Christoffel, Raget - Gebete für die Union zwischen den zwei evangelischen Schwesterkirchen.
Die Väter und Lehrer der reformirten Kirche erkannten von jeher, daß das Werk der Union zwischen den beiden Schwesterkirchen nicht vom menschlichen Wollen und Ringen allein abhänge, sondern vor Allem von Dem, der die Herzen der Menschen wie Wasserbäche zu leiten vermag. Deswegen hat auch die reformirte Kirche je und je die Union mit der evangelisch-lutherischen Schwesterkirche auf dem Wege des Gebetes gesucht. So betete Zwingli gleich Anfangs, als der Riß durch die erneuerte Kirche sich zu bilden begann, in dem bekannten Sendschreiben an den Reutlinger Stadtpfarrer Matthäus Alber auf folgende Weise: „Allmächtiger Gott, leite Du uns auf den richtigen Weg, und so wir irgend Etwas gegen die Wahrheit beginnen wollen, so sende Du Deinen Engel, daß er uns, wenn wir uns irgend vom Frevelmuthe der Unwissenheit oder Ruhmsucht irre leiten lassen wollten, an die Mauer drücke, damit uns der Fuß zerschmettert, d. h. der unlautere und unreine Fleischessinn gedämpft werde und wir nicht weiter den Namen unseres Gottes lästern“. Ebenso betete der schweizerische Reformator im Eingange seiner ersten Streitschrift,1) die er gegen Luther schrieb: „Erfülle du, Schöpfer, Herr und Vater Aller, wir bitten sich darum, uns mit deinem milden Geiste, und vertreibe von beiden Seiten alle Nebel des Unverstandes und der Leidenschaften, wie Du vormals die wogenden Gewässer der Sündfluth durch deine gewaltigen Winde in die Tiefe getrieben und auf der allernährenden Erde die Fülle der Gewächse und Früchte wieder aufsprießen und reifen ließest! Mach Ende, Herr! dem Streite und Zanke und der blinden Wuth! Erhebe dich, Christus, du liebliche Sonne der Gerechtigkeit und bescheine uns mit deinen milden Strahlen. Ach, während wir streiten, versäumen wir nur zu oft, nach der Heiligung zu ringen, die du von uns allen forderst! Denn du weißt, o Herr, daß wir nie gebessert aus den Weltkämpfen hervorgehen, dieweil sie Fleischwerke sind, die jeden beflecken, der sich darin verflicht, während die Frommen sich stets zu ihrem Heile denselben entziehen. Bewahre uns darum, o Herr! vor solchem Streite, damit wir unsere Kräfte nicht darin mißbrauchen, sondern sie mit ganzem Ernste auf das Werk der Heiligung richten und anwenden. Amen“. Im gleichen Geiste hat auch der Verfasser obigen Votums dasselbe mit folgendem Gebete geschlossen: „Du heiliger und gerechter Gott, wie unergründlich sind deine Gerichte und wie unerforschlich deine Wege, insonderheit diejenigen, durch welche du dein Volk führst zu seiner Pflanzung und Leitung, zu seiner Beschützung und Beschirmung, zu seiner Erniederung und Erhöhung, wie zu seiner Rettung und gnädigen Erlösung. Wie du dein altes israelitisches Volk gefangen gehalten im leiblichen Aegypten und Babylon und es dann aber auch mit deinen starken Armen ausgeführt hast, also hast du auch gegen unsere Väter gethan. Du hast sie aus den Fesseln und von dem drückenden Joche der Menschensatzungen, in welche ihre Gewissen und Seelen verstrickt waren, erlöst und sie aus der Finsterniß herausgeführt, indem du das Licht des heiligen Evangeliums wiederum auf den Leuchter gestellt hast. Zu derselben Zeit ward ihr Mund voll Lachens und ihre Zunge voll Rühmens, und. frohlockend sangen sie: „Du, Herr, hast herrliche Dinge an uns gethan!“. Aber du, o gerechter Gott, hast auch zugelassen, daß unter deinem Volke eine traurige Trennung und Spaltung in der Lehre und in den Gemüthern entstanden ist, wodurch dein Volk nicht geringeren Schaden erlitten hat, als einst Israel, da das Reich in zwei Theile zerfiel. Ach, wie oft hat diese traurige Trennung verursacht, daß unsere Feinde sich über uns freuen konnten! Wir wollen nicht fragen: 0 heiliger Gott, warum hast du dieses gethan? sondern wir wollen die Hand auf unsern Mund legen und sagen: O Herr, du bist gerecht und alle deine Werke sind gerecht. Aber, o Herr, du wollest auch nach deiner Gnade diesen deinen Gerichten ein Ziel setzen. Wenn du aber durch solche Spaltungen dein Volk noch weiter zu züchtigen beschlossen hast, so geschehe dein Wille; ist es aber dein Wille, diese Risse und Wunden zu heilen, und sollte die Zeit dazu erschienen sein, so offenbare es, o Herr, in diesen Tagen, da die, so Zion gram sind, sich nicht verbergen, sondern offen zeigen, daß sie die hassen, welche Jesu Christo allein anhangen. Ach Herr, laß in diesen unseren Tagen nicht zu, daß die Kinder der Finsterniß klüger seien, als die Kinder des Lichtes! Baue die zerrissenen Mauern Jerusalems! Erwecke die gekrönten und gefürsteten Häupter, daß sie rathen und helfen zu dem langersehnten Frieden in der evangelischen Kirche! Leite die Herzen derer, welche deine Gefäße tragen, das ist, im Dienste deines Wortes arbeiten, daß sie friedfertige, liebreiche Gesinnungen hegen. Dämpfe alle übermäßige Hitze und verleihe aller Orten Gedanken des Friedens! Verbinde, o Fürst des Friedens, unser aller Herzen in deiner Liebe. Erwecke und besänftige du alle Herzen und lege selbst Hand an dieses große Werk der Vereinigung. Verleihe uns allen die Gnade, daß wir mit einem heiligen Wandel und gottseligen Leben befördern helfen, was zum Frieden dient. Der Gott der Geduld und des Trostes verleihe uns, daß wir einig gesinnet seien untereinander in Christo Jesu, auf daß wir einmüthig und mit einem Munde Gott, den Vater unseres Herrn Jesu Christ, loben mögen! Dein heilsamer Friede bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu und verleihe uns Gnade, daß wir als Brüder einträchtig beieinander wohnen und uns des gewissen Segens und Lebens ewiglich freuen mögen! Amen“.
Aus der Basler Liturgie von 1666.
„Laß auch das Feuer der Trennung der Evangelischen nicht weiter um sich fressen, sondern dämpfe es, wenn es Dein heiliger Wille ist, und leite evangelische Fürsten und Häupter dahin, daß sie auf eine Dir wohlgefällige Vereinigung, zur Beförderung Deiner göttlichen Wahrheit, bedacht seien“.