Gerok, Karl von - Aus ernster Zeit - 2. Predigt am 2. Advent.
(1869.)
Luk. 15,35-48.
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen, und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf dass, wann er kommt und anklopft, sie ihm bald auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet! Wahrlich, ich sage euch: er wird sich aufschürzen und wird sie zu Tische setzen, und vor ihnen gehen und ihnen dienen. Und so er kommt in der andern Wache und in der dritten Wache und wirds also finden, selig sind diese Knechte! Das sollt ihr aber wissen: wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb käme, so wachte er und ließe nicht in sein Haus brechen. Darum seid ihr auch bereit; denn des Menschen Sohn wird kommen zu der Stunde, da ihrs nicht meint. Petrus aber sprach zu ihm: Herr, sagst du dies Gleichnis zu uns, oder auch zu allen? Der Herr aber sprach: wie ein groß Ding ist es um einen treuen und klugen Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, dass er ihnen zu rechter Zeit ihre Gebühr gebe! Selig ist der Knecht, welchen sein Herr findet also tun, wann er kommt! Wahrlich ich sage euch, er wird ihn über alle seine Güter setzen. So aber derselbige Knecht in seinem Herzen sagen wird: mein Herr verzeucht zu kommen, und fängt an zu schlagen Knechte und Mägde, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen; so wird desselbigen Knechtes Herr kommen an dem Tag, da er sichs nicht versieht, und zu der Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn zerscheitern und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen. Der Knecht aber, der seines Herrn Willen weiß, und hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem Willen getan, der wird viel Streiche Leiden müssen; der es aber nicht weiß, hat doch getan, das der Streiche wert ist, wird wenig Streiche leiden. Denn welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und welchem viel befohlen ist, von dem wird man viel fordern.
Es ist ein ernster Gruß, mit welchem jene Mönche von La Trappe nach ihrer Ordensregel sich begrüßen, wo sie einander begegnen und außer welchem kein Wort über ihre schweigenden Lippen gehen darf: Memento mori! Gedenk an dein Sterben! Und ein Christ braucht nicht im Kloster zu leben, um gar oft diesen ernst mahnenden Gruß zu hören. Auch wir können ihn eben jetzt von mancherlei Seiten vernehmen. Die winterlich erstorbene Natur, das zu Ende eilende Jahr, der häufige Klang der Totenglocke, die Adventszeit mit ihren Mahnungen an die letzte Zukunft des Herrn, auch unser heutiger Text mit seinem ernsten Inhalt, das alles ruft uns zu: Memento mori! Gedenk an dein Sterben!
Aber meine Lieben, wozu soll nun dieser Gedanke ans Sterben uns dienen? Wie sollen wir auf den letzten Advent des Herrn in die Welt, wie sollen wir auf sein gerichtliches Kommen zu jeglichem unter uns, wie sollen wir auf unsere Todesstunde uns bereiten? Etwa dadurch, dass wir aus der Welt uns zurückziehen und von nichts mehr reden als vom Tod und an nichts mehr denken als an den Tod und unsre Hände zu nichts mehr brauchen außer dem Gebet als etwa wie jene Mönche unser Grab uns damit zu graben? Nein, sondern dazu soll der Gedanke an unsern Tod uns dienen, dass wir unser Leben recht nützen, unsere Hände recht rühren, unsere Zeit recht auskaufen, damit der Herr, wann er kommt, uns wachend finde. Darum hat der edle Herder Recht gehabt, wenn er als Gegenstück zu jenem Memento mori einst eine berühmte Predigt hielt über das Thema: „Gedenke zu leben!“ Kommt ja doch beides auf Eins hinaus: Gedenkst du selig zu sterben, so musst du drauf denken, im wahren Sinn zu leben. Die beste Vorbereitung auf ein seliges Sterben ist ein christliches Leben. Darüber wollen wir mit Benützung unseres Textes jetzt weiter nachdenken und der Herr selber lehre es uns erkennen:
Die beste Vorbereitung auf ein seliges Sterben ist ein christliches Leben,
ein Leben
- in der Furcht des Herrn,
- in der Liebe des Nächsten,
- in der Sorge für unsere Seele.
Ja Vater hilf mir sorgen,
Wie ich so leben mag,
Dass ich an jedem Morgen
Denk an den letzten Tag.
Und wird er einst anbrechen,
So gib, dass ich erfreut
Von Herzen könne sprechen:
Komm, Herr, ich bin bereit! Amen.
1) In der Furcht des Herrn musst du leben, willst du bereit sein zum Sterben.
„Seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten,“ ruft Jesus im Evangelium uns zu. Einem Knechte gleicht der Christ, der jeden Augenblick gefasst ist, dass sein Herr kommt und ihn auf seinem Posten überrascht, und damit hat der Tod schon die Hälfte seiner Schrecken für ihn verloren. Warum, meine Lieben, kommt über die meisten Menschen der Tod wie der Dieb in der Nacht, unerwartet, unwillkommen, furchtbar und entsetzlich? Weil sie nicht gewohnt sind auf ihren Herrn zu warten, ja an den Herrn auch nur zu denken, dem sie angehören mit Leib und Seele. Der Weltmensch dünkt sich sein eigener Herr; Herr seines Leibes, den er braucht, wie er will; Herr seines Lebens, das er genießt, wie er kann; Herr seiner Habe, mit der er schaltet nach seinem Belieben; Herr seines Tuns und Lassens, das er einrichtet nach seines Herzens Gelüsten. Das geht so behaglich von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr. Und auf einmal kommt der Tod und zeigt ihm: Du bist nicht der Herr, sondern nur der Knecht, du bist nicht der Erdengott, sondern nur der Staub. Es ist Einer über dir, der hat Gewalt über dich; Gewalt über deinen Leib, den er jede Stunde kann aufs Schmerzenslager werfen und in den Staub des Todes legen; Gewalt über dein Leben, zu dem er jeden Augenblick kann sprechen: Bis hierher und nicht weiter; Gewalt über deine Habe, die du ihm wieder geben musst, und nackt von hinnen fahren, wie du in die Welt gekommen bist; Gewalt über deine Seele, die er geschaffen hat und die er auch richten wird. Dein Herr kommt! Ja, das ist eine Schreckensbotschaft in der Todesstunde für den, der seinen Herrn vergessen hat lebenslang.
Aber dieses: „Dein Herr kommt,“ wie anders klingt es dem Christen, der alle Tage seines Herrn wartet, der im Aufsehen auf seinen Herrn als ein treuer Knecht sein Tagewerk hienieden bestellt. Wenn ich schon in gesunden Tagen lebe und webe im Gefühl meiner unbedingten Abhängigkeit von Gott, wenn ich mich mit Leib und Seele jeden Augenblick weiß in seiner allmächtigen Hand, jedes Erdengut, dessen ich gebrauche, jede Lebensfreude, die ich genieße, jeder Tag, den ich erlebe, jeder Atemzug, den ich tue, ein Geschenk seiner Gnade, und wenn ich in solchem Gefühl meiner Abhängigkeit vom Herrn nun bemüht bin, als ein treuer Knecht in seinen Wegen zu wandeln, seinen Willen, den er mir kund getan, redlich zu erfüllen, die Kräfte, die er mir verliehen, zu seiner Ehre zu brauchen, die Güter, die er mir anvertraut, nach seinem Wohlgefallen zu verwenden, den Beruf, den er mir angewiesen, unter seinen Augen auszurichten, die Freuden, die er mir gönnt, in seiner Furcht zu genießen, die Lasten, die er mir auferlegt, in seinem Dienste zu tragen nun, meine Lieben, wird mir's denn dann so eine unerwartete, so eine unwillkommene, so eine entsetzliche Botschaft sein, wenn früher oder später die Stunde schlägt, die mir sagt: dein Herr kommt, dich abzurufen zur Rechenschaft, dich heimzuholen ins Vaterhaus? Wohl wird dieser Ruf mich vielleicht stören in allerlei lieben Hoffnungen und Entwürfen; wohl wird meine Natur einen Augenblick schaudern vor der Grabesluft, die mich anweht; wohl wird meine Seele sich demütig beugen in dem Bewusstsein: ich bin ein unnützer Knecht, ein tausendfacher Schuldner vor meinem Herrn. Aber meine Seele wird sich fassen in dem Gedanken: es ist dein Herr, der zu dir kommt. Der allmächtige Herr, dem du angehörst mit Leib und Seele von deiner ersten Lebensstunde an, der kommt nun und macht sein Eigentumsrecht an dich geltend. Der weise Herr, dem du's nachsagen musstest in so mancher Führung deines Lebens: der Herr hat Alles wohlgemacht! der kommt nun und schickt dir auch das letzte Stündlein zu der Zeit, da es am besten ist. Der barmherzige Herr, der wohl kennt die Schwachheit seiner Knechte, der kommt nun und wird in Gnaden ansehen das Werk deiner Hände. Der gütige Herr, dessen Liebe du hienieden erfahren durftest in tausend unverdienten Segnungen, der kommt nun, zwar um das Erdenleben dir zu nehmen mit seinen vergänglichen Gütern und Freuden, aber um dafür das ewige Leben dir zu schenken mit seinen unvergänglichen Schätzen, ja, um den getreuen. Knecht, der sich's hienieden sauer werden ließ in seinem Dienst, dort an seine himmlischen Tische zu setzen und mit göttlichen Wonnen zu erquicken. Und in diesem Gedanken: mein Herr kommt, mein Herr, auf den ich im Leben gewartet, der kommt nun im Tode zu mir, wird sich meine Seele in Geduld fassen und sprechen: Herr, wie du willst, so schick's mit mir im Leben und im Sterben; ja, in solchen Gedanken kann ich mit Freuden, wenn mein Stündlein naht, ihm meine Hände entgegen strecken, und rufen: Komm, Herr Jesu, komme bald!
Also wenn du fragst: wie soll ich mich anschicken zum seligen Sterben? so sag' ich, indem du dich anschickst zum christlichen Leben! Lebe von heute an in der Furcht des Herrn, dann kannst du heut oder morgen sterben im Frieden des Herrn. Warte seiner täglich, dann wirst du nicht erschrecken, wann er kommt, um welche Stunde es sei. Diene ihm als ein getreuer Knecht, dann kommt er zu dir als ein gnädiger Herr, kommt dir nicht als der Dieb in der Nacht, der dir alles nimmt, woran dein Herz hängt, kommt dir nicht als der strafende Richter, der den pflichtvergessenen Knecht zerscheitert, sondern kommt dir als der gütige Herr, der da spricht: Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel sehen, gehe ein zu deines Herrn Freude!
Die beste Vorbereitung auf ein seliges Sterben ist ein christliches Leben. Ein Leben in der Furcht des Herrn und
2) in der Liebe des Nächsten.
Das erste Recht an dein Leben hat der Herr im Himmel. Aber den zweiten Anspruch daran haben deine Brüder auf Erden. So hat's der Herr selber geordnet. „Der Herr aber sprach: „Wie ein groß Ding ist's um einen treuen und klugen Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, dass er ihnen zu rechter Zeit ihre Gebühr gebe. Selig ist der Knecht, welchen sein Herr findet also tun, wann er kommt.“ Ein Glied in Gottes großer Welthaushaltung, hineingestellt unter Andere, um in Lieb und Frieden mit ihnen zu arbeiten, oder Andern vorgesetzt, um sie zu leiten und zu versorgen, oder Andern untergeordnet, um ihnen willig zu gehorchen, das, meine Lieben, ist unser aller Stellung in der Welt. Wohl dem, der seinen Platz ausgefüllt hat, wenn der Ruf ergeht: Tue Rechnung von deinem Haushalt! So aber derselbige Knecht in seinem Herzen sagen wird: mein Herr verzeucht zu kommen, und fängt an zu schlagen Knechte und Mägde, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen, so wird desselbigen Knechtes Herr kommen an dem Tage da er sich's nicht versieht, und zu der Stunde die er nicht weiß, und wird ihn zerscheitern und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen.“
Damit gibt der Herr zunächst den Haushaltern im geistlichen Amt eine ernste Warnung, ihres Berufes treulich zu warten, der ihnen anvertrauten Seelen sich gewissenhaft anzunehmen, und nicht durch fleischliches Wohlleben, durch trägen Müßiggang, durch Hochmut und Lieblosigkeit, durch Unrecht und Gewalttat ihr heiliges Amt zu schänden. Aber, meine Lieben, wir Alle, in welchem Beruf wir stehen, können uns eine Lehre daraus ziehen, die Lehre: willst du gefasst sein zum Sterben, bereit zu einem ruhigen Ausgang aus der Welt, gerüstet zu einem getrosten Eingang in die Ewigkeit, so tue deine Schuldigkeit an denen, unter die dich Gott der Herr hineingestellt hat, so brauche deine Kraft und nütze dein Leben in der Liebe des Nächsten. Der Gewalthaber, der seine Macht missbraucht zum Schaden seiner Mitmenschen, zur Beugung des Rechts und zur Unterdrückung der Schwachen; der Begüterte, der seinen Reichtum geizig vergräbt oder üppig verprasst und Ohr und Herz und Hand verschließt gegen die Bitten der Bedrängten; der Müßiggänger, der seine Tage verträumt und sein Amt als Mietling vernachlässigt; der Haustyrann, der gegen Weib und Kind und Gesinde ein Wüterich ist mit Wort und Tat, und denen das Leben verbittert, die ihm Gott der Herr aufs Herz gebunden hat einer wie der andere bereitet sich einen schlimmen Abschied aus der Welt; er bettet sich übel für sein Sterbebett, wo seine Versäumnisse und Verschuldungen ihm zentnerschwer können auf die Seele fallen in den letzten bangen Stunden; er bettet sich übel in seinem Grabe, auf das kein Ehrenkranz dankbaren Andenkens, kein Tränenopfer trauernder Liebe fällt, und er bettet sich übel in Ewigkeit, wo es ein böses Wiedersehen geben wird zwischen ihm und denen, die er versäumt oder misshandelt, vor dem Stuhle des gerechten Richters, der da spricht: Was ihr nicht getan habt den Geringsten unter meinen Brüdern, das habt ihr mir nicht getan!
Aber wie ein groß Ding ist es um einen treuen und klugen Haushalter, der seinem Nächsten gibt, was ihm gebührt und seinen Brüdern wohltut, wo er kann. Selig ist der Knecht, welchen sein Herr also findet tun, wann er kommt. Von seinem Tagewerk kann er Abschied nehmen zwar mit dem demütigen Bekenntnis: Ich bin ein unnützer Knecht und Stückwerk ist all mein Tun, aber doch mit dem tröstenden Bewusstsein, ich habe nicht ganz umsonst gelebt, meine Arbeit ist nicht vergeblich in dem Herrn. Seine Angehörigen kann er in Gottes Schutz und in die Liebe der Menschen befehlen, zwar nicht ohne den Schmerz des Abschieds und ohne die Sorgen der Liebe, aber mit dem Trost: Ich habe das Meinige an euch getan, der Herr wird weiter sorgen; fahrt wohl auf Wiedersehen bei dem Herrn! Auf Erden darf er zurücklassen einen guten Namen, denn das Gedächtnis der Gerechten bleibt im Segen. Und drüben darf er hoffen auf ein gnädiges Urteil, denn was ihr getan habt den Geringsten unter meinen Brüdern, spricht der Herr, das habt ihr mir getan!
Fragst du also, wie soll ich mich anschicken zu einem Sterben im Frieden? so ist meine Antwort: indem du dich anschickst zu einem Leben in der Liebe. Ob dir der Herr viel anvertraut hat oder wenig, ob er dich zum Haushalter gesetzt hat über dein Haus und deine Familie oder über ein ganzes Volk und Land - gib deinem Nächsten seine Gebühr an teilnehmender Liebe und fürsorgender Treue, dann wirst du nicht erschrecken, wenn es heißt: Tue Rechnung von deinem Haushalt, sondern darfst dich getrösten der Verheißung: Lasst uns Gutes tun und nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten ohne Aufhören.
Aber noch Jemand, o Christ, hat Anspruch auf deinen Dienst, das ist nach deinem Herrn im Himmel und mit deinen Brüdern auf Erden die Seele in deiner Brust. Darum
3) die Sorge für unsre eigene Seele
gehört auch zu dem christlichen Leben das die beste Vorbereitung ist auf ein seliges Sterben. Jene Sorge für unsere Seele, die der Herr uns anbefiehlt mit den bedeutsamen Worten: „Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“
„Lasst eure Lenden umgürtet sein“, d. h. macht eure Seele los von allem, was sie hindert am Fortschritt zum Ziel ihrer Bestimmung, auf der Wallfahrt zu der ewigen Heimat; macht sie los von dem was den Menschen herabzieht in den Staub der Erde und zu Fall bringt in den Schmutz der Sünde, von der Trägheit des Fleisches, von der Lust an der Welt, vom irdischen Sinn.
„Lasst eure Lichter brennen“, d. h. pflegt in euren Seelen das Licht des Glaubens, das Feuer der Liebe, die Glut der Hoffnung, kurz die Flamme des inneren unsterblichen Lebens das aus Gott ist, in allen seinen Gestalten, damit wenn auch euer äußeres Lebenslicht erlöscht, in euch ein Funke glühe, der die Nacht des Todes überdauert, der euch hindurchleuchtet durchs finstere Tal, mit dem ihr hintreten dürft vor euren Herrn und König, weil es Licht ist von seinem Licht, entzündet am Lichte seines Wortes, entflammt vom Feuer seines Geistes. Aber heute gilts: Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. Ach, meine Lieben, auf dem Sterbebette geht das nicht so geschwind. In der Todesschwäche der letzten Krankheit da kann eine Seele, die lebenslang nur im Irdischen gelebt oder gar der Sünde gedient hat, nicht noch geschwind den Staub der Erde von den Füßen schütteln und sich gürten zum Gang in die Ewigkeit. Und wenn der beste Seelsorger ans Sterbebett gerufen würde, er kann dich nicht in den Himmel hineinbeten, so lang du mit allen Fasern an der Erde hängst. Im Dunkel der letzten Stunde da kann nicht noch geschwind das Licht des Glaubens angezündet und die Flamme des göttlichen Lebens angefacht werden in der scheidenden Seele, die lebenslang nichts gewollt hat von dem Wort Gottes, das ein Licht ist auf allen unsern Wegen, auch auf dem letzten. Da bleibt es dabei: wie du lebst, so stirbst du.
Darum, willst du dich bereit machen zu einem seligen Sterben, so mach dich bereit zu einem christlichen Leben. Von heut an sorge für deine Seele, dass sie von Tag zu Tag freier werde von den Banden der Erde, von der Trägheit des Fleisches, von der Luft der Sinne, von der Verführung der Welt; von heut an sorge für deine Seele, dass das Licht des Glaubens immer heller in ihr brenne, dass die Flamme des göttlichen Lebens immer kräftiger in ihr leuchte, und dann mag die Nacht des Todes kommen heut oder morgen, du hast ein Himmelslicht auch in der Todesnacht; dann mag dein irdisches Lebenslicht auf langsamem Siechbett oder rasch vom tödlichen Schlage getroffen, bei heller Besinnung oder bewusstlos wie im Traum erlöschen: Du bist zum seligen Sterben bereit, bereit nicht nur durch eine zweifelhafte Bekehrung auf dem Totenbette, sondern durch ein christliches Leben, und kannst mit dem Apostel sprechen: Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn;
Vollende Gott, vollende
Was mir dein Wort verheißt,
In deine Vaterhände
Befehl ich meinen Geist.
Amen.