Clemen, Adolf - Andachten über den Psalter

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Clemen, Adolf - Andachten über den Psalter

Psalm 5,5.

Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt; wer böse ist, bleibet nicht vor dir.

Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Gott wird geben einem Jeglichen nach seinen Werken.“ Gott ist die Liebe, aber auch ein verzehrendes Feuer. Er vergibt dem Sünder, aber er straft die Sünde. Das vergessen wir so oft. Lasst es uns heute lernen: Gott ist heilig und gerecht; nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt. Dann werden wir die rechte Furcht vor Gott wieder gewinnen, die aller Weisheit Anfang ist, dass wir uns vor jedem Bösen scheuen. Dann werden wir mit mehr Ernst der Heiligung an jedem Morgen uns vornehmen, uns ängstlicher zu hüten vor jedem halbwahren oder unwahren Wort, jedem leichtsinnigen Scherz, jedem Ausdruck der Lieblosigkeit oder des Zorns, jeder Pflichtversäumnis, jeder bösen Lust. Dann werden wir in aller Trübsal, die uns Gott auferlegt, seine Strafe und Züchtigung erkennen, womit er das gottlose Wesen, was an uns ist, richtet. Dann werden wir mit rechtem Ernst fragen lernen: Was muss ich tun, dass ich selig werde? - In deine Hände, o allmächtiger Gott, befehlen wir heute und allezeit unseren Leib und unsere Seele, unseren Ausgang und Eingang, Weib und Kind, Freund und Gesinde, und Alles, was wir von dir haben. Regiere uns alle nach deinem Willen. Bewahre uns, dass wir nichts tun und reden, was wider dich sei. Gib uns, diesen Tag so zu leben, dass wir deine Gnade nicht verscherzen, sondern deinem Ruhm und Preis dienen, und geschickt werden, dein Lob ewig zu verkünden. Amen. (Adolf Clemen)

Psalm 8,4

Ich sehe an die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitest.

Wenn es der strahlende Morgenhimmel ist, an dem die Sonne aufgeht, wem erzählte er nicht von der Güte des Herrn, die alle Morgen neu ist, und von seiner Barmherzigkeit, die kein Ende hat! Wenn den Himmel Wolken bedecken und Blitze an ihm zucken, wem erzählte er nicht von der Heiligkeit und Majestät Gottes! Wenn die zahllosen Sterne an ihm funkeln in stiller Nacht, wem erzählte er nicht von der Allmacht Gottes, und dem Vater, in dessen Hause viele Wohnungen sind! O wie manchem Kämpfer und Angefochtenen hat der Aufblick zum Himmel neue Kraft in die erliegende Seele gebracht! Jene Christenmutter, da ihr Sohn vor ihren Augen um seines Bekenntnisses willen gemartert wurde, rief ihm, damit er nicht erliegen möchte, wieder und wieder zu: „Siehe den Himmel an, mein Sohn, den Himmel sieh an!“ Ja, sieh den Himmel an, du Gotteskind, dahin den Blick wieder und wieder; dahin hebe deine Augen auf, aus deiner Arbeit, deinen Kämpfen, deinen Anfechtungen und Versuchungen! Siehe den Himmel an, du armes, in irdischen Sorgen und Freuden verstricktes Herz, und die Leidenschaften werden schweigen, die Sorgen gestillt, die Welt mit ihrer Angst und Sünde ferner gerückt. Es gibt eine Welt himmlischer Freiheit, ewigen Friedens. Sieh den Himmel an, wenn du in deiner Ohnmacht verzagen willst! Sprich wie Luther! Als der von seinen besorgten Freunden gefragt wurde, wo nun seines Bleibens sein solle, wenn er von Kaiser und Reich geächtet würde, da wies er gen Himmel und sprach getrost: „Unter dem Himmel!“ „Ich sehe an den Himmel, deiner Finger Werk“ ich kanns ja, überall ist er mir nahe. Ich sehe an den Himmel, und ich will's mehr tun, als bisher. „Denn der Himmel ist gewesen und wird stets bleiben aller Armen Schatz und Reichtum, der Betrübten Trost und Freude, der Verfolgten und Verzagten Zuflucht, der Schwachen Kraft, der Kranken Labsal, der Sterbenden Leben. Mein Gott, wenn die Finsternis dieser Erde mit ihren Schrecken mein Herz umlagert, so hebe du selbst mein Auge zu dem Himmel, deiner Hände Werk. Und vor allem, wenn die vergängliche Lust dieser Erde mich betören will, o so richte du mein Auge und Herz zum Himmel auf, dass ich dieselbe möge willig verleugnen und für Schaden achten gegen jene überschwängliche Herrlichkeit, die du mir im Himmel aufbewahrt hast.“ Amen. Ich dank' dir schon.(Adolf Clemen)

Psalm 31,15.

Ich aber, Herr, hoffe auf dich, und spreche: Du bist mein Gott. Meine Zeit steht in deinen Händen!

Meine Tage sind vergangen, dass kein Aufhalten da gewesen ist, so klagt Hiob, und auch wir fühlen an des Jahres nahem Ende die Vergänglichkeit alles Irdischen stärker als sonst. Was ist die ganze Lebenszeit? Ein kurzer Augenblick; sie gleicht dem Wind, der daher rauscht, der Morgenröte, die bald verbleicht. Was ist unser Leben? Ein Dampf ist es, der eine kleine Zeit währt, danach aber verschwindet. - Du lässt sie dahin fahren wie einen Strom. O großer Strom, wohin rauschest du? Wo sind unsre Väter? Wo Alle, in deren Liebe wir einst uns glücklich fühlten? Alte Zeit, wo bist du hin? Alles ist wie im Aufbruch, Alles eilt hinweg, Alles vergeht. Aber Gottlob, dass über dem Zeitlichen noch ein Ewiges ist, ein Gott, der da war, der da ist, der da sein wird; vor dem tausend Jahre sind wie ein Tag, und wie eine Nachtwache. Gottlob, dass in dem Strom, der unaufhaltsam auch uns mit fort reißt, ein Fels unbeweglich steht: Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit! Zu dir, du Ewiger, breite ich meine Hände aus; meine Seele dürstet nach dir. Denn in dir wird meine Seele sicher ruhen. Herr, allmächtiger Gott, wieder ist das Ende eines Jahres nahe. Wie nichtig und flüchtig ist doch unser Leben vor dir. Unsre Tage sind einer Hand breit bei dir, und unser Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Herr, lehre uns doch, dass es ein Ende mit uns haben muss, und unser Leben ein Ziel hat, und wir davon müssen, auf dass wir klug werden, und trachten nach dem, was droben ist, und nachjagen dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod, welches uns vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu. Amen.

Psalm 91,1.2.

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.

Herr unser Gott, wir danken dir von Herzensgrund für alle deine Güte und Treue, die du im verflossenen Jahr so reichlich uns erwiesen hast. Du hast uns mit unendlichem Verschonen getragen bis hierher. Du hast uns geholfen in so mancher Not, uns getröstet in so manchen schweren Stunden. Du bist mit uns gewesen und hast uns behütet an Leib und Seele, dass uns nichts gemangelt hat; und auch, wo du uns gezüchtigt hast, war es deine Gnade und Liebe, zu unserm ewigen Heil. Herr, wir sagen dir Lob und Dank für das Alles. Wir müssen bekennen: Wir sind zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an uns getan hast. Wir haben den Reichtum deiner Gnade so oft verachtet und missbraucht, wir haben mannigfach wider dich gesündigt und dein Gericht verdient. Darum bitten wir dich: Vergib uns all unsre Schuld, und weil wir morgen nach deinem Willen ein neues Jahr beginnen, so schenk uns deinen Geist, dass wir mit dem alten Jahr alle alten Sünden ablegen und mit dem neuen Jahr ein neues Leben anfangen, und dir darin dienen in neuem Gehorsam. Zieh deine Hand nicht von uns ab; verlass uns nicht, Herr, unser Heil; sei mit uns, wie du bisher mit uns gewesen bist. Sende uns deine heiligen Engel, dass sie uns und unsre Kinder, und alle, die wir lieb haben, behüten auf allen Wegen. Lass deine Augen auch im neuen Jahre offen stehen über diesem Hause bei Tag und bei Nacht, du treuer Hüter Israels. Mache das Jahr, das vor uns liegt, für uns alle zu einem Jahr des Heils und der Gnade. Was du uns auch gibst oder nimmst, erhalte uns nur in der Gnade Jesu Christi, in der Liebe Gottes, in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes, allezeit und bis ans Ende, damit, wenn es unser letztes Jahr wäre, wir können in Frieden dahinfahren. Amen.

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