Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem Segen der Anfechtungen.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem Segen der Anfechtungen.

Unter der Last wächst der Sieg.

Es ist der gläubigen Seele heilsam, durch Anfechtungen in dieser Welt versucht und bewährt zu werden. Auch unser Heiland hat es nicht verschmäht, mit dem Teufel in der Wüste zu kämpfen Matth. 4,1 ff., um denselben für uns und zu unserem Heil zu überwinden, und unseres Kampfes treuer Vorkämpfer zu sein. Zuerst fuhr er hinab in die Hölle, dann erst fuhr er auf gen Himmel. So steigt die gläubige Seele hinab in die Hölle der Anfechtungen, damit sie aufsteige zur himmlischen Herrlichkeit. Das Volk Israel konnte das verheißene Land Kanaan nicht eher einnehmen, als bis es zuvor manchfache Feinde überwunden hatte Jos. 23,1: die gläubige Seele verspreche sich auch nicht eher das Himmelreich als bis sie Siegerin über das Fleisch, die Welt und den Teufel geworden ist. Die Anfechtung prüft, reinigt, erleuchtet.

Die Anfechtung prüft, weil der Glaube, der durch Widerwärtigkeiten erschüttert worden ist, auf dem Fels des Heils sich fester gründet, zum Fruchtbringen in guten Werken sich weiter ausbreitet, zur Hoffnung der Erlösung sich höher erhebt. Dem Abraham, der seinen Sohn nach göttlichem Befehl opfern sollte und diesem Befehl gehorsam sich bezeigte, erscheint nach der Anfechtung der Engel Gottes und spricht: Nun weiß ich, dass du Gott fürchtest; und hast deines eigenen Sohnes nicht verschont um meinetwillen 1 Mos. 22,12. So wirst du, wenn du den geliebten Sohn deiner Seele, nämlich deinen Eigenwillen, in den Anfechtungen Gott zum Opfer dargebracht hast, für wahrhaft gottesfürchtig erkannt werden, und in deinem Herzen den göttlichen Zuspruch verspüren. Das Feuer prüft das Gold, die Anfechtung den Glauben. Wie tapfer der Soldat ist, zeigt sich im Kampf: so zeigt die Anfechtung, wie stark unser Glaube ist. Wenn die Wirbel des Windes und die ungestümen Wogen des Wassers über das Schifflein Christi hereinbrechen Matth. 8,24, dann zeigt es sich, von wie geringem Glauben etliche seiner Junger sind. Die Israeliten, welche der Herr zur Besiegung der Midianiter hinabsenden ließ, wurden erst am Wasser geprüft Richt. 7,4: so werden die erst in den Wassern der Trübsale und Anfechtungen geprüft, welche nach Überwindung der Feinde in das himmlische Vaterland eingeführt werden sollen. Welche Widerwärtigkeit, welche Anfechtungen daher auch der gläubigen Seele widerfahren, sie halte sie für Mittel der Prüfung, nicht der Verwerfung.

Die Anfechtung reinigt auch. Um die verderbliche Feuchtigkeit der Eigenliebe und der Weltliebe herauszuziehen, wendet der Arzt Christus viel Körner Aloe an. Die Trübsal fordert auf zur Erforschung des Gewissens und ruft die Sünden des vergangenen Lebens in das Gedächtnis zurück: ja auch, wie die Medizin für den Leib den ansteckenden Krankheiten, so beugt die Trübsal den Sünden vor. Der Mensch ist zwar immer geneigt zum Fall, mehr aber doch zur Zeit des Glücks als des Unglücks. Für viele sind irdische Schätze Dornen Matth. 13,22; Gott reißt daher die Dornen aus, damit sie die Seelen nicht ersticken. Viele hindert die Manchfaltigkeit weltlicher Geschäfte am göttlichen Gehorsam. Darum schickt Gott Krankheiten über sie, damit sie in sich gekehrt werden und anfangen, der Welt zu sterben, Gott zu leben. Mehreren ist es heilsam gewesen, dass sie von der hohen Feste entweder der Güter oder der Ehre zur Stille eines mittelmäßigen Loses herabgestiegen sind. Viele erhebt die weltliche Ehre zum Hochmut; darum lässt Gott Verachtung kommen und entzieht dem Hochmut die Nahrung.

Die Anfechtung endlich erleuchtet. Wie schwach und nichtig alle weltliche Tröstung ist, das erkennen wir nur in Anfechtungen. Da Stephanus gesteinigt wurde, sah er die Herrlichkeit Christi Ap. Gesch. 7,55,56: so zeigt sich Christus in Trübsalen der geängsteten Seele. Wahre und dauernde Freude gewährt nur die Einwohnung Gottes; Gott wohnt in einem zerschlagenen und gedemütigten Geist Jes. 57,15. Die Traurigkeit ist auch eine Anfechtung, welche den Geist zerschlägt und demütigt; darum ist die wahre und dauernde Freude in der Seele der Traurigen. Die Anfechtung ist ein Weg zur Erkenntnis Gottes; darum spricht der Herr: Ich werde bei ihm sein in der Not, ich will ihn heraus reißen und ihn sehen lassen mein Heil Ps. 91 15. Der blinde Tobias Tob. 2,11 sah nichts von dem, was oben war, unten sah er sogar nicht einmal sich selbst, aber von Gott durch den Engel Raphael erleuchtet sah er alles, was er früher nicht sehen konnte, und hatte keines anderen Heilmittels sich bedient als der Galle eines Fisches Tob. 11,13-15, auf dass gezeigt würde, es müsse die Galle der Bitterkeit angewendet werden, um unsere Augen zu bestreichen und sehend zu machen, damit wir zur wahren Erkenntnis unserer selbst und der weltlichen Güter gelangen. Warum sagt der Apostel 1 Kor. 13,12: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel? Weil wir in den Anfechtungen erkennen, dass Gott die Auserwählten unter dem Schein der Traurigkeit fröhlich, unter dem Schein des Todes lebendig, unter dem Schein der Krankheiten gesund, unter dem Schein der Armut reich macht. Darum muss das Kreuz und die Anfechtung dem lieb sein, der dem für uns gekreuzigten und angefochtenen Christus nicht unlieb ist.

O freundlicher Jesu, hier tue weh, hier erschüttere, damit du dort schonst. O freundlicher Jesu; der du, wenn du verschonst, uns öfter von dir treibst, schaffe, dass, wenn du uns strafst, wir zu dir zurückkehren. Ficht an und drücke den äußerlichen Menschen, auf dass der innerliche wachse und gedeihe. Kämpfe, o freundlicher Jesu, in mir wider mich. Sei du der Regierer des Kämpfenden und die Krone des Siegenden: sei du die Stärke und der Mehrer meines Glaubens, was ich auch Widerwärtiges im Leben empfinden mag. Komm, o freundlicher Jesu, meinem schwachen Glauben zu Hilfe; denn so hast du bei dem heiligen Propheten verheißen: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet Jes. 66,13. Eine Mutter pflegt und nährt ein säugendes Kind mit größerer Liebe: so, freundlicher Jesu, richte du auf, befestige du meinen wankenden Glauben! Hilf, dass deine innerlichen Tröstungen bei mir mehr vermögen als die Widersprüche aller Menschen und des Teufels, ja auch die Gedanken des eigenen Herzens!

O barmherziger Samariter Luk. 10,33.34, gieße beißenden Wein in meine Laster, aber tue auch das Öl des göttlichen Trostes hinzu: vervielfache das Kreuz, aber tue auch die Kraft zum Tragen dazu!

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