Clemen, Adolf - Andachten über den Psalter

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Clemen, Adolf - Andachten über den Psalter

Psalm 31,5.

Ich aber, Herr, hoffe auf dich, und spreche: Du bist mein Gott. Meine Zeit steht in deinen Händen!

Meine Tage sind vergangen, dass kein Aufhalten da gewesen ist, so klagt Hiob, und auch wir fühlen an des Jahres nahem Ende die Vergänglichkeit alles Irdischen stärker als sonst. Was ist die ganze Lebenszeit? Ein kurzer Augenblick; sie gleicht dem Wind, der daher rauscht, der Morgenröte, die bald verbleicht. Was ist unser Leben? Ein Dampf ist es, der eine kleine Zeit währt, danach aber verschwindet. - Du lässt sie dahin fahren wie einen Strom. O großer Strom, wohin rauschest du? Wo sind unsre Väter? Wo Alle, in deren Liebe wir einst uns glücklich fühlten? Alte Zeit, wo bist du hin? Alles ist wie im Aufbruch, Alles eilt hinweg, Alles vergeht. Aber Gottlob, dass über dem Zeitlichen noch ein Ewiges ist, ein Gott, der da war, der da ist, der da sein wird; vor dem tausend Jahre sind wie ein Tag, und wie eine Nachtwache. Gottlob, dass in dem Strom, der unaufhaltsam auch uns mit fort reißt, ein Fels unbeweglich steht: Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit! Zu dir, du Ewiger, breite ich meine Hände aus; meine Seele dürstet nach dir. Denn in dir wird meine Seele sicher ruhen. Herr, allmächtiger Gott, wieder ist das Ende eines Jahres nahe. Wie nichtig und flüchtig ist doch unser Leben vor dir. Unsre Tage sind einer Hand breit bei dir, und unser Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Herr, lehre uns doch, dass es ein Ende mit uns haben muss, und unser Leben ein Ziel hat, und wir davon müssen, auf dass wir klug werden, und trachten nach dem, was droben ist, und nachjagen dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod, welches uns vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu. Amen.

Psalm 91,1.2.

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.

Herr unser Gott, wir danken dir von Herzensgrund für alle deine Güte und Treue, die du im verflossenen Jahr so reichlich uns erwiesen hast. Du hast uns mit unendlichem Verschonen getragen bis hierher. Du hast uns geholfen in so mancher Not, uns getröstet in so manchen schweren Stunden. Du bist mit uns gewesen und hast uns behütet an Leib und Seele, dass uns nichts gemangelt hat; und auch, wo du uns gezüchtigt hast, war es deine Gnade und Liebe, zu unserm ewigen Heil. Herr, wir sagen dir Lob und Dank für das Alles. Wir müssen bekennen: Wir sind zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an uns getan hast. Wir haben den Reichtum deiner Gnade so oft verachtet und missbraucht, wir haben mannigfach wider dich gesündigt und dein Gericht verdient. Darum bitten wir dich: Vergib uns all unsre Schuld, und weil wir morgen nach deinem Willen ein neues Jahr beginnen, so schenk uns deinen Geist, dass wir mit dem alten Jahr alle alten Sünden ablegen und mit dem neuen Jahr ein neues Leben anfangen, und dir darin dienen in neuem Gehorsam. Zieh deine Hand nicht von uns ab; verlass uns nicht, Herr, unser Heil; sei mit uns, wie du bisher mit uns gewesen bist. Sende uns deine heiligen Engel, dass sie uns und unsre Kinder, und alle, die wir lieb haben, behüten auf allen Wegen. Lass deine Augen auch im neuen Jahre offen stehen über diesem Hause bei Tag und bei Nacht, du treuer Hüter Israels. Mache das Jahr, das vor uns liegt, für uns alle zu einem Jahr des Heils und der Gnade. Was du uns auch gibst oder nimmst, erhalte uns nur in der Gnade Jesu Christi, in der Liebe Gottes, in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes, allezeit und bis ans Ende, damit, wenn es unser letztes Jahr wäre, wir können in Frieden dahinfahren. Amen.

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