Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - V. Butzer, Reformator und Organisator des Straßburgischen Kirchen- und Schulwesens.

Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - V. Butzer, Reformator und Organisator des Straßburgischen Kirchen- und Schulwesens.

Überall, wo es sich in der Stadt darum handelte, das Werk der Reformation durchzusetzen, war Martin Butzer zu finden. Er war es, der im Namen der Amtsbrüder vor dem Magistrat das Wort führte. Der Bischof wusste es wohl: auf ihn den ersten Geistlichen seines Sprengels, der in die Ehe getreten, hatte er es besonders abgesehen, als er das Ansuchen an die Obrigkeit stellte, die „Ehepriester“ zu verjagen, und dieselben vor sein Gericht nach Zabern lud. Stand auch - wahrscheinlich durch ein Versehen - des Schreibers Butzers Name nicht unter denen der Amtsbrüder, über welche der an der großen Münstertüre angeschlagene Bannfluch ausgesprochen war, so fühlte er sich nicht minder davon betroffen. Doch war dies schon damals eine abgenützte Waffe. Übrigens stand ja der Magistrat hinter ihm. Er war dessen Vertrauensmann.

Wir sehen dies deutlich in jenen stürmischen Tagen, wo die empörten Bauern das Wert der Reformation sowohl als jede öffentliche Ordnung ernstlich bedrohten. Mit Jakob Sturm, Capito und Zell begab sich Butzer am Osterdienstag 1525, ohne der Gefahr zu achten, in das Lager der Bauern bei Altdorf, wies ihnen unerschrocken durch die heilige Schrift ihr Unrecht nach und suchte sie mit freundlichen Worten zu beschwichtigen. Im Pfarrhaus zu Enzheim, wo sie auf der Heimreise eingekehrt waren, setzten jene Männer noch ein Schreiben an die Bauern auf, worin sie ihre Ermahnungen zum Frieden wiederholten. Leider vergeblich.

In den damals so häufigen öffentlichen Gesprächen zwischen Mönchen, wie Murner, Treger, und altkirchlichen Priestern einerseits, und den Anhängern der neuen Lehre andrerseits, zeichnete sich Butzer stets durch seine Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit aus und trug nicht wenig zur Besiegung der Gegner bei.

Wo er nur konnte, trieb er vorwärts, denn: „Wer im innerlichen Tempel seines Herzens reformiert ist. mahnte er, der muss das auch frei bekennen mit Wort und Werken und das Widerspiel fliehen und andere davon abziehen …. Den höchsten Obrigkeiten steht aber Reformation der Religion zum Höchsten zu.“ Fast täglich sah man ihn auf die Kanzlei gehen, denn, „wenn er etwas vorgefasst, so konnte ihn niemand von seinem Kopf bringen.“

Von seiner Hand rührt das älteste uns bekannte Schreiben her, welches die Abschaffung der Messe, „als der schwersten Gotteschmach und Abgötterei, die keine christliche Obrigkeit dulden dürfe,“ vom Rat dringlichst verlangte: „ Wollen wir Christen sein, so dürfen wir als solche keine Schwierigkeiten scheuen, auch nicht einen Zank zwischen Fürsten und Städten.“ Und wenn man in Straßburg bei der Beseitigung aller kirchlichen Gebräuche, welche die hl. Schrift nicht rechtfertigte, rascher und gründlicher vorging als im übrigen Deutschland, so ist auch dies vornehmlich auf Butzer zurückzuführen. Solches bezeugt die Stelle aus einem Brief Capito's vom Jahre 1524: „Wir haben noch Messgewänder, die Aufhebung des Kelchs und dergleichen böse Werke, doch wird Butzer diesen Punkt seinem Wert nach ussbutzen.“ Sein Feuereifer ließ ihm in der Tat keine Ruhe, bis der „Gräuel der fremden Sprache“ beim Gottesdienst, die Lichter auf dem Altar, der Weihrauch, alle Feste, die nicht auf einen Sonntag fielen, und Anderes mehr, abgetan war. Namentlich erfuhr die Feier des Abendmahles eine tiefgreifende Änderung.

Die echt reformierte Einfachheit des Gottesdienstes die sich bis heute in unsrer elsässischen Kirche erhalten hat, entspricht vollkommen den Grundsätzen, die Butzer schon in seiner Schrift vom Jahr 1524: „Grund und Ursache aus göttlicher Schrift der Neuerungen halb …“ ausgesprochen hatte. Nicht minder der demokratische Charakter der kirchlichen Verfassung, welcher sich namentlich in der Beteiligung der Gemeinden an dem Kirchenregiment und in der Wahl der Pfarrer durch einen Ausschuss der Gemeinde kund gab. Auch als einen Vorläufer des kirchlichen Liberalismus kann man ihn ansehen, insofern er jeden äußern Zwang verwarf und den Geistlichen, in Bezug auf den Gebrauch der liturgischen Formeln und der Lehrbücher, die Freiheit einräumen wollte, die sie vor Gott und ihrem Gewissen selbst verantworten könnten.

Als im Jahr 1531 die geistliche Behörde, die man den Kirchenkonvent nannte, in's Leben trat, wurde Butzer durch den Magistrat zu dessen Vorsitzenden ernannt. In dieser Eigenschaft verfasste er nun die meisten der gemeinsamen Schriften und Gutachten der „Diener am Wort Gottes zu Straßburg“. Mehrmals, da er auf Reisen war, schickte er seinen Amtsbrüdern die wichtigsten Verhaltungsmaßregeln schriftlich zu.

Da er als „Superintendent auf alle Pfarren in Stadt und Land, und viel mit Schreiben und Reiten (Reisen) in gemeinen Kirchensachen beladen, die Pfarr zu St. Thomas nicht mehr wohl warten konnte,“ legte der gewissenhafte Mann im Jahr 1540 das Pfarramt an dieser Kirche nieder. Das Predigen aber konnte er nicht lassen: es war ein Bedürfnis seiner Seele, und wie anderen, so mag er sich selbst zugerufen haben: „O lasst predigen! Lasst predigen, so lang es der Herr gibt, wer Platz haben mag“.

Wie eifrig er am innern Aufbau der Kirche arbeitete, ersehen wir auch daraus, dass er das neugeordnete Gesangbuch von 1545 herausgab, dass er einen Bettag anordnen ließ, dass er die Konfirmationshandlung oder, wie er selbst sie nannte, „die öffentliche Bestätigung“ einführte, und zwar ehe Luther oder ein anderer Reformator daran gedacht hatte, und endlich dass er zwei Katechismen verfasste, die große Verbreitung fanden. In dem „Kürzeren“, der zum Gebrauch der Schüler des Gymnasiums in's Lateinische übersetzt wurde, findet sich folgendes Kindergebet „zum Schlafen gehen“, das wir nach dem ursprünglichen Druck mitteilen:

„HERRE Got himlischer vatter, Ich sage dir lob vnd danck, das du mich diesen tag so vätterlich behütet, geleret, vnd erneret hast, Vnd bit dich, verzeihe mir was ich disen tag wider dich gedacht, geredt vnd gethon habe, vnd beware mich auch dise nacht, das ich inn deinem namen ruge, vnnd morn frölich zu deinem lobe wider auffstande, Behüte auch vnsere Obren, Lerer, Vater, Muter, geschwisterte, freund und jederman, Durch unseren Herren Jesum Christum, Amen. Unser Vatter rc.“

Luther wollte, dass neben jeder Kirche eine Schule stehe. Dies war auch Martin Butzers Wunsch. Schon im Jahr 1526 verlangte er vom Magistrat die Errichtung von „gemeinen Belehrhäusern für Knaben und Mägdlin“ (Volksschulen); gleichzeitig fasste er die Gründung einer Hochschule in's Auge, und bat Zwingli ihm für dieselbe den Zürcher Lehrplan so bald als möglich zu überschicken. Die Schule soll fürs Leben erziehen, darum drang Butzer „auf eine strenge Zucht und heilige Handlung unter den Schülern.“

Wie sehr übrigens seine Verdienste als Schulmann geschätzt und gewürdigt wurden, erhellt aus einem ein Jahr nach der Gründung des Gymnasiums (1538) geschriebenen Brief eines Augsburger Arztes, in dem es heißt: „Wenn Butzer sein Leben lang nichts gutes getan und nur die Schule zu Straßburg angericht hätte, so wäre es doch ein herrlich gottselig Werk, denn dergleichen Schulen, hab ich mein Leben lang nie gesehen“. Ein anderer, der es noch besser wissen musste, Johannes Sturm, bezeichnet ihn als den „Haupturheber der gelehrten Straßburgischen Schule“.

Eines der zahllosen Gesuche, mit welchen Butzer sich an den Magistrat wandte, schließt mit den Worten: Summa meines Begehrens ist, dass Pfarrer und Schulen vor allem mit tauglichen Leuten und aller notdürftigen Nahrung versehen werden. Hierzu sollten hauptsächlich die Kirchengüter verwendet werden.

Auch zur Unterhaltung von Stipendiaten, anfänglich im Predigerkloster, und dann im Stift St. Wilhelm, gab Butzer den ersten Anstoß. Ein Beweis seiner Fürsorge für diese letztere Anstalt ist sein Testament, in welchem er die „Wilhelmer-Knaben“ als seine Erben einsetzte, falls er keine leiblichen Erben hinterlassen sollte.

Ihm gebührt ferner das Verdienst, die Verhältnisse des St. Thomasstifts geordnet und dasselbe durch seinen „Reformationsplan“ in ein „gelehrtes Kollegium“ umgewandelt zu haben, dessen Pfründen zur Belohnung anerkannt wissenschaftlicher Leistungen dienen sollten, während die anderen Kirchengüter zu dem „wahren Kirchendienste, Schulen und Versehung der Armen“ verwendet wurden.

Eines seiner Hauptanliegen war eine zweckmäßige Regelung des Almosenwesens, wobei er die Gewährung einer Unterstützung vor allem von einem ehrbaren Wandel und von dem Arbeitsfleiß abhängig machte. Auch in diesem Punkt ist er der heutigen Zeit vorangegangen.

Die Pflege der öffentlichen Sittlichkeit und die Handhabung einer strengen Kirchenzucht waren nicht weniger Gegenstand öffentlicher Mahnungen und eingehender Verhandlungen mit Magistrat und Geistlichkeit. Wir hören die Klagen, „dass viele des Papstes Joch hinwerfen, aber dagegen das Joch Christi nicht aufnehmen wollen“, und als einmal der Rat seine hierauf bezüglichen Wünsche nicht berücksichtigen wollte, so soll er tapfer in die Regimentsherrn eingehauen haben.“ Von der Obrigkeit erwartete er eben, „dass sie die von Gott gegebene Gewalt nur zu Ehren Gottes, nämlich dazu gebrauche, dass ihre Untertanen vor allem ein gottselig und ehrbar Leben führen möchten.“ Vielen war er ein unbequemer Sittenrichter, und das Volk schrieb alle strengeren Gesetze gegen Luxus und Sittenlosigkeit auf seine Rechnung; so erklärt sich, dass er in den letzten Jahren seines Lebens an Beliebtheit einbüßte.

Wie anderswo, so tauchten damals in Straßburg zahlreiche, für die junge Kirche gefährliche Sektierer auf. Als Mann der Ordnung nahm Butzer regen Anteil an der Bekämpfung derselben. Doch scheint er die strengen Maßregeln, die gegen die gefährlicheren Sektenführer ergriffen wurden, aus verschiedenen Gründen nicht gebilligt zu haben. „Die Landsverweisung ist nit christlich,“ schrieb er an den Grafen von Hanau-Lichtenberg, „denn die Leute, die eine Obrigkeit so schädlich findet, dass sie dieselben bei den Ihren nicht gedulden wolle, die kann sie mit keinerlei gutem Gewissen Anderen zuschicken oder zukommen lassen. Man mag sie ins Gefängnis legen, aber darin nützlich beschäftigen.“ Bei einer andren Gelegenheit sagte er: „Auf diese Weise (Hinrichtung der Ketzer) wie auf dem Concilio zu Konstanz, will ich wohl glauben, dass man der Ketzer Nacken brechen kann, wären sie noch so hart, aber solches könnte ein Henker besser, und stünde ihm auch besser an als einem Bischof oder Diener Gottes, der durch das Wort Gottes mächtig sein soll, die Widerspenstigen zum Schweigen zu bringen.“

So erscheint Butzer den Sektierern gegenüber toleranter als viele seiner Zeitgenossen. Er wollte sie überzeugen und bessern, und seine Bemühungen in dieser Hinsicht blieben nicht ganz ohne Erfolg. Dies erhellt z. B. aus dem, was der Pfarrer von Alt St. Peter, Theobald Schwarz, über das Auftreten Butzers auf der Synode von 1533, zu welcher die Häupter der Widertäufer geladen worden waren, einem Freund erzählt: „Ich wollte, du hättest sehen und hören können, wie er ganz besonders von Gott begnadigt war, auf alle Einwürfe der Gegner zu antworten. Viele, welche vorher den Namen gar nicht einmal hören konnten, fangen jetzt an, den Mann von Herzen lieb zu gewinnen.“

Endlich war auch Martin Butzer, wenn wir zuverlässigen Schriftstellern glauben, einer der entschiedensten Gegner der Hexenprozesse, dieser Schmach der Christenheit. Tatsache ist jedenfalls, dass zu seinen Lebzeiten die der Hexerei beschuldigten Personen höchstens mit Verbannung bestraft wurden.

Alle diese so mannigfachen Verdienste um die Stadt Straßburg fanden schon zu seinen Lebzeiten die vollste Anerkennung. „Butzer ist hier der Hauptmann,“ äußerte Capito, „eine Säule, nicht allein durch Gelehrsamkeit, die mir bei einem Christenmenschen hoch zu schätzen, aber nicht als das höchste erscheint, sondern auch durch sein Urteil in zeitlichen Dingen, seine Beharrlichkeit, Biederkeit und seine Liebe zum Nächsten.“ Und Peter Martyr schrieb an Butzer selbst: „Bei Pflanzung der Straßburger Kirche hat der Herr mehr durch dich getan als durch alle Anderen.“ Dieser Mann war in der Tat, wie Calvin ihn einmal nannte: „Der Bischof von Straßburg“ freilich in dem Sinne, wie auch Matthäus Zell diesen Titel, den ein Gegner ihm zum Spott beigelegt hatte, sich gefallen lassen wollte: „Nicht dass ich Bischof sei, sondern dass ich's billig sein soll von wegen des Standes, in dem ich bin, und weil nicht ein klein Volk mir befohlen ist, dessen Hirt, Hüter, Wächter und Lehrer und Aufseher ich sein soll, was jenes Wort bedeutet“.

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