe Kinder! freut euch eurer Weihnachtsgaben, aber vergesst nicht das beste Christgeschenk, das der himmlische Vater euch und allen Menschen eingelegt hat, das Jesuskind in der Krippe von dem es heißt: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er aus freiem Trieb uns seinen Sohn zum Heiland gibt, wie hat uns Gott so lieb! Auch für euch ist er in die Welt gekommen, auch für euch ist er auf Erden gewandelt, auch für euch ist er in der Krippe gelegen, auch für euch ist er am Kreuz gestorben, auch euch hat er viel Gutes gebracht. Ohne ihn hättet ihr kein Christfest mit seinen Gaben, kein christliches Elternhaus mit seinem Segen, keine christliche Schule mit ihrem Unterricht, keine christliche Jugendzeit mit ihren Freuden, ohne ihn müsstet ihr wild heraufwachsen als arme blinde Heidenkinder, darum dankt ihm für seine Liebe durch kindlichen Gehorsam und ehrt ihn mit Herz und Mund, wie ihr ja von Kind auf gelernt habt:

Am Himmel hätten wir nicht Teil,
wenn nicht zu unser Aller Heil
Dies Kind geboren wäre;
Liebster Heiland Jesus Christ,
der du unser Bruder bist,
dir sei Lob, Preis und Ehre!

Aber nicht nur auf unsere Kinderwiegen, auch später

2)

auf unsre Lebenspfade fällt das Himmelslicht in Erdennacht, das ausgeht von der Krippe des menschgewordenen Gottessohns.

Nacht lag über Bethlehems Fluren, als dort die Hirten hüteten auf dem Felde, und es war Nacht nicht nur in der Natur, sondern auch in den Köpfen und Herzen. Die Nacht der Unwissenheit und des Aberglaubens, der Knechtschaft und der Gottentfremdung, der Unzufriedenheit und der Trostlosigkeit lag auf dem einst so hochbegnadigten, nun aber so tief gesunkenen Volke Gottes, denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben. Nacht lag in der Geburtsstunde des Heilands auch über Roms Kaiserburg, in welcher der erlauchte Augustus über den ganzen bekannten Erdkreis herrschte, und zwar nicht nur die natürliche Nacht, sondern auch nach den Zeugnissen der römischen Schriftsteller selbst die geistige Nacht eines bodenlosen Unglaubens, der nichts Heiliges mehr kannte, eines gedankenlosen Aberglaubens, der jedem Betrüger sich in die Arme warf, einer gottlosen Sittenverderbnis, welche die Welthauptstadt Rom unter der glänzenden Decke äußerer Kultur zu einem Sumpf aller Laster machte, und einer trostlosen Zerrissenheit, welche trotz allem Glanz klassischer Kunst und Wissenschaft mit Äußerungen einer tiefen Schwermut, Weltsattheit und Lebensmüdigkeit aus den Schriften der heidnischen Denker und Dichter herausklingt. Nacht wars in der ganzen Welt, wo das Heidentum sich ausgelebt hatte und die Sehnsucht nach Wahrheit, Trost und Frieden nirgends Stillung fand; Finsternis bedeckte die Völker und Dunkel den Erdkreis.

Aber mitten in der Nacht ging ein Licht auf über Bethlehems Krippe und jene Klarheit, welche die Hirten dort umleuchtete auf dem Felde, war ein Sinnbild und Vorspiel des himmlischen Lichts, das durch Jesum aufgehen sollte über der finsteren Erde; und jener Lobgesang der himmlischen Heerscharen in der heiligen Weihnacht schlug die holden Töne einer neuen Harmonie an, in welche durch Christum der Jammer der Menschheit sich auflösen, die Misstöne des Erdenlebens sich versöhnen sollten.

„Ehre sei Gott in der Höhe!“ Ja der große Gott über den Wolken, der den Heiden ein unbekannter Gott, den Juden ein verzehrendes Feuer war, ihm sollte hinfort seine Ehre werden wie in der Höhe im Kreise seiner Seraphim, so auf Erden durch den eingebornen Sohn, der aus des Vaters Schoß kam, der Welt den Vater zu zeigen.

„Und Friede auf Erden!“ Ja auf der friedlosen Erde sollte wieder ein Reich des Friedens und der Liebe gestiftet werden. Die entzweiten Völker sollten sich die Hand reichen unter dem Zepter des himmlischen Friedefürsten. Alle Menschen sollten einander achten und lieben ferner als Kinder Eines Vaters, als Erlöste eines Heilands, als Brüder und Schwestern in einer großen Gottesfamilie.

„Und den Menschen ein Wohlgefallen!“ Ja eine gottwohlgefällige Menschheit, erlöst vom Fluch und Bann der Sünde, auf welche der Vater im Himmel in Gnaden herniederblicken kann, sollte hinfort erstehen auf Erden durch das züchtigende Wort und durch das vorleuchtende Bild und durch das erlösende Blut und durch den heiligenden Geist jenes Kindleins in der Krippe.

Ja, meine Lieben, es ist besser geworden auf Erden durch die Ankunft jenes himmlischen Gastes (Jes. 9, 2.), es ist nun wieder eine Ehre, ein Mensch zu sein, es ist wieder eine Freude, auf Erden zu leben, denn durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist die Menschheit wieder geadelt, durch die Fußstapfen Jesu Christi ist dieser Erdboden wieder geheiligt, von der Krippe zu Bethlehem geht uns ein neues tröstliches Licht auf auch über unsre Pilgerpfade auf Erden, über unsre Lebensaufgabe in dieser Welt.

Alle meine Schicksale hienieden, sie erscheinen mir nun im Licht einer liebevollen göttlichen Führung. Wo ich auch wandle auf Erden: ich habe über mir einen Gott im Himmel, den ich durch Jesum Christum meinen Vater nennen, von dem ich versichert sein darf: der auch seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern hat ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken? Und ich habe vor mir die Fußstapfen meines Heilands, der auch ein Menschenalter lang auf dieser Erde gewandelt ist und hat all ihr Elend mit angesehen und ihr Kreuz mitgetragen auf seinem schweren Pilgergang von der Krippe zu Bethlehem bis zum Kreuz auf Golgatha, und hat für jede Erdenfreude die rechte Würze, für jedes Erdenleid den rechten Trost, für jeden Erdenkampf die rechten Waffen den Seinen hinterlassen, so dass sie auch auf dunkeln Pilgerwegen sprechen dürfen: der Herr ist mein Licht, vor wem sollte ich mich fürchten? der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?

Und alle meine Pflichten hienieden - sie erscheinen mir nun im Licht einer heiligen göttlichen Aufgabe. „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“

Diese Losung der heiligen Weihnacht soll auch in mir und durch mich zur Wahrheit werden: dazu bin ich auf Erden, dazu soll ich die Gaben, die mir verliehen, die Zeit, die mir vergönnt, den Beruf, der mir angewiesen ist, treulich benützen. Dass Christus in mir geboren werde, dass das neue, gottwohlgefällige Leben, das durch ihn in der Welt erschienen ist, auch in mir eine Gestalt gewinne, darauf läuft mein ganz innerer Beruf, alle meine Arbeit an mir selber hinaus. Und dass das Reich Christi um mich her gedeihe, dass die Ehre Gottes gefördert, der Friede auf Erden gepflegt, ein Wohlgefallen an den Menschen erzielt werde, darauf soll ich hinwirken im äußeren Beruf unter meinen Nebenmenschen, welches auch mein Amt ist auf Erden.

Seht, meine Lieben, es ist ein heiliges und seliges Licht, das von der Krippe Jesu auf unsere Lebenswege fällt mit ihren Führungen und mit ihren Aufgaben. Und wenn jetzt in diesen Feiertagen mancher Mann ein wenig ausruht von seinem Tagewerk mit seiner Last und Mühe, seinem Umtrieb und seiner Zerstreuung; o so möchte ich ihn bitten: besinne dich, mein Freund, im Aufblick zum Himmel auch wieder auf deine Hauptaufgabe hienieden und hole dir im Angesicht Jesu Christi, der das schwerste Tagewerk hienieden auf sich genommen hat in der Liebe Gottes und des Nächsten, neue Lust und neuen Mut auch für das was dir befohlen ist! Und wenn wir beim bevorstehenden Jahreswechsel einen sorgenvollen Blick werfen möchten auf der Welt Lauf und auf unsre Lebenspfade, nun so soll auch ins Dunkel der Zeiten uns ein freundliches Licht fallen von der Krippe des Welterlösers. Denn dass der große Gott im Himmel nur Friedensgedanken hat über die ganze Menschheit und über jede einzelne Menschenseele und dass er treulich hält was er den Seinen zugedacht und dass auch ein Landpfleger Cyrenius und ein Kaiser Augustus und alle Mächte der Welt nur dazu dienen müssen, dass sein Wille geschehe und sein Reich komme, davon haben wir in unserem Festevangelium das herrlichste Zeugnis in der Geburt des verheißenen Erlösers. Im Lichte dieser göttlichen Liebe wollen wir in Gottes Namen unsre Pilgerwege weiter gehen - und einst, so Gott will, auch unsern Erdenlauf beschließen. Denn endlich Wo

3)

auch auf unsre Sterbebetten fällt ja ein himmlisches Licht von der Krippe des menschgewordenen Gottessohns; das Licht einer seligen Hoffnung des ewigen Lebens für unsre in dem Herrn entschlafenen Lieben wie für unsre eigene scheidende Seele. Gerade am fröhlichen Christfest kann der Gedanke an den Tod oft einen finstern Schatten hereinwerfen in unsre Weihnachtsfreude. Man zählt da die Häupter seiner Lieben, und nicht jedes Haus ist so glücklich, den Kreis noch vollzählig zu finden wie sonst. ein liebes Kind gestern vermisst ward am frohen Weihnachtstisch, wo ein treuer Vater, eine gute Mutter heute zum ersten Mal fehlt am Tage der Freude: was soll man da zum Troste sagen den betrübten Herzen? Blicket hinauf, möchte ich sagen, zum offenen Himmel über der Krippe zu Bethlehem und seht hinein in eine bessere Heimat, in ein himmlisches Vaterhaus, das seit Christi Herabkunft und Heimkehr offen steht über der armen Erde. Höret ihr nicht im Geiste die Lobgesänge der himmlischen Heerscharen? Wie, wenn auch dein liebes Kind jetzt droben ist bei den heiligen Engeln wird es nicht einen seligeren Christtag feiern als hienieden? Ist nicht darum der Sohn Gottes herabgekommen vom Himmel zur Erde, um uns von der Erde zum Himmel zu heben? Ist nicht das irdische Christfest mit seinen Freuden ein schwacher Abglanz nur des himmlischen Christfestes, wo der große Vater seine Kinder um sich versammeln will im ewigen Licht? Und tritt einst an dich selber der letzte Feind heran, wohl dir, wenn in deine eigene Todesstunde, auf dein eigenes Sterbebett das Christfest seinen Freudenschein wirft und als letzter Trost die Botschaft dir ins Ohr klingt: Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren, der Heiland, der euch von Sünden erlöst, mit Gott versöhnt, vom Tode errettet, zum ewigen Leben berufen hat.

Es war ein Christfest, meine Lieben, das heute vor dreihundert Jahren sein Himmelslicht geworfen hat auf das Sterbebett eines der edelsten Fürsten nicht nur unsres Landes, sondern aller Länder und Zeiten, unsres teuren Herzogs Christoph. Dem Festgottesdienst hier in seiner Kapelle konnte er selber in großer Schwachheit nicht mehr wie er pflegte, anwohnen, auch nicht von seinem Fenster dort oben zuhören, aber in seinem Gemache nahm er am Christfest Abend mit seiner Gemahlin andächtig das heilige Abendmahl. Und als ihn drei Tage darauf wenige Stunden vor seinem Sterben sein Hofprediger Bidembach des Christtags und der Engelsbotschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren“ erinnert und gefragt: „Weil Ihre fürstlichen Gnaden diesen Heiland auch erkannt, geliebt und bekannt, ob er nochmals glaube und bekenne, dass auch ihm dieser Heiland geboren und ihn von allen Sünden erlöst habe? und ob er darauf, wenn es Gottes Wille sei, im Frieden wolle hinfahren und dem Herrn seine Seele befehlen? da haben, berichtet der Prediger, Ihre fürstlichen Gnaden solches mit Mund und Augen wohl bezeugt, auch, lang ich gesprochen, mich mit vollen Augen tapfer angesehen. Als ich darauf Ihnen die Verheißung vorhielt: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn“- so haben Sie Ihre Augen wieder zugetan und nicht mehr geredet, auch nicht mehr aufgesehen und sind so sauft und selig entschlafen.“ Ein solches Sterben, meine Lieben, im Frieden der Botschaft: Euch ist der Heiland geboren, ist das nicht auch eine schöne Weihnachtspredigt, erbaulich für Fürst und Volk? Was können wir hinzusehen als: Mein Tod sei wie der Tod dieses Gerechten?

„Ich will dich mit Fleiß bewahren,
Ich will dir
Leben hier,
Und mit dir heimfahren;
Mit dir will ich endlich schweben
Voller Freud
Ohne Zeit
Dort im ewgen Leben!“ 4)

Amen.

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