Dammann, Julius - Der Feldmarschall Naeman oder Des Menschen Elend und seine Errettung - 6. Hin in Frieden.

Dammann, Julius - Der Feldmarschall Naeman oder Des Menschen Elend und seine Errettung - 6. Hin in Frieden.

V. 15-20. Und er kehrte wieder zu dem Mann Gottes samt seinem ganzen Heer1). Und da er hineinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, ich weiß, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel;2) so nimm nun den Segen von deinem Knecht. Er aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe, ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er's nähme; aber er wollte nicht. Da sprach Naeman: Möchte deinem Knecht nicht gegeben werden dieser Erde Last, soviel zwei Maultiere tragen? Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer tun, sondern dem HERRN. Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: wo ich anbete im Hause Rimmons, wenn mein Herr ins Haus Rimmons geht, daselbst anzubeten, und er sich an meine Hand lehnt. Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!3)

Naeman ist geheilt. Die kleine Dirne aus Israel hat die Wahrheit gesagt. Der König von Syrien hat seinen Empfehlungsbrief umsonst geschrieben. Der König von Israel hat zur Heilung nichts beitragen können. Der große Name des General-Feldmarschalls, seine Ehren, seine Verdienste, seine 80.000 Taler und seine Feierkleider haben nichts zuwege gebracht. Nach heftigem, innerem Kampfe kreuzigte er sein Ich, gab sein Meinen daran, unterwarf sich demütig dem Worte des Propheten, „traute solchem Worte im Wasser“ und tat alles, wie es der Mann Gottes geredet hatte. Das war seine Rettung. Sich selber konnte er davon nichts zuschreiben. Gnade war es und nichts als Gnade, was ihm widerfahren war. Dass er zornig gewesen und weggezogen, ließ diese Gnade in noch hellerem Lichte erscheinen. Auch der Prophet Elisa blieb ganz aus dem Spiele. Er hatte ihn nicht mal gesehen. Hätte der Prophet vor ihm gestanden, hätte des Propheten Mund Gebete gesprochen, des Propheten Hand die aussätzigen Stellen berührt, des Propheten Augen zum Himmel geschaut, des Propheten Füße allerlei zeremonielle Wege gemacht, so konnte der Gedanke in Naemans Seele Platz greifen, dass Elisa es gewesen, dessen Gebete und Zeremonien ihm geholfen. Nichts von alledem. Nur Jehovah bleibt auf dem Plan. Nur Jehovah hat ein Zeichen an ihm getan. Hat es getan in den heiligen Wassern des Jordan, die schon oft Zeugen waren von der wunderwirkenden Macht des Gottes Israels. Das fühlt denn auch Naeman und darum spricht er: Ich habe erfahren, dass kein Gott ist auf der ganzen Erde, außer in Israel.

Die Heilung des Naeman vom Aussatz ist nicht die Spitze unseres Textes. Die Heilige Schrift erzählt dies Wunder nicht um des Wunders willen, sondern um deswillen, was darauf und daraus folgt. Das Wunder, an Naemans Leibe geschehen, ist groß und herrlich. Aber größer und herrlicher ist das Wunder, welches durch das Leibeswunder gewirkt wird. So viel größer und herrlicher, als die Seele größer und herrlicher ist, denn der Leib, als der Himmel höher ist, denn die Erde. Was ist das für ein Wunder? Es ist das Wunder der Wiedergeburt des Naeman. Naeman ist eine neue Kreatur geworden, ein gläubiger Mensch, ein Gotteskind. Er ist bekehrt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott. 1. Thessal. 1,9. Sein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Ps. 84,3. Er hat Frieden gefunden. Darum der Prophet: Ziehe hin in Frieden!

Wo Frieden ist, ist ein halbes Himmelreich. Viel lieber arm mit Frieden als reich ohne Frieden, krank mit Frieden als gesund ohne Frieden, ein Arbeitsmann mit Frieden als ein Feldmarschall ohne Frieden, ungebildet mit Frieden als gelehrt ohne Frieden, auf dem Sterbebette mit Frieden als in lustiger Gesellschaft ohne Frieden. Der Friede Gottes ist höher, denn alle Vernunft, köstlicher denn alles Gold, dauerhafter denn die Gesundheit, fröhlicher denn die Jugend. Frieden ist die Frucht des Glaubens, die Gabe des Heiligen Geistes, der Vorgeschmack der himmlischen Herrlichkeit, der Beweis der Gotteskindschaft. Hast du Frieden, liebe Seele? Das ist die Frage der Fragen. Nicht: Bist du gesund? Bist du gelehrt? Bist du geehrt? Hast du Geld? Hast du Ruhm? Hast du Frieden, liebe Seele? Ja oder nein? Naeman hatte Frieden. So aber Naeman Frieden hatte, wie viel mehr kannst du Frieden haben, liebe Seele.

Naeman lebte zur Zeit der Morgendämmerung. Du lebst am hellen, vollen, lichten Tag. Vor dir liegen alle Offenbarungen deines Gottes. Vor dir das Leben Jesu wie ein aufgeschlagenes Buch. Vor dir das Kreuz auf Golgatha, vor dir das offene Grab. Vor dir die Bibel, diese Stadt Gottes mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Ps. 46,5. Vor dir das Allerheiligste der Vorhang ist zerrissen von oben an bis unten aus. Vor dir der verklärte Heiland, wie Er, ausbreitend Seine durchgrabenen Hände, Seinen Jüngern zuruft: „Friede sei mit euch.“ Er hat Frieden und will Seinen Frieden geben jedem, der zu Ihm kommt. Denn dazu ist Er auf Erden gekommen, Frieden zu machen durch das Blut an seinem Kreuze. 1. Kor. 1,20.

Was aber heißts: Frieden haben, in Frieden ziehen, in Frieden leben, in Frieden sterben können. Lassts uns sehen, indem wir Antwort suchen auf die Frage:

Warum konnte Naeman in Frieden heimziehen?

Antwort:

  1. wegen seiner seligen Erkenntnis,
  2. wegen seiner herzlichen Dankbarkeit,
  3. wegen seines heiligen Willens.

1.

Erkenntnis, Gefühl, Willen - das sind die drei Grundkräfte der Seele, des Geistes. Wenn der Mensch eine neue Kreatur wird durch Gottes Gnade, so sind es eben diese Kräfte, die erneuert werden. Durch die Wiedergeburt gibt es eine neue Erkenntnis, ein neues Gefühl, einen neuen Willen. Die Armut mag bleiben, die Niedrigkeit mag bleiben, die Krankheit mag bleiben, das besondere Kreuz mag bleiben trotzdem heißt es von einem wiedergeborenen, bekehrten Menschen: Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur, das alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden. 2. Kor. 5,17. Was ist denn neu geworden? Seine Erkenntnis, sein Gefühl, sein Wille. So war es bei Naeman. Und weil es so war, konnte der Prophet sprechen: Ziehe hin in Frieden. Denn eher kommen wir nicht zum vollen Frieden, als bis unser Erkenntnis-, Gefühls-, Willensvermögen von Grund aus ein anderes wird.

Ich habe erkannt, sagt Naeman, dass kein Gott ist auf der ganzen Erde, außer in Israel. Als er von Syrien wegzog nach Samaria, wollte er erfahren, ob der Gott Israels mächtiger sei, als die Götter Syriens. Jetzt von Samaria nach Syrien zurückkehrend, hat er erkannt, dass es überhaupt nur einen Gott gibt. Das ist der Gott, der sich dem Volke Israel offenbart, der Gott, der ihm geholfen hat. Von dieser Erkenntnis ist früher nichts in seiner Seele gewesen. Sonst mag er viele Erkenntnis gehabt haben.

Er war ja ein großer Mann und hoch angesehen und als Feldmarschall in der Kriegswissenschaft ganz zu Hause. Als er aber aus den Wassern des heiligen Jordan stieg, war eine neue Erkenntnis in ihn gekommen. Da hat er erkannt, dass es Wahrheit ist, was geschrieben steht: Ich bin der Herr und sonst keiner mehr. Das war nicht eine neue Erkenntnis neben anderen Erkenntnissen, die er schon hatte, sondern durch diese Erkenntnis nahm sein inneres Leben eine andere, eine neue Richtung. Er wusste nun, es gibt einen Gott, das ist der Gott Israels, denn er hatte Seine wunderwirkende Macht erfahren an Leib und Seele. Auf sein Amt, sein Haus, sein ganzes Leben wirft diese Erkenntnis ein neues Licht. Er weiß nun, an wen er glaubt und diese Gewissheit gibt seiner Seele wunderbaren Frieden. Und was er erkannt, wird nun von ihm bekannt. Er bekennt es vor dem Propheten Elisa. Damals war er zu stolz, über die Schwelle des Propheten zu treten. Jetzt eilt er zurück und weilt voller Freuden in der Hütte des Propheten. Er bekennt es vor seinem ganzen Gefolge. Er will es bekennen in Damaskus vor seinem ganzen Hause und Volk. Denn das bedeutet die Last Erde, die er mitnehmen will. Einen Altar will er errichten von der Erde des gottgeweihten Landes. Ein Denkmal der Macht und Gnade des Gottes Israels, eine Erinnerung an die Stunde seiner Bekehrung. Er wird es bekennen vor der kleinen Dirne in seinem Hause.

Was gilts, der große Feldmarschall wird nichts mehr darin finden, mit der kleinen Dirne an diesem Altar niederzuknieen und den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs anzubeten und zu preisen.

Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir Frieden haben wollen, müssen wir aus dem Hangen und Bangen heraus. Es ist ein köstliches Ding, dass das Herz fest werde. Hebr. 13,9. Und darum ein so köstliches Ding, weil nur das in der Erkenntnis feste Herz eine Burg des Friedens ist. So lange das Herz genagt und geplagt wird von allerlei Zweifeln, kommen wir nie zur seligen Ruhe, zum himmlischen Frieden. Ja und nein ist eine schlechte Theologie. Sie schafft kein Leben, vollbringt keine Taten, gibt keinen Frieden.

„Ein Fisch springt dann und wann aus dem Wasser heraus, aber er ist kein Vogel. Eine Schwalbe berührt den Bach mit ihrem Flügel, aber sie ist kein Fisch.“ Was das Wasser ist für den Fisch, ist die Erkenntnis der Wahrheit für den Christen. Das ist die Atmosphäre, in der er atmet. Dahin musst du kommen, liebe Seele, dass du, die eine Hand auf die Bibel, die andere auf dein Herz legend, sprechen kannst: Ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes; aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt; ich weiß, dass ich aus dem Tode zum Leben gekommen bin; ich weiß, dass ein Gott im Himmel ist, und das ist der Vater meines Herrn Jesu Christi, und durch Ihn auch mein Vater; ich weiß, dass mein Vater nur Gedanken. des Friedens hat; ich weiß, dass ich Ihm angenehm geworden in dem Geliebten; ich weiß mich erlöset, erkauft, gewonnen durch das teure Blut Christi als eines unbefleckten Lammes; ich weiß, es kann mir nichts geschehen, als was Er hat ersehen und was mir heilsam ist; ich weiß, dass ich ein Kind Gottes bin und Erbe des ewigen Lebens; ich weiß, dass mir alle Dinge zu meinem Besten dienen müssen; ich weiß, dass alle Trübsal dieses Lebens nicht wert ist der Herrlichkeit, die an mir soll offenbar werden. Weißt du das? Ist das auch keine Einbildung, keine Gefühlssache? Hat dir der Geist Gottes darüber Zeugnis gegeben an deinem Herzen? Beruht dieses Wissen auf innerer Erkenntnis und Erfahrung? Hast du eine Stunde im Leben gehabt, wo der Herr dir, wie der Lydia, das Herz auftat? Oder kam dir diese Erkenntnis allmählich, wie der Tau aus der Morgenröte? Genug, weißt du das? Hast du davon die innere Überzeugung, eine Überzeugung, ebenso gewiss, als die Überzeugung davon, dass 2 mal 2 = 4 ist? Dann ziehe hin in Frieden. Dann lebst du im Reiche Gottes und hast Frieden, Freude und Gerechtigkeit im heiligen Geist. Röm. 14,17. Dann hast du ewiges Leben nach den Worten Jesu im hohenpriesterlichen Gebet: das ist aber das ewige Leben, dass sie Dich, dass Du allein wahrer Gott bist und den Du gesandt hast, Jesum Christum erkennen. Joh. 17, 3. Dann wirst du alles für Schaden achten gegenüber dieser überschwänglichen Erkenntnis. Phil. 3,8. Dann wird alles übrige Wissen, übrige Erkennen von diesem Wissen, dieser Erkenntnis seine Weihe, seinen Glanz, seine Verklärung erhalten. „Wenn du Christum weißt,“ sagt ein Gottesgelehrter, „ist es genug.“ Das will nicht sagen, dass man alles übrige Wissen verachtet; aber ohne Christum ist es nichts. Ja, wenn ich nur Jesum recht kenne und weiß, so habe ich der Weisheit vollkommenen Preis. Denn in diesem Wissen liegt Frieden, liegt Leben und selige Genüge. Unter dem Kreuz, in Sündenangst, beim Sterben macht alle Weltweisheit Bankrott. Aber Jesum wissen und in Ihm erkennen die Liebe Gottes das stillt jeden Durst der Seele, macht süß alles bittere Mara-Wasser, gibt Ruhe dem erschrockenen Gewissen, ist die Leuchte durch das finstere Tal des Todes.

Erkennen und dann bekennen. Den Herrn bekennen vor den Leuten erhöht den Frieden des gläubigen Herzens. Je mehr Bekenntnis, desto mehr Schmach. Je mehr Schmach, desto mehr Kreuz. Je mehr Kreuz, desto näher dem Gekreuzigten. Je näher dem Gekreuzigten, desto mehr Frieden. Ins Kämmerlein dein Kniebeugen, dein Gebet, dein geängsteter Geist, dein zerschlagenes Herz. Vor der Welt aber „rühm alle Wunder, die er tut und über alles rühm Sein Blut.“ Hattest du jemals Frieden, wenn du Ihn verleugnetest, wenn du dich Seiner schämtest? Hätte man zu dir sprechen können: Ziehe hin in Frieden? Dann nicht. Aber wenn du deinen Mund auftatest und es der Welt ins Angesicht sagtest, wer Er wäre und was Er dir sei, dann wurde dir innerlich wohl trotz aller Schmach, die damit verbunden. Dann war es dir, als wenn Er dir zurief: Ziehe hin in Frieden. Du hast mich bekannt, Ich werde dich auch bekennen. Du hast dich Meiner nicht geschämt, Ich werde Mich deiner auch nicht schämen.

2.

„So nimm doch nun ein Geschenk von deinem Knecht,“ bittet Naeman den Elisa. Wie gern hätte er den ganzen Gold- und Silberstrom in die Hütte des Propheten laufen lassen. Ihm war gegeben, und er wollte wieder geben. Er hatte empfangen, und andere sollten auch empfangen. Er war so fröhlich, und andere sollten sich auch freuen. Bei starkem Regen tropft es von den Blättern auf die Erde, damit Gras und Kraut auch sein Teil bekomme von des Himmels Segen. So will der gesegnete Naeman dem Elisa auch ein Segen sein. Wenn irgendetwas die schönste Stunde seines Lebens trübte, so war es das, dass er nichts geben könnte, ob er wohl mit vollen Händen geben wollte. Elisa nahm nichts an, so sehr auch Naeman in ihn drang. Er hätte es wohl brauchen können, der Prophet, denn er hatte viele Prophetenschüler zu versorgen. Aber Naeman sollte dabei bleiben, dass der Gott Israels aus lauter Gnade und Barmherzigkeit ihm geholfen und dass nur Jehovah den Dank verdiene und niemand anders. Ja, sehr weich ist das Herz des Naeman und sehr von mitteilender Liebe, sonst wäre es dem Gehasi, dem habgierigen Diener des Propheten, nicht so leicht geworden, den Feldmarschall um zwei Talente Silber und zwei Feierkleider zu beschwindeln, wie V. 19-27 zu lesen steht.

Naeman, ziehe hin in Frieden! Du hast erkannt und erfahren die seligmachende Wahrheit, dass ein Gott im Himmel ist. Dich überwältigt nur ein Gefühl das Gefühl herzlicher Dankbarkeit. Nur eine Frage legt dein Herz auf deine Lippen: Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die Er an mir tut? Wo solche selige Erkenntnis ist und solch herzlich dankbares Gefühl, da ist Frieden. Darum kann Naeman in Frieden heimziehen.

Und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und hätte alle Erkenntnis und allen Glauben, also dass ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 1. Kor. 13,2. Es gibt eine Erkenntnis ohne Liebe. Es gibt ein Wissen der göttlichen Dinge, ohne dass das Herz davon etwas weiß. Es gibt Leute, die sehr gelehrt und geistreich zu reden wissen von den göttlichen Geheimnissen unserer Erlösung. Sie beweisen es haarscharf nach der Schrift und mit ihrem Verstande, dass und warum die drei Artikel unseres christlichen Glaubens Wahrheit sind. Aber ihr Herz ist kalt und gefühllos. Sie gleichen der Sonne an einem hellen, kalten Wintertage. Sie scheint sehr hell, aber das Thermometer bleibt doch unter Null stehen. Solche Erkenntnis ohne Liebe schafft keinen Frieden. Erkennen musst du die gekreuzigte Liebe, die dich erlöst, erworben und gewonnen hat. Du musst durch die Gnadenwirkung des Heiligen Geistes überzeugt sein, nicht, dass Jesus Christus ein Herr sei, sondern dass er dein Herr sei.

Unter solcher Erkenntnis schmilzt das harte, gefühllose Herz. Du weißt dich geliebt und darum musst du wieder lieben. Dir ist vergeben und darum musst du auch vergeben. Du erfuhrst Huld und Geduld, Gnade und Erbarmen und des großen Gottes wunderbare Leutseligkeit in Christo Jesu. Unter den Strahlen dieser Liebe wurde dein Herz so weich und lind, so gefühlig und barmherzig. Wie könntest du noch einen Menschen verachten, da Gott dich nicht verachtet hat. Wie könntest du noch einem Menschen zürnen, da Gottes Zorn über dich auf Golgatha vernichtet ist? Wie könntest du dich noch über einen Menschen ereifern, da du den Liebeseifer Gottes in Christo Jesu erfahren? Wie könntest du nicht jedem Menschen Freude machen wollen, da dich dein Heiland so selig, so glücklich machte? Wie könntest du nicht mit jedem Geduld haben, da der Herr so beispiellose Geduld mit dir selbst gehabt? Dann aber hast du Frieden. Während dein Herz sich auftut zum Geben und Vergeben, zur Geduld und Langmut, zum Erbarmen und huldreichen Wesen, strömt von oben der Frieden in das geöffnete Herz.

Da Bernhardus, ein Heiliger der römischen Kirche, sterben sollte, forderte er seine Schüler zu sich und machte sein Testament, indem er also sprach: Drei Dinge sind mir jederzeit lieb gewesen, dass ich niemand mutwillig geärgert, nie zu viel von mir selbst gehalten und an niemanden mich gerächt habe. Diese drei Stücke bescheide ich nun euch die Liebe, die Demut, die Geduld. Warum sind sie ihm lieb gewesen? Weil er in ihnen und durch sie den himmlischen Frieden geschmeckt.

Und der Kaiser Rudolf I. pflegte zu sagen: „Es hat mich oft gereut, streng und unfreundlich gewesen zu sein, aber nie wenn ich sanft und versöhnlich war.“ Geben ist seliger denn nehmen, sagt Jesus. Apstl.-Gesch. 20,35.

Nehmen ist auch selig. War Naeman nicht selig, als er nahm? Aber nehmen ist menschlich. Wir armen Menschenkinder sind aufs Nehmen angewiesen. Es muss uns alles gegeben werden: das Irdische und das Himmlische, das Zeitliche und das Ewige. Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel. Joh. 3,27. Geben aber ist göttlich. Gott gibt, hat gegeben, will geben. Er hat seinen eingeborenen Sohn gegeben. Er will uns geben, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört, in keines Menschen Herz gekommen. Und darum eben ist Gott selig, weil Er gibt, weil Er so Großes gibt, weil Er so gern gibt. Und darum eben ist das Geben unsererseits eine Quelle der höchsten Seligkeit, weil wir dadurch gottähnlich werden.

3.

„Wie kostbare Getränke am besten in reinen Gefäßen aufbewahrt werden, so das Geheimnis des Glaubens in einem reinen. Gewissen.“ Naeman zeigt, dass es ihm heiliger Ernst ist, das Geheimnis des Glaubens in einem reinen Gewissen aufzubewahren. In diesem Stücke aber wolle Jehovah deinem Knecht vergeben. Wenn mein Herr in das Haus Rimmons4) geht, daselbst niederzufallen, und er sich auf meine Hand stützt, und ich niederfalle im Hause Rimmons, so wolle doch bei meinem Niederfallen Jehovah deinem Knecht vergeben in diesem Stück. Was für ein zartes Gewissen offenbart sich in diesen Worten! Das fühlt Naeman sofort mit unwiderstehlicher Gewalt, dass der Gott Israels, zu dem er sich bekannt, ein heiliger Gott, und dass Heiligkeit die Zierde Seines Hauses ist. Ps. 93,5. Da fiel ihm ein, dass er die Pflicht hatte, seinen König in den Tempel des Götzen Rimmon zu begleiten. Wenn dann der König niederfiel, um anzubeten, stand Naeman dicht an seiner Seite. Er musste dann auch niederfallen, wobei sich der König auf seine Hand stützte. Das konnte aber den Schein erwecken, als wenn Naeman auch den Götzen anbeten wollte. Naeman will beruhigt sein über diese Angelegenheit, darum trägt er sie dem Propheten vor. Wenn Elisa später davon hören sollte, will er nicht in dem Verdachte stehen, als ob er ein Heuchler sei. Von dem griechischen Staatsmann und Feldherrn Themistokles wird erzählt: Er sollte einst vor dem persischen Könige erscheinen und vor diesem der persischen Sitte gemäß niederfallen wie vor einem Gott. Themistokles wollte das nicht und griff zu einer List. Er ließ seinen Ring fallen. Indem er ihn dann von der Erde aufhob, bückte er sich scheinbar vor dem Könige. So sollte der König meinen, er habe sich vor ihm gebückt. So wollte Naeman nicht handeln. Er wollte nicht täuschen noch heucheln. Was er hier vor seinem ganzen Gefolge dem Elisa gesagt, wird er auch wohl seinem Könige nicht verheimlicht haben. Jedermann soll wissen, dass Naeman forthin nur dem Gotte Israels seine Anbetung darbringen will. Ex ungue leonem sagt ein Sprichwort. Das ist verdeutscht: schon aus der Kralle erkennt man den Löwen. So erkennen wir aus dieser einen Äußerung Naemans seinen heiligen Willen, heilig zu leben vor den Augen Jehovahs. Ein Mann, der sich Gewissensbedenken darüber macht, dass er durch eine äußerliche an und für sich gleichgültige Handlung, die er von Amtswegen verrichten muss, den Schein erwecken könnte, er sei vom Glauben abgefallen, ein solcher Mann will nicht mehr in offenbaren Sünden leben. Heilig sein, heißt inwendig ganz rein sein. Das will Naeman. Und weil er das will, kann Elisa ihn entlassen mit den Worten: Ziehe hin in Frieden.

Liebe Seele, es ist mit dem Frieden Gottes wie mit dem Augapfel. Ihn beunruhigt das kleinste Sandkorn. So wird und kann die kleinste Sünde den Frieden deiner Seele stören. Frieden haben heißt in den Geheimnissen Gottes leben. Aber das Geheimnis des Herrn ist unter denen, die Ihn fürchten, Ps. 25,14. Und Ihn fürchten, was heißts anders, als Ihn vor Augen und im Herzen haben und sich hüten, in eine Sünde zu willigen noch zu tun wider Sein Gebot? Die Gottlosen haben keinen Frieden. Jes. 4,22. Die Sünde aber ists, die dich sondert, die dich losmacht von Gott. Und zwar jede bewusste, jede erkannte Sünde. Du hast keinen Frieden? Keinen völligen Frieden? Obwohl du Glauben hast und ein dankbares Herz? Suche die Schuld in dir selbst. Ist dein Leben auch deinem Glauben gemäß? Ist vielleicht nicht eine bewusste Sünde die Wolke vor der hellen Friedenssonne? Es hilft alles Rudern nichts, wenn ein Strick den Kahn am Ufer zurück hält. Und es hilft alles Glauben, Beten, Singen und Ringen nichts, wenn eine Sünde, die deine Sünde ist, dich festhält. Im Namen Jesu haue den Strick durch und dein Lebensschifflein wird treiben in den Friedensstrom. Friede mit dir, Bruder, Schwester, Friede vom Angesichte Jesu, sobald du in der Kraft des Herrn mit der Sünde gebrochen und sie nicht mehr herrscht in deinem sterblichen Leibe und du ihr nicht mehr Gehorsam leistest in ihren Lüsten. So lange noch. Krieg ist, ist kein Friede. Wenn aber der Feind überwunden, läuten die Friedensglocken durch das Land. suche deinen Frieden nicht im Gelde, nicht in Gesundheit und langem Leben, nicht in Ehre und Ruhm, nicht in den nichtigen und flüchtigen Freuden dieses Lebens, nicht in Künsten und Wissenschaften, nicht in allerlei edlen und humanen Bestrebungen. Vergebens. Du wirst ihn nicht finden.

Da werden sie Frieden suchen und wird nicht da sein. Jes. 7,25.

Nun wir denn sind gerecht geworden, so haben wir Friede mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum. Röm. 5,1. Geistlich nicht geistig gesinnt sein, ist Leben. und Friede. Röm. 8,6.

Erkenne im Glauben Jesum als deinen Heiland, der Frieden machte durch das Blut an Seinem Kreuz, dann hast du Frieden. Und das dankbare Herz, das Er dir gibt, erhöht den Frieden. Und die Heiligkeit deines Lebens, die nur Er erwirket, nur Er erwirken kann, erhält den Frieden. Frieden in allen deinen Nöten; Frieden, ob auch deine Sünden dich verklagen; Frieden. im Ansturm des Todes.

Das ist der Friede, den der große Dichter Goethe sich erseufzte in den Worten:

Ach, ich bin des Treibens müde,
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!

Das ist der Friede allenthalben und auf einerlei Weise, den der Apostel Paulus den Gläubigen anwünscht. 2. Thess. 3,16. Naeman oder des Menschen Elend und seine Errettung! Wir haben ein wenig davon geredet. Und wenn ich alles gesagt hätte, was zu sagen wäre, hier auf Erden ist die Errettung nicht.

Hier bleibt das Kreuz, ob auch Friedensblumen sich herauf ranken. Hier bleibt der Glaube und wird nicht zum Schauen, ob er auch selig macht. Hier bleibt die Hoffnung und wird nicht Erfüllung, ob ihr heller Schein aus der Ewigkeit auch das arme Leben verklärt. Hier bleibt der Kampf, ob wir auch einen Sieg nach dem andern davon tragen. Wie wirds sein, wenn wir ziehn in Salem ein! Da ist Friede ohne Unterlass. Wie wirds sein, wenn wir Ihn sehen, wie er ist von Angesicht zu Angesicht. Wenn wir Ihn und Seine Herrlichkeit erkennen mit offenen Augen, mit aufgedecktem Visier! Wahrlich, es wird uns sein wie den Träumenden.

Wie wirds sein, wenn wir voll Begeisterung und Liebe mit den seligen Geistern das Hohelied singen auf das erwürgte Lamm! Wahrlich, dann werden wir verstehen, was es heißt, dankbar sein und das wird uns so selig, so selig machen!

Wie wirds sein, wenn Satan uns in die Ewigkeit der Ewigkeiten hinein in Ruhe lassen muss und wir nicht mehr sündigen können. Wahrlich, das wird Friede ohne Unterlass sein.

Keine Not mehr an dem verklärten Leibe! Keine Sünde mehr in der heiligen Seele! Kein Tod mehr nach Leib und Seele! Wahrlich, das ist die Errettung aus dem Elend!

1)
Naeman kehrte zurück. Sehr nahe liegt hier die Vergleichung mit dem vom Aussatz geheilten Samariter. Luk. 17,11-19. Der kehrt auch zurück, während seine vom Aussatz ebenfalls geheilten Gefährten ihre Wege weiter ziehen. Bei weitem nicht jeder lässt sich durch Gottes Güte zur Buße und zum Glauben leiten. Wie denn auch die Not nicht jedem Menschen zum lieben, segenbringenden Kreuz wird.
„Predigen Sie Demut, meine Herren,“ mahnte König Wilhelm nach der Schlacht bei Königgrätz die um ihn versammelten Feldprediger. Die glorreichen Siege von 1866 und 1870/71 haben unser Volk nicht demütiger, nicht empfänglicher für den Glauben gemacht. Vorher war viel Rufens und Schreiens wie bei den 10 Aussätzigen: Jesu, lieber Meister, erbarme Dich unser! Und hinterher kamen die tollen Schwindeljahre, das Anwachsen der Sozialdemokratie, die fluchwürdigen Attentate, die Zunahme der Verbrechen. Dieselbe Sonne schmilzt das Wachs und macht den Ton steinhart. Wäre Naeman nicht wieder umgekehrt, so wäre er geheilt geblieben, wie die 9 Aussätzigen. Aber der Beweis würde fehlen, dass auch seine Seele geheilt sei und bekehrt zu dem lebendigen Gott. Und das ist das Hauptstück in unserm Text.
2)
Ich habe erkannt, dass kein Gott ist auf der ganzen. Erde außer in Israel. Dieses Bekenntnis ist das Ziel aller Wege, welche Gott den Naeman geführt hat. Dahin wollte Gott den Naeman bringen und dahin hat sich Naeman führen lassen. Merke bei allen Führungen deines Lebens, sie seien tränenreich oder freudenreich, dass Gott nur Gedanken des Friedens über dich hat, dass er dir das Ende gebe, des du wartest, Jer. 29,11, nämlich des Glaubens Ende, der Seelen Seligkeit. 1. Petr. 1,9. Vor dem Throne Gottes wird es dir offenbar werden, dass und warum dich Gott so führen musste, wie Er dich geführt hat. Lass darum auf dein Leben das Licht der Ewigkeit fallen. Das wird dich im Glück sehr demütig und im Kreuz sehr willig und geduldig machen.
3)
Es ist der Grundirrtum alles Heidentums, dass jedes Land und Volk seinen besonderen Gott habe. Die Heilige Schrift kennt diese Toleranz nicht, sondern spricht es aus, dass Jehovah der Erste und der Letzte, und außer ihm kein Gott ist, Jes. 44,6, dass ihm die ganze Erde ist. 2. Mos. 14,5, dass dieser Eine Gott aber das Volk Israel zum Heil aller Völker gewählt und sich ihm allein geoffenbart und bezeugt hat. Zu diesem Einen lebendigen Gott bekennt sich Naeman. Er will auch zu dem auserwählten Volke gehören und zum Zeugnis des aus dem heiligen Gotteslande Erde mit nach Damaskus nehmen. Mit derselben Bestimmtheit erklärt das Neue Testament, dass Gott in Christo, dem verheißenen Messias war und Ihn allein gemacht habe zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung, zur Erlösung. Niemand kommt zum Vater, denn durch Ihn und niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren. Matth. 11, 27. Und zwar alles nur auf Grund seines versöhnenden Blutes. Unsere Seligkeit ist ein Monopol des gekreuzigten Gottessohnes. Er hat das Ihm göttlich zugewilligte Privilegium, uns selig zu machen, an keinen Menschen, keinen Heiligen, auch die Jungfrau Maria nicht, keine Kirche, keine Lehre abgetreten. Für alle ohne Ausnahme nur ein Weg, eine Wahrheit, ein Leben, ein Hirt, ein Herzog unserer Seligkeit, ein Mittler, ein Versöhner. allein schließt auf und zu, Er allein hat die Schlüssel der Hölle und des Todes. Offenb. 1, 18., 3,7. Wer das nicht erkennt, der mag ein ehrenwerter und achtbarer Mensch sein mit vielen Tugenden und großen Verdiensten, aber zum Israel des Neuen Testaments gehört er nicht, ein Kind Gottes ist er nicht, in den Himmel der Heiligen Schrift kommt er nicht. Wir dürfen dem Evangelium die Spitze nicht abbrechen.
4)
So hieß wohl der höchste syrische Gott.
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