Colditz, Armin Ottokar - Wache auf, der du schläfst.
Bußtagspredigt am Ende des Kirchenjahres über Eph. 5, 8-14 von Pastor Colditz in Chemnitz.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn und Heiland Jesus Christus! Amen.
Text: Eph. 5, 8-14.
Denn ihr wart weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn. Wandelt wie die Kinder des Lichts. Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit. Und prüft, was da sei wohlgefällig dem Herrn. Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, straft sie aber vielmehr. Denn was heimlich von ihnen geschieht, das ist auch schändlich zu sagen. Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht gestraft wird. Denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum spricht er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
„Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten.“ Was ist das für ein ernster Ruf, der heute von allen Kanzeln und Kirchen unsers Volkes aus hinaus ins Land geht? Wie, sind wir schon zu den Toten gelegt, begraben unter dem Gerichte Gottes, verscharrt unter dem Fluche der Weltgeschichte, modernd im Grabgewölbe unsrer Selbstherrlichkeit, tot im Glauben, tot im Lieben, tot im Hoffen? Alles, worauf wir stolz sind in Kunst und Wissenschaft, in Handel und Industrie, in Staat und Kirche, in Werken der Barmherzigkeit und in der Gesetzgebung des Rechtes nichts weiter als Sumpfpflanzen, Friedhofsblumen, Totenkränze, Nachtschatten, Irrlichter, Hirngespinste?
Wache auf, der du schläfst! Was ist das für ein Ruf heute am Bußtag? Etwa ein Weckruf des Wächters, dass ein neuer Morgen tagt, dass die Sonne, der Quell alles Lichtes, alles Lebens, aufgegangen, dass die Nacht mit dem erquickenden Schlaf vorüber, und dass es nun Zeit ist aufzustehen vom Schlaf, um unter Loben und Danken mit neuen Kräften an des Tages Arbeit zu gehen? Oder ist's etwa der Schreckensruf des Wächters, gellend durch die Stille der Nacht, dass ein Feuer ausgebrochen ist, die Stätten des Segens und der Arbeit zu vernichten; dass der Strom über die Ufer getreten ist, brausend, grollend, verheerend, Menschenwerk und Menschenleben zu bedrohen und in seinem Strudel zu begraben?
Ein Weckruf ist's, kommend von den Wächtern, die auf Zions Mauern treu und fest stehen, die da stehen auf der Warte der Zeit, zu wachen und zu merken auf die Zeichen der Zeit am Völker-, am Glaubens- und am Weltenhimmel, nicht wie die Merker in den alten deutschen Meistersingerschulen auf kleinliche Dinge, mit kleinlichem Sinne emsig bemüht, sondern nach Geist und Wort der alten Propheten, wie wir's vorhin gehört, zu sagen den Menschenkindern: Ihr sprecht also: Unsere Sünden und Missetaten liegen auf uns, dass wir darunter vergehen, wie können wir denn leben?; zu predigen: Gott hat keinen Gefallen an dem Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose sich bekehre von seinem Wesen und lebe; zu rufen selbst auf Trümmerstätten: Tröstet, tröstet mein Volk und redet zu Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Ritterschaft ein Ende hat, denn ihre Sünde ist ihr vergeben!
Ein Weck- und Bußruf in den Hallen der Kirche, nachdem ein anderer ihm vor wenig Tagen in den Schranken des Staates vorausgegangen, der verschlafene Augen geöffnet, Träumende zur Besinnung gebracht, Sorglose erschrecken ließ. Es geht ein Beben nicht bloß durch unser Volk, sondern durch alle Kulturvölker der Welt! Während die eine Hand baut mit der Kelle an den Werken des Friedens, Länder und Meere zu umspannen, liegt die andre am Schwertgriff und rüstet sich zur Wehre. Die Zepter der Gewaltigen und Fürsten neigen sich, hier in Gnaden zu versöhnen, zu segnen, ohne zu fragen, ob sie Dank ernten oder Undank, einzig und allein eingedenk der heiligen Pflicht, welche Gott den Mächtigen der Erde aufs Gewissen gebunden, während dort sie sich aufrichten, um die Stürme zu beschwören, welche Throne erschüttern, aber auch stürzen können. Dem allen sehen die einen zu mit Bangen und Zagen, die andern mit Jubel und Hoffnung; nur wenige stehen fest und gehen mit Sicherheit durch die Wirren hindurch ohne Bangen, aber auch ohne Jubel, mit Zagen, aber doch mit Hoffnung, beseelt von einem höheren Mute, den Pfad erleuchtet von einem ewigen Licht, als Kinder des Lichtes.
Liebe Freunde, unsere Zeit ist eine große und gewaltige, aber auch tiefbewegte und gärende Zeit. Unheimliche finstre Gewalten des Misstrauens, Neides, Hasses, der Lüge und Empörung stehen gegen die Lichtgestalten der Liebe und Barmherzigkeit, des Friedens und der Wahrheit, der Gerechtigkeit und Treue. Soll unser Jahrhundert enden mit Krachen und Kriegen, oder mit Frieden und Siegen? Es ist nicht Zeit zu schlafen, nicht Zeit zu träumen, nicht Zeit zu tändeln und zu spielen. Es ist Zeit, aufzustehen vom Schlaf, es ist Wachenszeit!
Darum, was Jesaias einst seinem Volke in den Tagen der Knechtschaft und Schmach zugerufen; was Paulus einst seiner Gemeinde zu Ephesus geschrieben, wider die der Seher des Neuen Testaments die Klage und Anklage erhebt: „ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässt“ das wird heute am Bußtage für unser deutsches Volk zu einer Bußpredigt.
Des Paulus Bußruf an das deutsche Volk: Wache auf, der du schläfst!
Wir legen denselben auseinander in die zwiefache Mahnung:
1. Bedenkt: „Ihr seid ein Licht in dem Herrn!“ das ist dein Erbteil, du deutsches Volk, hast du es bewahrt?
2. Bedenkt: „Wandelt wie die Kinder des Lichtes!“ - das ist dein Beruf, du deutsches Volk, willst du ihn erfüllen?
Wache auf, sonst kann dich nicht unser Herr erleuchten;
Wache, sonsten wird dein Licht dir noch ferne deuchten,
Denn Gott will für die Füll' Seiner Gnadengaben
offne Augen haben!
Amen.
1.
„Ihr wart weiland in Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn!“ Das ist das Zeugnis, welches Paulus der Gemeinde zu Ephesus ausstellt. Ist's nicht ein Ruhm, ist's nicht ein Lob? Oder klingt es etwa anders, wenn der Seher in der Offenbarung von derselben Gemeinde bekennt: „Ich weiß deine Werke und deine Arbeit und deine Geduld, und dass du die Bösen nicht tragen kannst, und hast versucht die, so da sagen, sie seien Apostel und sind es nicht, und hast sie Lügner erfunden!“ Die Gemeinde ein Licht, hellstrahlend vor den andern und über die andern in den Werken der Liebe und Geduld! Ist das nicht auch der Ruhm unsers Volkes: Ihr wart weiland in der Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn! Einstmals in der Nacht des Heidentums, nun aber groß vor dem Herrn, was du geworden bist, du deutsches Volk, bist du geworden durch die Kraft des Evangeliums! Deutsches Volkstum und evangelisches Christentum gehören zusammen wie Zwillingsgeschwister; deutsche Sitte und evangelischer Glaube sind unsers Volkes Eigenart. Das Evangelium hat die deutsche Art geadelt; das Wort vom Kreuz hat die deutsche Mannentreue verwandelt in Glaubenstreue, die edle Frauenminne in christlichen Familiensinn, den Herrendienst in Gottesdienst. In Christi Kraft ist die deutsche Kraft geläutert, durch Christi Geist der deutsche Geist geheiligt worden. Der Christenglaube hat das deutsche Gemüt zur höchsten Entfaltung gebracht. Die deutsche Kunst aller Jahrhunderte trägt den Stempel des Evangeliums; aus ihm hat sie die edelsten Motive geschöpft, in ihm die höchsten Ideale gefunden. Vom Heliand bis zum Messias, von Walthers Liedern bis zu Geibels Gedichten hat die echt deutsche Dichtung dem Heiland ihre Lieder gesungen. An allen Wendepunkten seiner großen, tatenreichen Geschichte, welche laut von Gottes Gnadenführung zeugt, von den Tagen der Kreuzzüge bis auf die großen Tage des letzten Krieges ist es der Glaube der Väter gewesen, in welchem das deutsche Volk seinen Mut, seine Kraft, seinen Halt gefunden hat. Alles, was deutsche Art, Sprache, Bildung, Geschichte heißt es wurzelt im Boden des Evangeliums. „Streicht ihr den Namen Christi, so streicht ihr auch den Namen unsers Volkes aus der Geschichte.“ Ja, sollte jemals unser Volk seinen Heiland verleugnen, vergessen, es würde auch von Gott verleugnet und vergessen werden; es müsste geworfen werden in die Reihe der faulenden oder begrabenen Völker im Totenregister der Menschheit!
Ihr seid ein Licht in dem Herrn! Das ist dein Erbteil, du deutsches Volk, von den Vätern her. Es wird, es muss auch bleiben das Schlussergebnis des 19. Jahrhunderts, wir hoffens zu Gott, trotz aller Versuche, dem deutschen Volke seinen Glauben, seine Religion zu rauben, dass in Tat und Wahrheit niemand einen andern Grund legen kann als den, der gelegt ist in Christo Jesu. Wieder und wieder haben die Bauleute den Eckstein verworfen; sie haben's versucht, ihre Weltherrschaft an die Stelle des Gottesreiches zu setzen, mit ihrer Menschenweisheit die Weisheit Christi zu meistern, mit dem Sternenlicht ihres Verstandes das Sonnenlicht des Evangeliums zu verdunkeln - noch immer sind sie kläglich gescheitert. Dein Erbteil, du deutsches Volk, ist und bleibt doch das Evangelium von Christo!
Aber hast du dir dies Erbteil bewahrt; stehst du nicht in Gefahr, es zu verlieren? Das ist die ernste Frage des heutigen Bußtages!
Und doch, wie steht es denn? Haben wir überhaupt noch ein Recht, unsere Stimmen warnend, fragend mitzuerheben im Streit der Welt, im Kampf der Meinungen, im Lärm des Tages? Wird man die Bußpredigt der Kirche noch hören unter einem Geschlecht, dessen Leben von wirtschaftlichen, sozialen, politischen Fragen so durchtobt wird, dass alles andre darüber vergessen erscheint; unter einem Geschlecht, das erst vor zwanzig Jahren seine nationale Einheit nach langem Sehnen und Kämpfen errungen hat und schon jetzt bei so schweren inneren Kämpfen angekommen ist, dass das kirchliche Interesse bei den einen aus Gleichgültigkeit oder Hass, bei den andern aus Ratlosigkeit oder Angst verschwindet? Wird man uns hören in einer Zeit, da Sendboten allerlei ausländischer Sekten gerade die deutsche Christenheit als ein günstiges Arbeitsfeld betrachten, da jüdische Gewissenlosigkeit in Handel und Wandel, in Presse und Börse dem Moloch der Habsucht und dem Mammon des Kapitals gewaltige Opfer bringt; da das Wort, welches von dem alle Berge der Erde, alle Höhen der Wissenschaft, alle Fernen des Weltalls überragenden Berge der Versuchungsgeschichte ergangen ist, das Satanswort: dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest, Hunderttausende von getauften Christen betört hat in dem Wahngebilde der Sozialdemokratie, die ihnen mit satanischer Lüge um den Preis des inneren Friedens das ganze Erdreich, das Paradies der Sinne, das goldene Zeitalter der Freiheit von Arbeit verheißt, welche dann von der noch vielvollendeteren Maschine allein vollbracht werden wird, von der Maschine, welche sie jetzt als die Enterberin und Entehrerin der redlichen Arbeit im Schweiße des Angesichts und als die feile Sklavin des Großkapitals anklagen. Wird man uns hören in einer Zeit, da Herodes und Pilatus, der Usurpator und der Hohepriester, die Sozialdemokratie und der Ultramontanismus, unter der Vermittlung des Judas der goldenen Internationale in brüderlicher Eintracht an der Maulwurfsarbeit sind, den christlichen Staat zu unterwühlen, die christliche Arbeit zu schänden, die christliche Ehe zu schmähen, das Evangelium zu lästern, Christum aufs Neue zu kreuzigen, das Sonnenlicht des Evangeliums mit ihren unsauberen Händen aufzuhalten?
Nein, du musst es hören, du deutsches Volk: Wache auf, der du schläfst! Willst du dein Erbteil dir bewahren? Du bist ja das Volk der Reformation! Wo ist unter dir der Freimut, den einst die Väter bewiesen haben in der Bekämpfung unchristlicher Sitte, öffentlichen Unrechtes und Verderbnisses, der Tücke und Feigheit? Wo ist die furchtlose, altgerühmte Pflichttreue, die kein anderes Ziel kennt, als zu wandeln im Lichte des göttlichen Wortes und nicht nach Menschengunst? Wo ist Luthers Art in der Kirche, der anhob an den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung, ehe er die Bauern schalt, der die Ratsherren zurechtwies, ehe er den Arbeitern Weisung gab? Du bist das Volk der Freiheitskriege, da jung und alt, hoch und niedrig sich scharte um Thron und Altar. Du bist das Volk der Dichter und Denker, dessen Stolz es von jeher gewesen, den andern Völkern die Bahnen des Wissens vorzuschreiben, und sich nicht von unklaren und unreifen Gedanken, von haltlosen Zukunftsträumen, von religionslosen Wahngebilden beherrschen zu lassen. Du bist das Volk der Treue, der Zucht und Sitte! Wo ist denn deine Treue? Zeigt sie sich in der steigenden Zahl der Meineide, die in deiner Mitte geschworen werden, in der Zahl der Kontraktbrüche, da der Treubruch zum Kampfesmittel wird? Wo ist deine Zucht? Etwa in der Zügellosigkeit der Jugend, die kaum der Schule und dem Neste entwachsen, den Vater verspottet und verachtet der Mutter zu gehorchen? Etwa in der steigenden Zahl der Ehescheidungen und unehelichen Geburten, der zerstörten Chen, des gebrochenen Familienglückes unter den Reichen so gut wie unter den Armen, bei den Vornehmen wie bei den Geringen? Was ist deine Sitte? Etwa in deiner Gebetslosigkeit, die das tägliche Brot nicht mehr mit Danksagung empfängt, in deiner Sonntagsunruhe, die den Gang zum Gotteshause nicht mehr kennt, in deiner Schamlosigkeit, die nicht mehr weiß, dass für alle geschrieben steht, du sollst keusch und züchtig leben in Worten und Werken?
O, deutsches Volk, du musst es hören, dir zur Buße; dein Erbteil ist's: Ihr seid ein Licht in dem Herrn! Hast du dir's bewahrt? Soll's nach dem letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts heißen: Ihr wart weiland ein Licht! Du deutsches Volk, du deutscher Mann, du christlich Weib, du Jüngling und du Jungfrau an dich ergeht der heutige Bußruf: Wache auf, der du schläfst! Bedenkt
2.
Wandelt wie die Kinder des Lichtes! Das ist dein Beruf, du deutsches Volk, willst du ihn erfüllen?
Kinder des Lichtes zu sein, das ist nicht unser Beruf als eines deutschen, sondern eines christlichen Volkes, das Christi Namen trägt, darin wir alle von Christus erworben, gewonnen sind von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, eines Volkes, das von Christi Geist durchleuchtet, von Christi Wort erbaut, von Christi Arm beschützt wird! Seid ihr Kinder des Lichtes, so habt zunächst nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis. Finsternis ist Sünde. Ihre Werke sind die, welche im Dunkel der Nacht geschehen, weil sie das Licht des Tages scheuen; welche sich in die verborgenen Schlupfwinkel, in die Spielhöhlen und Lastergassen zurückziehen, weil sie die Öffentlichkeit fürchten; welche die Heimlichkeit brauchen, weil bei ihrem Hervortreten die Schamröte uns ins Angesicht steigen würde. Die Werke der Finsternis sind unfruchtbar. „In welcher Münze zahlt die Sünde ihren Knechten den Lohn aus? Antwort: In Judas' Silberlingen.“ Sind nur dort die unfruchtbaren Werke der Finsternis, wo das Fluchen herrscht und der Branntwein regiert; wo der starre Blick im Auge des Trunkenboldes stecken bleibt und das Kainszeichen des Lasters der Stirn ausgeprägt ist; wo vorzeitiges Greisentum die Glieder des Wollüstlings schlottern macht oder die welken Züge des Schwelgers bleichen? Sind die unfruchtbaren Werke der Finsternis nicht auch dort, wo der Klassenkampf und der Rassenkampf das Volksleben durchtobt; wo der Neid es nicht ertragen kann, dass ein anderer über die Durchschnittslinie emporragt; wo Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, zwischen Fürst und Untertan für einen Raub an der Gleichheit und eine Beleidigung der Freiheit erklären? Ihr deutschen Christen, noch läuten die Sturmglocken nicht, so hört heute die Bußtagsglocken: Wandelt wie die Kinder des Lichtes!
Seht, die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit! Wo Gütigkeit ist, da ist keine Lieblosigkeit, die den andern übervorteilt, die dem Arbeiter den Lohn abbricht, die den wirtschaftlich Schwachen ausbeutet. Wo Gerechtigkeit ist, da ist kein Neid, der nur immer auf das des andern sieht, keine Unzufriedenheit, die sich nicht genügen lässt, da ist kein Hass, der dem andern nach Schaden trachtet. Wo Wahrheit ist, da ist keine Lüge, die schwarz weiß und weiß schwarz nennt; keine Untreue, die das Anvertraute unterschlägt oder missbraucht; keine Feigheit, die vor dem Bekenntnis des Glaubens flieht! Wollt ihr zeugen gegen die Werke der Finsternis und dabei doch weiter frönen der Selbstsucht; wollt ihr kämpfen gegen die Ungerechtigkeit und euch doch dabei nicht enthalten der Genusssucht, der Fleischeslust und Augenlust; wollt ihr siegen über die Unwahrheit, ohne doch wahr zu sein gegen euch selbst, wahr in eurem Glauben, wahr in eurem Handeln, wahr in eurer Überzeugung? Diese Gewissensfrage stelle ich an jeden unter euch und die Antwort sei wahr, wahr zum Segen des einzelnen Herzens, zum Segen unsers Volkes: Bist du ein Kind des Lichtes, willst du diesen deinen Beruf erfüllen?
Wahrhaftig, es ist viel gesündigt worden in Staat und Kirche, in Schule und Familie, im Handel und Wandel, im privaten und öffentlichen Leben. O, ihr Gebildeten unter den Spöttern und Verächtern der Religion, ihr Gleichgültigen unter den Großen und Reichen dieser Welt, ihr Armen und Schwachen unter Unzufriedenen und Missmutigen, ihr Gläubigen und Frommen unter denen, die sich nach Christi Namen nennen und unter seinem Kreuz zusammenfinden - euch allen gilt die Mahnung: Wandelt, wandelt wie die Kinder des Lichtes!
Lieben Freunde, wenn mitten in der Nacht der Schreckensruf ertönt: Wach auf! da fahren die Schläfer entsetzt empor, und denken der eine an dies, der andre an jenes, der an sein Geld, der andre an seine Kinder, der an sein Geschäft, jener an seine Schuld! Heute ertönt der Ruf: Wach auf! im Dunkel der Zeitverhältnisse, in die Sünden unsers Volkes hinein. O, so bedenkt: Ihr seid ein Licht in dem Herrn! Das ist dein Erbteil, deutsches Volk, hast du dir's bewahrt? Bedenkt: Wandelt wie die Kinder des Lichtes! Das ist dein Beruf, deutsches Volk, willst du ihn erfüllen? Ihr Kinder des
Lichts, ihr Herolde eines neuen Tages, ihr Erben des Gottesreiches, ihr von Christus Erlösten, eure Antwort sei in Tat und Wahrheit: Amen, ja Amen!