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Clemen, Adolf - Andachten über das Matthäus-Evangelium
Matthäus 2,1.
Da Jesus geboren war, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen, und sind gekommen, ihn anzubeten.
Heute ist Epiphanias, das Fest der Erscheinung. Auch wir wissen von einem Stern, der uns zu Christo führt. Das ist die Sehnsucht nach Erlösung, die durch alle Herzen geht. Das ist das Seufzen der Seele nach Frieden mitten in der Angst der Welt. Der du so sicher und zufrieden scheinst, was ist doch eigentlich dein Leben? Ist es nicht stete Unruhe, Suchen ohne Frieden, Schwanken zwischen Angst und Hoffnung, und nur Eins gewiss: der Tod? Und wie sieht es in deinem Herzen aus, dem trotzigen und verzagten Ding, hat es denn Frieden, wirklich Frieden? Und wenn es dir auch wohl ergeht, bist du wirklich glücklich? so glücklich und getrost, wie Jener dort, der Jesum kennt und liebt? Nun wohlan, so verlass den Weg, den du bisher gegangen, suche Jesum und sein Licht, alles Andre hilft dir nicht! - So oft uns in einer Gnadenstunde diese Erkenntnis aufgegangen, so oft haben auch wir den Stern gesehen, der uns nach Bethlehem wies. Sind wir denn nun auch dem Stern gefolgt? Haben wir denn nun auch in solchen Stunden gesprochen: Ich will mich aufmachen? Oder haben wir des göttlichen Rufes nicht geachtet, den Zug des Vaters zum Sohn wieder vergessen? Dann soll das Vorbild dieser heidnischen Männer uns demütigen; dann soll es uns erwecken, fortan ebenso eifrig und entschlossen, wie sie, Christum zu suchen; zu brechen mit unserm bisherigen ungöttlichen Wesen; uns aufzumachen aus der Sünde und dem Unglauben, und die Gnade anzunehmen, die Gott uns darbietet. Ja heute, so ihr seine Stimme hört, heute, so ihr seinen Stern gesehen, verstockt eure Herzen nicht. Sucht mit Fleiß, fragt mit Ernst: Wo ist er, unser Heil, unser Frieden, unsere Seligkeit? Und ihr werdet ihn finden, und in ihm leben und volle Genüge haben.
Matthäus 2,9.
Und siehe der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis dass er kam und stand oben über, da das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut.
Auch uns stellen sich auf dem Wege zu Christo der Hindernisse und Prüfungen genug entgegen. Wie oft stößt die Seele, die, von der Gnade ergriffen, bekennt: Ich habe seinen Stern gesehen, bei den Anderen statt auf Mitfreude und Glaube, nur auf Gleichgültigkeit oder gar auf Spott und Verachtung! Wie oft muss der, der Christum sucht, auch fortan allein und einsam seinen Weg gehen, unverstanden von den Nächsten! Wie oft muss er es erfahren und das ist die schlimmste Prüfung - dass ihm zu Zeiten der Stern erlischt, der ihn zu Christo geführt; dass er selber zu fragen beginnt: Ist der, den ich bisher gesucht und geglaubt, wirklich der Heiland und Erlöser? Wie oft muss er es erfahren, dass ihm zu Zeiten die Gewissheit der Gnade Gottes untergeht, und damit alle Freudigkeit. Es wird ihm bang ums Herz; der Himmel ist dunkel, die Welt öde; und die Seele treibt führerlos über das weite Meer dahin, allein und verlassen, wie jene Männer im fremden Lande. O in solchen Stunden, da lasst auch uns fest und treu bleiben, wie diese hier! Lasst uns unbeirrt bleiben auf dem Weg zum Heiland, auch wenn wir allein hingehen müssen und keiner uns begleitet. Lasst uns bleiben auf dem Weg zum Heiland, auch wenn uns das Gefühl seiner Gnade zu Zeiten verloren geht. Da wo der Stern erlischt, da haben auch wir noch das Wort Gottes, die ewig feste Verheißung seiner Gnade, die nicht von uns weichen soll, ob auch Berge weichen und Hügel hinfallen; die ewig über uns steht, wie die Sonne, ob wir sie auch zu Zeiten vor Wolken nicht sehen. Gottes Verheißung bleibt ewig. Wer sich an sie hält, wird nie getäuscht, der kommt zuletzt zum seligen Frieden, und erfährt es immer aufs Neue: „Den Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen, und Freude den frommen Herzen.“
Matthäus 2,11.
Und sie gingen in das Haus und fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder, und beteten es an, und taten ihre Schätze auf, und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen.
Selige Leute, von denen es also heißen kann: Sie haben Jesum gefunden! Hast du ihn denn schon gefunden? Dann tu ihm auch dein Herz auf und gib aus Dank ihm Alles hin, was du bist und hast, und woran du hängst: nicht bloß arme Scherflein hier und da, karge Gaben mit trübem Gesicht, wo es den Bau seines Reiches gilt, nicht bloß die kümmerlichen Reste eines Lebens, das sein Bestes der Welt und Sünde geopfert hat, sondern deine Schätze, das Beste und Teuerste, was du hast, deine besten Kräfte und Gaben Leibes und der Seele, deine Jugend und besten Jahre, das gib ihm hin und stell's in seinen Dienst. Tu deine Schätze auf, und schenke auch du ihm das Gold der lauteren Treue und des reinen Glaubens, den Weihrauch deiner heißen Gebete, die Myrrhen freudiger Selbstverleugnung und Nachfolge auf dem Weg des Kreuzes. Schenke ihm dein Herz, und das, woran dein Herz hängt, und wenn sein Finger auf irgend eine Stelle in deinem Haus zeigt, auf irgend ein Gut, auf irgend eine Lieblingsneigung, eine Lieblingssünde, und er spricht: Lass sie los, und opfere sie mir - so gib's ihm hin ohne Zagen und Klagen, und freue dich, auch ihm opfern zu können, der für dich sein Alles geopfert hat. Das Alles aber, nicht als meintest du damit etwas Sonderliches zu tun, sondern weil dich seine erste Liebe also dringt, die du nie genug bezahlen kannst. Und wie es von den Weisen heißt, nachdem sie das Kind angebetet: sie zogen durch einen anderen Weg wieder in ihr Land - so verlass auch du um Jesu Liebe willen den Weg, den du bisher gegangen, kehre nun von seiner Anbetung nicht wieder zur Welt zurück, sondern geh fortan einen anderen Weg: den schmalen Weg der Heiligung, der Nachfolge Jesu, den seligen Heimweg ins himmlische Vaterland, ins ewige Morgenland.
Matthäus 11,3.
Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten?
Geber aller guten Gaben,
Festen Glauben möcht ich haben,
Wie ein Meerfels unbewegt,
Wenn an ihn die Woge schlägt.
Das war eine dunkle Stunde, da Johannes also an seinem Meister irre wurde. Solche Stunden finden sich in dem Leben aller Kinder Gottes; Stunden der Anfechtung, wo die Seele das Antlitz des himmlischen Vaters sucht und nicht findet, wo sie ruft und betet, und doch Gottes Liebe nicht fühlt. Verzage nicht, wenn auch du solche Anfechtungen zu durchkämpfen hast. Es ist zu deinem Heil. Gott entzieht dir zu Zeiten seine Gnade, dass du seiner nur um so gewisser und seliger inne werden sollst. Er lässt dir den Glauben schwankend werden, nur um durch den Kampf und das Suchen ihn um so tiefer zu befestigen. Er lässt dich die trostlose Öde der Verlassenheit fühlen, nur dass du dich um so ungeteilter in seine Arme und an sein Herz werfen möchtest. Aber damit diese dunklen Stunden dir also zum Heil werden, musst du tun, was Johannes tat. Hin zu dem Herrn selber mit all deinen Zweifeln und quälenden Gedanken! „Herr, ich glaube; hilf meinem Unglauben“, so rufe ihn an. Sprich deine Zweifel und Fragen vor Gott aus, wie Johannes hier tut. Warte nicht, bis Licht und Glaube wieder ins Herz zurückgekehrt sind; sondern mitten in der Anfechtung wende dich in Einfalt an Den, an dem du irre geworden, und dessen Führung, dessen Wort du nicht mehr verstehst. Wenn auch mit zweifelndem Herzen, wenn auch mit gebrochenem Glauben flüchte dich doch zu ihm, zu ihm selber, zu ihm allein! Und du wirst seine Hülfe erfahren. Grade diese Stunden der Anfechtung werden zu recht seligen Adventsstunden werden, da es sich auch an uns erfüllt: „Ich habe dich einen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.“
Eigene Melodie.
Gib dich zufrieden und sei stille
Zu dem Gotte deines Lebens!
In ihm ruht aller Freuden Fülle,
Ohn' ihn müh'st du dich vergebens.
Er ist dein Quell und deine Sonne,
Scheint täglich hell zu deiner Wonne.
Gib dich zufrieden!
Matthäus 11,28.
Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.
Hier legt mein Sinn vor dir sich nieder,
Mein Geist sucht seinen Ursprung wieder;
Herr, dein erfreuend Angesicht
Verbirg vor meiner Armut nicht.
Wie viele Mühselige und Beladene gibt es in dieser Welt! Gehören wir nicht auch zu ihnen? Ist es nicht auch dein Bekenntnis: „Ich bin die Welt durchgangen, dass ich fast müde bin?“ Sieh doch dein eignes Herz an! Liegt es nicht wie ein Gefangener in Ketten? Bricht es nicht in einsamen Stunden hervor, wie ein heimliches Schluchzen? Ist nicht in dir eine tiefe Leere, und was du auch hineinwirfst, Arbeit und Genuss, Menschenliebe, Alles, Alles füllt die Leere nicht aus, und du suchst und suchst und findest nimmer, und wirst müde und alt darüber! Und nun stellt sich der Herr hin vor all die unaussprechliche Mühsal der Erde und ruft: „Kommt her zu mir, ihr Alle! Ich will euch erquicken.“ Was er gerufen mit seinem ganzen Leben, was er gerufen in deinem ganzen Leben, er ruft es heute aufs Neue jedem gedrückten Pilger zu: „Kommt her zu mir, ihr Alle!“ O, saget der Tochter Zion, saget es allen Mühseligen und Beladenen: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig. „Der Heil und Leben mit sich bringt, der alle Not zu Ende bringt.“ Er kommt mit Gnade und Vergebung, mit Trost und Erquickung. Er nimmt die Last dir ab, wie sie heiße. So gehe zu ihm, deine Seele hat zu lange gelitten.
Matthäus 21,5.
Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig.
Hosianna! Davids Sohn
Kommt in Zion eingezogen.
bereitet ihm den Thron,
Setzt ihm tausend Ehrenbogen!
Streuet Palmen, machet Bahn,
Dass er Einzug halten kann.
Das ist die erste Botschaft, die das neue Kirchenjahr uns bringt: es soll ein Jahr des Heils und der Gnade für uns alle sein. Das ist die Überschrift der ganzen Adventszeit, in die wir heute wieder eintreten. Selige Zeit, über deren kurzen, dunklen Tagen etwas wie Glanz und Herrlichkeit aufgeht, näher und näher, bis in der heiligen Nacht die Klarheit des Herrn in vollem Glanz über uns leuchtet! Selige Zeit des Wartens und Hoffens aber wirklich selig doch nur dann für dich, wenn du ihn aufnimmst als deinen König, deinen Friedefürsten. Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig. Er bietet dir heute aufs Neue seine vergebende Gnade für Alles, was hinter dir liegt. Er bietet dir seine Kraft zu einem neuen, heiligen Leben. Er bietet dir Trost und Erquickung für jedes Kreuz, für jede Last. So nimm ihn auf in herzlicher Liebe und aufrichtigem Glauben. Leg ihm Alles zu Füßen, was dein ist. Weihe ihm deine Arbeit; schmücke zu seinem Empfang Herz und Haus mit den Palmzweigen des Friedens, mit den Blättern und Blüten eines neuen christlichen Lebens, Geduld, Freundlichkeit, Wahrheit. Barmherziger, ewiger Gott und Vater! Wir danken dir, dass du uns diese heilige Festzeit wieder hast erleben lassen. Hilf uns, dass wir immer fester an dich glauben und deiner Gnade in Jesu Christo immer zuversichtlicher uns getrösten. Getreuer Heiland, himmlischer Friedefürst, komme zu uns! Komme und richte in unsern Herzen deinen Thron auf, du unser sanftmütiger König. Vereinige Alle in diesem Hause, Alle, die wir lieb haben, in deinem heiligen Dienst und unter deiner gnädigen Hut, dass wir mit ihnen dein eigen seien und in deinem Reiche dir dienen in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Amen.
Eigene Melodie.
Wie soll ich dich empfangen,
Und wie begegnen dir
O, aller Welt Verlangen,
O, meiner Seele Zier?
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Leuchte bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei!