Freyer, Friedrich - Gedächtnis-Predigt auf den hochwürdigen Herrn Georg Christian August Bomhard

Freyer, Friedrich - Gedächtnis-Predigt auf den hochwürdigen Herrn Georg Christian August Bomhard

Dr. der Theologie, königl. Kirchenrat, I. Pfarrer bei St. Jakob, Ritter des St. Michaels- und Ludwigs-Ordens, gestorben den 23. Juli 1869.

Gehalten von Friedrich Freyer,
II. Pfarrer bei St. Jacob
in dieser Kirche am X. Sonntag nach Trinitatis 1. August 1869.

Herr Jesu Christe, Du Todesüberwinder, der Du die Auferstehung und das Leben bist, der Du dem Tode die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hast durch Dein Evangelium, wir haben vor Deinem heiligen Angesicht uns versammelt Worte des Lebens und des Trostes zu hören in der schmerzlichen Heimsuchung, die Du über diese Gemeinde verhängt, aus deren Mitte Du den treuen Hirten und Seelsorger abgefordert hast, der eine lange Reihe von Jahren an dieser Kirche wirkte und den Segen Deines Evangeliums und Deiner Sakramente an Lausende von Heilsbegierigen nach Licht und Trost verlangenden Seelen vermittelt hat. Es ist darum unsere Kirche auch gekleidet in das Gewand der Trauer und wir geben unserem Schmerz Ausdruck in dem Bekenntnis, wie viel wir an dem Hingang dieses Deines treuen Knechtes verlieren, der wie Wenige es verstand, die Herzen zu ergreifen, zu rühren, zu erschüttern, sie Dir zuzuführen, der Du auch ihm den hohen Auftrag erteilt hast: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.“ Aber wir sind ja nicht ohne Trost in diesem unseren Leid; denn Du lässt uns ja erkennen, wie Du im Nehmen und Geben nur Gedanken der Liebe und des Friedens über uns hast; und gedenken wir der großen Schwachheit und Gebrechlichkeit, mit welcher der teure Entschlafene in seinen letzten Lebenstagen zu kämpfen hatte, so danken wir Dir Herr, wenn auch unter Tränen, dass Du sein Leid gewendet und Deinen treuen Diener hast eingehen lassen zu Deines Reiches Herrlichkeit, und was dort der greise Erzvater im Ausblick zu Dir zu seinen Söhnen gesagt hat: „Siehe ich sterbe und Gott wird mit Euch sein,“ das lass ein Wort sein auch für uns. Lass das Andenken des teuren Entschlafenen in Segen und Ehre unter uns bleiben und erhalte uns fort und fort Dein teures Wort. Lass auch jetzt aus demselben uns nehmen Gnade um Gnade, wo wir das Bild des Entschlafenen noch einmal uns vergegenwärtigen, und erhöre uns gnädiglich, wenn wir dazu Deinen Segen erflehen im stillen Gebet.

Vater unser rc. rc.

Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird; nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben. II. Tim. 4. 7 und 8.

Es stand der Apostel Paulus am Abend seines Lebens, als er die eben verlesenen Textesworte an seinen geliebten Timotheus schrieb; denn unmittelbar vorher sprach er: „ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden.“ Er ist sich dessen klar bewusst und richtet darum seinen Blick mit innigem Dank rückwärts auf die von ihm durchlaufene Lebensbahn und voll freudiger Hoffnung vorwärts auf das Ziel, dem er nun so nahe gekommen, und fasst in die Worte unseres Textes wie in einen Brennpunkt, was er über sein vergangenes und zukünftiges Leben zu sagen hat. Was aber von einem jeden Wort dieses vom Geist erleuchteten Apostels, das sich in der Heiligen Schrift aufbewahrt findet gilt: „Das ist uns zur Lehre und zum Vorbild geschrieben,“ das findet seine volle Anwendung auch auf unser Textwort, und diese Anwendung zu machen liegt jetzt uns ganz besonders nahe, wo wir im Lichte des Evangeliums den Lebensgang des teuren Entschlafenen uns in Erinnerung rufen, dessen ehrwürdige Erscheinung so lange Jahre eine so hohe Zierde, dessen Wirksamkeit ein so reicher Segen für dieses Haus, für diese Gemeinde gewesen ist. Es kann freilich nicht unsere Absicht sein, hier ein erschöpfendes Bild des reichen Lebens und Wirkens dieses seltenen Mannes zu geben; dazu ist der Raum einer Predigt viel zu beschränkt; auch haben wir bereits aus beredterem Munde am Grabe des Entschlafenen selbst eine treue ergreifende Schilderung seines öffentlichen wie seines häuslichen Lebens vernommen, die uns mit den Einzelheiten desselben vertraut machte. Hier seien es nur einige wenige Züge, die wir an der Hand unseres Textes uns vor Augen stellen wollen; und wenn, wie das ja wohl ganz selbstverständlich ist, das dankbare Herz derer, die mit Liebe und Verehrung dem ehrwürdigen Knechte GOttes sich verbunden fühlten, die edlen Vorzüge des Dahingeschiedenen preist und feiert, so geschieht dies wahrlich nicht, um eitler Ehre zu dienen, denn das war dem Entschlafenen selbst in seiner Herzensdemut und Einfalt jederzeit ein Gräuel, sondern zur Ehre dessen, der sich an diesem seinem Knechte so hoch unter uns verherrlicht hat. Wie er alle Ehre von sich auf den wies dem allein Ehre gebührt, so wollen auch wir, indem wir bekennen, was er in seinem Leben uns gewesen, nur den Herrn ehren, der durch ihn so reich uns gesegnet hat. Wir fassen das aber unter einen allgemeinen Gesichtspunkt, indem wir jetzt auf Grund unseres Textes unter GOttes gnädigem Beistand reden:

„Von dem Leben eines treuen Knechtes Christi“

und davon bemerken:

I. Es ist ein Kampf;
II. Es ist ein Lauf nach einem gewissen Ziel;
III. Es ist eine fortwährende Betätigung des Glaubens;
IV. Es findet endlich einen seligen Lohn.

Du aber o Herr lass jetzt den Geist deines Friedens und Trostes unter uns wehen und erfülle uns mit Freuden von Deinem Angesicht! Amen.

I. Es ist ein Kampf

Von dem Leben eines treuen Knechtes Christi sagen wir zunächst: Es ist ein Kampf. Das ist das Erste und Vornehmste, was sich dem Apostel beim Rückblick auf seine durchlaufene Lebensbahn aufdrängt, dass sein Leben ein Kampf war, ein Kampf mit der Welt in und außer ihm, ein Kampf mit dem eigenen verkehrten und hochmütigen Herzen und ein Kampf mit den gottfeindlichen Gewalten, die den Namen GOttes nicht heiligen und sein Reich nicht kommen lassen wollen auf Erden. Darum ist das Erste, was er in unserem Texte sagt: ich habe einen guten Kampf gekämpft. Ich habe, denn nun ist er bereits durchgekämpft; und einen guten Kampf nennt er ihn, weil er ihn geführt hat für eine gute edle Sache. Ja wohl ist sein Leben reich gewesen an mannigfaltigem Streit und gemahnt an das Wort Hiobs: „Muss nicht der Mensch immer im Streit sein auf Erden und seine Tage sind wie eines Tagelöhners?“ und wer nur immer in die Fußstapfen dessen tritt, der uns ein Vorbild gelassen, dem wir nachfolgen sollen, der wird auch finden, dass ihm Kampf und Streit nicht erspart bleiben der wird finden, dass der Herr nicht umsonst gesprochen: „ich bin nicht gekommen Friede zu bringen, sondern das Schwert“. Insonders hat dies auch der teure Entschlafene erfahren, dessen Gedächtnis wir heute begehen.

Auch er war ein Mann des Kampfes und des Streites; und als streitbarer Held hat er sich in seinem langen Leben bewährt, und konnte auch als sein Lebensabend niedersank in Wahrheit mit dem Apostel sprechen: ich habe einen guten Kampf gekämpft; ich habe, denn nun ich treulich gekämpft, habe ich die Waffen niederlegen dürfen und liege und schlafe ganz im Frieden. Im Frieden durfte der greise Held sein Tagewerk beschließen. Ein guter Kampf aber war es, den er gekämpft hat; denn als Kämpfer für eine gute, ja die edelste Sache wurde er berufen und trat er auf den Schauplatz der Kirche in einer Zeit, wo Gottes Wort teuer und selten geworden war, wo der treuen Bekenner des Evangeliums nur wenige waren, wo das Amt der Predigt in Händen von Männern ruhte, die keine Ahnung, keinen Begriff mehr von der Hoheit, Heiligkeit und Kraft desselben besaßen, die handwerksmäßig den heiligen Dienst verrichteten und in unsäglicher Lauheit, Erbärmlichkeit und Trägheit ihren Stand herunterwürdigten. Gegen diese Philisterschar, deren Hohlheit und Erbärmlichkeit er schon unter der geistreichen Führung und Erziehung seines trefflichen Vaters, eines Landgeistlichen, der eine rühmliche Ausnahme von jener schlechten Regel machte, hatte kennen lernen, und deren Besserung herbeizuführen der damalige Zustand der Hochschulen, auf welchen die Geistlichen für ihren Beruf gebildet wurden, wahrlich wenig geeignet war, erstand nun unser Held und führte mit dem Schwert des Geistes, das er durch treues Beten und Ringen und aufrichtiges selbstständiges Forschen in der Schrift sich beigelegt, so schwere und so wuchtige Hiebe, dass die feilen Seelen erschrocken aus ihrem Taumel- und Traumleben emporfuhren, aber in dem Bestreben ihm Widerstand zu leisten, nur um so schmählichere Niederlagen erfuhren.

Mit welchen Waffen überlegener Weisheit, geistreichen Spottes ja Hohnes, gewaltigen Scharfsinnes, hoher allseitiger Bildung, schwungvoller Beredsamkeit, tiefer Schriftkenntnis, bewunderungswürdiger Gewandtheit, feurigen unerschrockenen Mutes ging er den Gegnern zu Leibe, jagte sie empor aus ihren feigen Verstecken, leuchtete hinein in ihre bodenlose Unwissenheit und Trägheit. Bald sammelte sich um ihn wie einst um David seine Helden, eine Schar gleichgesinnter erprobter Freunde, und wer die Geschichte jener Zeit kennt, gedenkt nicht mit Freuden der edlen Kämpfe dieser gottbegeisterten Schar davon das homiletische liturgische Korrespondenzblatt jener Zeit so herrlich Zeugnis gibt?

Die Früchte davon blieben auch nicht aus; die Schar der Lauen und Unwürdigen minderte, die Schar der Gläubigen mehrte sich, und Bomhards Name gewann in immer weiteren Kreisen einen edlen wohlverdienten Klang. Und in diesem Kampf ist der edle Held nicht ermattet; wo es galt, trat er als kühner Kämpfer für seines Gottes Ehre und der Kirche Heil in die Schranken, und ob es ging durch böse und durch gute Gerüchte, durch Ehre und durch Schande, ob er für seine edle Begeisterung und Tätigkeit Verdächtigung, Verleumdung und Hass in reichem Maß erntete, er bekannte mit Luther: „und ob die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es muss uns doch gelingen.“ Und es ist ihm auch gelungen. Er konnte am Abend seines vielbewegten Lebens in Wahrheit sprechen: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft;“ aber er konnte zugleich auch sagen:

II. Es ist ein Lauf nach einem gewissen Ziel

„Ich habe den Lauf vollendet.“ Es ist, wie wir nämlich weiter bemerken, das Leben eines treuen Knechtes Christi „ein Lauf nach einem gewissen Ziel:“ Seines GOttes Ehre, des Nächsten Heil und seine eigene Seligkeit, das war das Ziel dem der Apostel sein Leben lang zustrebte, das er unverrückt im Auge behielt. Ihm war darum auch lieb und wert, was die Annäherung an solches Ziel förderte; sein Lauf ging vorwärts, nie rückwärts. Das wird auch das Streben eines jeden wahren Christen sein; und es wird auch nur wo dieses Streben sich findet, eine immer höhere Vollendung erzielt werden. Jeder Stillstand ist Rückschritt; aber auch unbesonnenes Vorwärtsstürzen führt nicht zum Ziele. Dessen war sich auch der Vollendete klar bewusst, der am Abend seines Lebens, täglich des Rufes seines GOttes harrend, der den müden Arbeiter abriefe von seinem irdischen Tagewerk, in Wahrheit sprechen durfte: „ich habe den Lauf vollendet.“

Auch sein Leben war ein Streben dem gleichen Ziele zu, das der Apostel so stetig verfolgte, und was im Ganzen und Großen wie im Kleinen und Einzelnen diesem Ziele entgegenführte, das hat er jederzeit mit Freuden begrüßt und wusste hierbei in hochherziger Weise solchen Bestrebungen gerecht zu werden, auch wenn sie nicht von ihm befreundeter Seite ausgingen, wenn nur Gottes Ehre und das allgemeine Wohl dabei gefördert wurden. So konnte er sich redlich freuen all' der großen gewaltigen Fortschritte, die auf fast allen Gebieten des menschlichen Lebens und Geistes in den letzten Dezennien geschahen; denn er war in seiner Auffassung und Beurteilung der Lebensverhältnisse nichts weniger als engherzig oder einseitig. Wie er selbst in allen Gebieten des Wissens und der Kunst heimisch war, wie er selbst in der klassischen Literatur der Alten wie in der schönen Literatur aller gebildeten Völker der Neuzeit wohl bewandert war, und insonders die Schätze, die der deutsche Geist auf diesem Gebiete im Verlauf der Jahre aufgehäuft hatte, hoch zu würdigen und zu verwerten wusste, so folgte er mit gespanntem Interesse all' dem Neuen und Großen, was unsere Zeit hervorgebracht und suchte es dem Einen hohen Ziele, dem er zustrebte, dienstbar zu machen. Er hing nicht am Veralteten und suchte nicht längst überlebte Zustände wieder künstlich zu beleben; aber das ewig junge Wort Gottes das war ihm sein teuerstes Gut, das ließ er sich nicht antasten. Mit welcher Freudigkeit hat er doch an seinem fünfzigjährigen Amtsjubiläum vor fünf Jahren den Vertretern der hiesigen Gemeinde gegenüber gesprochen: „Mögen Andere die alten Zeiten loben, ich habe mich immer der großen Fortschritte zum Bessern mancher Art gefreut, deren die Neuzeit bei allem, was noch in ihr zu tadeln ist, mit Recht sich rühmen kann.“

Wer in näherem Verkehr mit ihm gestanden, konnte sich von der Wahrheit dieses seines Ausspruchs täglich überzeugen, konnte inne werden, wie der teure Mann, an dem lange Zeit hindurch die Jahre fast spurlos vorübergegangen, der bis in sein hohes Alter ungemeiner Rüstigkeit und Geistesfrische sich erfreute, so unaufhaltsam vorwärts drang von einer Klarheit zur andern, bis er seinen Lauf vollendete. Solches aber ist ihm nur möglich geworden durch die Kraft des Glaubens.

III. Es ist eine fortwährende Betätigung des Glaubens

„Ich habe Glauben gehalten.“ So konnte er am Schluss seines reichen vielbewegten Lebens sagen. Was er im Glauben begonnen und fortgeführt, das hat er auch im Glauben vollendet; und bemerken wir ja vom Leben eines treuen Knechtes Christi überhaupt: es ist eine fortwährende Betätigung des Glaubens. So finden wir es bei dem großen Apostel der mit dankbarem Aufblick zu seinem Herrn und Erlöser gesprochen: „ich habe Glauben gehalten;“ er hat das getan auch da wo es galt für diesen Glauben einzustehen mit seinem Leben; er hat nachdem er einmal den Herrn im Glauben ergriffen, denselben auch niemals verleugnet, ja sein Glaube ist ihm ein so teuerwertes Gut geworden, dass er im Hinblick auf die Schätze, die er dadurch gewonnen, ausruft: „so halte ich nun dafür, dass dieser Zeit Leiden nicht wert sind der künftigen Herrlichkeit, die an uns soll offenbar werden;“ und wo wir nur wahres Christenleben finden, da schöpft dasselbe seine Kraft und seine Freudigkeit aus dem lebendigen Glauben an JEsum Christum den Anfänger und Vollender des Glaubens. Wer unter uns wüsste nicht, wie sehr das auch bei dem teuren Entschlafenen der Fall war, um den wir heute trauern. Wie wusste er dem teuren Apostel nachzusprechen: „ich hielte mich nicht dafür, dass ich etwas wüsste unter euch, ohne allein JEsum Christum den Gekreuzigten,“ und: „das ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass JEsus Christus gekommen ist in die Welt die Sünder selig zu machen.“ Es ist freilich das Leben eines solchen Glaubensmannes, wie der Vollendete gewesen, für den ein unlösbares Rätsel, der nichts von solchem Glauben weiß oder zu wissen begehrt.

Er sieht die Früchte solchen Glaubens in einem schön und edel sich entfaltenden Leben, aber die Wurzel, aus welcher solches Leben emporwächst; ist ihm verborgen; daher die wunderlichen Urteile, die auch über diesen Glaubensmann laut geworden sind. Die ihn aber besser kannten, die wussten, woher solche heilige Kraft und Weisheit, Mut und Freudigkeit ihm stammte. Es war der edle gottgewirkte Glaube, der seinen hohen Verstand erleuchtete, die hohen, ergreifenden, begeisterten Reden und Predigten zu schaffen, womit er weit über ein halbes Jahrhundert Hunderte und Tausende erbaute und erweckte; es war der edle selbstverleugnende Glaube, der ihm die Schwingen verlieh, sich zu erheben über das Niedrige und Gemeine dem Ziele zu, das allein eines Christen, eines Kindes GOttes würdig ist; es war der edle in Liebe tätige Glaube, der ihn zu den hohen Verrichtungen seines Amtes begeisterte, in seiner Studierstube sowohl, dieser Geburtsstätte so vieler edler Geisteswerke, wie auf der Kanzel und am Altar, in den Wohnungen der Freude und den Stätten des Elendes, am Krankenbette wie am Grabe.

Es war der Glaube, wie die Quelle seiner Kraft zu allen Verrichtungen seines hohen Amts, so auch die Quelle unerschöpflicher Freuden und Genüsse, wie sie das Studium der hl. Schrift und das Werk erleuchteter Gottesmänner, wie sie ein großer Kreis edler gleichgesinnter Freunde, zu denen er sich hingezogen fühlte, auf die er stolz gewesen ist, die aber auch wussten, was sie an ihrem Bomhard hatten, ihm bot, wie sie ihm aber auch ein Familienleben, das an Liebe und Eintracht, an Innigkeit und Zartheit, an der reichen Mannigfaltigkeit seiner Beziehungen und der Fülle edler Gaben die hier in schönster Harmonie sich fanden, wenig seines Gleichen haben mag, in einer langen Reihe von Jahren dargereicht hat. In diesem Glauben fand er aber auch den Mut und die Geduld, das viele Schwere zu tragen, das der Herr auch über diesen seinen treuen Knecht verhängte, den rechten Trost in mannigfachen Verlusten in seiner eigenen Familie und in näheren und ferneren Verwandten- und Freundeskreisen, die rechte Stärke und Freudigkeit in den schweren Tagen der Krankheit und Schwachheit, die er auch aus eigener Erfahrung kennen lernen musste, und endlich in den Jahren des Alters und der Gebrechlichkeit, die dem an stete Rüstigkeit gewohnten hohen Geiste besonders peinlich fallen mussten. Wohl mochte er da unter dem Druck der ungewohnten Last seufzen: „,ach Herr, wie so lange;“ aber seines Herrn Antwort: „lass Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ fand auch in seinem gläubigen Herzen stets den entsprechenden Wiederhall. Er hat Glauben gehalten bis ans Ende, und als die letzte bange Stunde kam, da die GOttbegeisterte Seele sich losrang von ihrer gebrechlichen Leibeshütte, da entschlief er im Glauben an den, dem er gelebt, dem er gedient, von dem er so oft und vielfach bezeugt hatte: „leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn, darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“

IV. Es findet endlich einen seligen Lohn.

Von dem Leben eines treuen Knechtes Christi bemerken wir aber endlich noch schließlich: Es findet einen seligen Lohn, indem es ausläuft in die selige Ewigkeit. Das ist es, was den hohen Apostel seinem nahen Ende gegenüber mit so hoher Freudigkeit erfüllt: dass er mit Bestimmtheit zu sagen weiß: hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird; nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.“ Wer also wie er gekämpft, den Lauf vollendet, Glauben gehalten hat, der hat nicht umsonst gelebt, für den war diese Welt nur ein Durchgangspunkt für die höhere Welt, für welche wir berufen sind, die Aussaat zu einer seligen Ernte, wo alle die Gaben und Kräfte, womit wir hienieden ausgerüstet sind, zu ihrer ewigen und köstlichen Vollendung sich entfalten. Darum fürchtet sich der Apostel nicht vor dem Tode und und sehnt sich daheim bei Christo zu sein; darum sprechen mit ihm auch alle Christen, die wissen, woran ihr Glaube hält: ich freue mich zu sterben, darum war auch das Auge unseres Vollendeten lange lange schon dieser ewigen Heimat zugewendet, wo sein Glaube zu seligem Schauen sich entfalten sollte.

Nun schmückt sein Haupt die Krone des Sieges, nun ziert seine Hand die Palme des Friedens, nun umgibt ihn das kostbare hochzeitliche Gewand, nach dem er sein Leben lang so innig und sehnlich verlangte. Nun hat seine Schwachheit sich gewandelt in Kraft und seine Traurigkeit in Freude; nun, wo der Herr sein Gefängnis gewendet, wird auch er mit dem hl. Sänger rufen: „mir ist's wie den Träumenden, mein Mund ist voll Lachens und meine Zunge voll Rühmens; denn der Herr hat Großes an mir getan, dessen bin ich fröhlich:“ und könnten wir Zeuge seiner seligen Freude sein, wir würden entzückt mit einstimmen in den Jubel- und Dankruf des vollendeten Gerechten. Aber dorthin ist der Blick uns noch verschlossen, nur das Auge des Glaubens lässt uns hineinschauen in jene wundervollen seligen Zustände. Die Welt, die uns noch umgibt, gemahnt uns, dass wir noch Pilgrime und Fremdlinge sind, und mischt in den Kelch der Freude, den Gottes Güte uns darreicht, auch reichliche Tropfen der Trübsal und der Traurigkeit, wie in unserem vorliegenden Falle, wo die Klage des Schmerzes mit Recht laut wird über den Verlust eines Mannes, der wahrlich zu den seltenen gehörte.

Ja, es war der Entschlafene ein großer, ein bedeutender Mann; eine frohe, frische, freie, kräftige, durch Gottes Geist geheiligte Natur, ein Fürst im Reiche der Geister, wie voll hohen gewaltigen Geistes, klaren Verstandes, tiefen Wissens, so auch voll inniger glühender Liebe, voll kindlicher Demut und Bescheidenheit; groß und ergreifend als Redner und Prediger, erweckend, liebreich, tröstend als Seelsorger, mit Rat und Tat zu helfen stets bereit, ein Freund der Armen, ein zarter liebevoller Gatte und Vater, ein treuer Bruder und Freund, ein in allen Fällen des Lebens erprobter Christ; und wenn, als wir am letzten Montag seine sterbliche Hülle durch das Gewühl eines bewegten Volkslebens zu Grabe geleiteten, die Frage laut wurde: wer ist's, dem diese ehrende Trauer gilt? konnte man, wie der Entschlafene einst über einen geliebten hingegangenen Amtsbruder sich geäußert, mit David sprechen: „wisst ihr nicht, dass in diesen Tagen ein Fürst und Großer in Israel gefallen ist?“ Seine edle Größe hat ihm auch Anerkennung in den weitesten Kreisen erworben; selbst Solche, die seinen Standpunkt nicht teilten, konnten nicht umhin den Mann zu ehren und zu bewundern, der charaktervoll sich gleich geblieben und nie vor dem stets wechselnden Zeitgeist sich gebeugt hat, an dem der Herr so vielfach wahr gemacht sein Wort: Ich will Dich zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande.“ Ja ihm hat unsere Stadt und unsere Gemeinde und unsere Schule, ihm hat die evangelische Kirche überhaupt einen reichen Segen zu verdanken. Lohne ihm der Herr nun dafür mit der Krone der Gerechtigkeit! Ja Herr wir danken Dir für den Trost und die Hoffnung, die wir über diesen edlen Hingegangenen haben dürfen, über die gnadenreichen Wege womit Du ihn und durch ihn so vielfach auch uns gesegnet hast. Lass ihn nun kommen von Klarheit zu Klarheit in Deinem ewigen Licht, hienieden aber stille den Schmerz und die Wehmut derer die um ihn trauern. Gieße den Geist Deines Friedens über seine leidtragende Familie und Gemeinde und erhalte ihnen den Trost und Segen Deines teuer-werten Evangeliums; gib, dass auch ferner unter uns hochgehalten werde das Panier des Glaubens an Dich, in dem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, und gib, dass auch fernerhin von dieser durch den Hingegangenen so lange Jahre geweihten Stätte das Bekenntnis erschalle: „ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht; denn es ist eine Kraft Gottes selig zu machen Alle, die daran glauben.“

Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/f/freyer/freyer_-_gedenkpredigt_auf_bomhard.txt · Zuletzt geändert:
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain