Forstmann, Johann Gangolf Wilhelm - Dritte Betrachtung.
Da nun Jesus seine Mutter sahe, und den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte, sprach er zu seiner Mutter: Weib, siehe das ist dein Sohn! Darnach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter!
Joh. 19, 26. 27.
Der Heiland ist auf dem Berge, da er uns zum Segen hängt, ein guter Bote gewesen, der seinen Feinden Frieden predigte. Er kennet aber auch die, so auf ihn trauen. Nahum 4, 7. Seine leibliche Mutter, und der Jünger, den er lieb hatte, tragen das Siegel in ihrem Herzen, und er erblickt es an ihren Stirnen. Nachdem er das erste Wort zum Besten seiner Feinde ausgesprochen, und im zweiten den Schächer begnadigt, so wendet er sich auch zu diesen seinen Freunden, die ihn bis zur Schädelstätte begleitet. Er blicket sie Beide freundlich an. Er vermacht ihnen noch zu guter Letzt sein Herz. Er giebt ihnen eine Vorschrift, wie sie sich hinfort gegen einander betragen sollen. Seine Mutter ist schon längst zur Herrlichkeit eingegangen, und betet ihren Sohn als Gott ihren Heiland an. Sein Johannes ist gleichfalls der Schaar zugezählet, die in jener Welt mit verklärten Zungen das Lied singet: Eines hat uns durchgebracht, Lämmlein, daß du bist geschlacht't! Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben.
Wir sehen darum das dritte Kreuzeswort als ein Testament des sterbenden Gottessohnes an, darin er die Seinigen alle versorget.
Weib, siehe das ist dein Sohn!
Der Anblick einer betrübten Mutter, die es jetzt mit Schmerzen erfahren mußte, was ihr Simeon vor mehr als dreißig Jahren geweissagt hatte, war es, der den Heiland bewog, sie also anzureden. Als das erste Weib im Paradiese, unsere Stammmutter, der Rede der Schlange zuhörte, so wurde sie berückt, und dieselbe gereichte ihr und allen ihren Nachkommen zum Tode. Hier stehet die Mutter unseres Herrn unter dem Kreuze, und höret aus dem Munde des Schlangentreters eine Predigt, die ihr und allen Menschen zum Segen gereichet. „Da nun Jesus seine Mutter sahe.“
Und was sahe er denn an ihr? Seine Mutter. Er bekennet es bis in den Tod, daß er seine wahre Menschheit von ihr angenommen habe, auf daß er durch den Tod die Macht nehmen konnte dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist: dem Teufel. Ebr. 2, 14. Er sahe aber auch ihre Schmerzen, die sie bei der jämmerlichen Gestalt ihres Sohnes empfand. Er war einem Wurme ähnlicher, denn einem Menschen. Seine Feinde bewegten ihre Zunge zu lauten Lästerungen und Schmähworten. Als ein geächteter Missethäter hing er da. Man konnte alle seine Gebeine zählen. Er hing nackend zwischen Himmel und Erden, und das Blut aus allen Wunden färbte sein Kreuz. Seine Mutter war dabei eine Zuschauerin, und hörte alles mit an. Was nun ihr Herz dabei gefühlet, das war nur ihr selbst und demjenigen bekannt, der ihr Inwendiges zu der Zeit noch durchschauete, da seine Augen vom Blute röthlicher waren denn Wein. Wir sind nicht im Stande die Empfindungen ihrer Seele redend zu machen. Könnten wir uns das recht vorstellen, so würden wir ahnen, was das heißt: „Da nun Jesus seine Mutter sahe.“ Genug, sie war ein armes Weib, voller Schmerz und Kummer. Und so sahe sie der Heiland an; dieser Anblick war die Veranlassung zu dem Worte, damit er sie tröstete und aufrichtete.
„Da nun Jesus seine Mutter sahe, und den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte, sprach er zu seiner Mutter: Weib, siehe, das ist dein Sohn!“ Marie war wohl im Wittwenstande, Joseph war inzwischen gestorben. Sie hatte es wohl gehört, daß ihr Sohn, der auch ihr Heiland war, sterben sollte; sie hatte wohl die Weissagungen der Propheten und die Verkündigungen der Engel in ihrem Herzen beweget; sie ahnte wohl, daß sein Tod nicht von ungefähr, sondern nach einem göttlichen Rathschlusse erfolgte. Allein ihr armes Herz war doch von manchen Sorgen beunruhigt. Wer wird mich elendes Weib hinfort beschützen, wer wird sich meiner annehmen, da mein einziger Trost mir nun entrissen wird? Nun werde ich es erst recht erfahren, was eine verlassene Wittwe ist. Diese Gedanken erblickten die vom Blute zerschwollenen Augen des Heilandes. Diese ihre Beklemmung ging ihm zu Herzen. Güter konnte er ihr nicht hinterlassen. Gold und Silber hatte er selbst nicht. Er war arm, und wie er in seinem Leben nicht hatte, da er sein Haupt hinlegen konnte, so ging es auch bei seinem Tode so armselig zu, daß er nicht einmal aus eigenen Mitteln konnte begraben werden, sondern Andere da sich seiner annehmen mußten.
Darum vertrauete er seine Mutter einem treuen Freunde an, und bestellete ihr an dem Jünger, den er lieb hatte, einen Vormund, der hinfort Sohnes Treue an ihr beweisen sollte: „Weib, siehe, das ist dein Sohn!“ Wir wollen uns mit Muthmaßungen nicht aufhalten, warum der Heiland sie nicht mit dem Namen „Mutter“ angeredet habe? Uns kann es genug sein, daß die Juden die Gewohnheit hatten, sich des Namens „Weib“ auch gegen ihre Mutter zu bedienen, und daß dies in der heiligen Schrift kein verächtlicher, sondern ein allgemeiner Name ist, welchen sie Hohen und Niedrigen beilegen. „Weib, siehe, das ist dein Sohn! Ich weiß um deinen Zustand. Ich sterbe, aber ich will dich nicht verlassen, noch versäumen. Du sollst mir nicht aus dem Andenken kommen, und zum Pfande meiner Liebe, damit ich dir zugethan bin, hast du hier einen von meinen liebsten Leuten, der soll dir hinfort alle Treue erzeigen, die ein Sohn seiner Mutter schuldig ist, und du sollst deshalb durch meinen Tod nichts einbüßen.“ So waren die durch Wachen und Thränen geschwächten Augen des Mannes der Schmerzen auf seine arme Mutter gerichtet. Doch nicht auf diese allein, sondern er sahe auch den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte.
Darnach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Johannes, der ein naher Blutsfreund des Heilandes nach dem Fleische war, ist der Jünger, den er lieb hatte. Das ist ein Name, dem alle anderen Namen in der Welt weichen müssen: Der Jünger, den Jesus lieb hatte. Und diese Liebe war die Quelle, woraus es herfloß, daß der Heiland seinem Johannes ein so theures Geschenk, als seine Mutter war, vermachte. Es war eine wahre Gnade, daß dieser Jünger fortan die Mutter des Herrn als seine Mutter ansehen sollte. „Siehe, ins ist deine Mutter! Das ist mein letzter Wille an dich, vertritt in's Künftige meine Stelle, und verpflege meine Mutter.“ Und wie machte es Johannes? Von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Und woher kam es, daß derselbe den Befehl seines Meisters so geschwind vollzog, und sich im Geringsten nicht erst mit Fleische und Blute besprach? Die Liebe machte ihm Alles leicht. Es kostet ihm keinen Kampf, keine Mühe, keine Verleugnung, den Befehl seines Herrn ohne Anstand zu erfüllen.
Wir kommen auf uns selbst. Wir gestehen, daß Maria und Johannes die Hauptpersonen sind, auf welche sich dies Wort unsers Erlösers beziehet. Weil aber in einem Testamente verschiedene Personen bedacht werden können, weil der Heiland ehedem Matth. 12, 49. 50. die Hand über seine Jünger ausreckte und sprach: „Siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder! denn wer den Willen thut meines Vaters im Himmel, derselbige ist mein Bruder, Schwester und Mutter!“ weil er endlich dies Wort öffentlich an demjenigen Orte geredet, da er das neue Testament mit seinem Blute besiegelte; so hat er auch damals für sein ganzes Haus auf der Erde, für seine Kirche, und für ein jedes Glied in derselben gesorget, und uns mit gemeines. Was ist es aber, das er uns hier vermacht und hinterlassen hat?
Zuerst sehen wir ungemein gnädige und freundliche Blicke, die er auf seine Anhänger wirft: Er sahe seine Mutter, und den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte.
Doch seine mit Blute angefüllten Augen sahen auch zugleich alle seine armen Schäflein, die sich bis an den Tag seiner Erscheinung zum Gerichte in seine Arme würden sammeln und in seine Wunden verschließen lassen. Diese bedachte er mit freundlichen Blicken. Er sahe sie, und wird sie nie mit einem anderen Herzen ansehen, als er sie in der Stunde angeblicket hat. Seine Blicke sind mit lauter Strahlen der Gnade verbunden. Offenbaren die Augen oft das Herz eines Menschen, so können wir hier aus den Augen unsers Gottes ganz gewiß auf sein vor Liebe wallendes Herz zu allen armen Sündern einen sichern Schluß machen.
Sind es so gnädige und freundliche Blicke, die uns der Heiland in diesen Testamentsworten vermacht hat, so hat er uns auch zum andern seine Sorge für unsere äußerlichen Umstände in denselben verpfändet.
Er hat die Schmach des Kreuzes mit der Krone vertauschet, und als ein Sieger im rothen, mit Blute bespritzten Kleide den Himmel eingenommen, uns daselbst eine Stätte zu bereiten. Er vergisset aber seines erlöseten Geschlechtes nicht. Er denket wohl daran, um was er Blut geschwitzet, und hat seine Augen auf das Land des Elendes, in welchem sein Volk hienieden wallet, ohne Aufhören gerichtet. Er erinnert sich aber auch dessen, was er am Ende seiner Tage, seiner im Zeitlichen verlassenen Mutter, und damit Allen, die nachher in gleichen Umständen sich befinden würden, geredet hat. Er weiß, daß er Anhänger in seinem Reiche hat, die er dann und wann, wie ehedem seine Jünger, Joh. 21, 5. fragen möchte: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Damit sie nun deswegen in keine Verlegenheit gerathen, so hat er sie in diesen Testamentsworten zugleich versichert, daß er auch ihre leibliche Nothdurft besorge, und sie die Fußstapfen seiner Fürsorge wolle sehen lassen.
Da aber der Heiland seinen Kindern im Testamente seine Fürsorge für ihre auch kleinsten, äußeren Umstände vermachet, so flehet ein Jeder leicht, daß er ihnen damit etwas verbietet, und zugleich etwas befiehlet. Er bekräftiget das Verbot, welches er denen, die ihm dienen wollen, Matth. 6, 25. 31. eingeschärft: „Darum sage ich euch: sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euern Leib, was ihr anziehen werdet. Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?“ Er leidet jetzt, wie für alle Sünden, also auch für die heidnischen Nahrungssorgen. Er besiegelt das Gebot, welches er seinem Volke, Matth. 6, 33. gegeben: „Trachtet am Ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Sind das Kleinigkeiten? Ja, für die blinde Vernunft! Allein ein aufgeklärtes Glaubensauge siehet hier Tiefen der Liebe und der Weisheit. Nun hat ein Christ, der diesem Worte glaubet, nicht nöthig, bei locherichten Cisternen, die kein Wasser geben, sich aufzuhalten, keine Freunde in der Noth unter armseligen Menschen zu suchen, auf die er sich lehnen wollte, sondern er kann dem treuen Herzen, das sein Blut für uns vergossen hat, auch alle seine äußern Umstände getrost anbefehlen, und es dem Heilande kindlich zutrauen, daß er noch mehr Leute hat, denen er es auftragen kann: Nimm dich dieser Person an!
Er hat uns aber auch, in diesem Testamente, einen unaussprechlichen herrlichen Namen vermacht. „Der Jünger, den Jesus lieb hatte,“ so nennet sich Johannes, weil er es wußte, wie er mit seinem Herrn stand. Aber wie? Dürfen wir uns auch dieses Namens anmaßen? Ach ja, geliebte Seelen! wollen wir denn nicht Alles haben, was uns im Testamente zugedacht ist? Könnt ihr nicht sehen, wie der Stifter desselben das Wort: Jesaia 43, 4. „Ich habe dich lieb!“ mit unzähligen Wunden und Blutstropfen uns verschreibet? Er liebt uns arme Menschen nun, so sehr er lieben kann, weil er es einmal auf's Lieben angefangen hat. Am Kreuze zeigt es sich, wie stark seine Liebe, und wie unveränderlich der Schluß seines Herzens sei, uns vollkommen geholfen zu sehen. Nicht einige Fünklein, sondern Flammen der Liebe haben in seiner Brust gebrannt.
Er sprang ins Todes Rachen,
uns frei und los zu machen
von diesem Ungeheu'r,
den Tod nahm er uns abe,
vergrub ihn in dem Grabe,
o unerhörtes Liebesfeu'r!
Jetzt ist es keine Zeit von den holden Blicken seines Angesichts sich zu entfernen, und mit tausend ungläubigen Gedanken sich zu martern. Es ist besser, ohne alles Besinnen, sich auf sein treues Erbarmen zu ihm zu wagen, und sich nur gläubig darauf zu berufen, daß er uns ja bis in den Tod geliebt. Darin bestehet unsere ganze Seligkeit, daß wir Sünder sind, die Jesus lieb hat. Wer das weiß, wer das glaubt, kann der furchtsam, kann der betrübt sein? kann der sich nicht aller erworbenen Seligkeiten getrost rühmen? Solltet ihr nun nicht auch die Erlaubniß haben, euch diesen Namen beizulegen: „der Jünger, die Jüngerin, die Jesus lieb hat?“ Ja, ja, lasset euch denselben recht ins Herz schreiben, damit er auch an eurer Stirne gelesen und endlich auf euer Grab könne geschrieben werden: Hier schläft ein Jünger, hier ruhet eine Jüngerin, die Jesus lieb hatte.
Aber wie? Geliebte Seelen! Wenn ihr zu dieser seligen Gemüthsgestalt auf dem Wege nicht gelanget seid? Wenn ihr von diesen Geschäften der Gnade nichts wisset? Ihr könnt nicht sagen: Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Heilandes, da, da machte er uns selig. Tit. 3, 4. 5. Wir kennen die Tücke des menschlichen Herzens. Quillet aus diesem Pfuhle lauter faul Wasser, so sind wir schon im Stande, bei aller herrschenden Lust am Unflathe, und bei allem Vorsatze in demselben zu beharren, uns damit fälschlich zu trösten, was aller armen Sünder einziger und wahrhaftiger Trost ist im Leben und im Sterben, daß der Heiland für unsere Sünden genug gethan, und also dasjenige wirklich zu unserer eigenen Verurtheilung herbei zu rufen, was zu unserer Seligkeit vollbracht war. So ist unser Herz. Weiß es Lauge und Seife, damit es sich waschen kann; haben wir falsche Schminke im Vorrath, damit wir unserm Wuste eine Farbe anstreichen können, so deucht uns, daß wir desto mehr Grund haben, den Schlaf, in dem wir liegen, für die Ruhe anzusehen, welche Matth. 11, 28. 29. allen Mühseligen und Geladenen verheißen ist. Wir wollen nichts weiter dagegen einwenden, so bald ihr es zugestehet, daß eure bisher vorgegebene Ruhe nichts anders, als ein unglückseliger Schlaf der Sicheren ist; daß ihr das Licht der Wahrheit durch den dicken Nebel eurer Vorurtheile gehindert, daß es euch eure wahre Gestalt nicht hat entdecken können, daß ihr die Augen von eurem blutenden und sterbenden Erlöser nur darum abwendet, und ihn nicht gerne in der Nähe betrachtet, weil ihr euch wohl vorstellen könnet, daß er nicht darum gestorben, damit ihr der Sünde leben, sondern wie von der Verdammung, also auch von der Herrschaft dieses Ungeheuers sollt befreiet werden, und daß ihr diese Freiheit noch nicht verlanget. Wir wollen zufrieden sein, wenn wir das offenherzige und wehmüthige Bekenntniß aus eurem Munde hören: „Ach ja! wir haben gesündiget; wir sind gottlos gewesen; wir haben das Blut des neuen Testamentes unrein geachtet; wir haben der Wahrheit von unserer Erlösung wohl endlich mit Worten ein Zeugniß gegeben, aber mit unserm ganzen Betragen derselben widersprochen; wir haben sie wohl nicht öffentlich geleugnet, aber doch verachtet.“ Wenn euch darüber die Thränen in den Augen stehen, so wollen wir uns freuen. Wir wollen euch bei unsern Händen nehmen und eures Elendes uns gar nicht schämen. Wir wollen euch vor den Seelenbräutigam bringen, und wir versprechen euch, es soll gelingen. Fraget ihr: Was sollen wir thun? Ach! seht nur seine Wunden an! sehets ihm an den Augen an, wie sein Herz gegen euch gesinnet ist. Fallet vor ihm nieder, weinet um Vergebung eurer Sünden, so sollt ihr insgesammt Gnade finden.
Ja! wenn er euch nicht auch angesehen, wenn er nicht so mitleidige Blicke auf euch geworfen, da ihr noch seine Feinde waret, so möchtet ihr Anstand nehmen, euch um sein Kreuz herum zu stellen. Aber nun dürft ihr ihm mit eurem Elende in die Arme laufen. Wer da kommt, wird angenommen.
An der Marterstätte, da Gott am Holze hänget, wird nicht gefraget, ob einer das Gesetz Gottes gehalten, sondern da ist nur die Frage, ob einer ein Sünder, ein Missethäter ist, der das Gesetz in allen Stücken übertreten hat, und darum den Tod, wie den Strick am Halse trägt? Hier ist die Frage nicht, ob Jemand fromm und tugendhaft ist, ob er etwas Gutes, oder eine eigene Gerechtigkeit aufweisen kann? sondern es wird gefragt, ob er Schanden oder Laster voll ist, nichts Gutes von sich sagen und mit keinen Werken umgehen kann, weil er keine hat, ob er als ein Gottloser will gerecht gemacht sein, und das Leben aus Barmherzigkeit geschenket haben?
Wenn wir euch doch in der Gestalt bald unter dem Kreuze sehen! Wie bald würde euch das köstliche Geschmeide angethan, und die güldene Halskette angelegt werden, darin ihr euch in dem Herrn freuen, und fröhlich sein könntet in eurem Gotte, ja jauchzend ausrufen würdet:
Gelobet sei das Lebensbuch,
Zuvor verhüllt mit Mosis Tuch,
Mit sieben Siegeln zugemacht,
Bis Gott das Lamm herzugebracht,
Das Lamm, den weltbekannten Sünderfreund,
Der nur der selbstgerechten Tugend feind.
Amen!