Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Drittes Gebot.

Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Drittes Gebot.

Die Gnade unsere Herrn und Heilandes Jesu Christi und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Text: 2. Mose 20, 8 - 12.
Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun, aber am siebten Tag ist der Sabbat des Herrn deines Gottes, da sollst du keine Arbeit tun; noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch dein Vieh, noch dein Fremdling der in deinen Toren ist; denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und Alles, was darin ist. und ruhte am siebten Tag, darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.

In Christo geliebte Freunde!

Wenn doch Alle heute zur Kirche gekommen wären mit dem Wort des Psalms auf den Lippen und im Herzen, „Wie lieblich sind deine Wohnungen Herr Zebaoth! Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend! Ich habe lieb die Stätte deines Hauses, und den Ort, da deine Ehre wohnt!“ Dann hätten wir wenig zu reden über dies dritte Gebot, das uns kein Gebot mehr wäre, wir hätten den Herrn nur miteinander zu loben und ihm zu danken, dass Er uns den köstlichen Sabbattag geschenkt hat.

Nun, liebe Freunde, mit demütigem Dank gegen Gott darf ich es bekennen, dass er mir in Vielen von Euch solche Leute geschenkt hat, denen der Sabbat kein Joch mehr ist, sondern die die schwere Woche hindurch mit dem Psalm singen: „Meine Seele sehnt sich nach deinen Vorhöfen, mein Leib und Seele freut sich in dem lebendigen Gott;“ Seelen, die da kommen, um von der Kanzel und vom Altar neue Kraft, Trost und Stärke hinab zu nehmen in ihre Häuser; so ist mir denn auch ein fröhliches Auftun meines Mundes gegeben, Euch den Sabbattag recht lieb zu machen, indem ich das Wort des Herrn Euch ans Herz lege: Er segnete den Sabbattag.

Aber ist der Sonntag Allen ein Segenstag? Mit Trauer sage ich Nein; und namentlich vielen in den Städten nicht; denn so Sie es wüssten, so würden Sie auch das andere Wort bedenken: Er heiligte ihn. Sabbatssegen und Sabbatsheiligung gehen Hand in Hand, und Sabbatsfluch und Sabbatsschändung ebenso. Mit lauter Klage und tiefem Schmerz müssen wir der Entheiligung der Sonntage und des schweren Wortes eines Mannes gedenken, der da sagt: „Wenn alle Sünden auf einen Haufen geladen würden, welche die sechs Wochentage hindurch geschehen, und auf den andern Haufen die Sonntagssünden, so soll es keinen wundern, wenn der Sonntagsünden ein zweimal größerer Berg ist, und dieser Berg - drückt unserem Volk das Herz ab.“ Das ist ein herbes aber wahres Wort. Wir wollen aber nicht auf die Sabbatschänder deuten, sondern an unsere Brust schlagen und bekennen, wie viel Sonntagssegen durch unsere Schuld dadurch verloren geht, dass wir ihn nicht recht heiligen und Andere nicht laut genug zu seiner Heiligung auffordern. So möchte ich denn, dass Ihr durch das Gebot hineingeführt würdet in den vollen Segen des Sonntags, und durch eine rechte Heiligung des Sonntags zeugt gegen alle Entheiligung; auf dass auch die Sonntage in unserer teuren Stadt ein Zeichen würden zwischen ihr und ihrem Gott, und man auch in ihr davon etwas erfahre, wovon der Psalm singt: „Gott man lobt Dich in der Stille zu Zion.“

So entnehmen wir denn dem reichen Wort des Herrn über den Sabbattag, die beiden Worte:

  1. Der Herr segnete ihn,
  2. Der Herr heiligte ihn

oder mit andern Worten: Wir handeln vom Segen und von der Heiligung des Sonntags.

I. Der Herr segnete den Sabbattag.

Geliebte Freunde! Den ersten Segen, den uns der Sonntag bringt, ist die Ruhe von der Arbeit. Uralt wie die Feier, ist auch solcher Segen des Sabbate. Als an einen alten Segenstag wird das Volk erinnert mit dem Gebot: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst.“ Früh schon hatte der Herr dem Geschöpf solchen Segen zugedacht und mit liebender, heiliger Hand hatte er den Ruhetag der Kreatur an seinen eigenen Ruhetag nach der Schöpfung gebunden mit dem Wort: da sollst du keine Arbeit tun - denn am siebten Tag ruhte der Herr. Dieses Wort „ruhen“ hat einen köstlichen Sinn; in der Sprache des alten Bundes heißt es eigentlich „zurückkehren,“ der siebte Tag sollte ein Tag der Rückkehr sein. Wie Gott gleichsam in sich zurückgekehrt am siebten Tag nach den sechs Tagen des Schaffens, so sollte auch das Geschöpf nach seinen sechs Arbeitstagen in sich zurückkehren, um in der Ruhe neue Kräfte zu sammeln. Ja die Zahl „sieben“ fasste schon den Gedanken dieses Zurückkehrens in sich. So sollte im siebten Monat der große Versöhnungstag gefeiert werden, als ein Tag, wo das ganze Volk, besprengt mit dem Versöhnungsblut, wiederum in sein heiliges Bundesverhältnis zu seinem Gott zurückkehren sollte. Im siebten Jahr war das Feierjahr, in welchem alle Äcker und Weinberge brach liegen sollten, das mit sie in ihren ursprünglichen kräftigen Zustand zurückkehrten. Nach sieben mal sieben Jahren war das Jubeljahr, in welchen alle Häuser und Äcker, welche während dieser Zeit verkauft worden waren, an ihre ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden mussten, damit auch sie zurückkehrten in ihren früheren Besitz; wer sich als Knecht oder Magd verkauft hatte, sollte wieder in seine Freiheit zurückkehren; so siehst du denn, wie diese Siebenzahl die Ruhe und Rückkehr bedeutet. So ist denn auch dein Sabbat zunächst einmal ein Ruhetag für deinen armen Leib, damit er wieder zurückkehre in den Stand seiner früheren Kraft und Fülle, sich erhole, und dadurch neue Kräfte sich hole. Es ist dir gesagt, dass du „sechs Tage arbeiten sollst“ und zwar im Schweiß deines Angesichtes; aber dann schenkt dir der Herr einen Tag, an welchem Er dir diesen Schweiß abtrocknen will. So sehr er die Arbeit befiehlt, so sehr befiehlt er dir auch die Ruhe, und wie die Ruhe, so auch die Arbeit; denn wer nicht arbeitet, kann auch nicht ruhen. Der Herr hat nicht gesagt: „Sechs Tage sollst du ruhen und am siebten arbeiten,“ sondern umgekehrt. Darum richtet dies Gebot nicht nur die Sonntagsarbeiter, sondern auch die Werktagsfaulenzer, und in diesem Sinn können wir wohl sagen: ohne Werktag kein Sonntag. Aber der Herr weiß, wie viel du ertragen kannst und mutet dir nicht mehr zu, als du zu leisten vermagst. Wenn du deinen Beruf in der Woche recht tust, sieht dich der Herr wohl, wie du müde wirst in deiner Handarbeit oder wie du deinen müden Kopf in die Hand stützt - stehe, da winkt er freundlich mit seinem Sonntag, nimmt dir deinen Pflug, oder deinen Hammer, oder deine Feder aus der Hand und spricht: „Heute ist dein Ruhetag.“ Ist dirs nicht, als ob wie von selbst am Samstag der Arm sänke und bis hierher deine Kraft reichte? Es ist ein weiser Gott, der dir den Sonntag geschenkt hat. Einem Arzt, der dir für deinen Körper Ruhe und Erholung verschreibt, glaubst du aufs Wort und bist ihm gewiss nicht böse über sein Rezept; wenn nun der Herr, der große Himmelsarzt, der deine Natur und Konstitution noch ein wenig besser kennt als alle Ärzte miteinander, dir einen Ruhetag verschreibt, willst du ihm nicht glauben oder gar mit ihm zanken? In England wurden einmal die Arbeiter aufgefordert, über den Segen des Sonntags etwas niederzuschreiben; da flossen die Lippen und Federn über vom Preis des Sonntags. Einer nannte den Sonntag „das Licht der Woche,“ ein Anderer, „des Himmels Gegengift gegen den Fluch der Arbeit,“ und ein Mädchen nannte ihn „die Perle der Tage,“ alle priesen die Weisheit des Herrn und rühmten den Sonntag als ein Geschenk der Liebe Gottes. Denn wahrlich Er tut uns eine Wohltat, indem Er uns den Sabbat schenkt und nicht wir Ihm, im tiefsten Grund dient Gott uns mit dem Sonntag, und nicht wir Ihm. Es gibt darum nichts törichteres, all Gott einen harten Mann zu schelten, der einen ganzen Tag für sich haben wolle - Nein! für dich will Er ja den Ruhetag haben. In dieser Ruhe schenkt Er dich dir selber wieder. Denn siehe, in der Woche gehörst du ja mehr deinem Beruf als dir selber an, da gehört der Meister seinen Kunden, der Dienstbote seiner Herrschaft, der Beamte seinem Staatsgeschäft an. Es muss gar Mancher das finstere Gesicht und die groben Worte seines Vorgesetzten die Woche durch tragen, aber am Sonntag soll er einen andern Herrn sehen mit mildem Angesicht und süßem Wort gegen alle die, die Ihn lieb haben. Da sollst du es erfahren, dass du Ihm gehörst und in Ihm auch den Deinen. Es bekommen dich vielleicht dein Weib oder deine Kinder die Woche durch fast gar nicht zu sehen, und wenn sie dich sehen, so haben sie dich doch nur halb, denn dein Beruf und so manche trübe Stunde darin, geht dir nach in die Mittags- und in die Abendstunde. Aber am Sonntag, wenn du deinen Werktagsrock ausgezogen hast und mit ihm die Werktagsgedanken, da sollen deine Kinder fühlen, „heute gehört der Vater uns,“ darum sollst du wohl deinem Herrn für das Gnadengeschenk des Sonntags danken, und mit dem alten Liede singen:

Halleluja! schöner Morgen!
Schöner als man denken mag;
Heute fühl ich keine Sorgen,
Denn das ist ein lieber Tag,
Der durch seine Lieblichkeit
Recht das Innerste erfreut.

Süßer Ruhetag der Seelen!
Sonntag, der voll Lichtes ist!
Heller Tag der dunkeln Höhlen!
Zeit, in der der Segen fließt!
Stunde voller Seligkeit,
Du vertreibst mir alles Leid.

Aber die Ruhe am Sonntag ist nicht der einzige Segen; sie ist vielmehr nur die Bedingung, um den vollen Segen zu empfangen. Im alten Testament war die Ruhe des Volkes am Sabbat Nachbild der Ruhe Gottes, und darum stand der Sabbat am Ende der Woche; der neutestamentliche Sonntag steht am Anfang der Woche und ist der Tag der größten Taten Gottes; denn an diesem Tag, als am ersten Tag der Schöpfung, hat Gott der Vater das Wort geredet: „Es werde Licht,“ an diesem Tag, als am Ostertag, hat der Sohn die Fesseln des Todes zerbrochen und Leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht; an diesem Tage hat der heilige Geist seine Feuerflammen ausgeteilt und durch die Predigt dem Herrn eine Gemeinde gesammelt, die ein Licht in der Welt, ja selbst eine neue Welt bilden sollte. So ist also dieser Tag nicht nur ein Tag der Ruhe deines Leibes, sondern auch ein Tag, da der Herr ein Neues schaffen, Licht und Leben in dich bringen will. Es soll deine Seele in Gott ruhen, in Ihn zurückkehren und sich in Ihn hineinsenken wie ein Baum mit seinen Wurzeln sich in die Erde senkt und aus ihr neue Kraft zieht. Mit einem Wort: Es soll der Sonntag ein Ruhetag deines Leibes sein, damit er ein rechter Werktag deiner Seele werde durch den heiligen Geist, und du neue Kräfte des Geistes für die ganze Woche schöpfest. Darum singt jenes Lied weiter:

Ruht nur meine Weltgeschäfte!
Heute hab ich sonst zu tun.
Denn ich brauche alle Kräfte,
In dem höchsten Gott zu ruhn.
Heut schickt keine Arbeit sich,
Als nur Gottes Werk für mich.

Ach wie schmeck ich Gottes Güte
Recht als einen Morgentau!
Die mich führt aus meiner Hütte
Zu des Vaters grüner Au.
Da hat wohl die Morgenstund
Edlen Schatz und Gold im Mund.

So dürfen wir denn am Sonntag kommen und vor allem unser Herz mit all seiner Verschuldung vor dem Herrn ausschütten, der an diesem Tag Vergebung und Frieden aus dem Grab gebracht hat. Wir sollen wieder zurückkehren zu unserem HErrn. Denn wie weit sind wir in mancher Woche von Ihm abgekommen, wie oft ist unser Glaube schwach geworden und die Liebe kalt, wie manches Mal ist die Sonne untergegangen über unserem Zorn, die Ungeduld groß geworden! wie manches Mal haben wir den Herrn verleugnet und geredet, wo wir hätten schweigen sollen! und geschwiegen, wo wir hätten reden sollen! Alle diese Not sollst du vor deinen Herrn bringen, aber dir auch von Ihm helfen lassen durch sein heiliges Wort und durch das Amt, das die Versöhnung predigt; denn Er ist ja auch an diesem Tag um deiner Gerechtigkeit willen auferweckt worden. Lass deinem Glaubenslicht Öl aufgießen und den glimmenden Docht wieder anfachen, lass die welken Blumen der Liebe durch den Tau der Liebe Gottes wieder erfrischen, lass die stumpf gewordenen Waffen aufs Neue dir schärfen, kehre zur Lebensquelle zurück und sprich:

Ich will in der Zionsstille
Heute voller Arbeit sein:
Denn, da sammle ich die Fülle
Von den höchsten Schätzen ein,
Wenn mein Jesus meinen Geist
Mit dem Wort des Lebens speist

Ja sammle an diesen Gnadentagen, so viel du kannst; nicht nur notdürftig für die Woche, sondern für die Ewigkeit. Denn als eine kluge Jungfrau sollst du warten mit geschmückter Lampe und reichlichem Öl auf deinen Bräutigam. Jeder Sonntag bringt dich seinem Kommen näher, jeder Sonntag mit seiner Ruhe von der Arbeit, mit seiner Anbetung des Herrn, mit dem Schauen Gottes durch einen dunklen Spiegel in einem dunklen Wort deutet auf jene Zeit, da der große Feierabend anbricht, wo wir mit verklärtem Leib Gott schauen von Angesicht zu Angesicht, mit neuen Zungen Ihn loben, wo wir ihm dienen werden unaufhörlich bei Tag und bei Nacht. So ist denn jeder Sonntag hienieden nichts anders, denn ein Rasttag auf dem Pilgergang zur Ewigkeit, an dem uns ein Engel zuruft wie einst dem Elia: „Stehe auf und iss, denn du hast einen großen Weg vor dir. Kraft dieser Speise sollst du gehen durch die Wüste bis zu dem Berg Gottes,“ ja er ist ein Rasttag, an dem du den Staub von deinen Kleidern schüttelst und weiter nach dem Weg fragst; ein Rasttag, wie Ihn Israel einst feierte in der Wüste unter den Palmen und den siebzig Wasserbrunnen Elims, weit über diese Zeit hinaus soll dein Blick gehoben werden in jenen großen Sabbattag, auf den kein Montag mehr folgt, wo kein Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr sein wird, wo du in deine schöne, erste Heimat zurückkehren wirst! So lass dir denn zurufen an jedem Sonntag:

Es ist noch eine Ruh vorhanden,
Auf, müdes Herz und werde Licht!
Du seufzest hier in schweren Banden,
Und deine Sonne scheinet nicht.
Sieh auf das Lamm, das dich mit Freuden
Dort wird vor seinem Stuhle weiden,
Wirf hin die Last und eil herzu.
Bald ist der schwere Kampf geendet,
Bald, bald der saure Lauf vollendet,
Dann gehst du ein zu deiner Ruh.

So ist also der Sonntag ein Abbild der Ruhe Gottes, ein Tag der großen Taten Gottes für uns, und ein Vorbild auf die selige Ewigkeit. Sein Segen besteht darin, dass wir durch die Ruhe des Leibes in die rechte Arbeit an unserer Seele gezogen werden, und in der Arbeit an unserer Seele uns stärken lassen mit dem Blick auf die selige, ewige Ruhe unsers Leibes und unserer Seele in den Wohnungen droben.

Welch reichlichen Segen schenkt uns doch der Herr!

Sollten wir nicht glauben, es müsse nun auch eines Menschen Freude und Wonne sein, solchen Tag recht zu heiligen? Denn ohne Heiligung des Sabbats wird uns auch sein Segen nicht zu Teil, darum spricht das Gebot weiter:

II. Er heiligte den Sabbattag.

Geliebte Freunde! Etwas heiligen heißt: es aussondern aus dem Gewöhnlichen und Gemeinen und es für Gott und göttliche Zwecke bestimmen. Den Sabbat heiligen heißt also, denselben von den übrigen Wochentagen absondern und zum Lob Gottes und zum Heil unserer Seele anwenden. Das geschieht aber vornämlich dadurch, dass wir an diesem Tage, wie der Katechismus sagt, „zu der Gemeinde Gottes fleißig kommen, die Predigt und sein Wort nicht betrachten.“

Denn entheiligt wird der Sonntag, um das von zuerst zu reden, dadurch, dass man die Mittel verachtet, die dem Menschen dargereicht werden, damit seine Seele sich stärke und ruhe in dem HErrn, nämlich Gottes Wort und die Predigt. Wer das tut, macht den Tag zu einem gemeinen Tag, indem er nicht erkennen will, dass Gott ihm an diesem Tage Segenskräfte zufließen lässt, er verachtet diese Gaben, indem er sich ihrer mutwillig oder ohne Not entzieht. Das ist die Hauptsünde bei der Entheiligung des Sabbats. Denn: „Nicht etwa das Arbeiten an und für sich während des Sonntags ist Sünde, sondern die Gesinnung, aus der es hervorgeht, und von der es Zeugnis ablegt, nämlich der gottlose Zustand unsers Herzens, da wir des Gottesdienstes nicht zu bedürfen wähnen, und kein Verlangen nach dem Umgang mit Gott haben - da wir die irdische Arbeit und irdischen Gewinn für nötiger, wichtiger und nützlicher halten, als die Sorge für das Heil unserer unsterblichen Seele.“ Wie vielfach zeigt sich dieser gottentfremdete gottlose Zustand am Sonntag, wie groß ist an vielen Orten die Verachtung des göttlichen Wortes! - Blickt namentlich in die großen Städte unseres deutschen Vaterlandes, wo kaum der 20ste, 12te oder 8te Teil in die Kirche kommt; ja es gibt Gegenden, wo man über 200 Mal den Gottesdienst aussetzen musste, weil Niemand erschien; - Manche Stände sind in verschiedenen Gegenden gar nicht mehr in der Kirche zu sehen. Dort fehlen die Arbeiter, da fehlt der Bürgerstand, dort fehlen die Beamten, da die Gebildeten und dort der Adel. Es gab eine Zeit, (sie liegt nicht so gar lange hinter uns), da drängten sich die Leute wieder zu der früher so verachteten Kirche, da rief mancher frühere Spöttermund auch mit: „Die Religion muss wieder her!“ - Aber ich fürchte, es gilt auch von unserem deutschen Volk, was ein Kaiser einst über ein Königsgeschlecht sagte: „Sie haben nichts gelernt und nichts vergessen!“ - Ich fürchte, es möchte jener Drang von damals bei Vielen eine gefährliche Ähnlichkeit haben mit dem Tun der Leute auf dem Lande, die wenn ein Gewitter heranzieht, das Gebetbuch vom Sims holen, und schnell ein Wettergebet lesen; wenn aber das Wetter vorüber ist, wanderts wieder fort, und bei dem heiteren blauen Himmel ist mit dem Wetter auch das Gebetbuch vergessen! Wahrlich der Kirchen wären weitaus zu wenig, wenn unser Volk fleißig käme zu der Gemeinde Gottes; wie langsam und mühsam gehts, bis sich die Leute zum Bau einer Kirche entschließen! In den Reden, die da getan werden, kann man am besten merken, welcher Geist weht. Der Eine macht dir den Vorschlag, lieber die Kirchen alle abzubrechen, „weil doch nur ein paar Betschwestern drin seien, die sich auch sonst versammeln könnten,“ - der Andere meint, „es sei jetzt keine Zeit, Kirchen zu bauen, das sei früher gegangen im unaufgeklärten, grauen Mittelalter, aber jetzt müsse man vielmehr Fabriken statt Dome und Kirchen bauen, das sei der Zeitgeist,“ man könnte noch das Eine hinzusetzen, was er vergessen hat: Nämlich Zuchthäuser,“ das sind auch zeitgemäße Bauten; denn „vorbei an der Kirche und dem Schulhaus geht der Weg ins Zuchthaus.“ sagt unser Volk. - Ihr sagt aber: „In unserer Stadt ists aber doch darin besser.“ Dem Herrn sei Dank. Aber „besser“ als Andere, heißt noch lange nicht „gut.“ Du musst nicht allein auf die sehen, die da kommen, sondern auch auf die, die nicht kommen, und nicht allein schauen, wie viele kommen, sondern wie viel wert der Kirchgang derer ist, die da kommen. Da wird dir schon der Pharisäer vergehen, wenn er sich etwa bei dir angemeldet hätte. -

Du triffst auch unter uns gar Manchen, der seit der Konfirmation oder seit seinem Hochzeittage die Kirche nur von Außen gesehen hat, und höchstens einmal in die Friedhofskirche kommt, wo er wohl oder übel, noch eine Predigt bei der Leichenbegleitung drein nehmen muss, von der er wohl auch sagt, dass er sie gern dem Pfarrer „geschenkt“ hätte. Du triffst viele auch unter uns, die ihre Verachtung gegen das göttliche Wort dadurch an den Tag legen, dass sie während des Sonntags arbeiten, und den Sonntag zu einem gemeinen Wochentag machen. Es läuten gar Manchem des Morgens die Glocken, aber nicht zur Kirche, sondern zur Arbeit; da sitzt der Meister mit seinen Gesellen und schafft drauf los, als ob heute erst recht verdient werden müsste; ja man hat Gottes Wahrheit so sehr verkehrt, dass man lieber am Montag feiert, als am Sonntag, denn einen Ruhetag will der Mensch doch haben. Und wenn nun gar Jedem der Wille gelassen wäre, ob er arbeiten wolle oder nicht, wenn nicht das Polizeigesetz noch wachte - wie viele würden sich da noch an des Herrn Gebot kehren? Da könntest du am hellen Tag mauern und zimmern sehen, wie das anderwärts geschieht. Mag in der Sabbatfeier der heutigen Juden viel totes Werk sein, sie sind dennoch in der Treue, mit der sie den Sabbat halten, den Christen ein strafendes Beispiel. Um ein paar elender Kreuzer willen, die man noch mitnehmen will, lässt man seine Seele darben; aber bedenke, jeder Hammerschlag, den du ohne Not am Sonntag führst, ist zugleich ein Schlag nach deiner unsterblichen Seele. Mit deiner Sonntagsarbeit zimmerst du dir für deine unsterbliche Seele den Totensarg. Und mit dem, was du am Sonntag erwirbst, ists doch nichts, denn das Wort bleibt wahr: „Was der Sonntag erwirbt, schon am Montag verdirbt“ und „was man Gott nimmt, das holt der Teufel wieder.“ Wenn du aber meinst, man käme zu kurz, wenn man den Sonntag heiligte, man werde dadurch ruiniert, so möchte ich dich wohl fragen, nenne mir doch einen Kaufmann etwa oder Handwerksmann, der durch das Halten des Sonntags zu Grunde gegangen ist! Weißt du Einen? Du weißt Keinen. Ich will dir aber viele nennen, die trotz all ihrer Sonntagsarbeit doch zu Grunde gegangen sind.

Wenn aber Eines sagen wollte, ja das Sonntaghalten ist gut und recht für die reichen Leute, aber unsereins, das zu den armen Leuten gehört, muss eben den Sonntag nehmen, um durchzukommen, sonst kommts zurück. Statt aller Antwort will ich Denen, die also denken, eine wahre Geschichte erzählen.

Da kommt ein christlicher Kaufmann zu einem Handwerksmann, den er kennt und macht ihm Vorwürfe, dass er am Sonntag arbeite. Der Mann aber spricht: „Mein lieber Herr, ich bin arm und muss am Sonntag arbeiten, sonst bring ich mich nicht durch.“ Der Kaufmann gibt die Widerrede und sagt: Kein Wunder, dass du arm bist; gerade darum bist du arm, weil du am Sonntag arbeitest. Wie kann dich Gott segnen, wenn du arbeitest? - Weißt du was, ich will einen Akkord1) mit dir machen: hör auf am Sonntag zu arbeiten und heilige diesen Tag, wie es einem Christen geziemlich ist. Längstens in einem halben Jahr komme ich wieder hierher und dann zahle ich dir allen Schaden, den du erlitten hast, wenn du von nun an an Sonntagen nicht mehr arbeitest, und koste es hundert Taler.“ Der Handwerksmann lässt sich darauf ein und probiert es. Nach fünf Monaten kommt der Kaufmann und da ihm der Schuhmacher sagt, dass er seinen Rat befolgt habe, fragt er: Nun, wie viel muss ich dir herauszahlen? Da spricht der Handwerkemann: „O nichts, gar nichts; die Feier des Sonntags hat mir vielen Segen, aber keinen Schaden gebracht. Vor fünf Monaten hatte ich keine Ruh, jetzt habe ich eine und für alle Not ist gut gesorgt.“

Siehe Gott hält seine Wahrheit und wer sein Gebot hält, den segnet er; und wen er nicht segnet, der mag sich mühen und plagen, er kommt doch zu nichts. „Es ist umsonst,“ sagt die Schrift,“ „dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und esst euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt Er es schlafend.“ Mache vor allem, dass du Gottes Freund wirst, dadurch, dass du seine Gebote hältst; und dann fürchte dich nicht! ich habe noch nie gehört, dass der treue Freund im Himmel seine Freunde auf Erden habe stehen lassen.

Das ist aber gleichgültig, mit was du deine Arbeit treibst, ob mit dem Pflug oder mit dem Hammer, oder mit der Feder. Arbeit ist Arbeit. Wer am Sonntag in seinem Comptoir2), oder als Beamter in seinem Büro sitzt, der entheiligt ebenso sehr den Sonntag, als der Bauer, der auf dem Feld arbeitet. Es gibt aber Leute, die sich von ihrer Arbeit fast nicht trennen können. Ich habe einen einmal sagen hören: „er meine am Sonntag, den Tag über gar nicht gelebt zu haben, wenn er nicht wenigstens eine Stunde auf seinem Büro gewesen sei.“ - Die wichtigste Berufsarbeit ist eben doch die, dass man seinen himmlischen, ewigen Beruf erfülle. Dieses „Muss“ geht vor allem. Dein Reden von Einem: „das muss heute am Sonntag sein,“ kommt erst nachher. Davon soll dich eine jetzt lebende Königin überzeugen. - Zu der Königin Victoria von England kam an einem Samstag im Jahr 1838 sehr spät ein vornehmer Staatsbeamter und bat, die Königin möchte die wichtigen Papiere, die er überbrachte, am nächsten Morgen durchsehen. „Morgen früh?“ erwiderte die Königin; „morgen ist Sonntag;“ sie fügte hinzu, sie werde es auf keinen Fall eher tun, als bis sie aus der Kirche gekommen wäre. Wie erstaunt war aber jener Lord, als die Predigt über das Gebot gehalten wurde: „du sollst den Feiertag heiligen.“ „Ich muss Ihnen nun sagen,“ eröffnete ihm nachher die Königin „dass ich selbst gestern Abend dem Geistlichen den Text geschickt habe. Ich hoffe, dass diese Predigt uns Allen sehr gut sein wird.“ Seitdem war am Sonntag von Staatsgeschäften keine Rede mehr. Möchte es auch bei dir so sein. Es ist im tiefsten Grunde doch immer der alte Mensch, der von „Not“ und „Schwierigkeiten“ und „Unmöglichkeiten“ redet; oder redest du auch so viel am Werktag von der Eile und dem Überladensein mit nötigen Geschäften, wenn’s zu einem lustigen Tag geht? Oder heißts da nicht, „das kann ebenso gut Morgen geschehen?“ Prüfe dich einmal. Sei auch seiner von denen, die da sagen: Am Sonntag Morgen sitze ich so ungestört in meinem Zimmer, da kann ich am besten arbeiten und die wichtigsten Dinge abmachen; wenn es dann noch reicht, komme ich wo möglich noch in meine Kirche, denn ich halte Etwas auf meine Kirche. Lieber Christ! Ich will dirs glauben, dass du „wo möglich“ kommst, aber dein Schmerz ist nicht groß, wenn es nicht möglich wird; und wenn du in die Kirche kommst: Wie kommst du dann? Mit vollen Werktagsgedanken. Ist das die rechte Vorbereitung auf die Predigt? Dort entschuldigt eine Jungfrau ihr Versäumen der Kirche damit, dass sie sagt: „meine Sonntagsarbeit ist ja ganz unschuldiger Natur, ich störe Niemanden dadurch, wenn ich am Sonntag meinen Stickrahmen nehme, zu dem ich in der Woche nicht komme;“ oder dort sagt eine Mutter, „sie müsse am Sonntag ihre und ihrer Kinder Kleider flicken, sie komme in der Woche nicht dazu und das sei doch gewiss keine Sünde.“ Geliebte! allerdings nicht das Sticken und Flicken ist Sünde, aber das ist eine Sünde, dass Ihr diese Arbeit für nötiger haltet als die Arbeit an eurer Seele. Wäre es Euch ein heiliger Ernst um eure Seele, dann würdet ihr in der Woche schon an einem Tag Zeit finden, eure Arbeit zu tun. Wie manchfaltig sind doch die Entschuldigungen! Oder was sagt ihr von einer Frau, die während der Kirche ihre Werktagskleider flickte und sich damit entschuldigte: „sie gehe dafür Abends in die Stunde“?

Aber das Gebot sagt auch, dass nicht nur du keine Arbeit tun sollst, „sondern auch nicht dein Knecht, noch deine Magd, noch dein Vieh, noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist.“ Wer seine Untergebenen ohne Not am Sonntag gerade so arbeiten lässt, wie am Werktag, der entheiligt den Sonntag so gut, als wenn er selber arbeitet, und lädt sich noch dazu eine schwere Verantwortung aufs Gewissen. Wie können es Meister verantworten, dass sie ihre Gesellen zur Sonntagsarbeit ohne Not zwingen? Wie können es Herrschaften verantworten, dass sie jahraus jahrein ihren Dienstboten keinen Kirchgang gönnen? Herrschaften, die ihre Dienstboten wohl herausputzen mit allerhand Flittern, wenns zu einer Freinacht für sie geht, aber die ihre unsterbliche Seele verkümmern lassen! Welche Verantwortung liegt auch auf Vorgesetzten, wenn sie den Dienst, namentlich der niederen Diener nicht auf das Allernötigste beschränken und ihnen nicht die Ruhe des Sonntags gönnen! Oder wem geht es nicht zu Herzen, wenn er sieht, wie mancher von ihnen kaum alle 4 Wochen zu seiner Kirche kommen kann! Man verlangt, dass sie ehrlich, treu und gewissenhaft seien: wie können sie es aber werden, wenn sie das Wort des Herrn nicht hören, welches sie allein gewissenhaft und treu machen kann? Euch aber, die ihr überhaupt in einem Dienstverhältnis steht, rate ich: Sucht keinen Dienst, in dem ihr keine Ruhe für eure Seele am Sonntag habt! Nehmt lieber geringeren Lohn, lasst die paar Gulden mehr fahren und bedenkt des Heilands Wort: Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nehme doch Schaden an seiner Seele! Aber das ist nicht die einzige Art, wodurch der Sabbat entheiligt wird.

Mancher arbeitet allerdings nicht, aber seine Ruhe ist ebenso sündlich als des Andern Arbeit. Er verschläft den lieben Sonntagvormittag und des Nachmittags will er sich dann für die ganze Woche schadlos halten; oder er nimmt wohl auch den ganzen Sonntag dazu, über Feld zu wandern, zum Tempel Gottes kommt er nicht. Wieder andere entweihen den Sonntag durch sündliche Freuden. An welchem Tag siehst du die meisten Betrunkenen? An welchem Tag hörst du am meisten von Schlägereien, ja auch von Mord und Totschlag? Am Sonntag ists. Und unter den Sonn- und Feiertagen, welche werden am meisten entheiligt? Antwort: die hohen Festtage. Wenn die Ostersonntage und Pfingstmontage, wenn die Kirchweihtage von allen Schandtaten erzählen könnten, die an ihnen geschehen, was würden wir hören müssen!

Da sieht man recht, wie der Teufel seine Kapelle neben Gottes Kirche baut, und gerade an den Tagen, wo der HErr durch seine Liebe unser Herz gewinnen will, wie an Weihnacht, Ostern und Pfingsten, seinen vollen Zorn loslässt und gleich seine Vögel bei der Hand hat, die auch das kleinste Samenkorn des göttlichen Wortes sauber wegfressen. Wenn es manchem Bürgermeister das Jahr hindurch nicht bang ist um den Frieden und die Ruhe in seiner Gemeinde, so wirds ihm bang auf die Festtage, weil man bis dorthin alle Händel verspart und von dorther neue Feindschaften entstehen. Wie viel wird nicht an einem Kirchweihtag (von der Weihe der Kirche ist keine Rede mehr, an die denkt fast kein Mensch) zerstört! Da wird oft in einem Tag und in einer Nacht mehr zu Grunde gerichtet, als in 5 Jahren durch treue Geistliche, Gemeindevorsteher und Lehrer aufgebaut worden. Mit Trauer gedenke ich aber das bei des Ärgernisses, das namentlich unsere größeren Städte der Umgegend geben, und wovon unsere Stadt keine Ausnahme macht, wo den Landgemeinden der Sonntag verdorben wird, und sie das böse Beispiel sehen an denen, von denen sie glauben besonders Gutes erwarten zu müssen. Wir werden uns nicht wundern dürfen, wenn nach und nach in unserem deutschen Vaterland unsere großen Städte mit einem Kranz verdorbener Landgemeinden umgeben sind, die wahre Festungen des Lasters sind. Die entheiligten Sonntage arbeiten dazu am raschesten.

Zu Solchen, die durch sündliches Arbeiten, durch sündliche Freuden ihre Verachtung gegen das göttliche Wort an den Tag legen und dadurch den Sonntagentheiligungen, gehören auch Andere, die aus selbstgenügsamem Hochmut meinen, der Kirche entbehren zu können, deren Religion darin besteht, nicht in die Kirche zu kommen, die da vorgeben: „der öffentliche Gottesdienst sei gut für die Bettelleute, für das einfältige Volk; der Gebildete aber müsse Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten; man könne sich in der Natur am Sonntag Morgen noch viel besser erbauen als in einer dumpfen Kirche.“ So feiern sie Ostern als Auferstehungsfest der Natur, so feiern sie Pfingsten auf freien Bergeshöhen, dort weht für sie der heilige Geist; Weihnachten ist ihnen ein Kinderfest, wobei sie gerührt an ihre Jugend denken und ein paar Tränen über das verlorene Paradies der Kindheit, aber keine Träne über den weinen, der in dieser Nacht zu uns herabgekommen, keine Träne haben für die Liebe, die uns berufen hat aus der Finsternis zum wunderbaren Licht, die uns das verlorene Paradies wiedergebracht hat. Meine teuren Freunde! Was haltet Ihr von solchem Gottesdienst? Was bringen solche Leute mit aus ihrem Naturtempelgang? Antwort: Ein paar unklare Gefühle, ein paar gefühlvolle Empfindungen und dabei bleibts. Keine Buße, keine neue Kraft zum göttlichen Leben; und wenn sie wieder in ihren vier Wänden sind, ist alles Gefühl verschwunden. Will denn Gott in unserem Geist angebetet sein? Nein: im Geist ihn anbeten, heißt im heiligen Geist Ihn anbeten; nun derselbe heilige Geist spricht aber: „Lasst uns nicht verlassen unsere Versammlungen, wie Etliche pflegen, sondern uns untereinander ermahnen.“

Wir leugnen es ja nicht, dass auch die Natur eine Priesterin unseres Gottes sei; aber ihr Wort muss ausgelegt werden durch die Schrift. Die Natur ist eine Schrift Gottes, aber die heilige Schrift lehrt uns erst die Buchstaben darin verstehen. Wer Gott nicht findet in seinem Wort, der wird Ihn auch nicht in der Natur finden. Vom gottseligsten Geheimnis aber schweigt die Natur, nämlich vom Kommen des Heilandes, ohne den Niemand zum Vater kommt. Es ist darum ein Bekenntnis, das du durch deinen Kirchgang ablegst, dass du nicht zu der Heidenwelt (die Gott nur aus der Natur kennt), sondern zu der Gemeinde Christi gehörst, die in Christo den Vater erkennt. - Welch schlimmes Beispiel gibst du dazu noch allen denen, die auf dich sehen, oder die von dir abhängen? Wie der Herr, so der Knecht, wie der Vater, so das Kind. Mir ists durchs Herz gegangen, als ich einmal ein Kind frug „Warum es nicht zur Kirche gekommen“ und die Antwort bekam: „mein Vater geht das ganze Jahr in keine Kirche.“ - Ebenso ists, wenn du den öffentlichen Gottesdienst versäumst, dich entschuldigst and sprichst: „Ich erbaue mich besser zu Hause.“ - Meistens macht man die Erfahrung, dass diese Ausrede eine Lüge und ein bloßer Vorwand ist, um nicht in die Kirche zu müssen. Denn wer sich daheim recht erbaut, wird in seinen Erbauungsbüchern genug von der Pflicht und dem Werte des öffentlichen Kirchgangs gehört haben, und wenn er das nicht gehört hat, so haben seine Erbauungsbücher nichts getaugt. Zu dem kommt man ja nicht in die Kirche, bloß um zu hören, sondern um mit der Gemeinde den HErrn anzubeten; man achtet also die brüderliche Gemeinschaft für nichts, wenn man nicht kommt. Lasst eine Heidin Euch lehren, die einstmals auch zu einem Solchen, der vermeinte, sich allein erbauen zu können, sagte, indem sie eine Kohle vom Feuer nahm: „Siehe hier eine Kohle! was wird ihr geschehen, wenn ich sie alleinlege? Sie wird erlöschen. Wenn ich sie aber zu vielen Kohlen lege, was wird geschehen? Es wird ein helles Feuer geben!“ Wenn du allein stehen willst, gehet dein inneres Leben aus; betest du mit vielen, so wird es angefacht.

So viel sei gegen die Sabbatsentheiligung gesagt. Wollte Gott, wir hätten uns nicht so lange dabei aufhalten brauchen, und hätten gleich übergehen können zur rechten Heiligung des Sonntags. Dies geschieht, wie unser Katechismus sagt, dadurch, „dass wir besonders am Sonntag fleißig zu der Gemeinde Gottes kommen, sein Wort heilig halten, gern hören und lernen, die heiligen Sakramente fleißig gebrauchen und den Herrn öffentlich anrufen.“ Fragst du mich aber, wann geht solche Sonntagsfeier an? so antworte ich dir: am Samstag Abend. So habens unsere Voreltern auch gehalten. Es sollte kein Sprung sein aus den Wochentagen und ihrer Arbeit in die Ruhe hinein, sondern die rechte Ruhe und Sammlung sollte früher schon beginnen. Wenn vom Turm am Samstag Abend mit der großen Glocke eingeläutet wird, sollst du ihn auch einläuten in deinem Haus, dass du sagen könnest: „Mein Herz ist bereit, Gott mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.“ Köstlich sagt der alte Scriver: „man muss am Samstag zu rechter Zeit die Register, Bücher und Briefe auf die Seite legen, die Kasten und Laden verschließen, und bei Zeit Feierabend machen; dagegen die Bibel und eine nützliche Hauspostille hervorsuchen und sein Herz mit dem Schlüssel des andächtigen Gebets eröffnen, damit man die himmlischen Gaben darinnen sammeln möge. Ich zweifle nicht, dass die Maria in Betanien, vor der Ankunft des Herrn Jesu auch in häuslichen Verrichtungen sei beschäftigt gewesen; aber sobald der Herr Jesus kommt, lässt sie alles stehen und liegen und gedenkt: Hieran ist mehr gelegen. So müssen wir es auch machen. Wenn uns der Herr, unser Gott, zum Gehör seines göttlichen Wortes und zur seligen Seelenfeier beruft, so muss uns nichts daran hindern.“ - Des Morgens aber danke deinem Gott, dass er dich diesen Tag hat erleben lassen, bitte Ihn, er solle einen Gnadentag für deine Seele daraus machen, einen rechten Sonntag, wo die ewige Sonne, dein Herr und Heiland, in dich scheint. Bitte für dich um ein offenes Ohr, für den Prediger um einen offenen Mund.

Nun läutet das erste Zeichen, das zweite und das dritte; erst eine Glocke, dann zwei, dann drei, der Ruf wird immer lauter und dringender, dass Keiner ihn überhöre. Folge diesem lieblichen Glockenklang, damit dir der Herr nicht erst die dumpfe Trübsalsglocke nachschicken muss, die dich zur Kirche holt. Lass sodann deinen Schmuck nicht auswendig sein, sondern inwendig, nicht dass man dirs anmerkt, du möchtest, dass man auf dich sehe in der Kirche, sondern dass es von dir heiße wie von Zachäo; „er begehrte Jesum zu schauen.“ Gedenke des Feierkleides, das dir der Herr droben einmal anlegen will, und drum schäme dich deiner schlechten Kleider nicht; denn vor dem lieben Gott heißts nicht: „Kleider machen Leute“, sondern „Herzen machen Leute.“ Es ist manchem Reichen schon das Herz aufgegangen in Liebe und Barmherzigkeit, wenn der HErr ihm in der Kirche einen armen Lazarus an die Seite gesetzt hat. Lass dich auch nicht abhalten durch leichtes Unwohlsein. Wahr ists, was ein lieber Gottesmann gesagt hat: „Es hat sich schon mancher Geistliche, der krank auf die Kanzel ging, gesund gepredigt; so wird sich wohl manches kranke Glied der Gemeinde wieder gesund hören.“ Lerne auch Etwas von einer alten Negerin, die auf St. Croix wohnte. Sie sagte einst am Sonntag: Heute früh haben meine Füße zu mir gesagt: „Gehe nicht in die Kirche, du bist schwach, du könntest auf dein Wege liegen bleiben!“ Da antwortete ich: Ich will auf das Gebot des HErrn hören und nicht auf euch. Saget doch der Herr: „Gehe ich will dich stärken.“ Und ihr Füße, die ihr mich in meiner Jugend täglich auf die Wege der Sünde getragen habt sollt nicht mehr euren Willen haben. Und ich ging, hörte Gottes Wort und kam mit Gottes Hilfe glücklich nach Hause.“ Prüft Euch auch einmal ernst ihr Lieben, ob ihr Euch auch von einem Vergnügen ebensoleicht durch leichtes Unwohlsein abhalten lasst?

Und dann macht Euch auf den Weg; aber „bewahre deinen Fuß, wenn du zum Haus Gottes gehst, und kommst, dass du hörst.“ Vermeidet geistlose Reden auf dem Weg und nehmt die Vögel, die den guten Samen wegfressen, nicht schon mit in die Kirche; es ist traurig genug, wenn sie nach der Kirche kommen. Aus manchen Gemeinden habe ich gehört, dass unter der Kirchtür vor der Predigt mancher Handel eingeleitet, mit der brennenden Pfeife im Mund, Alles, was in der Woche passiert ist, durchgenommen worden ist, und dann, wenn der Geistliche kam, gings in die Kirche. Da nimmt man die Werktagsgedanken mit und Mancher hat schon den Handel in der Kirche mit seinem Nachbar fertig gemacht und unter der Kirchtür haben sie eingeschlagen. Davor hütet Euch. Geht in eure Kirche hinein, betet ein andächtiges Vaterunser, schaut nicht nach Dem und Jenem, ob der da ist, oder fehlt. Und dann singt fröhlich mit beim Gesang und seid nicht von Denen, die das dem gemeinen Volk überlassen und meinen, es sei anständiger nicht mitzusingen. Betet herzlich mit und sprecht Euer Amen auch auf das Gebet, das auch in eurem Namen mitgebetet wird. Und dann habt Acht auf das Wort der Predigt, das Euch mitgeteilt wird, damit Jeder seinen Teil mit nach Hause bringt. Ja, lass dir sagen, mein Christ, wie sichs David von Natan sagen ließ: „Du bist der Mann“; sprich nicht: „Der oder Jener hats gesagt bekommen“; wünsche nicht Den oder jenen gleich in die Kirche, wenn Etwas vorkommt, das ihn trifft, sondern danke du vor allem deinem Gott, dass du es für deine Seele gehört hast. Höre das Wort gerne. Es sitzen gar Viele in der Kirche, denen mans anmerkt, dass sie ihre Predigt absitzen, dass sie aus Zwang, oder aus Gefälligkeit gegen Jemanden in die Kirche kommen. Da wirds Einem gar bald zu lang, da lässt man sich gleich stören; oder hast dus nicht bemerkt, wie sich die Köpfe alle nach der Tür kehren, wenn Jemand unter der Predigt kommt oder geht?

Höre des Herrn Wort als ein kluger Mann, nicht als ein vergeblicher Hörer, sondern als Täter des Wortes. Das Kapital das in dem Wort und der Predigt Einem geschenkt worden, muss nun gleich auf Zinsen angelegt werden, durch rechtes Tun desselben nach Innen und nach Außen. Bist du ein Hausvater, halte mit den Deinen eine Prüfung, über das was sie behalten haben aus der Predigt; denn „selig sind die Gottes Wort hören und bewahren;“ auf dass es nicht geht, wie Luther sagt: „Sie sprechen: ei, er hat köstlich Ding gesagt und eine gute Predigt getan. Da man sie aber fragt, was war es denn, so sagen sie: Ich weiß es nicht.“ Forscht in der Schrift, wie die Leute zu Beröa, ob sichs also verhält, und findet Ihr einen Anstand, so geht zu Eurem Pfarrer, und bittet um Erklärung.

Hast du aber nicht zur Kirche kommen können, lagst du krank, oder hast einen Kranken gepflegt, nun so wisse, dass der HErr bei dir Kirche hält und ernst dir in der Krankheit predigt. Aber mitbeten kannst du doch, und wenn das Vaterunser geläutet wird, soll es das Zeichen für die ganze Gemeinde drinnen in der Kirche und draußen sein, mitzubeten für alle in allem Anliegen, mit Bitten und Flehen im Geist.

Außer solchem Wert an uns und den Unsern, sind uns erlaubt und geboten alle Notwerke. Ist die Hauptsache am Sabbat da, nämlich die Ruhe in Gott und die Arbeit des heiligen Geistes am Herzen, dann sollen wir uns kein Gewissen machen lassen über die Notarbeit am Sonntag; wie denn der Herr sagt: „So euch ein Ochse oder Esel in den Brunnen fällt, wer ists, der ihn nicht herauszieht am Sabbattag?“ Die Pharisäer haben wohl geruht am Sabbattag, aber ihre Ruhe war dennoch eine gottlose. Sie haben kein Werk getan; aber doch versuchten sie den HErrn, dass sie ihn zum Fall brächten, das heißt heucheln. Sie haben nicht einmal ihren armen wassersüchtigen Bruder geheilt haben wollen, nicht einmal ein Liebeswerk tun wollen. Diese sind dir aber geboten. Besuche die Witwen und Waisen am Sabbattag, hilf den Armen, das ist ein reiner Gottesdienst vor Gott dem Vater.

Aber Ihr fragt: Dürfen wir denn am Sonntag keine Freude haben? Gewiss, der Sonntag soll ja kein Trauertag, sondern ein Freudentag sein. Der Sonntag der Christen ist kein Gesetz, sondern ein Evangelium, eine frohe Botschaft. Das Evangelium hat aber Etwas Freudiges. Ruhst du recht in deinem Gott, dann nimm ihn mit hinaus aufs Feld am Nachmittag, der HErr ist auch am Sabbattag durch das Feld mit seinen Jüngern gegangen; lass draußen die Kreatur die „Nachpredigerin“ der großen Taten Gottes sein; an der Hand des Wortes Gottes kann dich jeder Acker, jede Blume, jeder Vogel unter dem Himmel göttliche Dinge lehren. Du magst auch zu einem Mahl gehen mit deinen Freunden, wie Jesus am Sabbattag zum Gastmahle des Pharisäers ging; gehe nur mit einem Jesusherzen hin. Überhaupt: hast du einmal den Sonntag als einen Gnadentag anschauen lernen für deine Seele, dann wirst du nicht mehr ängstlich fragen: darf ich das oder jenes tun am Sonntag; du wirst nicht dem Sonntag dienen, sondern den Sonntag dir dienen lassen, denn der Mensch ist nicht um des Sabbats willen, sondern der Sabbat um des Menschen willen gemacht. Denn siehe, diese Sonntage sind nur Zuchtmeister für uns, auf dass alle Tage Sabbattage werden; wie unser Katechismus köstlich sagt: „Auch dass wir alle Tage unseres Lebens von bösen Werken feiern, den Herrn durch seinen heiligen Geist in uns wirken lassen, und so den ewigen Sabbat in diesem Leben anfangen mögen.“ Wirkt das der Sabbat nicht in dir, lässt er nicht, wie die sinkende Sonne, einen Glanz für die ganze Woche, für dein ganzes Leben zurück, dann hat er dir nichts genützt. Ja wie ein treuer Zeuge sagt: „Es steht noch nicht recht mit unserer Sabbatfeier, so lange der Zusammenhang zwischen dem Sonntag und den Werktagen, zwischen unserem Beten und Arbeiten, zwischen unserer Hausandacht und unserem Geschäftsleben, zwischen unserem Umgang mit Gott und mit den Menschen sich nicht recht herstellen will.“ Nicht nur die Kirche, auch dein Haus soll ein Bethaus werden; auch deine Arbeit, dein ganzer irdischer Beruf soll je mehr und mehr ein Gottesdienst werden, und gestärkt und getragen sein vom himmlischen Beruf, der ewige Sabbat soll hineinragen in dein irdisches Leben, du sollst immer mehr Pilgrim hienieden werden, und zugleich als Bürger dich immer heimischer einbauen in die ewigen Wohnungen.

Einst wird der arme Sabbat hienieden aufhören und der himmlische Sabbat anbrechen. Der HErr läutet ihn ein. Wer ein feines Ohr hat, merkt auf die Zeichen, hört die Rufe der verschiedenen Glocken, und endlich auf dem Sterbebett wird man das Zusammenläuten hören und die Engelstimmen die da rufen: „Komm, schicke dich und begegne deinem Gott.“ Mit dem Wort: „Gehe ein du getreuer Knecht zu deines Herrn Freude“ gibt der HErr den Feierabend und spannt seine Knechte aus.

Droben ausruhen von seinen Werken, die in Gott getan sind, mit abgewischten Tränen die Gottesstadt schauen, da Gott selber der Tempel drinnen und die Leuchte das Lamm ist; in seidenen Kleidern der Unschuld Christi seinen HErrn und Heiland schauen, zu Tische sitzen mit Denen von Morgen und Abend, Mittag und Mitternacht, einstimmen in den unaufhörlichen Lobgesang der Engel - in Gott ruhen, Ihm ewig dienen - das wird der ewige Sabbat sein! Amen.

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