Diedrich, Julius - Der zwölfte Psalm.

Diedrich, Julius - Der zwölfte Psalm.

Dass Gottes Gemeinde hier eine so kleine Herde ist und dazu von reißenden Tieren bedroht und geängstigt, das ficht die gläubige Seele zuweilen hart an, und nur durch Betrachtung des Gottes, der in Gnaden Sein Werk in diesen Geringen hat, kann solche Anfechtung überwunden werden. Gott tröstet uns reichlich über unsre Einsamkeit und Zerstreutheit. Das spricht nun schon David als seine Erfahrung im heiligen Geiste aus.

1f. Ein Psalm Davids, dem Gesangmeister von ihm übergeben, und nach der achten (Tonart) zu singen. Was man sich oft sagen muss, das mag man singen. Die Seele in der wahren Kirche empfindet Angst und Leid über die geringe Gestalt des Reiches Gottes auf Erden, und darum ruft sie sich Gott zu Hilfe, und dass sie in Dem ihre Hilfe hat und sieht, beweist eben ihren Glauben. Hilf HErr! die Heiligen haben abgenommen, denn die Treuen haben sich unter den Menschenkindern verloren zu jeder Zeit und namentlich noch, wenn uns der HErr manche sichtbare Stützen wegreißt, sehen wir die Zahl derer, auf welche wirklich Verlass ist, äußerst gering: und ihre Zahl groß zu sehen, zeugt nur von großer Oberflächlichkeit. Je mehr uns Gott nötigt auf den Grund zu gehen, desto weniger werden wir an den Menschen Trost finden; damit nötigt uns Gott aber zu sich selber, und wenn wir recht bei Ihm sind, so vermissen 3. wir nichts mehr in Ewigkeit. Lüge reden sie ein jeder auf seinen Nächsten mit glatter Lippe, mit zweifachem Herzen reden sie, dass sie schon wieder abgefallen sind, wenn sie so eben noch der Wahrheit Zeugnis zu geben schienen. Der große Haufe, damals des Judenvolkes und heute der Christen, denn die Namen ändern Nichts, sieht immer aufs Äußere: den Mammon und Weltehren will er vor allen Dingen haben, und nach der Bequemlichkeit bemisst er seine Religion; auf solche Leute ist doch fürwahr kein Verlass! Solcher ist die Welt ganz voll. Doch 4. ausrotten wolle der HErr, unser Gott, alle glatten Lippen der Heuchler, und die Zunge, die da stolz große Dinge redet. In heiligem Zorne sollen wir gegen jenes zweizüngige Wesen entbrennen, welches sich immer an Gottes Kirche in tausend Spielarten anhängt und die tiefe Kluft zwischen Gott und Teufel zudecken will, denn durch das Weltchristentum der historischen Entwicklung werden die meisten Seelen verführt, dass ihr schwaches Fragen nach Wahrheit und Gnade wieder früh erstickt wird. Gegen die Wahrheit heucheln sie, bald dies bald das von ihr scheinbar annehmend, und im Herzen ihr feind; von Menschenwerken und Menschenweisheit aber rühmen sie hoch. Die da 5. sprechen: durch unsre Zunge wollen wir obliegen, unsre Lippen stehen uns bei als gewaltige Kämpfer, wer ist unser HErr und Obmann, dass wir einen fürchten müssten? So meinen sie, diese oberflächlichen Schwätzer, die von Gottes Wesen keine Ahndung haben, mit ihrer Zungenfertigkeit alles ausrichten und den Sieg an sich heften zu können. Ach und deren ist Legion! wie wollen wir deren Mäuler alle je stopfen? Nun, Gott müssen wir zur 6. Hilfe haben, so wird es gehen, Gott in Seinem lauteren Worte, und da vernimmt ihn die gläubige Seele also redend: Weil denn die Elenden verstört sind, und die Armen seufzen, will ich nun aufstehen, spricht der HErr, in lauter Hilfe und Heil will ich setzen, der sich danach sehnt. Die geistlich Armen sind allein die wahre Gemeinde Gottes, und die sehen hier vor der Welt wie zerstört aus, darüber sie selbst zu Gott seufzen, sie tragen Christi Kreuz; aber wenn die Not aufs Höchste gekommen, sehen sie den HErrn ihren Gott auch aufgestanden vom Thron, mit Seinem allmächtigen Wesen ihre Hilfe zu sein. Denen, die hier an Zahl und Klugheit und Macht ganz unterlagen, denen ist Gott ihr Helfer. Alle Völker und Sekten wuchern ihre Zeit recht üppig; aber Gottes Volk wuchs nur langsam und immer unter dem Kreuze; dafür ist es aber auch Gottes Volk. Das Volk der Sehnsucht nach Gott, des Hungers und Dürstens nach Gerechtigkeit und Wahrheit, die um Christi willen verfolgten, die sind's, für welche doch Gott selbst einsteht, und wenn wir das erst sehen, so sehen wir unser Leid auch auf ewig gewandt. Gottes Wort stellt uns aber solchen Trost durchweg 7. vor Augen: wer es recht erkennt, der schaut die höchste und zarteste Schönheit darin. Die Worte des HErrn sind lauter, ein durchläutertes Silber, in der Werkstatt der Erde siebenmal bewährt. Geht man mit einem Herzen, welches dieser Welt satt, nur nach Gottes Gemeinschaft trachtet, an Gottes Wort, so findet man die lieblichste Klarheit ohne allen Widerspruch und alle Dunkelheit, Gott wird einem da aufs herrlichste klar und Er 8. macht auch uns inwendig klar. Du HErr wirst sie ja bewahren, die Glieder der kleinen Herde, durch die Tröstungen Deines Wortes, denn in Deinem Worte ist Kraft genug für uns alle Welt zu überwinden, Du wirst sie vor diesem Geschlechte der heuchlerischen, weltklugen Schwäger ewiglich behüten, dass sie sich von denen nicht in ihr eitles, verderbliches Wesen hineinziehen lassen. 9. Ringsum und allenthalben gehen die Gottlosen um, die wenigen Frommen ganz umzingelnd, indem dagegen das wahrhaft hohe lauter Verachtung bei den Menschenkindern ist. Was fragen sie nach göttlicher Wahrheit und Gnade? Aber lass sie fahren mit all ihrem stolzen Schwätzen und Gebaren, denn wer Gottes lauteres Wort hat, ist doch weit über sie gestellt und hat ewigen Sieg. Gott selber steht zu dem.

Gebet. HErr, ewiger Gott und Vater, hilf uns täglich wieder, aller Bangigkeit vor der Welt Drohen und Betrüglichkeit los und ledig zu werden, dass wir nämlich in Deinem Worte den Sinn Deiner Gnade erkennen und danach aller Welt Hoheit für lauter Schaden halten, so werden wir auch in Deiner Gnade beharren und ewig triumphieren: durch Jesum Christum. Amen.

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autoren/d/diedrich/psalmen/psalm_12.txt · Zuletzt geändert: von aj
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