Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Dritte Abtheilung. - Das siebente Capitel. Gebet um die Gabe und Mehrung der Sanftmuth.

Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Dritte Abtheilung. - Das siebente Capitel. Gebet um die Gabe und Mehrung der Sanftmuth.

O gütigster Herr, der du uns Menschen freundlich zur Buße einladest, und langmüthig unsere Bekehrung erwartest, gib mir einen Reichthum an Langmuth und Sanftmuth. Es kocht in meinem Herzen des Zornes Gluth, so oft ich von meinem Nächsten einen geringen Schaden erleide. Ich bitte dich daher demüthig, daß du durch deinen Geist diese Leidenschaft meines Fleisches tödtest. Wie harte Worte, härtere Schläge und die härtesten Strafen hat dein geliebter Sohn um meinetwillen ertragen, und schalt nicht wieder, da er gescholten ward, sondern stellte Alles dem heim, der da recht richtet! Welcher Stolz ist dies daher, welcher Trotz, daß ich Elender und Sterblicher, der Erde Staub und Asche, nicht einmal ein etwas zu hartes Wörtchen ertragen und die Widerwärtigkeit des Nächsten mit sanftmüthigem Herzen besiegen kann! Lernet, lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig, rufst du aus, bester Christus; ich flehe dich mit demüthigem Seufzen an, nimm mich in jene Uebungsschule des Geistes auf, daß ich wahre Sanftmuth in ihr lerne! Mit wie schweren und mannigfaltigen Sünden beleidige ich dich, den gütigsten Vater, deren tägliche Vergebung ich bedarf. Warum wollte ich also, da ich ein Mensch bin, gegen den Menschen Zorn halten, und wagte von dir, dem Herrn Himmels und der Erde, Vergebung zu fordern? Wäre es nicht ungereimt, gegen einen Menschen, der mir ähnlich ist, keine Barmherzigkeit zu haben und dich, o Herr, um Nachlassung meiner Sünden zu bitten? Wenn ich dem Nächsten nicht seine Fehler vergebe, so werde ich auch nicht die Vergebung meiner Sünden hoffen können. Darum, o gütigster Herr, voll großer Erbarmung und Langmuth, gib mir den Geist der Geduld und Sanftmuth, daß ich wegen der Beleidigungen des Nächsten nicht sogleich in Zorn gerathe, sondern denselben als einen Feind der Seele fliehe, oder wenigstens, wenn ich unvorsichtiger Weise hineingerathen bin, ihn eiligst dämpfe! Der Sonne Glanz soll über meinen Zorn nicht untergeben, daß er nicht als Zeuge meiner Wuth entweiche. Im Zorn soll mich der Schlaf nicht überfallen, daß er mich nicht im Zorn dem Tode, seinem Bruder übergebe. Wenn ich mich an einem Feinde zu rächen wünsche, warum wende ich mich nicht gegen meinen Zorn, der sicher der größte und schädlichste Feind ist, da er die Seele tödtet, und mich dem ewigen Tode aussetzt? Gib auch meinem Munde eine Wache, und bei der Leitung meiner Lebensverrichtungen Klugheit, daß ich nicht durch Wort und That den Nächsten beleidige! Gib, daß ich durch Wohlgeruch der Tugenden dem Nächsten eine wohlriechende Rose sey, nicht aber durch Beleidigungen und Entziehungen ein stechender Dorn! Gib, guter Jesu, daß ich in die Fußstapfen deiner Sanftmuth trete, und mit aufrichtigem Herzen den Nächsten liebe! Amen.

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