Francke, August Hermann - An Walbaum, nachherigen Saalfeldischen und Wernigerod'schen Hofrath.
Halle, 23. März 1727.
Ich freue mich über die mir mitgetheilte Nachricht, daß der fromme katholische Abt Ferrus in Paris mich schätzet. Denn ob ich zwar keine eitle Ehre mir dadurch anzumaßen begehre, so ist mir doch billig höchst erfreulich, daß diese Hochschätzung auf keinem äußerlichen Grunde beruhet, sondern allein darauf, daß dieser Mann sich durch das Wenige, so er von meinen Schriften gelesen, in seiner Seele erbauet, und sonderlich an dem, was ich von Christo geschrieben, einen Geschmack gefunden. Denn dieses Letztere macht mir sonderlich die Hoffnung, daß Gott an diesem Manne mich zum wenigsten einigermaßen den Hauptzweck werde erreichen lassen, den ich in meinem ganzen Leben gesucht habe, nehmlich, daß nur Christus möge verherrlicht werden. Wie ich denn eben dieß für die größte Glückseligkeit in meinem ganzen Leben halte, wenn Gott mich höchst unwürdigen Menschen aus Gnade würdigt, mich auch nur an einer einzigen Seele zum Werkzeuge zu brauchen, daß sie vom Schlaf der Sicherheit aufgeweckt und zu Christo oder zum lebendigen Glauben an ihn und zum rechtschaffenen Wesen, das in ihm ist, sich bringen lasse. Ich habe oft mit aller Freudigkeit unter dem freien Himmel zu Gott geseufzet: Herr, gib mir Kinder, wie der Thau aus der Morgenröthe, wie der Sand am Meere, wie die Sterne am Himmel, daß ich sie nicht zählen könne! Was soll ich nun sagen? Gott hat mein kindliches und zuversichtliches Gebet so gnädig angesehen, daß ich in der That die Zahl derer, die mir selber bezeugt, daß sie ihre Seligkeit dem Worte, so aus meinem Munde gegangen, zu danken hätten, nicht mehr würde ausrechnen können, und zwar nur in Deutschland, da doch deren nicht weniger, sondern vielleicht noch mehr in andern Ländern sein mögen, auch noch das Werk der Bekehrung unter den Heiden dazu gekommen ist, darin es Gott gefallen hat, mich zum Werkzeuge zu gebrauchen. Davon einige gute Seelen so gesprochen haben, daß diejenigen, die aus den Heiden bekehrt würden, gleichsam meine Kindeskinder wären, weil sie durch meine geistlichen Söhne, die ich nach Indien geschickt, zu Christo wären bekehrt worden. Wer bin ich, daß Gott an mir Armen solche Barmherzigkeit gethan hat, und daß er nun noch immer darin fortfährt!
Ich habe bei Ihrer Nachricht von dem H. Abt Ferrus mir die Hoffnung gefaßt, Gott werde meine Fürbitte für diesen Mann, die ich sofort für ihn gethan, und noch thun werde, so gnädig ansehen und erhören, daß ich ihn an jenem Tage vor dem Throne Jesu Christi finden werde unter denen, die er mir auf mein armes Gebet geschenkt hat, daß ich dann zu dem Herrn Jesu sagen könne: Herr, hier bin ich und die Kinder, die du mir gegeben hast, und auch dieser Sohn aus Frankreich, den du mir gegeben hast als ein Zeugniß, daß du mit deinem Segen über mich auch in meinem Alter und bis aus Ende meines Lebens fortfahren wollest, daß die Zahl der geistlichen Söhne und Töchter voll werde, die du mir zu deinem ewigen Lobe und Preise aus lauter unverdienter Gnade bestimmt hast. Sie wollen denn nur diesem lieben Manne die gewisse Versicherung geben, daß ich ihn herzlich liebe, und nicht ablassen werde, seinen Namen ins Gedächtniß vor den Herrn Jesum zu bringen, so lange ich lebe. Sagen Sie ihm aber auch von meinetwegen, daß ich ihn im Namen des Herrn Jesu in zärtlicher Liebe ermahne, selber sein Herz nur kindlich vor Jesu auszuschütten, und ihn zu bitten, daß er ihm seine lebendige Erkenntniß und die Kraft seines h. Geistes als ein Siegel der neuen Geburt gnädig verleihen wolle; und daß er in solchem Gebete nur anhalte, wenn er gleich keine Frucht davon zu empfinden scheine. Denn so werde er erfahren, daß Jesus Christus der Herr sei, an welchem nicht zu Schanden werden alle, die sein harren (Jes. 49, 23). Sagen Sie ihm auch, daß mich die Worte, die Jesus zur Martha sagt: so du glauben würdest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen, oft gestärkt haben. Diese Worte hätte ich ihm unzähligmal in aller meiner Roth und in allen meinen Prüfungen vorgehalten; und da hätte ich dann nur stille sein dürfen, so wäre über, kurz oder lang die Erhörung meines Gebets ganz augenscheinlich erfolgt.'
Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren