Christoffel, Raget - Die Waldenser und ihre Brüder – 9. Pasqualis und seiner Leidensgefährten weitere Schicksale bis zu ihrem Märtyrertode in Rom den 9. September 1560.

Christoffel, Raget - Die Waldenser und ihre Brüder – 9. Pasqualis und seiner Leidensgefährten weitere Schicksale bis zu ihrem Märtyrertode in Rom den 9. September 1560.

Es tut nichts, dass ein Prophet umkomme außer Jerusalem. - Jerusalem, Jerusalem die du tötest die Propheten, und steinigst, die zu dir gesandt werden.
Luk. 13,33.34

Nachdem wir unter dem Lichte, welches uns diese Briefstellen gewähren, einen Blick in das Herz dieses treuen Dieners Christi getan, wollen wir die weiteren Schicksale der Gefangenen an der Hand der Geschichte betrachten. Nach ihrer Ankunft in Cosenza wurden die mit ihnen in Fostalda aufgenommenen Verhöre ihnen vorgelesen und die dort gemachten Aussagen von ihnen bestätigt. Mit Pasquali und Marchetto befanden sich noch zwei Waldenser, Francisco und Lodovico, welche durch Drohungen und trügerische Verheißungen, die ihnen der Auditor vom heiligen Kreuze beim Verhör machte, sich zum Widerrufe der von ihnen bekannten evangelischen Lehre bestimmen ließen. Dessen ungeachtet wurden sie noch hart gefoltert und hierauf mit den Andern im Gefängnisse verwahrt. Ihre Leiden in Folge der erlittenen Folter, sowie der Gewissensbisse, die sie über den Widerruf empfanden, waren schrecklich, so dass sie Pasquali der Fürbitte der Gemeinde dringend empfiehlt, damit sie sich von dem schweren Falle wieder erheben. möchten. Auch Marchetto, der standhaft beim Bekenntnisse der evangelischen Wahrheit verharrte, wurde gefoltert, hingegen bewahrte der Herr aus besonderer Gnade den Pasquali vor dieser Qual, obgleich er stets die größte Standhaftigkeit zeigte und die Folter ihm unter rohem Hohne angedroht wurde. Nachdem die beiden Waldenser ihren Widerruf und Pasquali und Marchetto ihre abgelegten Bekenntnisse nochmals vor dem Generalvikar bestätigt hatten, wurden sie noch bis zum 14. April hier in Cosenza verwahrt und sie hofften schon, dass sie hier den Märtyrertod erleiden dürften, damit Gott durch ihr Beispiel die armen zerstreuten Gläubigen in Calabrien zu gleicher Standhaftigkeit erweckte. Aber was Christus einst von Jerusalem gesprochen (Luk. 13, 33), das galt damals von Rom: „Es ziemt sich nicht, dass ein Prophet umkomme außerhalb Jerusalem,“ Mit noch zwei und zwanzig zur Galeere Verurteilten wurden Pasquali und seine drei Leidensgefährten den 14. April 1560 nach Neapel abgeführt. Furchtbar waren die Leiden, welche die armen Gefangenen auf dieser neun Tage dauernden Reise zu erdulden hatten. Alle trugen eiserne Ketten am Halse, durch welche ein Seil gezogen war, so dass sie alle an einander hingen. Fiel nun Einer vor Ermattung hin, so ward er unter unsäglichen Schmerzen von den Andern am Seile fortgeschleppt. Zur Nahrung ward ihnen des Tages einmal ein wenig Brot und rohes Gras gereicht, des Nachts mussten sie auf bloßer Erde ohne Decken liegen, während den Maultieren ihr gehöriges Futter gereicht und die nötige Streu unterbreitet wurde. Durch die liebevolle Vorsorge der Brüder in Guardia und San Xisto waren zwar Pasquali und seine drei Leidensgefährten vor den Qualen des Hungers geschützt, aber von der Halskette wollte ihr spanischer Führer sie nur unter der Bedingung befreien, dass sie diese Begünstigung mit Geld erkauften. Als sie diesem Verlangen nicht entsprechen konnten1), wurden ihnen überdies noch enge Handschellen angelegt, die ihnen tief ins Fleisch einschnitten und ihnen solche Schmerzen verursachten, dass sie weder Tag noch Nacht mehr Ruhe hatten. In Neapel wurden sie zunächst in das Gefängnis für gemeine Verbrecher geworfen, das von Modergeruch erfüllt war und dessen Mauern vor Feuchtigkeit tropften. Nach drei Tagen wurden Pasquali und seine Gefährten aus dieser Moderhöhle erlöst und jeder von ihnen in ein besonderes Gefängnis getan. Gegen Abend verhörte ein Dominikaner den Pasquali, indem er ihn fragte, ob er, seit er Bürger von Genf geworden, nur nach San Xisto und Guardia zu predigen gesandt worden sei. Dieser antwortete: „Ich bin ein Bürger freier Städte, die keine Feindschaft haben mit dem Königreiche Spanien und Neapel und habe auch nichts Strafwürdiges begangen; daher verlange ich, mich vor dem Vizekönige zu verantworten.“ Darauf antwortete der Dominikaner: „Der Vizekönig hat Wichtigeres zu tun als Dich und Deine Gesellen zu verhören.“ Hierauf wurden Pasquali und seine Gefährten aus dem Staatsgefängnisse in das bischöfliche versetzt, um bald nach Rom geführt zu werden. „Ich ziehe gen Rom,“ schrieb er zum letzten Male an seine Freunde in Genf, freudigen Geistes, von Gott getröstet; denn gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich durch Christum getröstet. Um seinetwillen sind wir bereit, nicht allein Verfolgungen, sondern auch den Tod zu leiden und mit unserem Blute die Lehre Christi zu besiegeln. Wir sind bekannt und offenbar der ganzen Stadt Neapel, sowie in Cosenza. Darum wünsche ich, dass meine Briefe auf meine Kosten gedruckt und nach meinem Tode hierher geschickt würden. Doch handelt hierin, wie ihr glaubt, dass es am Besten zur Erbauung des Reiches Christi und zum Sturze desjenigen des Antichrists diene.“ Um die Mitte Mai 1560 ward denn Pasquali mit seinen drei Leidensgefährten nach Rom geführt. Auf dem Schiffe benutzte er jede Gelegenheit, Zeugnisse abzulegen von seiner evangelischen Überzeugung. In Rom ward er im Turmgefängnisse Nona verwahrt, wo ihn sein älterer Bruder Bartholomeo (der von Coni mit Empfehlungen an Ghislieri, den Cardinal von Alessandria, zur Befreiung oder wenigstens zur Erleichterung des Schicksals seines geliebten Luigi hergeeilt war) in einer sehr bejammernswürdigen Lage traf. Barhaupt, an Händen und Füße so eng gefesselt, dass die Banden tief in das Fleisch einschnitten, lag der Bedauernswürdige auf der nackten feuchten Erde wie ein zum Tode verurteilter Verbrecher. Bartholomeo ward bei diesem Anblick so ergriffen, dass er vor Betrübnis sich kaum aufrecht zu halten vermochte. Luigi aber sprach zu seinem Bruder: „Bist Du ein Christ, so bekümmere Dich nicht so heftig. Weißt Du nicht, dass kein Blatt vom Baume fällt ohne den Willen Gottes.“ Lass uns vielmehr einander trösten in dem Herrn Jesu Christo, indem wir wissen, dass die Leiden dieser Zeit nicht wert sind der unendlichen Herrlichkeit.“ Da schrie der Dominikaner, der den Bartholomeo ins Gefängnis begleitet hatte, den Gefangenen zu: „Schweig still; ich will nicht, dass Du von solchen Sachen redest! Bist Du so verstockt, dass Du nicht glauben willst, was andere Leute glauben?“ Pasquali: „Ich glaube an Gott Vater, Sohn und den heiligen Geist und hoffe durch die Gnade Gottes, die mir Christus durch sein Leiden und Sterben erworben, selig zu werden.“ Dominikaner: „Du redest immer von Deinem Christus und richtest unter diesem Vorwande eine neue Lehre auf, die derjenigen der römischen Kirche, zu welcher sich viele gelehrte und heilige Männer bekennen, widerstreitet. Auch wir glauben an Christum, willst Du gelehrter sein als wir Alle?“ Pasquali: „Eines weiß ich, dass ich niemals von der Lehre der Propheten und Apostel, welche den heiligen Geist empfangen hatten, weichen werde!“ Dominikaner: Du hast Dich von Luther und Calvin zu Deinem Verderben verführen lassen.“ Pasquali: „Ich habe weder Luthern je gesehen, noch seine Bücher gelesen. Was ich glauben soll, habe ich nicht von Luthern und Calvin, sondern aus dem Evangelio gelernt.“ Dominikaner: „Es wäre Dir besser gewesen, daheim bei deinen Eltern und Brüder zu bleiben als in diese Ketzereien zu verfallen, durch die Du Alles verlieren wirst.“ Pasquali: „Ich habe nichts verlassen, das ich nicht noch immer um Jesu Christi willen, der in meinem Herzen lebt, freudig zu verlassen bereit wäre.“ Dominikaner: „Ja Dein Christus von Genf, der Dich lehrt, der Wollust und dem Wohlleben zu frönen.“ Pasquali: „In einem finsteren Gefängnisse, das von Ratten und anderem Ungeziefer wimmelt, an Händen und Füßen gefesselt, auf bloßer Erde liegen zu müssen, heißt wohl nicht Wohlleben genießen.“ Dominikaner: „Die Verdammnis Deiner Seele wird Dir noch ärgere Leiden bereiten.“ Pasquali: „Ich weiß gewiss, dass unser Herr Jesus Christus uns Alle einmal mit Gerechtigkeit richten wird.“ Vergebens waren die Bitten des Gefangenen, sowie die Verwendung des Bartholomeo und eines Dr. Rotta aus Piemont, der in Rom sich aufhielt und mit dem Vater Pasquali befreundet war, um Versetzung in ein erträgliches Gefängnis. Mit höhnender Rohheit sagte der Dominikaner: „Mit Dir und Deines Gleichen darf man kein Mitleid haben.“ Was der Dominikaner hart verweigerte, gewährte endlich der Commissarius der Inquisition, Cardinal von Alessandria2). Luigi Pasquali wurde in ein wohnlicheres Gefängnis versetzt und seinem Bruder Bartholomeo gestattet, öfters ihn daselbst in Begleitung zweier menschlicher fühlenden Geistlichen zu besuchen. Der Eine derselben war ein Decan von Vienne, der sich in Rom aufhielt, um ein Buch gegen Calvin zu schreiben und der Andere ein Carmelitermönch. Diese äußerten Teilnahme mit dem Gefangenen, indem sie ihm sagten, seine Leiden gehen ihnen zu Herzen. Wenn er aber ihren Rate folgen wolle, so wollten sie ihm ihren Beistand leihen, der schon Vielen in ähnlichen Fällen nützlich gewesen. Darauf erwiderte Pasquali: „Ich danke Gott, dass er mich in meinen langwierigen Leiden Leute finden lässt, die sich noch meiner erbarmen; ich danke auch Euch für die freundliche Gesinnung, die Ihr gegen mich äußert. Mir hat aber Gott eine solche Erkenntnis Christi verliehen, dass ich darin nicht irren kann. Ich weiß auch, dass ich den Kreuzesweg wandeln und mit meinem Blute meinen Glauben besiegeln muss. Wenn ich mich dessen weigern wollte, so wäre ich seiner nicht wert. Darum versuchet nicht weiter, mich von der Wahrheit abwendig zu machen.“ Hierauf sagte der Dekan: „Mein Bruder hier und ich gedenken auch nur durch Christum selig zu werden; indem wir ihn ebenfalls für den einigen Grund unserer Seligkeit halten.“ Pasquali: „Wenn Christus wahrhaftig von der römischen Kirche für den einigen Grund der Seligkeit gehalten würde, so wären längst viele Irrtümer, die noch in derselben herrschen, verschwunden.“ Bartholomeo bat seinen gefangenen Bruder, er möchte sich doch etwas nachgiebiger zeigen, damit er sein Leben erhalte und sich aus dieser Gefangenschaft rette. Er wolle ihm gerne die Hälfte seiner Güter geben, wenn er seine Ansichten ändern wolle, damit er mit ihm zu den Eltern und Verwandten zurückkehren könne. Darauf erwiderte Luigi unter Tränen: „die Gefahr für dein Seelenheil schmerzt mich mehr als die Banden an meinen Händen und Füßen. Du hangest noch so am Irdischen, dass Du darob des Himmlischen vergisst, ich aber sehne mich so nach dem Himmel, dass ich darob alle Güter der Erde, ja auch mein Leben gering achte. Ich halte Christum mit meinem Herzen so innig umfasst, dass mich nichts von ihm zu scheiden vermag.“ Von nun an gab Bartholomeo alle Hoffnung auf seinen Bruder zu retten; daher richtete er sein Bestreben darauf, dessen Gefangenschaft für zwei bis drei Jahre zu verlängern, indem er sich erbot, die Kosten für ihn zu tragen. Aber bald musste er sich überzeugen, dass auch dieser Versuch zu Gunsten des Gefangenen umsonst sei, indem das Inquisitionstribunal solches durchaus nicht gewähren wollte. Durch seine Teilnahme für seinen Bruder hatte er sich selbst verdächtig gemacht, so dass er sich auf einen ihm gewordenen Wink in der Stille eiligst aus Rom nach der Heimat begeben musste, um den Schlingen der Inquisition zu entgehen. Von diesem Zeitpunkte an ward keinem befreundeten Menschen mehr Zutritt zu den Gefangenen gestattet, obgleich in Rom auch damals noch mehrere evangelische Waldenser im Verborgenen sich befanden, denen Pasquali wohl bekannt war.

Später kam ein Bericht nach Coni über die öffentliche Verurteilung und Hinrichtung Pasqualis, der uns Folgendes meldet: „Am 8. September 1560 ward er aus dem Gefängnisse nach Santa Maria della Minerva geführt, wo ihm die verschiedenen mit ihm aufgenommenen Verhöre vorgelesen und von ihm aufs Neue bestätigt wurden. Am 9. September wurde er sodann auf Campo di Fiore geführt, wo Pius IV. und seine Kardinäle auch sich eingefunden, um dem traurigen Schauspiele seiner Hinrichtung beizuwohnen. Beim Anblicke des Papstes und seiner Kardinäle sowie der versammelten Volksmenge sprach Pasquali mit lauter Stimme: „Ich sterbe als ein Bekenner Jesu Christi und seiner Lehre. Alle aber, welche den Papst für einen Statthalter Christi und für einen Gott auf Erden halten, befinden sich in einem verderblichen Irrtume; dieweil er sich durch die Tat als den ärgsten Feind der Lehre Christi und des wahren Glaubens erweist. Ja alle seine Anschläge und Handlungen zeugen laut, dass er der wirkliche Antichrist sei.“ Doch der Mund dieses Wahrheitszeugen musste bald verstummen. Er ward erdrosselt und sein Leichnam von den Flammen eines Scheiterhaufens verzehrt. Wer aber treu ist bis zum Tod, dem wird die Krone des Lebens gereicht.

1)
Pasquali besaß nur noch zwei Dukaten, die er zur Bestreitung seiner notwendigsten Lebensbedürfnisse behalten musste.
2)
Der Cardinal von Alessandria zeigte in diesem Falle eine größere menschliche Nachsicht, als man sie sonst an ihm wahrzunehmen gewohnt ist.
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