Egli, Emil - Die Züricher Wiedertäufer zur Reformationszeit - 1. Kirchliche Kämpfe - 1523 bis Mai 1525
§ 1. Aufrichtung der Sonderkirche
Nach dem festgesetzten Termin der Pfingsten 1523 begann der Rath wirklich aus eigener Macht in kirchlichen Dingen, vorerst des Klosters Oetenbach, vorzugehen. Immerhin geschah das erst, als zwei Dritttheile der Nonnen den Austritt aus dem Kloster verlangten. Es erfolgten nach und nach allerlei Reformen in kirchlicher Richtung. Aber an die Beseitigung der Bilder und der Messe wagte man sich noch nicht. Zwar wurde im Herbst 1523 über die Bilder verhandelt, aber grundsätzlich nicht entschieden; die Messe schonte man noch vollends, obschon z. B. die Capläne zum Grossmünster rundweg erklärten, sie werden nicht mehr Messe lesen.
Solches Zögern in den Hauptsachen machte die Evangelischen um so ungestümer. Namentlich thaten sich die Eiferer Jakob und Klaus Hottinger hervor und regten die Gemeinde Zollikon auf. Schon im Juni 1523 forderten sie den „Fronleichnam“ unter beiderlei Gestalten und schmähten den Messpriester einen Lügner. Im September darauf lernen wir Klaus Hottinger durch seine Bilderstürmerei in Stadelhofen und als Geselle des nachmaligen Täufers Hochrütiner von St. Gallen kennen, der sich damals in Zürich gleichfalls durch seinen Eifer gegen die Bilder hervorthat. Nach Klaus' Vorgang tritt kurz nachher der Bruder Jakob gegen die Messe auf mit der drastischen Aeusserung: „er wöllte lieber ein küydreck ansechen dann die mess“, ja mit dem kühnen Versuche, die in der Kirche versammelte Gemeinde nach vollendeter Messe zu deren Abschaffung zu bewegen, wobei er den Priester beschimpfte und beschuldigte, „er gehe mit Buben - und Lotterwerk und Abgötterei um“. Aehnlich hatte sich Klaus Hottinger geäussert: „es syg im eben, wenn ein pfaff über altar gang gen betten, als wenn ein pur gang hinder den hag gen schissen“. Zum vollen Ausbruch kam die neuerungslustige Stimmung in Zollikon am Pfingstfeste 1524 durch die gewaltsame Vernichtung der Bilder und des Altars.
Dasselbe Drängen zeigte sich auf socialem Boden. Das Verhör über einen Auftritt bei der Barfüsserkirche in der Stadt thut dar, wie empfänglich das Volk für communistische Gedanken, namentlich für den der Gütertheilung war, und ein dem Rathe verrathener Privatbrief eines Chorherren an einen auswärtigen Collegen lässt uns in die ganze tiefgehende Gährung hineinsehen. An mehreren Orten predigten die Pfarrer gegen die Zehentpflicht; es kam zu Versammlungen und Verständigungen auf der Landschaft, und die Obrigkeit musste durch Mandate und Strafen entgegentreten. Besonders aber verursachten fortan die Stiftsgemeinden dauernde Schwierigkeiten. Zollikon, Riesbach, Fällanden, Hirslanden, Unterstrass und Wytikon forderten vor Räthen und Burgern auf Grund des Evangeliums Entlastung von ihrer Zehentpflicht an das Stift mit der Angabe, dass etliche Chorherren, wie man wisse, den Zehnten, der nur ein Almosen sei, zu unnützen und leichtfertigen Dingen brauchen. Der Rath sah sich zum Einschreiten gegen den Prädicanten von Wytikon genöthigt, der Befreiung von Zehnten und Abgaben versprach, und bestellte eine Commission zur Untersuchung. Aus dem erhobenen Nachgang zeigt sich, wie heftig Röubli aufwiegelte. In einer Predigt, die er in dem nahen Schwerzenbach hielt, wagte er vor den Ohren des Landvogtes Escher von Greifensee, des Junker Adrian Grebel und Anderer laut deren eignem Zeugnisse zu sagen: „Du stinkender burgermeister! du sitzt da in dinem sessel - und alldiewil er da sässe, so fürchte man in …. Du fromms purli! wüsstest, wie fromm du wärist! - aber es wäre nit guot, dass ers wüsste …. Du stinkender junker und du stinkender vogt! - dann si wärint nüt anders dann stinkend junker und vögt“. Es scheint nicht, dass der Rath Röubli erheblich gestraft habe; indes verhielt er sich einige Zeit ruhiger. Um so strenger ging man nachher gegen Stumpf von Höngg vor. Man liess ihm durch den obersten Stadtknecht die in Höngg verursachten Unruhen vorhalten und ihn, da er doch selbst seine Pfründe aufgegeben habe, anweisen, die Kirchgemeinde zu verlassen. Die Gemeinde bat für ihren Prediger; allein umsonst; es sollte „gestrax“ bei der Verweisung bleiben. Ja als Stumpf mit „ungeschicktem Predigen, Reden und andern Sachen“ fortfuhr, wurde er gänzlich aus Stadt und Land verbannt, Ende 1523.
Diese Strenge des Rathes gegen Stumpf deutet auf tiefergehende Veränderungen in den Parteiverhältnissen Zürichs hin. Das Drängen der Evangelischen war den Besonnenern unter ihnen selbst, auch Zwingli, zu stürmisch geworden, während hinwiderum Zwingli den Eiferern mehr und mehr als zu lässig erschien. „Dise rottetend sich zuosammen und hattend vil heimlichs gesprächs; gefiel inen nüt, wie und was man domalen in der reformation handlet, welchs inen alles zuo wenig, zuo kurz und mit geistrich, hoch und vollkommen gnuog was“. Diese Spannung innerhalb der evangelischen Partei selber mochte gerade an Zwingli's bedächtiger Haltung hinsichtlich der Bilder und der Messe ihren Ausgangspunkt gefunden haben und führte nach und nach die völlige Scheidung des Reformators von vielen seiner bisherigen Freunde herbei.
Einige der radicalen Wortführer machten Zwingli Vorstellungen, er handle zu langsam und zu lau in den Dingen, die die Kirche und das Reich Gottes antreffen. Es wäre nunmehr an der Zeit und dränge der Geist dahin, dass man mit grösserem Ernste handeln müsse oder man könne nicht selig werden. Der heilige Apostel Petrus habe zu den Gläubigen gesprochen, sie sollen sich hüten und verwahren vor der bösen Art, und die Apostel haben sich abgesondert von den Gottlosen, seien weggegangen aus der gemeinen Kirche, und haben die Gläubigen zu Jerusalem sich zusammen gethan. Darum sei es jetzt auch an dem, dass man sich absondere von den Andern in dieser Stadt und sammle eine reine Kirche und Gemeinde der rechten Kinder Gottes, die den Geist Gottes haben und von ihm regiert oder geführt werden u. s. w. Auf diese Vorstellungen weist Zwingli selbst hin mit den Worten: „Die so bi uns habend den zangg des toufs angehept, die habend uns vorhin oft vermanet, wir sölltind eine nüwe kilchen das ist gemeind oder versammlung anheben; vermeintend ein kilchen ze versammeln, die one sünd wär.“
Begreiflich ging Zwingli auf solche Vorschläge nicht ein. Er antwortete: ihm gefalle solche Absonderung und Spaltung gar nicht. Die Apostel haben sich wohl gesondert, aber von denen, die öffentliche Feinde des heiligen Evangeliums gewesen. Dieser Zeit aber seien gar viel ehrbare Leute, die sich dem Wort nicht widersetzen, und auf die man grosse Hoffnung setzen könne, die aber durch die Absonderung unwillig und abfällig gemacht werden. Das „Rotten“ werde die Kirche nicht säubern, ja in der Kirche werde allezeit etwas zu bessern bleiben und sie nicht eines Wesens mit dem Reiche Christi werden, wie sie sich einbilden. Dazu, wenn sie alles Böse jetzt in der Kirche ausreuten wollen, was dann die Engel am letzten Gericht noch an Unkraut aufzusammeln finden werden? „Lieben brüdern, fuhr Zwingli fort, gäbend üch selbs nit zuo vil zuo, habend geduld mit den schwachen kranken schäflinen, die ouch in den schafstall Christi hörend, und sünderend üch vil me ab von den werken der finsternuss. Ir werdend mich zuo sölicher rottung und trennung, wie ir si fürnemmend, nit bringen; dann mit Gott kann ichs nit thuon.“
Zwingli macht später selbst in einem Zeugenverhör nähere Angaben über solche Verhandlungen. Zuerst sei der Pfarrer Simon von Höngg zu ihm und Leo Jud gekommen, um die Aufrichtung der Sonderkirche anzuregen und besonders zu verlangen, dass deren Mitglieder „weder mit zinsen ald (oder) mit anderem wuocher beladen“ wären. Nachher habe Konrad Grebel ähnliche Forderungen gestellt. Obschon beide „allweg gütlich und früntlich abgewisen“ wurden, gingen sie damit vor, nächtliche Zusammenkünfte in der Neuen Stadt abzuhalten, um ihre Sonderkirche aufzurichten; Felix Manz, neben Grebel einer der hervorragendsten Parteigänger und ein Kenner des Hebräischen, behauptet zwar später nur, „wie er hebraisch gelesen in sinem hus, da sygend etlich zuo im kommen und in allda ghört, und nach dem lesen ginge dann jedermann widerumb heim“. Zwingli meldet weiter, Simon von Höngg habe einmal zu ihm gesagt: „es söllte nüt, man schlüge dann die pfaffen ze tod“, ein ander Mal, er habe den Zwölfen (Gemeindevorstehern) zu Höngg offen herausgesagt, sie seien weder Zinse noch Zehnten schuldig; nachher habe er dann freilich versucht, diese Rede zu läugnen oder abzuschwächen. Mehr als einmal hätten aber Grebel und Simon darauf gedrungen, „das alle ding gemein müsstind sin“. Auch Manz habe ihn, Zwingli, für die neue Kirche gewinnen wollen, zu der Niemand als die gehören dürften, die sich selbst ohne Sünde wüssten. Als ihn Zwingli fragte: ob er, Manz, einer von diesen sein wolle, habe er keine rechte Antwort gegeben. Umgekehrt will Manz die Einladung Zwingli's, die Lasterhaften selbst aus der Kirche zu entfernen, mit der Antwort abgewiesen haben, das sei nicht seine Sache, er sei nicht Bischof wie Zwingli.
Nach Zwingli's Bericht rief dieses Zusammenrotten der Geistesmänner oder Spirituöser, wie man sie nannte, zuletzt dem Einschreiten des Rathes. Diesen Untersuchungen gehört ein interessantes Verhör an, aus dem wir über die Sonderversammlungen Näheres erfahren. Unter den ersten von Zürich ausgewiesenen Täufern erscheint nämlich ein fremder „Buchfeiler“, Andres, zubenannt Uf der Stülzen oder Uf der Krucken, auch einfach der Stülzer, in Chur der hinkende Andres, wohl derselbe, der später als Andres Castelberger aus dem Bunt, d. h. aus Graubünden, vorkommt. Ihm wurden ausdrücklich weitere Versammlungen „der verirrten lüten“, d. h. der Täufer verboten, und er hatte schon vor Annahme der täuferischen Richtung, wie es scheint schon seit 1522, eine besondere Schule eifriger Neuerer gestiftet.
In dem Verhöre über das, „was der Uf der Krucken geprediget habe“, sagen mehrere Theilnehmer der Versammlung, sie hätten begehrt, in der evangelischen Lehre und in den Briefen des Paulus unterwiesen zu werden und zu diesem Zwecke den Stülzer angegangen. Dieser habe den Römerbrief mit ihnen an die Hand genommen und ihn so erklärt, dass seine und Zwingli's Lehren durchaus übereinstimmten und „uf einen schrot ushin gangint“. So habe er sich auf Zwingli's eigene Predigt berufen, als er lehrte, eine Ehefrau, die sich ihrer Frömmigkeit überhebe, sei nicht besser als die von ihr gescholtene Dirne, wenn diese gegen Gott sich als Sünderin erkenne. Geiz und Wucher mit Pfründen und sonst, überhaupt wenn Geistliche oder Weltliche überflüssiges Gut zusammenlegen, um „den glatten balg dest bass und richlicher zuo erziechen und zuo erneren“, habe der Stülzer dem Stehlen gleichgestellt, wo es aus Armuth geschehe; wenn er auch nicht fordere, dass der Wucherer wie der Dieb an den Galgen geführt werde, so sei vor Gott und gemäss der evangelischen Lehre doch kein Unterschied zwischen Beiden. Ja der Reiche, der den Armen von Haus, Hof, Acker, Matten und dem Seinen vertreibe, sei böser als ein Dieb und ein Mörder gegen Gott dem Herrn. Besonders sei Andres gegen den Krieg als eine Sünde aufgetreten; denn wer trotz väterlichen Erbes und Gutes in den Soldkrieg ziehe und so Biderleute zu todt schlage, sei vor Gott und nach der evangelischen Lehre dem Mörder gleich.
Die Versammlung des Stülzers wuchs rasch an; sie erschien als besondere „Schule“, und die Vorträge galten als „Predigten“. Zwar habe Andres seine Zuhörer gleich Anfangs ermahnt, Gott den Allmächtigen um Gnade und um ein friedsames christliches Gemüth anzurufen und mehrere Mal offen angekündigt, er werde die Unterweisung nicht fortsetzen, sobald sie sich der evangelischen Lehre überhöben und mit irgendwem Händel anfingen; aber es scheint, die Demuth habe sich nicht auf die Dauer mit der Sonderung vertragen. Es fehlte nicht an Spöttern, so wenn Andres gelegentlich als „Herr Leutpriester“ begrüsst wird, was er freilich derb genug zurückweist. Namentlich gab das aparte und heimliche Treiben zu böswilligen Gerüchten Anlass: es handle sich dabei um ein trunkenes Leben, es fände die Versammlung in Kellern und Ställen statt, während die Theilnehmer gegentheils die Vermeidung der offenen Trinkstuben und ihres Gezänks vorgeben.
So mussten die Geistesmänner auf Zwingli's starken Beistand verzichten und versuchen, ihre Absonderung, wie Bullinger sagt, „in ander wis und weg fürzuotrucken“. Sie begannen damit, die Kindertaufe zu schelten, zu schreien und zu sagen, dieselbe sei nicht von Gott aufgesetzt, sondern vom Papst Niclaus erfunden und darum unrecht, ja aus dem Teufel. Zwingli und die andern Prädicanten begriffen diesen Eifer anfangs nicht, bis sie merkten, dass es auf die Wiedertaufe als auf ein Abzeichen der angestrebten Sonderkirche abgesehen sei. Zwingli berichtet darüber selbst mit den Worten: „Do nun inen sölichs (rotten) fürkommen ward, brachtend sie den kindertauf harfür. Nam uns all seer wunder, warum si doch darin so hitzig wärind; marktend doch zum letzten, dass es us der ursach bschach, dass wenn der kindertouf verworfen wurde, denn zimte inen, sich ze widertoufen und mit dem widertouf die iro kilchen zwar zemmen sammeln“. So sollten sich die Gläubigen wieder taufen lassen in eine heilige Gemeinde Gottes und die Wiedertaufe zur Absonderung dienen.
Bisher hatte man der Kindertaufe bloss den Werth einer äussern Form beigemessen und über die Taufe nur nebenbei verhandelt, so dass selbst Zwingli eine Zeit lang nicht mit sich im Klaren war, ob sie beizubehalten sei oder nicht, und die Prädicanten sämtlich sich über den Eifer der Gegner verwundern konnten; jetzt aber gewann sie auf einmal weittragende Bedeutung, seitdem der Kindertaufe positiv die Wiedertaufe entgegengestellt und diese zur Losung der angestrebten Sonderkirche erhoben wurde. Damit war auch Zwingli's Stellung sofort gegeben. Er musste die frühere abweisende Haltung gegen die Sonderkirche neuerdings aufnehmen, d. h. die Wiedertaufe bekämpfen und die Kindertaufe vertheidigen. Je mehr die Täufer öffentlich hervortraten, desto eifriger musste auch Zwingli gegen sie predigen und ernstlich wehren, dass sie die heilige Taufe nicht zu einem „Rottzeichen“ ihrer Absonderung oder Secte machten.
Wirklich kam es dazu, dass Einzelne Väter ihre Kinder nicht mehr taufen liessen. Näheren Aufschluss über die Anfänge solcher Taufenthaltung erfahren wir aus Wytikon und Zollikon. Dort hatte, seit Frühling 1524, Röubli gegen die Kindertaufe zu predigen begonnen. Es gab schon seit Ostern Eltern, die ihre Kinder nicht mehr zur Taufe brachten. Endlich Anfang August zog der Rath zwei Väter zur Rechenschaft, weil sie ihre Kinder - ein Knabe war schon ein halbes Jahr alt - nicht taufen liessen. Sie beriefen sich auf die Predigt Röubli's, der eine mit der Aussage, Röubli habe ihn gewähren lassen und gesagt, „wenn er well ein rechter christ sin und ein christenlich leben füren, so bedörfte es des toufens nit; darzuo söll er von sinen worten nützit darzuo oder darvon thuon, so well und wüss er die sach wol zuo verantwurten“ - der andere mit dem Hinweis darauf, Röubli habe gepredigt: „wenn er kind hett, so wellte er die nit toufen unz (bis) uf die zit, das si zuo iren tagen kämint und selbs götti und gottinen könntind gewünnen“, wie auch auf die Nachbarn, die schon vor ihm so gehandelt hätten. Röubli wurde gefangen gesetzt, die früher für Religionssachen bestellte Commission, die drei Leutpriester, der Abt von Cappel, der Comthur zu Küssnacht, der Probst von Embrach und vier Rathsverordnete, mit der Untersuchung seiner Lehre beauftragt und bei Strafe einer Mark Silbers die sofortige Taufe ungetaufter Kinder anbefohlen.
Diese Massregeln scheinen in Wytikon gewirkt zu haben. Nicht so in dem nahen Zollikon, wo wahrscheinlich ebenfalls Röubli den Anstoss gegeben hatte. Von hier wurden, gleichzeitig mit den zweien von Wytikon, drei Hausväter verhört, weil sie ihre Kinder nicht wollten taufen lassen, Friedli und Stephan Schuhmacher und Heini Wisshans Hottinger. Sie behaupteten, die Kinder sollen nicht getauft werden, „bis si zuo iren tagen kämint und den glouben selbs könntind verjächen“ (bezeugen) und beriefen sich bereits auf das Gotteswort selbst. Es scheint, dass die Lehre hier schon ziemlich eingewurzelt war; denn trotz der Strafandrohung treten jene Männer nachmals wieder unter den Täufern auf.
Woher diese Lehren kamen, lässt sich nicht genau nachweisen; aber die Annahme liegt auf der Hand, dass die weitverbreiteten Schriften des deutschen Täuferhauptes Thomas Münzer auch in Zürich viel gelesen wurden; denn als später, seit September 1524, Münzer sich in der Gegend von Waldshut einfand und acht Wochen in Griessen verweilte, besuchten ihn öfters unruhige Geister von Zürich, namentlich die Stadtbürger Konrad Grebel und Felix Manz. „Sie sogen, sagt Bullinger, den Wiedertouf aus dem Münzer.“ Ihre Bitterkeit gegen Zwingli rührte zum Theil aus persönlichen Gründen her; Zwingli konnte ihnen die gehofften Anstellungen als Lehrer des Griechischen und des Hebräischen nicht verschaffen, ja zog schliesslich den Sohn eines Landmanns, Jakob Wiesendanger oder Ceporinus von Dynhard, den Stadtbürgern vor. Um so eifriger sammelten Grebel und Manz einen Anhang. Natürlich schloss sich ihnen voraus Röubli an, den Zwingli einen „unlautern Windbeutel, einen einfältigen, aber verwegenen Menschen“ nennt, „der zugleich sehr viel Geschwätzigkeit, aber sehr wenig Weisheit habe“. Mit Röubli hielt auch der Prediger des benachbarten Zollikon, Johannes Brötli oder Panicellus, auch ein Fremder, zur Partei, dann der bereits bekannte Andres Uf der Krücken, aus dem Bündner Lande, ferner der Deutsche Ludwig Hetzer, ein eifriger Neuerer und bekannt durch seine Darstellung des zweiten Religionsgesprächs von Zürich, nebst vielen Andern. Besondere Bedeutung erlangte bald ein anderer Graubündner, Jörg vom Hus Jakob, wie er sich hiess, oder Blaurock von seiner Kleidung, sonst auch der starke Jörg genannt; er wird immer neben Grebel und Manz als der Dritte im Bunde aufgeführt. Der bedeutendste von Allen ist Grebel. Zwingli nennt ihn den Koryphäen der Wiedertäufer.
§ 2. Verhandlungen über die Kindertaufe.
Die gleichen Verordneten, welche Röublis Lehre untersuchen mussten, bekamen sofort noch eine zweite Aufgabe. Die Väter von Zollikon, denen die Kindertaufe aufgegeben war, führten den Befehl nicht bloss nicht aus, sondern begehrten auf erneuerte Mahnung hin Recht und appellierten an die Schrift. Die Rathsverordneten hatten also auch hier die Gründe anzuhören. So kam es zu Verhandlungen über die Kindertaufe, privatim und dann öffentlich.
Ueber die Privatbesprechungen meldet Grebel unter Beschwerde: „Solches Urtheil (die Gründe anzuhören) hat Zwingli und die Herren, so dazu geordnet, übertreten, den Einfältigsten, doch Gott Allernächsten, beschickt und gehandelt: Gott und die Welt wissen wie! Er aber hat aller ihrer Weisheit geschändet mit Hilf Gottes und seiner Wahrheit. Ueber das haben beide Räthe auf ein Neues beschlossen, dass man zusammen soll kommen“. „Dabei war bestimmt, dass man die Schrift soll lassen reden und nichts davon noch dazu thun“. Auf diese Unterredungen scheint sich Zwingli's Angabe zu beziehen, die er später als Zeuge macht, Manz habe ihm und den andern Pfarrern zugemuthet, sie sollten ohne sein und seiner Genossen Wissen und Rath nichts predigen. Es ist daher leicht zu begreifen, dass Zwingli und die Prädicanten eifrig wurden; wenigstens beklagen sich die Gegner, sie seien nicht zu Wort gekommen, wie wir nachher vernehmen werden.
In dieser Zeit soll Jakob Hottinger dem Prädicanten Megander (Grossmann) am Spital in die Rede gefallen sein, als er in der Predigt die Kindertaufe vertheidigte; auch in Zollikon kam es zu einem Wortgezänk zwischen dem Helfer zum Grossmünster und dem Pfarrer Brötli, so dass der Rath sie mit etlichen Männern aus der Gemeinde zu verhören beschloss. Wie wenig alle diese Erörterungen fruchteten, zeigt die einzige Thatsache, dass die Anhänger Grebels in Zollikon den Taufstein zerstörten. Grebel selbst, dessen Frau Anfangs 1525 ein Mädchen geboren, schreibt acht Tage nach der Geburt an seinen Schwager Vadian: „Das Kind heisst Rahel; ist noch nicht in dem römischen Wasserbad getauft und geschwemmt“, und Bullinger sagt von den Leuten: „darzuo wurdent si dermassen verwildet in dem widertöufischen geist, dass si keinen dingen me nüt nachfragtend, dann iren widertouf ufzuobringen“.
Der Rath hielt es deshalb für das Beste, wie früher über andere kirchliche Fragen so jetzt über die Kindertaufe eine öffentliche Disputation anzuordnen. Er lud zu derselben durch Ausschreibung und durch Verkündung von den Kanzeln auf Dienstag den 17. Januar 1525 vor Räthe und Burger auf das Rathhaus ein. Die Kunde davon mag auswärts an manchen Orten überrascht haben, wo man der Beseitigung der Taufe günstig war und sich darin mit Zwingli in Uebereinstimmung glaubte. So wendet sich Doctor Balthasar Hubmeier, der Pfarrer von Waldshut, bezüglich der Taufe an Oecolampad, der sogleich Zwingli davon berichtet, und, wohl gleichzeitig, nicht wenig erschrocken, an diesen selbst, um ihn „um Gottes willen“ um Auskunft über die Taufe und um Verzeihung zu bitten, wenn er sich gegen ihn und Leo Judä verfehlt habe. Auch den Taufgegnern in Zürich selbst lag die öffentliche Verhandlung nicht recht, weil sie Zwingli's Ueberlegenheit fürchteten. Grebel reichte vorher noch einen Protest ein, worin er sich beschwert, die Prädicanten hätten Einem in den frühern Verhandlungen die Rede im Hals ersteckt„ und ihre Meinung nicht mit Schriften begründet und Zwingli insbesondere ihn mit vielen Reden überfallen“, so dass er „vor seinen langen Reden nicht habe zur Antwort kommen können“. Grebel fordert daher schriftliche Verhandlung: „ist nun neisswer, sei er wer er wolle, der sich vermeint aus göttlicher Schrift (Gründe darzuthun), dass man junge neugeborne Kindlein taufen solle, der mag solche Euch Meinen Herren schriftlich anzeigen; will ich einem Jeden Antwort geben. Kann nicht viel Disputierens; will sein auch nicht, sondern mit H. Schrift handeln“. Es blieb jedoch bei dem Beschlusse und das Gespräch fand statt.
Bullinger berichtet darüber als Augenzeuge, in Kürze auch Zwingli an Vadian. Ausser Grebel und Manz betheiligte sich besonders Röubli; Zwingli schreibt aber nur Grebel Bedeutung zu. Sie behaupteten, die Kinder könnten nicht glauben und verstünden nicht, was die Taufe sei. Die Taufe sollte nur den Gläubigen gegeben werden, denen vorher das Evangelium gepredigt worden sei, die es verstanden, die Taufe selbst begehrten, den alten Adam tödten und in einem neuen Leben wandeln wollen. Dafür sprächen die Evangelien und die Apostelgeschichte; nach dem Beispiel der Apostel solle man nur alte und verständige Leute taufen. Weil man nicht also getauft sei, gelte die Kindertaufe nichts und solle man sich wiederum taufen lassen. Zwingli antwortete, nach Bullingers Zeugniss, mit den später in seiner Schrift an die von St. Gallen niedergelegten Gründen.
Man gewann den Eindruck, dass die Täufer unterlegen seien. Die Obrigkeit ermahnte sie ernstlich, von ihrem Irrthum abzustehen und ruhig zu sein und erliess Tags darauf ein Mandat mit dem Gebot, ungetaufte Kinder binnen acht Tagen und bei Strafe der Landesverweisung taufen zu lassen. Zugleich wurde beschlossen, die von Zollikon zur Wiederherstellung ihres zerstörten Taufsteines aufzufordern und zu untersuchen, wer ihn beseitigt habe, weiteres Eintreten auf die Sache aber bis auf gelegenere Zeit zu verschieben. Kurz darauf folgte noch die ergänzende Schlussnahme, die besonderen Schulen„ der Täufer abzustellen und besonders Grebel und Manz von ihrem Disputieren und ihrem Beginnen überhaupt abzumahnen; sie sollten sich „Miner Herren meinungen gefallen lassen“, da man hinfort keine Disputation mehr gestatten wolle und sich, wenn sie des Glaubens wegen irgend welchen Aufschluss wünschten, an den Bürgermeister und die drei Oberstmeister wenden. Auch wurden um mehrerer Ruhe willen die fremden Anhänger der Secte, Röubli, Brötli, Hetzer und der Stülzer binnen acht Tagen des Landes verwiesen. Letzterem wurde zwar dann aus Rücksicht auf seine Krankheit der Termin um einen weitern Monat verlängert, ihm aber das Ausgehen und namentlich die Veranstaltung weiterer Versammlungen der „verirrten lüten“ untersagt.
Diese Massregeln fruchteten nicht viel. Die Täufer sagten, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Schon am 1. Februar musste der Rath neuerdings einschreiten. Die Kunde, dass etliche Pfarrer auf dem Lande „wider Miner Herren mandat predigent“ (womit wohl das Mandat von der Taufe gemeint ist) führte die Erkenntnis herbei, die Vögte und Andere zum Aufmerken zu mahnen und Schuldige einstweilen im Wellenberg gefangen zu setzen. Auch wurde das Taufmandat näher dahin erläutert, es seien die Kinder, sobald sie geboren worden, zur Taufe in die Kirche und zu des Priesters Handen zu bringen; nur wenn der Tod zu besorgen stehe, dürfe ein Kind im Hause getauft, müsse aber dann nichtsdestoweniger noch zur Kirche gebracht werden. Damit war die Kindertaufe als kirchliche Ordnung obrigkeitlich festgestellt.
§ 3. Einführung der Wiedertaufe.
Sowie die Kindertaufe als Abzeichen der Staatskirche feststand, gingen die Täufer dazu über, ihre Sonderkirche ins Werk zu setzen, zunächst in Zollikon. Sie begannen, die Wiedertaufe wirklich zu vollziehen und unter sich jetzt schon, da die Staatskirche die Messe noch immer nicht officiell abgeschafft und ersetzt hatte, das Abendmahl zu halten. So stellte sich die Sonderkirche, durch Einführung der beiden Symbole, der Staatskirche direct gegenüber. Mehrere Täufer, voraus Grebel, auch Manz, lehrten von Taufe und Nachtmahl und theilten das Brod unter die sich drängenden Anhänger. Der erste, der sich von Grebel wiedertaufen liess und vom „Tisch des Herrn“ aß, war nach seinem eigenen Zeugniss Blaurock, der dann auch selbst zahlreiche Andere zur Annahme der Zeichen ermunterte und sie belehrte, wie dieselben zu Zeichen der neuen „Vereinung“ werden müssten. Wie sehr die Augenzeugen dies fühlten, zeigen die Bedenken der Einen unter ihnen, namentlich gegen das Nachtmahl; so sagt ein Zuschauer, dass ihm, „die haar zuo berg gangen“, ein anderer, „im ginge der schweiss us“. Wie es scheint war Blaurock der eigentlich populäre Täufer und wandte den Brauch allgemeiner an, auf den ersten Besten, der weinend zu ihm kam.
Der Gegensatz zur allgemeinen Kirche wurde damit sofort ein so bewusster, dass Blaurock den Helfer von Zollikon mit den Worten von der Kanzel verdrängte: „Du bist nit, sunder ich gesandt ze predigen“; auch geberdete er sich dabei sonst anmassend; so schlug er mit einer Ruthe wiederholt auf ein Brett und rief: „es stat geschriben, min hus ist ein bäthus“. Die „Vereinung“ selbst machte alsbald den Versuch, sich auf dem Fusse der Gütergemeinschaft einzurichten. So erzählt später ein Zeuge dieser Tage, wie er sich beinahe habe bewegen lassen, sein Gütchen zu verkaufen und sich seines Gewerbes zu begehen. Man war, sagt er, „der meinung, dass alle ding sölltind gemein sin und zuosammen gschütt werden, und was dann einem jetlichen breste und anläge, söllte er da dannen vom hufen nemen, das so er zur notdurft bruchen müsste. Und wärind ouch der meinung, dass si gern rich lüt und grosser gschlechten darin zogen und gepracht hettind“.
Die Obrigkeit schritt gegen die Secte ein. Wir finden Anfangs Februar vierundzwanzig Täufer von Zollikon im Augustinerkloster verhaftet. Aus den Verhören, die dieser Zeit anzugehören scheinen, erfahren wir Manches über das innere Leben der Secte. Am eifrigsten hätten Blaurock, Manz und „der Helfer“ Täuflinge geworben. Wie Blaurock Jeden zu gewinnen wusste, schildert der alte Rüdi Thomann. Zu einem jungen Manne habe der Täufer gesagt: „Marx, du bist bishar ein jung frölich mann gsin und muosst ein ander mensch werden, den alten Adam von dir thuon und ein nüwen an dich leggen und dich besseren“; zu Thomann als einem alten Manne habe er umgekehrt gesprochen: „er weri ein alter mann und wäri nun dem tod nachend und er söllti sich besseren“.
Man betrachte, sagen andere Zeugen, die Taufe als Zeichen der Bekehrung und Versöhnung, zu Abwaschung und Nachlassung der Sünde, Brod und Wein vom Tische Gottes als Zeichen der brüderlichen Liebe, bestimmt für Jeden, „wer da gloubt, dass in Gott mit sinem sterben und rosenfarben bluot erlöst hat“. Das Brod, dessen Brocken man geniesse, sei ein Brod der Liebe und christlichen Gemüthes; wer es esse, begehre Gott stets in seinem Herzen zu haben und an ihn zu denken und Jedermann brüderliche Liebe zu erweisen. Durchgehends erklären die Zeugen, Gott selbst, der Schöpfer und Heilmacher, habe sie zur Wiedertaufe bewogen; wen „es anfechte“, dass er seine Sünde beklagen und beweinen und Gott um die rechte Erkenntniss bitten müsse, der könne schlechterdings nicht anders als die Gnade Gottes und die Taufe begehren. Sie, die Getauften, seien „Diener, Knechte und Gehorsame Gottes“, liessen sich von keiner weltlichen Gewalt an dem hindern, was der Geist Gottes ihnen eingebe und wollen Meinen Herren nur insoweit gehorchen, als das Wort Gottes sie nicht davon abhalte. Einzelne erklären, wie sie als Diener und Knechte Gottes „losen“ (horchen) und erwarten müssen, was der Geist Gottes sie weise, lehre und heisse und nur dann vom Taufen lassen können, wenn der Geist es ihnen nicht eingebe. Lienhart Bleuler sagt geradezu, „er sei ein Knecht Gottes und seiner selbst nicht mehr mächtig oder gewaltig; er habe sich unter den Hauptmann Jesus Christus eingeschrieben und wolle mit demselben in den Tod gehen; was derselbe ihn heisse und ihm eingebe, dem werde er gehorsam sein und dasselbe thun“.
Auch diesmal fand ein Gespräch mit Zwingli statt. Wir kennen die Verhandlungen im Einzelnen nicht mehr; Manches aus denselben mag indessen Zwingli in sein Taufbüchlein verwoben haben, das im Mai darauf erschien. Die Gefangenen durften Besuche ihrer Bekannten empfangen, gaben ihnen Aufträge nach Hause und liessen sagen, wie sie fröhlich wären und wie die Sache wohl um sie stehe. Möglich auch, dass dem einen oder andern heimlich zur Freiheit verholfen wurde; wenigstens heisst es später, man habe oft Gefangenen zur Flucht verholfen und die Obrigkeit solches nicht streng bestraft. Die freie Haft mochte mit schuld sein, dass das Gerücht sich verbreitete, Zwingli sei überwunden worden, indem er habe zugeben müssen, dass sich eine Schriftstelle finde, wonach eine Person zweimal getauft wurde, ja er werde von der Fasten an das „göttliche Leben“ selbst annehmen. Zu solchem Gerede trug besonders Hans Hottinger, ein Wächter, bei, der als Sendbote nach Zollikon kam und dabei Zwingli vorwarf, er predige heute so und morgen anders; so habe er vor Jahren gepredigt, man solle die Kindlein nicht taufen, jetzt verlange er die Kindertaufe.
Am 7. Februar erklärte man die Verhafteten gegen Urfehde und Abtragung der Kosten frei und entliess sie am 8. gegen die Bürgschaft von tausend Gulden. Es scheint, dass inzwischen Grebel auswärtige Verbindungen anzuknüpfen suchte. Mit den Verbannten Brötli und Röubli finden wir ihn damals in Schaffhausen bei Doctor Sebastian Hofmeister. Die Täufer glaubten diesen für ihre Sache gewonnen, und es verbreitete sich das grundlose Gerücht, Schaffhausen wolle ein Gespräch über die Taufe anordnen. Dass man demselben in Zürich Glauben schenkte und die Art und Weise, mit welcher der Schaffhauser Rath den Zürcher auf seine besondere Anfrage versichert: „wir sind ouch des gemüets, unsere jungen kinder zuo toufen und noch zuo diser zit von dem bruch nit zuo stan“ - zeigt genugsam, wie schwankend die Aussichten waren und wie wenig Grebels Bestrebungen ihren Eindruck verfehlten.
Umgekehrt zeigten sich fremde Gesinnungsgenossen, namentlich von den geistesverwandten St. Gallischen Täufern, in Zollikon; Gabriel Giger von St. Gallen sagt, als ihn der Geist Gottes „ankommen syge“, sei er eilends gen Zürich in des Manzen Haus gelaufen, wo ihn Grebel getauft habe. So erstarkte in Zollikon, zumal die Verhafteten wieder bei Hause waren, die Bewegung neuerdings. Man verhaftete mit Andern Manz und Blaurock sofort wieder und verhörte sie abermals gegenüber Zwingli, wobei Manz ähnlich wie einst Grebel schriftlichen Verkehr forderte und verdeutete, „es stecke mehr hinter der Wiedertaufe, das man jetzt nicht eröffnen könne, und man merke eben, dass sie zuletzt die Obrigkeit niederlege“. Blaurock reichte einen schriftlichen Bericht ein, um die Taufe Erwachsener und die „Gemeinschaft aller Dinge“ durch das Beispiel der Apostel (Matthäus 28 und Apostelgesch. 2) zu erhärten; auch anerbot er den Beweis dafür, dass Zwingli die Schrift mehr fälsche als „der alte Papst“. Man gewährte ihm, hierüber mit Zwingli vor dem Rath zu verhandeln. Wir wissen aber nur soviel, dass die beiden Täufer bald wieder entlassen wurden, Manz mit der Androhung, ihn im Wiederholungsfalle bei Wasser, Muss und Brod in den Thurm zu sperren, „bis es im rif wirt und er selbs ushin ficht“. In dieser Zeit erhielt der kranke Stülzer nochmals einen Aufschub von zwei Monaten; er bat in seinem Bittschreiben, man möchte ihm zugleich den Eid nachlassen, wenn er ausgewiesen werde.
Kaum waren die beiden frei, so fand in Zollikon wieder eine grössere Täuferversammlung statt, an der Fastnacht. Vor etwa 150 Personen predigte Blaurock Vor- und Nachmittag und taufte; auch sonst sah man ihn mit einem „Gätzi“ taufen. Hier begegnet uns der bekannte Heinrich Aberli der Pfister von Zürich wieder. Er entschuldigt sich, wie er nur Verwandte in Zollikon habe besuchen wollen und dabei unabsichtlich unter die Täufer gerathen sei. In Jakob Hottingers Haus habe ihn nämlich Blaurock begrüsst mit den Worten: „bruoder Heinrich, bis gottwilchen! Gott sygs globt, dass wir all in den Christum Jesum gloubent und in dem bestät wellent bliben! bruoder Heinrich, verjichst (bezeugst du), dass der Herr Jesus Christus für uns habe gelitten und das so von im geschriben, war sye?“ Als er bejaht, habe ihn Blaurock mit einer Hand voll Wassers getauft und gesprochen: „ich toufe dich im namen des vatters, suns und heiligen geists“.
Als der Rath vernahm, dass in Zollikon wieder getauft werde, liess er die Uebertreter einzeln gefangen legen und fasste am 11. März den Beschluss, dass wer sich seit den Verhandlungen im Augustinerkloster taufen liess, um eine Mark Silbers zu büssen sei und wer fortan sich taufen lasse, „angents und ane verzug mit wib und kind verbannt werden solle“. Zugleich sollte die geleistete Caution ferner bestehen und hatten neue Untersuchungen stattzufinden. Einer der Bürgermeister wurde mit drei Rathsverordneten noch besonders nach Zollikon abgeordnet, um abermals zu warnen und das Urtheil vorzulesen. Man wollte „des schweren handels abkommen“.
Die Untersuchungen fanden wirklich statt. Dieselben stellten heraus, dass der verbannte Pfarrer Johannes Brötli seine alte Heimat Zollikon mit zwei in apostolischem Tone gehaltenen Briefen aufgeregt hatte. Im Einzelnen begegnen wir meist den bekannten Behauptungen der Täufer. Wer nach der Taufe wieder in Sünde verfalle, solle mit dem Bann ausgeschlossen werden. Man müsse sich nur von Christus und seiner Lehre, dem wahren, einfältigen Gotteswort und nicht von den Gelehrten weisen lassen. Keiner wisse, ob er in der Kindheit getauft worden sei. Der Papst habe die Kindertaufe aufgesetzt. Manz und Blaurock seien noch nicht überwiesen. Die Täufer hätten ihr im Augustinerkloster gemachtes Versprechen „stillzustehen“, gehalten; sie seien ja still gestanden, bis Gott sie ermahnt habe. Es sei gewiss, „dass kein Ehebrecher, Hurer, Geiziger und Wucherer das Gotteswort zu verstehen vermöge“. Man könne hinsichtlich des Taufens nichts versprechen; „denn man wisse nicht, was Einem begegnen möge“.
Die meisten der Gefangenen traten von der Lehre zurück. Einer von ihnen gab zu, Zehnten und Zinsen seien gerecht, da Christus sage, man solle dem Nächsten geben, was man ihm schulde, noch den Mantel, wenn er den Rock fordere; er wisse wohl, dass man eine Obrigkeit haben müsse; die „Uebung des Schwertes“ setze er Gott heim, dem er in seinen „Gwalt“ nicht greifen wolle. Ein anderer will bei den Brüdern nur vom Vorlesen des Testamentes, aber nichts von der Taufe gehört und gesehen haben; es habe ihn gewundert, „dass man so vil von inen seite“. Die Bekehrten wurden gemäss dem Beschluss vom 11. März gestraft, die Einheimischen gegen Urfehde, Abtragung der Gefängniskosten und das eidliche Versprechen, inner Monatsfrist eine Mark Busse zu entrichten, entlassen, die Fremden mit oder ohne Eid des Landes verwiesen. Nachher bestellte man einen Stadtknecht zum Bezug der Bussen und erklärte. den Mann für Frau und Kinder als haftbar. Eine Minderheit beharrt auf der Täuferei. So erklärt Ruotsch Hottinger: „was im Gott in sin herz geben, mög im nieman nemen“; ähnlich Gabriel Giger von St. Gallen: „er sye nit sin selbs; was in Gott heisse, das werde er thuon“. Zu den Hartnäckigen gehören auch Jörg Schad und Jakob Hottinger, besonders aber Manz und Blaurock, jener neuerdings mit dem Anerbieten schriftlicher Antwort, wenn Zwingli über die Taufe schreibe.
Noch immer scheint das Gefängnis kein hartes gewesen und den Gefangenen der Verkehr mit Zollikon gestattet worden zu sein; wenigstens mag in diese Tage ein Brief zu verlegen sein, den einer im Namen seiner Mitgefangenen an die Brüder daselbst richtete. Die Gefangenschaft, heisst es darin, sei nur eine Versuchung von Gott, ob sie in ihm stark bleiben wollen, was sie mit seiner Hülfe auch bis zum Ende zu thun gedenken. Auch sie, die Brüder zu Hause, sollen stark bleiben und keine Gewalt noch Schwert fürchten, da Christus mit seiner Wahrheit bei ihnen sei. Bei der Zusammenkunft sollen sie ein rein Gebet zu Gott richten, dass er einen sende, der lehre und taufe und je einer den andern ermahne. Der Frau eines der Gefangenen möge man sich durch Handreichung annehmen. Auf der Adresse fügt der Schreiber bei, seine Frau möge ihm von Stund an das Lied zuschicken: Christ ist erstanden.
Ueber Blaurock beschloss der Rath vorläufig, er solle mit seinem Weib zu Schiffe nach seiner Heimath Chur gefertigt und daselbst eine schriftliche Zusage erwirkt werden, dass „si in versehen und behalten“; falls er wieder käme, „wölle man im den lon geben der gstalt, dass er hinfür rüewig werde sin“. Vorher aber, Montag den 20. März, sollten er und Manz noch einzeln vor die drei Leutpriester und die sechs Rathsverordneten, Bürgermeister Walder, M. Binder, M. Rudolf Stoll, Bernhart Utinger, Hans Hager und Uli Funk gestellt werden; auch die beiden Schulmeister sollten theilnehmen und das Ergebnis des Gesprächs an den Rath zurückberichtet werden. Bullinger meldet, die Täufer hätten in dieser zweiten Disputation nicht mehr mit der Schrift erwiesen, als in der ersten im Januar, und Zwingli bezieht sich auf Grebel, der sich geberdete, als ob der Messias schon vorhanden sei; auch erzählt er in seinem Taufbüchlein einige Episoden aus den Verhandlungen; so wie einer der Täufer durchaus nicht gestehen will, dass er ein Sünder sei; oder wie Myconius die Erleichterung, welche die Täufer durch die Wiedertaufe zu spüren behaupteten, mit der Freude nach der „Pfaffenabsolution“ in der Beichte vergleicht; oder wie Leo Jud die Stelle Joh. 3,5 vom „geboren werden aus Wasser und Geist“, da die Gegner das „Wasser“ durchaus buchstäblich nehmen wollten, rasch besonnen zum Beweis stempelt, dass die Taufe vor der Lehre gegeben werden dürfe und so die Hauptstelle Matth. 28,19 den Gegnern aus den händen zu brechen“ versucht; oder wie er, Zwingli selbst, einen der Gegner, der behauptete, in des „Papstes Buch“ die Einsetzung der Kindertaufe durch den Papst gelesen zu haben und doch zugab, dass er nicht Latein verstehe, als Lügner hinstellt und beschämt. Der Rath redete mit den Täufern gar ernstlich und ermahnte sie, abzustehen; denn man werde solch schädliche Sonderung und Trennung nicht mehr von ihnen leiden. Ihrer Etliche behielt man im Gefängnis, einige Ausländer verbannte man.
An den Gefangenen richtete man mit aller Güte nichts aus. Man legte sie daher, vierzehn Männer und sieben Weiber, bei Wasser und Brod in den Neuen oder Hexen-Thurm beim Prediger-Kirchhof. Unter sich verabredeten die Gefangenen, wer sich nicht genug Kraft und Stärke von Gott zutraue, die Gefangenschaft auszuhalten, möge immerhin der Obrigkeit sich unterwerfen, um frei zu werden. Man stärkte sich gegenseitig, auch bei Licht; denn Manz und Rogenacher hatten Feuerzeug und Wachskerzchen bei sich. Gegen Ende März scheint aber Allen die Gefangenschaft verleidet zu sein; denn als Karl Brennwald auf einen unverschlossenen Laden in der Diele aufmerksam machte, entschlossen sich Alle, auch Grebel, Manz und Blaurock, durch denselben zu entweichen, Mittwoch vor Palmarum, den 5. April 1525. Die Flucht gelang mittelst des „Windenseils“ und der offenen Fallbrücke. Rathlos wo sie sich hinwenden sollten, meinten die einen, „si wettind zu den roten Juden über das meer“. Zwei der Entronnenen, Wilhelm Exel aus dem Wallis und Fridli Abyberg von Schwyz, konnten bald verhaftet werden und erzählten schon am 19. April die Begebenheit. Die übrigen wandten sich nach Norden, Embrach und dem Rafzerfelde zu, besonders aber nach Gossau und der Herrschaft Grüningen, wo sich die Secte „heftig“ stärkte. Unter den Einfältigen wirkte die Erzählung nicht wenig, ein Engel habe die Gefangenen aus dem Thurm befreit. Doch scheinen auch die andern der Entwichenen nach wenigen Wochen wieder verhaftet worden zu sein. . .
So folgten neue Untersuchungen. Hieher gehört u. A. eine eingehende Zeugenaussage Zwingli's über die Anfänge der Täuferei, über Simon von Höngg, Grebel, Manz und Blaurock, die Sonderkirche und die Gütergemeinschaft, wie wir sie an ihrem Orte bereits verwerthet haben. Er beruft sich darauf, wie Grebel „in der disputaz am mentag“ (20. März) sich geberdet habe, als wäre der Messias schon vorhanden, ohne dass man wissen möge, wen oder was er damit gemeint habe, und kommt auf den Schluss, mit solchen Dingen allen hätten die Täufer versucht, ihren Haufen zu mehren, um damit die Obrigkeit zu stürzen. Ferner meldet Zwingli, wie er von Wyl bei Rafz allerlei wunderbare Nachrichten über Blaurock erfahre. Derselbe wolle von Gott die Offenbarung empfangen haben, die Gläubigen, d. h. die Täufer, müssten viel leiden und er, Blaurock, müsste wider die Feinde Gottes streiten und sich als tapferer Mann erzeigen. In Blaurock sei ein zweiter Paulus erschienen. Er habe auch die abgefallenen Brüder in Appenzell und im Oberlande wiederum aufgerichtet, die Kranken gepflegt und die Todten begraben und dabei gesagt, wie er nach vielen Gefängnissen zu Zürich und Chur durch eine geschlossene Thüre hinausgekommen sei. Alle Menschen, die sich nicht wiedertaufen liessen, seien Heiden.
Ausser Zwingli legten noch besonders der Probst Brennwald und Dr. Sebastian Hofmeister Zeugniss ab. Jener versicherte, Blaurock habe einen Zollikoner Bruder in der Predigerkirche aufgestiftet: „wenn iro so vil sygend, dass si sich Miner Herren erweren möchtind, (sollten si es versuchen), wenn man si glich mit einem fänli überzuge“; dasselbe bestätigen andere Zeugen. Hofmeister erzählt, wie früher Grebel mit einem französischen Ritter zu ihm gekommen sei und ihn zur Täuferei habe bestimmen wollen; denn „das bapstthum niendert mit bass möchte nidergleit werden dann mit dem widertouf“. Dabei habe er sich seiner Gesichte und Offenbarungen gerühmt, später sich der Kanzel- und Pfründenprediger beklagt, die die Wahrheit nimmermehr recht verkünden könnten. Zwingli sei ein Ehebrecher, habe auf sein Blut gestellt und wenn man ihm gefolgt, hätte man ihn, Grebel, und seine Genossen getödtet. Der französische Ritter sei dann zu Zwingli gegangen und mit einem ganz andern Eindrucke zurückgekehrt, worauf Grebel gesagt habe, „er hette vor wol gwüsst, wenn er zum Zwingli keme, das derselb sin gift ouch in in stossen wurde“. Leo Jud und Grossmann, habe Grebel gesagt, hielten es innerlich auch mit den Täufern, nur dürften sie es vor Zwingli nicht zeigen. Manz habe die Obrigkeit und die Uebung des Schwertes, also auch die Todesstrafe verworfen; man könne ihr nicht besser abkommen als durch Abstellung der Kindertaufe.
Grebel, Manz und Blaurock antworteten auf diese Zulagen. Der erstere beharrt darauf, dass die Kindertaufe vom Teufel sei. Lasterhafte sollen der Schrift gemäss mit dem Bann von den Christen ausgeschlossen sein. Alle andern Anschuldigungen, auch dass er Zwingli einen Ehebrecher genannt habe, bestreitet er und sagt wie Manz, Leo Jud, Grossmann und alle Andern wüssten wohl, dass die Kindertaufe ungerecht sei, wenn sie die Wahrheit sagen wollten. Manz erzählt die Flucht aus dem Gefängnisse, bleibt aber halsstarrig bei seiner Lehre. Obrigkeit, Zinse und Zehnten habe er nie verworfen. Wenn er sich angemasst habe, in andern Pfarreien zu predigen, so habe er nur gethan, was ein Jünger Christi thun müsse, der seinen Vater bis in den Tod bekannt habe, der auch zur Rechten Gottes sitze und kommen werde, einen Jeglichen nach seinen Werken zu beurtheilen. In einem andern Verhör gesteht er vor Dr. Sebastian zu, Obrigkeit und Todesstrafe verworfen zu haben, weil ihm für beides die Schrift fehle. Dass er den Doctor zur Sammlung einer besondern Kirche mit dem Abzeichen der Wiedertaufe habe bereden wollen, habe dieser selbst veranlasst mit der Beschwerde über seine Oberen von Schaffhausen, sie „welltind nit nahin“. Die Gütergemeinschaft habe er als Hülfsbereitwilligkeit gegen die Bedürftigen gefasst. Vierzehn Tage nach dem Ausbruch aus dem Thurm habe er zu Embrach getauft und werde das ferner thun. Dass sich Blaurock zu Wyl grosser Wundergesichte und des Entkommens durch verschlossene Thüren gerühmt hätte, sei unwahr. Blaurock sagt bezüglich der Obrigkeit, „das wir in uns selbs gan sollint, als Paulus spricht“. Die Lasterhaften sollten aus der Kirche ausgeschlossen werden; in das Herz sehe man freilich Niemandem. Die übrigen Anklagen weist er wie Manz zurück. Zum Taufen sei er ferner bereit. Aus Zürcher Gebiet habe er nie geschworen; lieber wolle er sterben, als „Gotts ertrich verschweren; dann das ertrich syge des herrn!“ Er bleibt dabei, dass Zwingli, Luther, der Papst und „ihresgleichen“ Diebe und Mörder seien und dass, was wie die Kindertaufe von Menschen komme, aus dem Teufel sei. „Witer sagt und redt er offenlich, Miner Herren predicanten verfürint Mine Herren, habint si verfürt und werdint si verfüren, thügint ouch der gschrift gwalt und feltschint die, syen ouch sampt iren anhängeren dieben und mörder Christi“.
Ueber die Entlassung der Gefangenen erfahren wir nichts Näheres. Inzwischen hatte Zwingli in der Kirche selbst eine nach dem Gotteswort bereinigte Taufformel und die Nachtmahlsfeier eingeführt, auf das Osterfest Mitte April 1525 und dabei ähnlich den Täufern gegen die Lasterhaften denn Bann wenigstens vorgeschlagen. Auch erschien am 10. Mai eine Sittenordnung, wie über eheliche Sachen gerichtet werden solle. Beides mag mitgewirkt haben, dass die Täuferbewegung etwas zurücktrat und vorerst einige Ruhe einkehrte. Die Zustände wurden erträglicher, wie Zwingli ausdrücklich sagt. Von hohem Interesse ist sein Rückblick auf den bisherigen Kampf mit den Täufern. In seinem Briefe an Vadian vom 28. Mai bezeichnet er diesen Streit als den hartnäckigsten, den er bisher bestanden habe; alle früheren Kämpfe seien dagegen nur ein Kinderspiel gewesen. Die Ueberwindung der Täuferei habe ihn so viel Schweiss gekostet, wie Niemand glauben könne; aber der Widerstand sei nöthig gewesen, da es sich nicht um die Taufe, sondern um Aufruhr, Rottung und Ketzerei handle und gelehrt werde, ein Christ könne kein Amt verwalten; auch belfern die Täufer auf alle ihre Schmähungen und Lügen hin, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Von den Besten und Wägsten reden sie in einer Weise, dass man das Gebell des dreischlündigen Höllenhundes zu hören glaube. Allen menschlichen Sinn hätten sie eingebüsst und einen bestialischen angenommen, den sie dann als den christlichen ausgeben.
Mit diesem Briefe hatte Zwingli die Zusendung seiner eben erschienenen und an Räthe und Burger von St. Gallen gerichteten Schrift „Vom Tauf, Wiedertauf und Kindertauf“ begleitet, worin er nach diesen drei Abschnitten seine Ansichten über die Taufe niederlegt, wie Bullinger bezeugt wesentlich übereinstimmend mit dem schon auf der ersten Disputation eingenommenen Standpunkte. In einer trefflichen Vorrede führt der Reformator aus, wie seine Gegner bisher vorgegangen seien. Wenn Jeder nach seinem verkehrten Kopf anheben möchte, was er wollte, ohne die Kirche zu fragen, so entständen mehr Irrungen als Christen. Mit dem Schein der Demüthigkeit habe der Teufel all sein Lebtag die Einfältigen betrogen. Die Anschuldigung, Zwingli habe zur Strenge gegen seine Gegner gerathen, sei unwahr; er habe im Gegentheil vor ihren Ohren und im Stillen gebeten, sie nichts entgelten zu lassen, da ein Feind, von dem man zum voraus wisse, dass er überwunden werde, nicht zu fürchten sei. - Von der Taufen beschreibt Zwingli vier verschiedene Bedeutungen, in denen sie vorkomme und die man bisher wie den richtigen Sinn des Wortes Sacrament übersehen habe; dabei bemerkt er seinen Gegnern: „Ich sehe gerne christliche Mannheit und Selbständigkeit, aber das taube Wüthen ohne Liebe und Ordnung christlicher Zucht kann Niemandem gefallen, denn den Rauhen und Empörern“. Dann führt er ein Beispiel an, wie wenig der Täufer Verhalten zu ihrer Forderung stimme, man müsse ohne Sünde sein, um die Taufe zu empfangen. In ausführlicher Weise werden hierauf mit beständiger Rücksicht auf die täuferische Deutung einige Bibelstellen erklärt, der Befehl Jesu an die Jünger, die Stellen, welche von der Taufe des Johannes handeln und Röm. 6, letztere Stelle mit Rücksicht auf das im Grunde mönchische Wesen des Wiedertaufs. Es folgt eine Darlegung darüber, was die Taufe vermöge und der Nachweis, dass nicht Christus, sondern Gott durch Johannes sie eingesetzt habe. - Die Wiedertaufe verwirft Zwingli, nachdem er die behauptete Einsetzung der Kindertaufe durch den Papst widerlegt hat, aus drei Gründen: 1) weil wir nicht anders handeln sollen, wo wir ein klares Wort und Beispiel Christi haben, 2) weil wir sonst in etwas Aeusserliches blindes Vertrauen setzen würden und 3) weil die Taufe ein Vorbild von Tod und Auferstehung Christi ist, die beide ein für allemal geschehen sind. - Die Kindertaufe sucht Zwingli hauptsächlich damit zu stützen, dass er sie mit der alttestamentlichen Beschneidung vergleicht. Nachdem er noch auf die Erbsünde zu sprechen gekommen, fasst er am Schlusse der Schrift seinen Glauben dahin zusammen, dass die Taufe, weil nur die Gnade Gottes rein mache, bloss ein Pflichtzeichen sein und keine Sünde abwaschen könne, dass sie, entsprechend der alttestamentlichen Beschneidung, auch den Kindern als Kindern Gottes zukomme, und dass die Wiedertäufer, weil ihnen die Bewährung aus Gottes Wort fehle, Christum wieder kreuzigen „eintweders us eigenträchtigheit oder anschlag etwas nüwerung“.