Claudius, Matthias - Das heilige Abendmahl
Dabei wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.
De negotio coenae non aliud adhuc susceptum video, nisi ut hac occasione in intricatas obscuras et profanas quaestiones ac rixas conjecti animi a conspectu doctrinae necessariae tamquam turbine quodam auferantur.1)
Ego mihi ita conscius sum non aliam ob causam unquam theologica tractasse, nisi ut vitam emendarem.2)
(Melanchthon.)
Wie eine neuere Theologie lehret, ist das heilige Abendmahl ein Mahl zum Gedächtnis des Mannes, der die wohltätigste Lehre in der Welt gelehrt und mit seinem Tod versiegelt hat.
Und, auch so angesehen, ist das heilige Abendmahl sehr ehrwürdig, und kann allerdings für die Gäste nützlich und heilsam sein.
Die Betrachtung der Geschichte Christi, wie er sich in seinem Leben und bei seinem Sterben betragen hat, kann ohne Segen nicht abgehen. Es kann kein Mensch bedenken das Werk, das Christus auf Erden vollenden wollte, die Knechtsgestalt in der er einherging, die Gnade und Wahrheit in seinem Sein und Tun und seine Kraft und Huld und Milde im Leiden und bei dem Undank der Menschen, ohne sich in den Staub zu beugen, und sich von Seinem Geist zu wünschen. Und das ist der Anfang zu vielem Guten.
Auch bedarf der Mensch, der gewöhnlich sein Leben in Zerstreuung und Leichtsinn vor sich hin lebt und immer voraneilt, ohne zu wissen was ihn eigentlich treibt und was er eigentlich will, in seinem Laufe von Zeit zu Zeit angehalten und zu sich selbst zurückgeführt zu werden; er bedarf eines Steins am Wege, auf den er sich hinsetze und in sein vergangenes Leben zurücksehe, usw. Und dazu kann ihm das heilige Abendmahl dienen, wenn es auch nicht mehr als ein bloßes Gedächtnis-Mahl wäre.
Aber, wie könnte es das, und nicht mehr sein? …
Christus stellte bei aller Gelegenheit, wo er seine Herrlichkeit sehen ließ, sich selbst immer im Schatten: „Das Mägdlein ist nicht tot, sondern es schläft“; – „Dein Glaube hat Dir geholfen“ – „Siehe, sage es niemand“ etc. Er hatte an ihm selber nicht Gefallen, und zog sich immer zurück in seinem Leben; und er sollte, in der Nacht da er verraten ward, auf sich selbst bedacht gewesen sein, und ein Mahl und Fest zu seinem Gedächtnis gestiftet haben? …
Und wenn es bloß ein Mahl zu seinem Gedächtnis hätte sein und darin das Wesentliche dieses Mahls bestehen sollen; so hätte doch das, als das Wesentliche, bei der Einsetzung angeführt werden, und von Gedächtnis, als von der Hauptsache, Erwähnung geschehen müssen.
Nun geschieht dies zwar beim Apostel; aber von den drei Evangelisten, die uns von der Einsetzung Nachricht geben, spricht nur einer, und der, wie er selbst sagt, seine Nachrichten von Christus, nur durch Erkundigung eingezogen hatte, von Gedächtnis, und das nur beim Brot und nicht einmal beim Kelch; und die beiden andern, davon der eine bei der Einsetzung gegenwärtig gewesen war, haben kein Wort von Gedächtnis.
Aber alle haben: „für euch gegeben, für euch vergossen“; – „für euch gebrochen“; – „für viele vergossen“ – „vergossen für viele zur Vergebung der Sünden“; – darin muss denn wohl das Wesen dieses Mahls bestehen; und unser Herr Christus, der überhaupt nicht gekommen war, dass er ihm dienen lasse, sondern dass er diene, hat wahrlich auch bei dieser Anstalt nicht gedient sein sondern dienen wollen.
Wohl wird, wie gesagt, auch durch ein Gedächtnis-Mahl den Menschen gedient, aber nur kümmerlich, und nicht wie Christus dient. Der Mensch bleibt hier selbst sein Arzt. Er kann aber einmal durch sich und seine Kräfte nicht genesen, sintemal alles Gesetz durch das Fleisch geschwächt wird. „Das Gesetz kann nichts tun, weder anzeigen was man tun und lassen soll; aber die Kraft und das Vermögen solches zu tun und zu lassen gibt es nicht, und lässt den Menschen also in Sünden stecken.“ Er bedarf denn anderer Hülfe, eines andern Mittels. Und das ist grade die Hülfe, die ihm zugedacht ist und die er haben könnte; denn dazu ist Christus in die Welt kommen, dass er dies andre Mittel zuwege bringe, und täte was dem Gesetz unmöglich war.
Für euch gegeben und vergossen, zur Vergebung der Sünden – das ist, nach der Schrift, die große heilige Sache des Abendmahls. Es ist eingesetzt: von dem Leibe der Sünde und des Todes zu erlösen, die Erde mit dem Himmel wiederzuvereinigen und den Menschen in sein ursprüngliches Verhältnis mit Gott herzustellen.
Adam, vor dem Fall, war mit Gott und Gott mit ihm in dem Garten Eden, den er bauen und bewahren sollte; er war frei und herrschte, mit und durch Gott, über die sinnliche Natur, über Fische im Meer und über Vögel unter dem Himmel.
Sein unsterblicher Geist war lebendig.
Als er aber von Gott abfiel und sich zu dem, was nicht Gott war, wandte; ward ihm sein Wesen – nicht vernichtet: denn das kann nicht vernichtet werden; aber ihm ward, weil er seine Freiheit missbrauchte, eine Hemmkette angetan und er der sinnlichen Natur unterworfen.
Sein unsterblicher Geist verlor sein Leben.
Er ward, sagt die Heilige Schrift, aus dem Garten Eden, wo er die Stimme Gottes gehört hatte, und er mit Gott und Gott mit ihm gewesen war, ausgetrieben und die Tür hinter ihm zugeschlossen.
Wir können an der Wahrheit dieser Geschichte nicht zweifeln, da wir sie in uns selbst erfahren, und ein Zeuge in der Tiefe unsers Herzens so laut und unwidersprechlich davon zeuget.
Denn „wir finden uns, die wir wollen das Gute tun, ein Gesetz, dass uns das Böse anhanget“ – der inwendige Mensch ist noch da, und, „wir haben Lust an Gottes Gesetz nach diesem inwendigen Menschen; wir sehen aber ein ander Gesetz in unsern Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in unserm Gemüte und nimmt uns gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in unsern Gliedern“.
Und diese Knechtschaft und ihr Rat ist ein Wurm im Menschen, der nicht stirbt; ist die gewaltige Angelegenheit, die je und je und solange Menschen auf Erden sind die Welt beschäftiget und die Erde mit Altären und Einsiedlerhütten und Götterhainen, mit Pagoden und Tempeln und Moscheen und Kirchen und Klöstern bedeckt hat; ist das Geheimnis, das Konfuzius und Zeno und die Weisen aller Zeiten und Völker im Sinne gehabt und gesucht haben.
Alle Religionen und Philosophien sind im Grunde nichts anders, als Projekte, als Vorschläge und Weg dazu. Die bessern Menschen waren sich ihres unsterblichen Geistes bewusst, schämten sich seiner Ketten, verschmähten die Welt und was in der Welt ist, und rangen und kämpften nach Freiheit.
Sollte aber der Mensch recht frei werden: so musste das Verlorene wiedergefunden, sein Geist musste wieder zum Leben gebracht, wiederbelebt werden. –
Von dieser Wiederbelebung und der Art und Weise sprach Christus in der Schule zu Kapernaum: „Moses hat euch nicht Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das rechte Brot vom Himmel. Dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. – Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt. – Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut; so habt ihr kein Leben in euch.“
Viele von denen, die diese Rede hörten, gingen hinter sich und murrten: wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? – Die Frage war ihnen zu vergeben; sie kannten Christum nicht und sahen an ihm nur einen Menschen wie ein anderer Mensch gestaltet, nur des Menschen Sohn. Aber des Menschen Sohn sollte verkläret werden, bei dem Vater selbst mit der Klarheit die er bei ihm hatte ehe die Welt war.
Diese Verklärung geschahe durch den Tod, wie er selbst, Joh. 12, 23. 24, bei seinem Hingang sagte: „Die Zeit ist kommen, dass des Menschen Sohn verkläret werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es sei denn dass das Weizenkorn in die Erde falle, so bleibet es alleine; wo es aber erstirbt, so bringet es viele Früchte.“ Und Joh. 16, 7: „So ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch, so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden.“ Und Johannes sagt: „Der Heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verkläre.“
Paulus rechnet diese Verklärung oder Aufnahme in Herrlichkeit mit zu dem „kündlich großen Geheimnis“. Aber nach den Äußerungen der Heiligen Schrift: „dass Christus, vom Tode erweckt, hinfort nicht sterbe und der Tod hinfort keine Gewalt über ihn habe“ – dass „das Gesetz des lebendigen Geistes in Christo frei mache von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ – dass ihm, nachdem er auferstanden war, „gegeben war, alle Gewalt im Himmel und auf Erden“; dass Christus, vom Tode erweckt, „alles in allem erfülle etc.“ und aus der Geschichte Christi nach seiner Auferstehung, wo er bei verschlossenen Türen mitten unter die Jünger trat, und da und dort, in Galiläa und bei und in Jerusalem, plötzlich und auf einmal erschien und wieder verschwand etc. versteht man doch soviel: dass seine menschliche Natur, in Vereinigung mit der göttlichen, unsichtbarer, lebendiger und geistiger Art geworden und in dieser Verbindung allenthalben gegenwärtig sei, und dass solchergestalt mancher Zweifel gelöst, und so der Genuss seines Fleisches und Blutes keine so unmögliche und unglaubliche Sache sei, dass man, wie zu Kapernaum geschahe, deswegen hinter sich gehen und sich daran ärgern müsste. – Und darauf scheint auch Christus zu zielen, wenn er zu den Jüngern sagt: „Ärgert euch das, wie wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, da er vor war? Der Geist ist es, der da lebendig machet, das Fleisch ist kein nütze. Was ich rede, das rede ich vom Geist und vom Leben.“
Und nun die Einsetzung selbst. Der ganze levitische Gottesdienst deutete auf Christum und war vorbildlich, und so waren auch die weislich verfügten Veranstaltungen bei dem Auszug aus Ägypten Vorbild: So wie bei der Befreiung und Erlösung der Juden aus der Not der leiblichen Knechtschaft, in jedem Hause ein leibliches Mahl, bei dem auch Becher umgingen, gehalten und genossen werden sollte; so würde zu seiner Zeit, wenn die vorgebildete Sache selbst käme, und das ganze Menschengeschlecht aus der großen allgemeinen Not der geistigen Knechtschaft befreiet und erlöset werden sollte, ein geistiges Mahl zum Genießen gegeben werden.
Das jüdische Osterlamm war nun zum letzten Mal genossen, und das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt, sollte an dessen Stelle treten, und sein Genuss eingesetzt werden. Und auch waren die Jünger, die Christum hatten sagen hören, dass ohne den Genuss seines Fleisches und Blutes kein Leben sei, und dass, wer es genieße, in Ihm bleibe und Er in ihm, natürlich, je näher es zum Tode kam, und sonderlich beim letzten Mahl, unruhig und verlegen: woran sie sich, wenn er nun von ihnen genommen würde, und hinginge, wohin sie ihm nicht folgen könnten, wenn er nun aufführe dahin, wo er vor war; woran sie sich denn in Ansehung seines Fleisches und Blutes zu halten hätten, und wie sie dessen teilhaftig werden sollten.
Und er nahm das Brot, dankte und sprach: „Das ist mein Leib!“
Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: „Das ist mein Blut!“
Über die Vernunft mag dies alles sein; aber wider die Vernunft ist es nicht. Denn sollte der, welcher mit den Worten: „Sei gereinigt“; – „Stehe auf, hebe dein Bette auf und gehe heim“; – und mit dem Kot, „den er auf des Blindgebornen Augen legte“ etc. die unsichtbare geistige Kraft verbinden konnte: dass der Aussätzige rein wurde, der Gichtbrüchige sein Bette aufhub und heimging, und der Blindgeborne sehend kam, etc. sollte der nicht auch sein unsichtbares geistiges Fleisch und Blut mit Brot und Wein verbinden können?
Wie hätten die großen weisen Väter von Adam her, Abraham der Freund Gottes und die Propheten auf ihn gehofft, hätten ihn viertausend Jahre hindurch, als den Held ihrer Erwartung in dem alle Völker sollten gesegnet werden, in ihren Herzen getragen und bewegt, und in ihrem Gottesdienst dem Volk vor die Augen gestellt, wenn er nicht mehr gewollt und gekonnt hätte, als ein Mensch kann und will?
Christi Leib und Blut, gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. – Das sollten die ersten Jünger und Christen im Sakrament genießen und das genossen sie.
Allerdings konnte dies ohne Gedächtnis Christi nicht abgehen. Sie mussten und wollten, wenn sie die Kräfte des heiligen Abendmahls, den Frieden mit sich selbst und mit Gott, schmeckten, sie mussten und wollten wohl, gerne und unaufgefordert, an ihn denken, ewig und allein an ihn und an nichts anders.
Und in dem Sinn ist das heilige Abendmahl auch ein Gedächtnis-Mahl, wo nämlich das Gedächtnis eine Folge von der Wirkung des heiligen Abendmahls ist; aber kein bloßes Gedächtnis-Mahl, wo die Wirkung und Besserung eine Folge vom Gedächtnis sein soll. –
Auch die Feierlichkeit beim heiligen Abendmahl, und dass ein Priester Brot und Wein segnen muss, und es ohne ihn nicht genossen werden darf, scheint auf etwas anders, als ein Gedächtnis-Mahl zu deuten.
Endlich die erste Kirche und der Doktor Luther, nach dem sich die Lutheraner nennen, hielten es für etwas anders:
Justinus sagt: die Christen wären gelehrt worden, dass gesegnetes Brot und Wein Fleisch und Blut Christi wären. Denn die Apostel überlieferten in ihren Kommentarien, die Evangelien genannt werden: „Christus habe solch Gebot gegeben; – denn er habe, nachdem er das Brot genommen und gedankt hatte, gesagt: tut es zu meinem Gedächtnis, das ist mein Leib; und habe, ebenso, nachdem er den Kelch genommen und gedankt hatte, gesagt: das ist mein Blut.“
Gregorius von Nazianz: „Da wir das genossen haben, was unsre Natur zerstreuet und zerrüttet hat; so bedürfen wir notwendig dessen, was wieder sammelt und füget, was zerstreuet und zerrüttet war, damit, wenn die heilsame Arznei in unserm Innern in uns ist, sie den Schaden des Gifts, das in unsern Leib gebracht worden, durch entgegengesetzte Eigenschaften heile. Was aber ist diese Arznei? – Nichts anders als jener Leib, der sich als Überwinder des Todes bewiesen hat, und der Anfang unsers Lebens ist.“
Hieronymus: „Wenn also das Brot das vom Himmel kommen ist, der Leib des Herrn ist, und der Wein, den er den Jüngern gegeben, sein Blut des Neuen Testaments ist, für viele vergossen zur Vergebung der Sünden; so lasst uns die jüdischen Fabeln verachten.“
Ambrosius: „Es ist sein wahres Fleisch das wir essen, und sein wahres Blut, das wir trinken.“
Augustinus: „Jenes Brot, das ihr auf dem Altar sehet, ist, durch das Wort geweiht, der Leib Christi; jener Kelch, und was er enthält, ist, durch das Wort Gottes geweiht, das Blut Christi.“
Chrysostomus: „Wenn du zum heiligen Abendmahl gehest, so halte dafür, dass der Herr aller Herren dort gegenwärtig sei; denn er ist dort wahrhaftig gegenwärtig, und sieht und erkennet, was in jedwedes Menschen Herzen ist.“ etc. etc.
Nach dem Konzilium von Nicäa werden Brot und Wein, nach der Einsegnung, eigentlich der Leib und das Blut Christi genannt und geglaubt.
In den alten Liturgien finden sich Gebete um Ausgießung des Heiligen Geistes über das ausgesetzte Brot und Wein, auf dass sie der Leib und das Blut Christi werden. – Der Priester segnete Brot und Wein und betete: „Mache dies Brot, den teuren Leib Christi; und was im Kelche ist, das teure Blut Christi durch deinen Heiligen Geist.“
„Auf diese Gebete“, sagt Proklus3), „erwarteten sie den Heiligen Geist, dass der Brot und Wein zu Leib und Blut unsers Heilandes Jesu Christi mache.“
Die Kirchenväter drückten sich in dieser Sache so stark aus, dass ihre Ausdrücke zum Beweis der Verwandlung gebraucht werden konnten. Doch fehlt es bei ihnen auch nicht an Ausdrücken, daraus Ökolampadius und andre grade das Gegenteil, nämlich die nicht-wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in Brot und Wein, haben beweisen wollen. Am Ende steht und fällt das Christentum nicht mit den gedruckten Kirchenvätern.
Die afrikanischen Christen nannten, wie Augustinus anführt, das heilige Abendmahl kurzweg: das Leben; die Griechen nannten es das: größte Gut der Christen, und Luther nannte es: unsern höchsten Schatz und sagte: „Christus hat die Macht seines Leidens ins Sakrament gelegt, dass man's daselbst soll finden und holen laut der Worte: ‚Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, zur Vergebung der Sünden.‘“
Jedermann kennt den 18. Artikel der Augsburgischen Konfession, und weiß, dass darin nicht die Rede ist von einem Gedächtnis-Mahl, sondern von einem unbegreiflichen geheimnisvollen Mahl, und dafür ward das heilige Abendmahl auch bei den ersten Christen gehalten, und hieß ihnen das Geheimnis.
Der Geist der Wahrheit, den Christus den Jüngern versprach, und der in alle Wahrheit leiten sollte, wird die Jünger und Christen auch hier geleitet, und Einsicht in dies Geheimnis gelehrt haben.
Aber, wo der nicht leitet und lehrt, hört die Einsicht auf, und wo die Einsicht aufhört, fängt gewöhnlich der Zank und die Erklärungssucht an, wie das auch die Händel und die Erklärungen der mittlern und neuerer Zeit und der Sakramentstreit zur Zeit der Reformation beweisen.
Luther wusste dies Geheimnis auch nicht; aber er wählte, was in solchem Fall das sicherste und beste ist. Er hielt sich ohne weiters an die Worte der Einsetzung: „Gottes Wort ist da, das saget es: da bleiben wir bei und glauben.“
Und er hielt so fest an: das ist mein Leib: das ist mein Blut, dass er, wenn eins von beiden hätte sein müssen, sich eher nach der Seite der Verwandlung hätte wenden können, als nach der Seite des Bedeutens und der alleinigen Gegenwart für den Glauben, und noch weniger mit einem bloßen Gedächtnis-Mahl zufrieden gewesen wäre.
Indes war Luther zu seiner Überzeugung nicht sogleich und leicht gekommen. Vernunft und Scharfsinn, daran es ihm sowenig als Zwingli fehlte, hatten ihn viel versucht und hart angefochten. „Das bekenne ich“, schrieb er 1524 in einem Briefe an die Straßburger Theologen, „das bekenne ich, wo Doktor Carlstadt oder jemand anders vor 5 Jahren mich hätten mögen berichten, dass im Sakrament nichts anders wäre, denn Brot und Wein, der hätte mir einen großen Dienst getan. Ich habe wohl so harte Anfechtung erlitten, und mich gerungen und gewunden, dass ich gerne heraus gewesen wäre. – Ich habe auch zween gehabt, die geschickter davon zu mir geschrieben haben, denn Doktor Carlstadt, und nicht also die Worte gemartert nach eigenem Dünkel. Aber ich bin gefangen: kann nicht heraus: der Text ist zu gewaltig da, und will sich mit Worten nicht lassen aus dem Sinne reißen.“
Wenn der Doktor Luther sich aber durch seine Zweifel einmal durchgeschlagen hatte, und mit seiner Überzeugung im reinen war, so mochte ihn auch weiter nichts erschüttern, und er war keck. – „Den Trotz sollen sie uns nicht nehmen! Solange aber der Trotz uns bleibt, wollen wir unsre Feinde fröhlich verachten und zusehen, ob sie uns diesen Christum so leichtlich, als sie meinen, verschlingen, und einen andern an seine Statt setzen mögen, von dem der Vater im Himmel nichts wisse.“ Und in einem Brief an Staupitz: – „Nicht dass ich dadurch Ew. Ehrwürden in gleiche Gefahr dächte zu führen. Ich will allein auf meine Fahr, alles, was ich hierin tu, getan haben. Christus, mein Herr, mag zusehen, ob dieser Handel, den ich führe, ihn oder Luther belange.“
So keck und heftig, und mehr als nötig gewesen wäre, war er denn auch in dem Sakramentstreit. „Wir halten“, schrieben die Straßburger Theologen an Melanchthon, „dass niemand oder wenigen gegeben sei, weil sie mit diesem Fleisch beschwert sind, dass sie etwas für Gottes Geist also handeln und verrichten mögen, dass nicht das Fleisch auch von dem Seinigen etwas mit untermenge. Es meinen auch etliche, lieber Philippe, welches Ihr uns zugute halten werdet, dass Doktor Luther die Geistlichen anders würde vermahnt haben in seinem letzten Büchlein, wenn sein Fleisch nicht auch von dem Seinigen etwas dazu getan hätte.“
Und wäre Luthern, bei seiner Kraft und Fülle, das gegeben gewesen, was niemand oder wenigen gegeben ist, wäre er nur sanft und sinnig gewesen, als Melanchthon war, und, an der andern Seite, der alte ehrwürdige Augustiner Staupitz etc., als Zwingli im Anfang war; so hätte vielleicht manches anders werden, und, auch in diesem Streit, die Einheit erhalten werden können. Denn die Lehrer der streitenden Meinungen kamen in ihren Unterredungen und Gesprächen zur Zeit der Reformation einander manchmal so nahe, dass sie selbst, bis auf Worte, einig zu sein glaubten, und auch, wenn die einen nur die Natur von Brot und Wein hätten wollen bestehen lassen, und die andern den wirklichen Genuss des Leibes und Blutes Christi bei den Nicht-Glaubenden, daran Luthern alles gelegen war, nachgegeben hätten, im Grunde wirklich einig gewesen wären.
Ja freilich, wenn das Licht sich eingemischt und gewaltet hätte; so wäre, zum Besten der Welt und zur Freude der Gutgesinnten, jedem, und jedwedem Dinge Recht geschehen, Gottes Werk und der Menschen Werk, die echten Gebräuche und Traditionen von den nachgemachten, und überhaupt der alte reine Weizen von der Spreu, in Friede, rein und lauter geschieden, und der unglücklichen Trennung gewehrt worden, die damals, an allen Seiten, Freunde und anerkannt rechtschaffene, fromme und gelehrte Leute trennte und noch trennt.
Aber Luther war kein Heiliger, und er hatte es nicht mit Heiligen zu tun. Und in dem Zustande, dahin damals die Sachen gekommen waren, ist wohl etwas von dem Sauerteig zu vergeben, und vielleicht nötig gewesen, um eine Seele zum Reformieren in Gärung zu setzen, und unerschrocken und bei Mut zu erhalten, damit doch etwas geschehe.
Luther glaubte, und vertraute Gott, betete täglich seine zwei drei Stunden, und „tröstete und entsetzte sich dann keines Dinges“, und was nach seiner Überzeugung göttliche Wahrheit und Weg zur Seligkeit war, das lag ihm wahrhaftig am Herzen.
„Ich“, schrieb er an Spalatin, „bin allezeit geneigt und bereit innezuhalten und stille zu stehen, allein dass sie nicht verbieten, göttliche Wahrheit frei zu bekennen und zu lehren. Wo sie das tun, will ich mich aller Dinge gehorsam gegen sie bezeugen, ja gerne tun, was ich nur soll, wo sie nur den Weg zur Seligkeit den Christen lassen frei und offen stehen. Dies allein begehre ich von ihnen; sonst gar nichts. Was kann ich doch Ehrlicheres begehren? Ich begehre kein Kardinal zu werden, trachte auch weder nach Gold, Ehre, Geld noch Gut. – Und weil mein Gemüt also steht, kann ich mich nicht weder für Drohungen fürchten, noch durch gute Worte und Versprechungen bewegen lassen.“
Es lässt sich wohl nichts Größeres und zugleich Tröstlichers denken, als was die Heilige Schrift von einem Leibe sagt, wo der ganze Leib sich hält an dem Haupt und von ihm durch alle Gelenke und Fugen Handreichung empfängt, und wo ein jedes Glied an dem andern hanget und eins dem andern nach seiner Maße Hülfe tut, und machet, dass der Leib wächst zu seiner selbst Besserung, bis dass wir alle hinankommen, zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes.
Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habet … Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie verträgt alles, sie duldet alles; die Liebe lässt sich nicht erbittern, sie trachtet nicht nach Schaden. – Aber sie lässt sich doch die Augen nicht verschließen, und trachtet nach Wahrheit, und sieht um sich, wo und woran es fehle.
Zum Beschluss eine Stelle aus Luthers: Ermahnung an den christlichen Adel deutscher Nation, über die Theologen seiner Zeit:
„Meine lieben Theologen haben sich aus der Mühe und Arbeit gemacht, lassen die Bibel wohl ruhen und lesen die Sententias. – Ich meine, die Bibel sollte den Doktoribus bleiben. So ist es umgekehrt. – Wie wollen wir ihm nun tun? Ich weiß keinen Rat, denn ein demütig Gebet zu Gott, dass er uns selbst Doktores der Theologie gebe. Doktores der Kunst der Arznei, der Rechten, der Sentenzen mögen der Papst, Kaiser und Universitäten machen; allein sei nur gewiss, einen Doktor der Heiligen Schrift wird dir niemand machen, denn allein der Heilige Geist im Himmel, und der fragt nicht nach roten oder braunen Pareten4), noch was des Prangens ist, auch nicht ob einer jung oder alt, Lai oder Pfaff, Mönch oder weltlich sei.“