Claudius, Matthias - Von der Freundschaft.

Claudius, Matthias - Von der Freundschaft.

Ich habe dir in der vorigen Lection die Feindschaft erklärt, und wie man dazu gelangen könne, und wann ein ehrlicher Kerl sich nicht scheuen müsse. Heute von der Freundschaft.

Von der spricht nun Einer, sie sei überall; der Andere: sie sei nirgends; und es steht dahin, wer von Beiden am ärgsten gelogen hat.

Wenn du Paul den Peter rühmen hörst, so wirst du finden, rühmt Peter den Paul wieder, und das heißen sie denn Freunde. Und ist oft zwischen ihnen weiter nichts, als dass Einer den Andern kratze, damit er ihn wieder kratze, und sie sich so einander wechselsweise zu Narren haben; denn wie du siehst, ist hier, wie in vielen andern Fällen, ein Jeder von ihnen nur sein eigner Freund, und nicht des Andern. Ich pflege solch Ding „Holunder-Freundschaften“ zu nennen! Wenn du einen jungen Holunderzweig ansiehst, so sieht er fein, stämmig und wohlgerundet aus; schneidest du ihn aber ab, so ist er inwendig hohl und ist so ein trocken schwammig Wesen darin.

So ganz rein geht's hier freilich selten ab, und etwas Menschliches pflegt sich wohl mit einzumischen; aber das erste Gesetz der Freundschaft soll doch sein, dass Einer des Andern Freund sei.

Und das zweite ist, dass du's von Herzen sei'st, und Gutes und Böses mit ihm teilest, wie's vorkömmt. Die Delicatesse, da man den und jenen Gram allein behalten und seines Freundes schonen will, ist meistens Zärtelei; denn eben darum ist er dein Freund, dass er mit untertrete und es deinen Schultern leichter mache.

Drittens, lass du deinen Freund nicht zweimal bitten. Aber wenn's Not ist und er helfen kann, so nimm du auch kein Blatt vor's Maul, sondern gehe und fordere frisch heraus, als ob's so sein müsste und gar nicht anders sein könne.

Hat dein Freund an sich, das nicht taugt, so musst du ihm das nicht vorhalten und es nicht entschuldigen gegen ihn. Aber gegen den dritten Mann musst du es verhalten und entschuldigen. Mache nicht schnell jemand zu deinem Freund, ist er's aber einmal, so muss er's gegen den dritten Mann mit allen seinen Fehlern sein. Etwas Sinnlichkeit und Parteilichkeit für den Freund scheint mit zur Freundschaft in dieser Welt zu gehören. Denn wolltest du an ihm nur die wirklich ehr- und liebenswürdigen Eigenschaften ehren und lieben, wofür wärst du denn sein Freund das soll ja jeder wildfremde, unparteiische Mann tun. Nein, du musst deinen Freund, mit allem, was an ihm ist, in deinen Arm und in deinen Schutz nehmen; das Granum Salis versteht sich von selbst, und das aus einem edeln kein unedels werden müsse.

Es gibt eine körperliche Freundschaft. Nach der werden auch zwei Pferde, die eine Zeit lang beisammen stehen, Freunde, und können eins des andern nicht entbehren. Es gibt auch sonst noch mancherlei Arten und Veranlassungen. Aber eigentliche Freundschaft kann nicht sein ohne Einigung: und wo die ist, da macht sie sich gern und von selbst. So sind Leute, die zusammen Schiffbruch leiden und die an eine wüste Insel geworfen werden, Freunde. Nämlich, das gleiche Gefühl der Not in ihnen Allen, die gleiche Hoffnung und der Eine Wunsch nach Hülfe einigte sie; und das bleibt oft ihr ganzes Leben hindurch. Einerlei Gefühl, einerlei Wunsch, einerlei Hoffnung einigt; und je inniger und edler dies Gefühl, dieser Wunsch und diese Hoffnung sind, desto inniger und edler ist auch die Freundschaft, die daraus wird.

Aber denkst du, auf diese Weise sollten ja alle Menschen auf Erden die innigsten Freunde sein? Freilich wohl! und es ist meine Schuld nicht, dass sie es nicht sind.

Postscript. Es gibt einige Freundschaften, die im Himmel beschlossen sind und auf Erden vollzogen werden.

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