Chalmers, Thomas - Über das ausschweifende Leben großer Städte.
Epheser 5, 6.
In einer Beziehung weicht der sittliche Maßstab der Menschen ganz augenscheinlich von dem reinen, allgemein gültigen Maßstab ab, den Gott für das Verhalten der Seinigen festgesetzt hat. Die Menschen stellen keine strengen Forderungen an einander, wo ihr persönliches und besonderes Interesse nicht sehr nahe oder unmittelbar berührt wird. Für alle Verletzungen der Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschlichkeit sind sie höchst empfindlich, weil diese am deutlichsten und fühlbarsten dem persönlichen Interesse Eintrag tun. Und so kommt es, dass die gesellschaftlichen Tugenden, ohne direkt von Gott geboten zu sein, immer einen gewissen Grad der Hochachtung und Verehrung für sich beanspruchen können, und dass wir oft aus dem Munde gottloser Menschen ein lautes Zeugnis des Abscheus gegen alle jene Laster vernehmen, welche wir mit der allgemeinen Bezeichnung Sünden der Ehrlosigkeit benennen können.
Dies trifft nicht zu bei einer anderen Klasse von Sünden, die sich als Sünden der Ausschweifung bezeichnen lassen. Diese berühren nicht so fühlbar und direkt die Sicherheit des menschlichen Besitzes, dessen, worauf der Mensch den größten Wert setzt. Aber der Mensch ist ein eigennütziges Geschöpf und dieser Zug der Selbstsucht verleiht seiner Beurteilung des Bösen und Abscheulichen an jenen Sünden eine Schärfe, welche wir in seinem Urteil über die letzteren Sünden gar nicht finden. Zwar, wenn man die ganze Summe des Bösen, das sie in unsere Gesellschaft bringen, berechnen könnte, so fände man, dass die Laster der Ausschweifung ungemein viel beitragen, den Frieden, die Freude und auch die damit zusammenhängenden Tugenden in der Welt zu zerstören, und dass wenn diese Laster ausgerottet werden könnten, dadurch das zeitliche Wohl des Einzelnen sowohl als der Familien ganz bedeutend gesteigert würde. Aber die enge Beziehung zwischen der Charaktereigenschaft der Mäßigkeit und dem allgemeinen Wohl tritt nicht so stark hervor, weil sie entfernter liegt als die Beziehung zwischen der Charaktereigenschaft der Ehrlichkeit und dem allgemeinen Wohl; und da der Mensch nicht nur ein selbstsüchtiges, sondern auch ein kurzsichtiges Geschöpf ist, so folgt daraus, dass während deutlich ein Verdammungsurteil in jedem Fall von Veruntreuung und Ungerechtigkeit gehört wird, Beispiele der Ausgelassenheit hingegen rings um uns vorkommen können, die einerseits mit der größten Gleichgültigkeit berichtet, anderseits mit der vollständigsten und duldsamsten Genugtuung angehört werden.
Da also ist ein Punkt, wo die allgemeine Sittlichkeit der Welt sich im stärksten unversöhnlichen Widerspruch mit dem Gesetze Gottes befindet. Da ist ein Fall, wo der Ausspruch des Gerichtes der öffentlichen Meinung so lautet und derjenige, welcher vom heiligen Richterstuhl Gottes kommt, ganz anders. Wenn diese zwei Aussprüche übereinstimmen, kann der Grundsatz, in Folge dessen man ihrer vereinigten und übereinstimmenden Autorität Folge leistet, ganz gleich lauten; und ihr könnet religiöse und unreligiöse Menschen die Forderungen der Billigkeit und der Höflichkeit gleich gut erfüllen sehen. Aber wenn diese beiden Stimmen sich widerstreiten, wenn die eine gewisse Gewohnheiten des Lebens als verbrecherisch darstellt und durch das Zeugnis der andern gar nicht unterstützt wird, dann sind wir nicht mehr im Unklaren über vermischte Beweggründe und verschiedene Autoritäten. Der Charakter der zwei verschiedenen Parteien tritt aus der Verschwommenheit, die ihn umgab, heraus. Das Gesetz Gottes verdammt zwar den unehrlichen Mann gewiss ebenso streng wie den, der sich Ausschweifungen hingibt. Aber das ganze Gewicht der menschlichen Verdammung lastet auf dem Haupte des ersteren, und daher kommt es, dass wir an den göttlichen Forderungen einen schärfern Prüfstein des Prinzips haben und ausreichenderen Stoff für die Lösung der Frage sammeln können: „Wer ist mit dem Herrn der Heerscharen und wer ist wider ihn?“
Der Text, den wir euch vorgelegt haben, fasst die Verteidiger eines ausschweifenden Lebens scharf ins Auge. Er ist der ewigen Wahrheit gleich, die sich selbst verkündet, damit sie unter den Verirrungen und Täuschungen einer leichtsinnigen Welt gehört werde. Er ist wie Gott selbst, der wie er einst aus einer Wolke die Ägypter ansah, so auch jetzt die Seelen derer beunruhigt, welche das Vergnügen mehr lieben als ihn. Er ist wie eine Stimme vom Himmel, welche die Stimme der menschlichen Gesellschaft übertönt und einen Warnungsruf unter dem leichtfertigen Geschlecht erschallen lässt. Er ist wie ein aufgeschlagenes Blatt in jenem Buche von höherer Justiz, nach welcher wir am Tage der unser wartenden Verantwortung werden gerichtet werden, und welche uns ein Gesetz vor Augen hält, das, wenn wir es ignorieren, jenen Tag zum Tage unserer gewissen Verdammung umwandeln wird. In dieser feierlichen Erklärung Gottes werden die Worte der Menschen in Bezug auf ungesetzlichen und ungeheiligten Genuss in Anspruch genommen und sie werden vergebliche Worte genannt. Er setzt die Autorität menschlicher Meinungen ganz beiseite und nach einem unwiderruflichen Beschlusse behauptet er die Autorität, die nur ihm zukommt, mit solcher Bestimmtheit, dass daraus bis ans Ende der Zeiten ein bleibendes Denkmal seines Willens geworden ist und die Wahrhaftigkeit des Gesetzgebers gebunden ist, den Urteilsspruch des Zornes an allen denen zu erfüllen, die ihre Seelen durch den Trug der Sünde verhärtet haben. Es besteht in der Tat eine merkwürdige Täuschung hinsichtlich unseres Gegenstandes und wir werden in diesem Verse davor gewarnt: „Lasst euch Niemand verführen mit vergeblichen Worten, denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.“
Im vorhergehenden Vers ist eine Aufzählung von Lastern, welche die im Texte angedeuteten Dinge erklärt; und ich gebe euch zu bedenken, es ist eine solche Aufzählung, dass Furcht und Schrecken vor dem zukünftigen Zorne unausbleiblich werden, nicht für den Menschen, der in seiner eigenen Person alle angeführten Arten der Sünde vereinigt, sondern für denjenigen, der irgendeine derselben vollbringt. Es ist nicht, wie ihr bemerken werdet, das Bindewort „und“, sondern das Bindewort „oder“, das dazwischen steht. Es ist nicht, wie wenn wir sagten, dass der Mensch, welcher unehrlich und ausschweifend und lüstern und gefühllos ist, das Reich Gottes nicht ererben werde, sondern der Mensch, welcher entweder unehrlich oder ausschweifend oder lüstern oder gefühllos ist. Auf Grund einer einzigen, euch ausschließlich zukommenden Eigenschaft wird Gott euch als seine Feinde ansehen. Die Entschuldigung, dass wir ein wenig leichtsinnig sind, aber dabei ein gutes Herz haben, ist endgültig abgeschnitten durch diesen Teil von Gesetz und Zeugnis. In einer entsprechenden Stelle im neunten Vers des sechsten Kapitels der ersten Epistel Pauli an die Korinther bemerken wir die gleiche Eigentümlichkeit in der Aufzählung derjenigen, welche von der Gnade Gottes ausgeschlossen sein und die Last des Zornes Gottes die ganze Ewigkeit hindurch auf sich haben werden. Es ist nicht der Mensch, welcher alle diese angeführten Charakterfehler hat, sondern derjenige, welcher irgendeinen einzelnen derselben aufweist. Einige von ihnen sind die Sünden der Ehrlosigkeit, andere die der Ausschweifung; und als ob er die Möglichkeit eines hierdurch verschuldeten Selbstbetruges vorausgesehen hätte, warnt er uns: Lasst euch nicht verführen, denn weder die Hurer, noch die Unzüchtigen, noch die Götzendiener, noch Diebe, noch Geizige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes ererben.
Derjenige, welcher das ganze Gesetz hält, verfehlt sich aber in einem, der ist in Allem schuldig geworden, sagt der Apostel Jacobus. Ungehorsam in diesem einen Punkt zeigt nämlich klarer, wie es mit seiner Treue gegen Gott steht, als das Halten aller andern. Es ist vielleicht der einzige Punkt, wo die Art seiner Treue wirklich auf die Probe gestellt wird. Vielleicht folgte er nur darum dem Gesetze Gottes, weil es seiner eigenen Neigung nicht widersprach, und er würde also dasselbe getan haben, auch wenn es gar kein Gesetz gegeben hätte. Die eine Übertretung desselben hat vielleicht in dem einzigen Fall stattgefunden, wo der Wille des Geschöpfes und derjenige des Schöpfers tatsächlich in Zwiespalt kamen, und die Folge beweist, welcher von den Beiden das höhere Recht beanspruchen darf. Treue gegen Gott ist nur ein Grundsatz und kann mit einem kurzen summarischen Ausdruck bezeichnet werden; aber ein einziger Fall des Ungehorsams kann ein so gänzliches Aufgeben des Grundsatzes in sich schließen, dass Gott dadurch ganz von dem Throne seiner Herrschaft gestürzt wird. Die Rechnung zwischen Geschöpf und Schöpfer ist also nicht wie eine, die aus verschiedenen Posten besteht, wo das Tilgen eines einzelnen Postens nur einen kleinen Abzug von der ganzen Summe schuldigen Gehorsams machen würde. Wenn du einen einzigen Posten dieser Rechnung auslässt und ein Anderer es sich zum Grundsatz macht, das Ganze zu berichtigen und abzuzahlen, dann unterscheidet sich dein Charakter von dem seinigen nicht durch eine leise Differenz im Ergebnis, sondern er steht mit dem deinigen in direktem und diametralem Gegensatz. Wir bemerken, dass während bei ihm der Wille Gottes die Herrschaft über all seine Neigungen hat, bei dir eine Neigung wenigstens die Herrschaft über den Willen Gottes ausübt; dass während sein Herz nur von einem einzigen. Grundsatz erfüllt ist, nämlich sich gehorsam dem Gesetz unterzuordnen, in dem deinigen ein anderer herrscht, welcher, sobald sich eine verführerische Gelegenheit bietet, eine Tat der Schuld erzeugt; dass, während man von ihm sagen kann, Gott wohne und lebe in seinem Herzen, bei dir ein böser Gast weilt, der seinen Wohnsitz in deinem Herzen aufgeschlagen hat und hier je nach Umständen entweder schlummert oder in geschäftiger Tätigkeit ist; dass, während er ehrlich seinen Zweck verfolgt, nichts zu tun, das Gott missfällt, bei dir der Zweck nicht nur verschieden, sondern entgegengesetzt ist, nämlich etwas zu tun, was ihm missfällt. Und es handelt sich hier nicht nur um eine Verschiedenheit des Grades, sondern um eine Verschiedenheit des Wesens. Es werden uns nicht zwei Schattierungen derselben Farbe vor Augen gestellt, sondern zwei entschiedene Farben in so grellem Gegensatz wie Licht und Schatten. Und der Gegensatz zwischen teilweisem und völligem Gehorsam ist von der Art, dass, während Gott den einen unbedingt als sein Recht verlangt, er in dem andern nichts als den Ausdruck des Trotzes gegen ihn und seine Herrschaft sieht.
Es verhält sich genauso in der Ordnung des Staates. Ein Mann verwirkt seine bürgerlichen Rechte durch eine einzige Tat des Ungehorsams. Er braucht nicht die Schuld aller verbrecherischen Abscheulichkeiten auf sich zu laden, bis die von ihm übertretenen Gesetze seines Landes sein Leben zum Pfande fordern. Durch die Verübung eines einzigen Verbrechens hat er sich die ganze Rache des Staates zugezogen und das Todesurteil ergeht über einen einzigen Mord oder Betrug oder gewaltsamen Raubanfall.
Und denkt einmal nach, wie es mit der ganzen Gesinnung eines Menschen gegen seinen Gott steht, wenn er z. B. die Laster der Ausschweifung, denen er ergeben ist, bemänteln möchte, indem er in Hinsicht auf die Sünden der Ehrlosigkeit, von denen er sich frei weiß, seine völlige Unschuld betont. Denkt an den wahren Zustand der Seele dessen, der sagen kann: „Ich will Gott gefallen, aber nur wenn ich auch selbst daran Gefallen finde; oder ich will seinem Gesetz willfahren, aber nur in den Fällen, wo ich dadurch auch die Rechte der Gesellschaft ehre und ihre Erwartungen erfülle; oder ich will mich von seiner Ansicht über Recht und Unrecht bestimmen lassen, aber nur wenn sie in der Ansicht meiner Umgebung eine mächtige und wirksame Bestätigung findet. Aber in andern Fällen, wenn es sich bloß um die Frage zwischen Mensch und Gott handelt, wenn er der Einzige ist, mit dem ich es zu tun habe, wenn sein Wille und sein Zorn die einzigen Elemente sind, welche die Entscheidung herbeiführen sollen; wenn das letzte Gericht und die Ewigkeit und die Stimme dessen, der vom Himmel spricht, die einzigen Erwägungen sind, welche in Betracht kommen - dann fühle ich mich viel freier, dann werde ich meinen eigenen. Weg gehen, den Ratschlägen meines eigenen Herzens folgen und dem Lichte meiner eigenen Augen vertrauen.“ O wenn das Alles bloß gelegt wird am Tage der Verantwortung und der Erforscher der Herzen seinen Urteilsspruch verkündet und dieser so lautet, dass es den Gewissen aller Versammelten sich aufdrängt: wahr und gerecht sind die Gerichte Gottes, dann gibt es manchen ehrenhaften Mann, welcher mit dem Beifall und dem guten Zeugnis seiner Mitmenschen durch diese Welt gewandelt ist, ohne irgend welchen Makel auf seinem guten Namen, außer dem sehr leichten gewisser harmloser Schwächen und gewisser gutmütiger Eigenheiten; welcher aber, wenn er vor dem Richterstuhl erscheint, überführt werden wird, dass er seinen eigenen Willen sich zum Gotte gemacht und seine Tage in tatsächlicher, gewohnheitsmäßiger Gottlosigkeit zugebracht hat.
Und diese Beweisführung wird nicht geschwächt durch die Tatsache, dass wir ja alle in einen Zustand der Sünde und Gebrechlichkeit gefallen sind. Es gilt sogar von den Heiligen dieser Erde, dass sie Sünden begehen. Aber in eine Sünde fallen und diese Sünde vorsätzlich begehen, sind zwei verschiedene Dinge. Es macht sich in der Seele eines jeden wahren Christen der lebendige Grundsatz geltend, der Sünde zu widerstehen, und es gehört zum eigentlichen Wesen dieses Grundsatzes, aller Sünde zu widerstehen. Er erlaubt keine bereitwillige Nachsicht gegen diese oder jene Sünde. Eine solche Nachsicht würde nicht nur das Wesen dessen, was wir das Grundprinzip der Wiedergeburt nennen können, verändern, sondern es ganz zerstören. Der Mensch der ein Jünger Christi sein will, führt allenthalben einen schonungslosen Kampf gegen alle Sünde. Er hat Christus zu seinem einzigen Herrn erwählt und kämpft daher gegen die Herrschaft jedes andern. Beharrlich und unablässig strengt er sich an, Alles zu verlassen, um ihm nachzufolgen, sodass, wenn seine Leistungen nicht hinter seinen Bemühungen zurückblieben, man eine Übereinstimmung nicht nur mit einzelnen Vorschriften, sondern mit dem ganzen Gesetz Gottes sähe. Jedenfalls ist das Bemühen ein redliches und insofern erfolgreich, als die Sünde nicht die Herrschaft hat; und wir sind sicher, dass in einem solchen Gemütszustand die Laster der Ausschweifung nicht vorkommen können. Diese Laster können eher vermieden und überwunden werden, als z. B. die des Temperaments, dass, wenn die Ausschweifung noch zum Charakter gehört und sich in dem Verhalten eines Menschen zeigt, wir keinen deutlicheren Beweis über die geistige Verfassung desselben haben können, denn er ist offenbar einer von denen, welche auf dem breiten Wege wandeln, der zum Verderben führt. Wir brauchen nicht weiter zu forschen, um seinen gegenwärtigen Zustand als den eines Rebellen beurteilen zu können und zu erkennen, dass seine Aussichten für die Zukunft darin bestehen, eine Ewigkeit in der Hölle zuzubringen. Da bedarf es keines zögernden Abwägens in dieser Sache. Der Mensch, der ein Leben der Ausschweifung beginnt, wirft seinem Gott den Fehdehandschuh hin. Der Mensch, der auf dieser Bahn weiter schreitet, steht immer auf dem Kriegsfuße mit ihm.
Lasst uns nun versuchen, dem Ursprung, dem Fortschritt und den Wirkungen eines ausschweifenden Lebens nachzuspüren.
Erstens. Von einer großen Zahl junger Leute kann man sagen, sie seien, wenn sie in die Welt hinauskommen, durch die vorangehende Erziehung zu Hause nicht hinreichend gegen die Versuchungen gewappnet worden. Gewöhnlich kommen sie aus dem väterlichem Hause ganz unbewaffnet und unvorbereitet für den Kampf, der ihrer wartet. Wenn der Geist bloß weltlicher Sittlichkeit in ihrer eigenen Familie herrscht, dann können sie beim Betreten eines größeren Schauplatzes ihrer Tätigkeit kaum vor allen denjenigen Lastern geschützt werden, über die die Welt ruhig lächelt oder die sie wenigstens duldet. Sie haben in früher Kindheit vielleicht von der Schändlichkeit einer Lüge gehört. Man hat ihnen vielleicht die Tugenden der Pünktlichkeit, der Sparsamkeit und der Gewissenhaftigkeit in Geschäften eingepflanzt. Sie hörten immer mit Beifall und Achtung sprechen von gutem Betragen, so weit wenigstens der Maßstab landläufiger Sittlichkeit in ihrer Umgebung reichte; und dies schließt wohl, wie wir gerne zugeben, ein Zeugnis gegen alle jene Sünden der Ausschweifung in sich, die ihnen bei der Förderung ihrer weltlichen Interessen schaden würden. Aber lasst mich fragen, ob es nicht Eltern gibt, welche, nachdem sie das Geschäft der Erziehung so weit geführt haben, es unterlassen, es weiter zu führen; welche, obschon sie es als eine schwere Prüfung ihrer Familie betrauern würden, wenn einer ihrer Söhne den gröbsten Ausschweifungen zum Opfer fiele, doch die mildern Formen des Leichtsinns dulden; Eltern, welche, statt die Frage als eine Wahl zwischen Himmel und Hölle anzusehen, sich mit demjenigen Maß guten Betragens begnügen, das sie vor Schande und Verderben in dieser Welt schützt; welche, so lange sie darüber beruhigt sind, keine großen Einwendungen zu machen haben, wenn er einen mäßigen Anteil an den weltlichen Lüsten nimmt; welche fühlen, dass in diesem Punkt eine Notwendigkeit und Macht des Beispiels herrscht, deren man sich einfach nicht erwehren kann, und in die man sich ergeben muss; welche sich irrtümlicher Weise einbilden, dass es unmöglich sei, diesem Übel abzuhelfen und sagen, dass das Geschäftsleben nun einmal durchgemacht und bei dieser Laufbahn etwas eingebüßt werden müsse; dass man um Erfolg zu haben, sich einigermaßen den andern Menschen anpassen müsse; und da es ein so wichtiger Punkt ist, den Kreis der Verbindungen zu erweitern, so dürfe ihr Sohn nach ihrer Ansicht weder ein sehr zurückgezogenes noch absonderliches Leben führen; auch dürfe man seinen geselligen Verkehr nicht allzu scharf bewachen oder belauschen, oder ihn über seine Verpflichtungen, seine Freunde, seine Ausgaben zu streng kontrollieren; oder vergessen, dass, während es eine Zeit, einen Lebensabschnitt gibt, nüchtern und ernst zu sein, es auch einen gibt, da man sich ohne Zwang der Freude hingeben darf; und wir können aus der Erinnerung an unsere eigenen Jugendtorheiten einen Grund zur Nachsicht für diesen Fall finden; und überhaupt lässt sich nichts dagegen machen, und es scheint uns, dass um ihn ganz und gar abzuhalten, je in Ausschweifungen zu geraten, man ihn auch ganz und gar von der Welt fern halten, damit aber auch alle seine Aussichten auf Erfolg in dieser Welt aufgeben und auf das vorgesteckte Ziel verzichten müsste, dass er einst in dem Maß für seine Angehörigen sorge, wie wir es eben für unumgänglich notwendig halten.
„Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit,“ sagt die Schrift, „so wird euch alles solches zufallen.“ Das ist die Verheißung, auf welche sich der Glaube eines christlichen Vaters stützt; und indem er der Gefahr für die weltlichen Interessen seiner Kinder Trotz bietet, erzieht er sie in der Zucht und Vermahnung des Herrn; er erhebt laut seine Stimme gegen die Ungerechtigkeit jeden Grades und in jeder Form; und solange die Macht der Zucht in seinen Händen liegt, wird er immer darauf dringen, dass ein lauterer und unbedingter Gehorsam willig geleistet werde; er wird keine Ausnahme dulden; allem, was die Sonderstellung Widerwärtiges mit sich bringt und was den Bruch mit Sitte und Brauch der Welt bedenklich macht, wird er ruhig die Stirn bieten, und in der Überzeugung, dass es die Aufgabe seines Lebens sei, sich und den Seinigen in der Stadt, die ewigen Grund hat, Heimatsrecht zu sichern, verwirft er alle Ratschläge einer sogenannten Lebensklugheit, wie man sie ihm in seinen Bekanntenkreisen aufzudringen sucht. Er kennt den Preis seines Christentums, nämlich dass es heißt, mit der Welt brechen und nicht um eines geringfügigen Vorteils willen, den sie zu bieten hat, das ewige Heil der Kinder aufs Spiel setzen. Und jenen Eltern, die einem andern Geiste und andern Grundsätzen folgen, lasst uns sagen, dass sie gewissermaßen die Schuld eines Menschenopfers auf sich laden, dass sie ihre Kinder auf dem Altare eines Götzen darbringen, dass sie an der Herausforderung des göttlichen Zornes wider sie, ihren Anteil haben; und an dem Tage, wo jener Zorn sich offenbaren wird, werden sie nicht nur das Stöhnen ihrer Verzweiflung, sondern auch das Geschrei ihrer bittersten Verwünschungen zu hören bekommen. An jenem Tage wird der vorwurfsvolle Blick ihrer eigenen vernachlässigten Kinder über die dunkle, grenzenlose Zukunft, die vor ihnen liegt, einen noch tieferen Schatten des Elends werfen. Und wenn zur Zeit, da die Propheten den Israeliten den Unwillen des Höchsten verkündeten, es als der abscheulichste ihrer Gräuel verurteilt wurde, dass sie ihre Kinder dem Moloch durchs Feuer gehen ließen; so wisst, ihr Eltern, die ihr, um euren Kindern die Möglichkeit gewinnreichen Erwerbes zu verschaffen, sie ohne Bedenken mitten in eine Verkehrtheit hineingeführt habt, welche sie stündlich so nach umgibt, dass sie ohne ein Wunder verloren gehen müssen, ihr habt dem Gott dieser Welt geopfert, ihr habt denen, die nach euch kommen, geboten, ihn als den großen Götzen ihres Lebens anzubeten; ihr seid Schuld, dass eure Kinder sich ihm nahten und damit durch das Feuer solcher Versuchungen hindurchgingen, dass sie darin umkamen.
Wir wollen euch nicht ein zu trauriges Bild dieses traurigen Gegenstandes vor Augen malen. Was wir hier sagen, ist nicht in allen Fällen anwendbar. Sogar in unsern größten und verdorbensten Städten findet man Eltern, welche es wagen, lieber jedem trügerischen, wenn auch noch so schmeichelhaften Wahn mannhaft zu entsagen, als dass sie das Christentum ihrer Kinder preisgeben. Und was uns noch rührender scheint: wir sehen über das ganze Land zerstreut Eltern, welche diese Welt als eine Pilgrimschaft für die künftige betrachten und alle Glieder ihrer Familie als Mitpilger, die mit ihnen zur Ewigkeit wandern; welche mit dem echten Geist der Gläubigen die Verantwortung für das Heil ihrer Kinder als ihre erste und wichtigste Aufgabe betrachten und durch Gebet und Ermahnung und Vorbild von dem Augenblicke an ohne Unterlass an ihren Seelen gearbeitet haben, als das Licht des Verstandes in ihnen aufdämmerte; welche sie gelehrt haben, vor dem Weg der Gottlosen zu erschrecken und keinen Umgang zu haben mit denen, die Gottes Gebote nicht halten; und in der Geschichte dieser frommen Familie gibt es keinen traurigeren Tag, als wenn die Zeit zur Abreise des ältesten Sohnes gekommen ist, wenn er seiner Heimat mit all dem Frieden und der Einfachheit, die darin wohnen, Lebewohl sagen muss; und wenn er im Geiste die ferne Stadt erblickt, die ihn aufnehmen soll, schreckt er davor zurück, als gelte es in eine unbekannte Wildnis zu gehen, und es ist sein fester Entschluss, sich von den Gefahren und der Verdorbenheit, welche sie verunstalten, fern zu halten, und wenn die Sünder ihn doch verlocken sollten, ihrem Verlangen nicht nachzugeben und nie, nie zu vergessen die Lehren, die des Vaters Weisheit ihm gegeben, noch die Liebe, womit die Mutter für ihn betet.
Lasst uns nun zweitens, nachdem wir von den Verhältnissen geredet, wie sie beim Eintritt der jungen Leute in die Welt liegen, jenen Stand der Dinge ins Auge fassen, wie er sich uns darstellt, wenn sie mehr oder weniger mit ihr bekannt geworden sind; wenn die Kinder der Gottlosen und die Kinder der Frommen sich auf gleichem Boden treffen; wenn das Geschäft sie im gleichen Zimmer in nähern Verkehr mit einander bringt und die Macht der Gewohnheit sie Alle zwingt, zu gewissen Zeiten sich zu vereinigen, um an den gleichen Gesellschaften, den gleichen Vergnügungen Teil zu nehmen; wenn der jährliche Zuwachs durch Jünglinge vom Lande mit jener Alles ausgleichenden Masse der Verdorbenheit, die sich in der Stadt so fest eingewurzelt hat, in Berührung kommt; wenn der schwache, schüchterne Knabe nun einen schweren und heißen Kampf mit der abgestumpften Bosheit derjenigen, die vor ihm da waren, bestehen muss; wenn Spott und Beispiel und die eitlen Worte einer Alles wissenden Überlegenheit, die vor seinen Ohren die Abscheulichkeit des Lasters bemänteln, auf ihn einstürmen, um seine Bedenken zu schwächen, seine Gewissensbisse zu ersticken, welche er beim Aufgeben seiner Grundsätze und seiner Unschuld noch etwa fühlen möchte; wenn seine Stellung unter den Fremden. ihm die Überzeugung aufdrängt, dass er, um auf gutem Fuße mit seiner Umgebung leben zu können, er sich ihr anpassen müsse; wenn eine Stimme, ähnlich der Stimme beschützender Freundschaft, ihn zum Feste ladet und ein Empfang, ähnlich dem Willkomm aufrichtiger Güte, seinen Eintritt in die Gesellschaft begrüßt, ein Geist, gleich dem Geiste anregender Freude die Gastfreundschaft, wie sie sich seinen Augen darstellt, belebt und eine Stunde des Entzückens um die andere auf den Flügeln fröhlicher Luft und heiteren Gesanges dahinfliegt, und nachdem der Ehre, der guten Brüderschaft, der Vaterlandsliebe die schuldigen Trankopfer gespendet worden sind, zuletzt die Fleischeslust unter lautem und allgemeinem Beifall am Tische ihrer geselligen Unterhaltung als die herrschende Göttin ausgerufen wird.
Und nun müssen wir noch das allgemeine Resultat einer Entwicklung ins Auge fassen, welche die meisten unserer Jünglinge auf ihrem Weg zum Mannesalter durchmachen müssen. Das Resultat ist, dass die meisten in alle diese Ausschweifungen eingeweiht werden und den vollen Becher der Lust austrinken. Diejenigen, denen ihre Eltern den weltlichen Geist eingepflanzt haben, werden in ihrer Laufbahn nicht aufgehalten, weder durch den Widerstand ihrer eigenen Freunde, noch durch die Stimme ihres Gewissens. Diejenigen aber, denen ein Geist anderer Art eingepflanzt worden und die die böse Welt damit im Streite liegen sahen, und zuletzt nachgaben, taten es, wie wir gewiss annehmen dürfen, mit manchem Seufzer, manchem Kampf und manchem Rückblick auf frühere Jahre, da man sie Kindergebete lehrte und sie in einer Heimat der Gottesfurcht und Frömmigkeit erzogen wurden; und sogar jetzt noch wird des Vaters letzter Rat beim Abschied ihm von Zeit zu Zeit zu Sinne kommen und ein Brief von dem guten alten Mann die Empfänglichkeit fürs Gute, die ihn einst bewahrte und zierte, in ihm wieder wachrufen, und zuweilen werden flüchtige Gewissensbisse seinen inneren Kampf kundtun; und wenn er die Sündhaftigkeit und Verdorbenheit seiner gegenwärtigen Genossen mit der Heiligkeit alles dessen, was er in seinem Vaterhause hörte oder sah, vergleicht, möchte es fast scheinen, als ob das Gewissen wieder seine Macht geltend machen, und der züchtigende Geist Gottes ihn von den bösen Wegen zurückrufen wollte; auf seinem unruhigen Lager martern ihn Bilder der Schuld und es schweben ihm die Schrecken des Gerichtes vor, um ihn auf andere Bahnen zu bringen; viele traurige Stunden des Missbehagens wird es geben, wo er eingestehen muss, dass, indem er seine Seele für die Freuden der Sünde vertauscht, er damit auch den Frieden und den wahren Genuss der Welt eingebüßt hat. Aber ach! Die Verstrickungen der Kameradschaft haben ihn ganz erfasst, und die Tyrannei festgewurzelter Gewohnheit ist Herr aller seiner Bestrebungen; die regelmäßige Gelegenheit kommt wieder und das laute Lachen seiner Sündengenossen vertreibt für einige Zeit alle Niedergeschlagenheit; die Verblendung nimmt mit jedem Monat zu, und sein Herz wird mehr und mehr verhärtet; der Trug der Sünde wächst mit überraschender Schnelligkeit, er wird zuletzt einer ihrer lautesten und entschiedensten Anhänger, und so unterstützt er seinerseits die Verschwörung, die gegen die Moralität des heranwachsenden Geschlechtes ins Werk gesetzt ist; und dahin ist jene angeborene Feinfühligkeit früherer Tage: er eignet sich einen Ton abgelebter, durchtriebener, gefühlloser Verdorbenheit an, und so pflanzt sich das Übel fort von Jahr zu Jahr, und die Sündengeschichte unserer dichtbevölkerten Städte nimmt ihren ununterbrochenen Verlauf.
Und hier lasst uns ein Wort zu den in der Verdorbenheit Erfahrenen sagen, zu jenen, die der Ausgelassenheit ihrer jüngeren Bekannten Vorschub und Hilfe leisten, die sie ohne Bedenken in die Geheimnisse der Sünde einweihen, und sich nichts daraus machen, wenn die Hoffnung eines Vaters unter der Ansteckung ihres nichtswürdigen Beispiels erstirbt und zunichte wird. Nur insofern sie sich selber bekehren, können wir ihnen die Vergebung des Evangeliums zusprechen. Nur wenn sie selbst gereinigt, geheiligt und gerechtfertigt sind, können wir ihnen für ihre Person Erlösung von dem zukünftigen Zorn verkünden. Aber trotz des Geheimnisses, welches über der göttlichen Regierung der Zukunft im Jenseits schwebt, wissen wir, dass die Hölle verschiedene Grade des Leidens hat, und dass, während Einige nur wenige Schläge empfangen, Andere mit vielen gezüchtigt werden. Und so gewiss als diejenigen, welche Viele zur Gerechtigkeit führen, leuchten werden wie die Sterne für alle Ewigkeit, so gewiss werden diejenigen, welche der Sache der Ungerechtigkeit ihren Schutz leihen, diejenigen, welche Andere auf den Weg locken, der zu des Todes Kammern führt, diejenigen, welche ohne Bedenken, der Vernichtung jugendlicher Unschuld zuschauen und zustimmen, ganz gewiss werden sie, das darf man mit Bestimmtheit sagen, am jüngsten Tage ein schwereres Gericht empfangen, und durch alle Ewigkeit werden sie den Fluch eines zornigeren Unwillens zu tragen haben.
Nachdem wir nun Anfang und Fortgang eines ausschweifenden Lebens ins Auge gefasst haben, wollen wir drittens noch das gewöhnliche Ende desselben betrachten. Wir sprechen jetzt nicht vom kommenden Tod und vom kommenden Gericht, sondern von der Umwandlung, welche bei manchem ausschweifenden Weltmenschen stattfindet, wenn er, wie man sagt, ein gesetzter Mann wird, und er das anständige Wesen eines rechtschaffenen Familienvaters annimmt und den Freuden und der Ausgelassenheit der Jugend Lebewohl sagt; nicht weil er sie bereut, sondern weil er ihnen entwachsen ist. Ihr begreift Alle, wie das ohne irgendwelchen Zug des Herzens zu Gott, ohne irgendeine Erleuchtung von oben geschehen kann, dass Viele es tun auch ohne dabei nur an ihn und sein Gebot zu denken, dass es in diesem Fall nicht ein Tausch des Götzen der Lust an Gott den Herrn ist, sondern nur eines Götzen für einen anderen, und dass nach all dieser gerühmten Umwandlung wir noch den gleichen Leib der Sünde und des Todes sehen, nur mit einer anderen Hülle darüber. Er mag Nüchternheit angenommen haben, aber keine Frömmigkeit. Der Übergang von einer Art des Ungehorsams zu einer anderen ist leicht und nicht selten; aber es ist nicht so leicht, jene Widerspenstigkeit des Herzens aufzugeben, welche allem Ungehorsam zu Grunde liegt. Es mag leicht sein, nachdem die Ausschweifungen in der gewöhnlichen Reihenfolge durchgekostet sind, vor den Augen seiner Umgebung sich einen anderen Anschein zu geben, aber es ist nicht so leicht, jene Ärgernis gebende Niederlage wieder gut zu machen, die das religiöse Prinzip erleidet, wenn ein Mensch gleich bei seinem Eintritt in die Welt sich der Macht ihrer Verlockungen ergibt. Solcher waren euer Etliche, sagt der Apostel; aber ihr seid gereinigt, geheiligt und gerechtfertigt. Unser gesetzte Mann kennt aber die Bedeutung eines solchen Vorganges nicht, und er hat sich in der Geschichte seines eigenen Lebens ganz gewiss nicht zugetragen. Wir wollen nicht bestimmen, was für einen anderen Zweck er jetzt verfolgt. Es mag Reichtum sein, oder Ehrgeiz, oder Wissenschaft, aber es ist nichts, was mit dem Wohl seiner Seele zu tun hat. Es steht in gar keiner Beziehung zu den Sorgen, welche bei der engen Verwandtschaft zwischen dem Geschöpf und dem Schöpfer uns bekümmern sollen. Der Mann hat sich von dem ausschweifenden Leben zurückgezogen, und das vielleicht für immer, er hat einen anderen Weg eingeschlagen, aber immer noch seinen eigenen Weg. Es ist weder der Weg noch der Wille Gottes, den er sucht. Ein solcher Mann kann nun der Leichtfertigkeit für sich selbst entsagen, aber er leistet der Verdorbenheit Anderer Vorschub. Er verleiht ihr das ganze Gewicht seiner Autorität und seines Beifalls. Er übt auf die jungen Leute, ich stehe nicht an es auszusprechen, eine Macht der Verführung aus, welche, wenn auch direkt nicht so erschreckend, doch weit gefährlicher ist als die offenen Versuchungen derer, die im unmittelbaren Dienste des Lasters stehen. Gegen die bewusste und überlegte Verschwörung derer, welche unter einer selbstgegebenen Ordnung sich vereinigen, kann man, da sie offenkundig ist, sich vorsehen und wappnen. Aber wie ist der Verschwörung in ihren Verzweigungen beizukommen? Wie sollen wir das schleichende Gift, das von den Lippen ehrbarer Bürger fließt, unschädlich machen? Wie können wir den falschen Glanz verwischen, den das Lächeln von Vorgesetzten und älteren Männern dem Dienste verbotener Lüste verleiht? Wie können wir die bestrickende Afterweisheit entwaffnen, die allen diesen unzweideutigen Beweisen des Wohlgefallens von Seiten erfahrener und geachteter Männer zu Grunde liegt? Wie ist es möglich, den Fortschritt dieses traurigen Übels durch alle Geschäftsbeziehungen und alle gesellschaftlichen Verbindungen zu verfolgen? Wie können wir dem Einfluss schlechten Umgangs Einhalt tun, wenn der Freund und der Prinzipal und der Mann, der uns durch höfliche Einladungen ausgezeichnet hat, seinen eigenen Familientisch in eine Pflanzschule der Frivolität verwandelt? Müssen wir nicht fast daran verzweifeln, je auf Erden ein reines und heiliges Geschlecht heranwachsen zu sehen, wenn sogar Eltern ihre schmutzigen Reden vor den Ohren ihrer eigenen Kinder führen, wenn Laster, Witz und Fröhlichkeit ohne Unterschied in Eine Unterhaltung verschmolzen werden; wenn sowohl die Eingeweihten als die Neulinge in der Verworfenheit immer bereit sind, dem Manne der seine Unterhaltungsgabe so missbrauchen kann, mit lautem Lachen zu schmeicheln und sich angenehm zu machen? Ach, dass doch ein starker Arm diesen festen, weit verbreiteten Bund der Gottlosigkeit vernichten möchte; dass doch der Posaunenton einer durchdringenden, prophetischen Stimme unsere starken Geister von dem schädlichen Einfluss überführen könnte, den sie auf die Sittlichkeit des jüngeren Geschlechtes ausüben!
Indessen sind wir nicht blind für die Tatsache, dass sich in den vergangenen Jahren die gesellschaftlichen Manieren äußerlich gebessert haben. Wir finden nicht mehr die gleiche Rohheit im Gespräch, nicht mehr das gleiche ungeduldige Verlangen, dass der Geistliche, der als Ehrengast zum Beginn des Festes geladen worden, sich zurückziehen möchte, indem Rücksichten auf sein Amt ihn zwangen, wenn die Fröhlichkeit einen gewissen Grad erreicht hatte, die Gesellschaft zu verlassen. Man verlangt es nicht mehr so streng als eine unumgängliche Forderung des guten Tones, dass er überhaupt zugegen sei. Und wenn die Allgewalt der Sitte je einen solchen Zwang auf einen Diener der christlichen Kirche legen wollte, so ist das ein Zwang, dem er sich nun und nimmer unterwerfen sollte. Ihm steht es nicht wohl an, durch seine Gegenwart einen festlichen Anlass zu weihen, an dem er nicht bis zu Ende teilnehmen könnte. Ihm steht es nicht an, auch nur für eine Stunde sich in der Gesellschaft von Männern blicken zu lassen, die anfangen mit Heuchelei und aufhören mit Schande. Ihm steht es nicht an, den Fortschritt der kommenden Schwelgerei zu beobachten und den gut gewählten Moment zu treffen, wenn die Zügellosigkeit der Unterhaltung und der Lärm der Ausgelassenheit auf dem Punkt ist, loszubrechen und die Anwesenden bis auf den höchsten Gipfel ungeregelter Lustbarkeit mit fortzureißen. Zu sagen, er habe durch seine Gegenwart nur einen Teil einer solchen Unterhaltung gebilligt, hat keinen Sinn. Er hat dem Ganzen seinen Beifall gezollt und ohne weiteres all den nachfolgenden Unfug gerechtfertigt; und darum, wer sie auch sein mögen, ob sie zu dem stolzesten Adel unseres Landes zählen, oder als die reichsten Kaufleute der Stadt in Prachtkarossen einherfahren, ihm kommt es zu, sich mit ebenso großer Entrüstung gänzlich von solcher Gesellschaft fern zu halten, als er es den niedrigsten und gemeinsten Versammlungen des Lasters gegenüber tun würde.
Und nun kommen wir zu der wichtigen Frage: Wie kann man diesen schrecklichen Strom der Verderbnis am wirksamsten eindämmen, dem so viele Elemente der Gewalt und Kraft zufließen, dass er dem gewöhnlichen Beobachter ganz unwiderstehlich erscheint? Es ist leichter eine verneinende als eine bejahende Antwort auf diese Frage zu geben. Und daher lasst mich die Aufmerksamkeit vor Allem darauf richten, dass es kein Mittel zur wirksamen Bekämpfung des Übels gibt, das nicht mit dem Wachstum und der Verbreitung persönlichen Christenglaubens über das ganze Land in engster Verbindung stände. Wenn die religiöse Überzeugung unter der Bevölkerung eines Landes keinen Zuwachs erfährt, so wird das Laster sich hartnäckig auch der geschicktesten, einleuchtendsten und vernünftigsten Organisation zu dessen Vertilgung widersetzen. Es soll euch nicht verborgen bleiben, dass es weder in dem Bereich der Gefängnisse, noch der Korrektionsanstalten liegt, eine fühlbare Abnahme der Gottlosigkeit unseres Geschlechtes zu bewirken. Die Aufgabe besteht eher darin, das Übel zu verhüten als zu heilen. Es gilt auf die Jugend zu wirken, und über die ganze Zeit, während deren sie auf ihrem Wege nach einer festen Lebensstellung Versuchungen aller Art ausgesetzt ist, einen wohltätigen Einfluss geltend zu machen; ein hoher Grad sittlicher Reinheit muss in den Herzen vieler Mitbürger Wurzel fassen; und ihre Tätigkeit wird, wenn durch den Kanal des Familienlebens und anderer gesellschaftlicher Verbindungen geleitet, bewirken, was ein ganzes System künstlicher Machenschaften nie zu Stande gebracht hätte, so lange der Geist und der Charakter der Gesellschaft bleiben, was sie sind. Mit anderen Worten: es wird keine spürbare Besserung der herrschenden Zustände eintreten, es sei denn, dass das persönliche Christentum in der Welt an Boden gewinne, und daher fragt es sich einzig, auf welche Weise die Zahl jener christlichen Eltern sich vermehren laffe, die ihren Kindern für den Eintritt in das Leben Charakterfestigkeit mitgeben; wie die Zahl jener christlichen Jünglinge zu mehren sei, die es wagen, ihre eigenen Wege zu gehen, als Beschützer und Berater den jüngeren Genossen Engelsdienste zu leisten; wie die Zahl jener Christen im vorgerückteren Mannesalter vergrößert werden könnte, die, sofern es in ihrer Macht steht, den in der Gesellschaft herrschenden Ton ändern und die Macht jenes stillen, aber höchst verführerischen Beifalls brechen, welcher so viel dazu beigetragen hat, einen beschönigenden Schleier über die Sünden eines ausschweifenden Lebens zu werfen.
Eine solche Frage kann jetzt weder in allen einzelnen Beziehungen, noch im großen Ganzen erörtert werden. Wir müssen uns daher einfach damit begnügen, dass, wie wir schon versucht haben, die Gleichgültigkeit der Eltern ebenso wie die gefühllose Rohheit jener jungen Männer zu tadeln, welche ihre ansteckende Leichtfertigkeit dem ganzen Kreis ihrer Bekannten mitteilen, wir jetzt auch kurz versuchen wollen, den Männern mittleren und vorgerückteren Alters ihren Teil der Verantwortung für die sittliche Tüchtigkeit des heranwachsenden Geschlechtes zuzuweisen. Zur Erreichung dieses großen Zweckes ist es durchaus nicht nötig, sie schulgerecht mit schönen feinausgedachten Regeln zu bemühen. Könnten wir ihnen nur den Wunsch danach und ein Gefühl der Verpflichtung dazu beibringen, so fänden sie bald selbst den richtigen Weg, ihren eigenen Einfluss zur Förderung sittlicher Reinheit und Tugend unter den jungen Leuten geltend zu machen. Könnten wir ihnen nur das Gewissen in dieser Hinsicht schärfen, so würde es kaum nötig sein, ihren Verstand zu leiten oder zu erleuchten. Könnten wir sie nur dazu bringen, Christen zu sein, und ihr Christentum mit in das Geschäftsleben zu nehmen, so würden sie sich einer großen Verantwortlichkeit bewusst werden und nicht vergessen, dass Zeit, Mühe und Sorgfalt der Erreichung dieses Zweckes gewidmet sein wollen. Es hat, da es hierbei weder ein Geheimnis noch eigentliche Schwierigkeiten gibt, gar keinen Sinn, zu fragen: Was können sie tun? Denn ist es nicht eine in die Augen fallende Tatsache, dass schon viel durch die bloße Macht des Beispiels geleistet werden kann? Oder könnte denn nicht der Prinzipal eines Geschäftes den durchdringenden Einfluss seiner eigenen Grundsätze wenigstens auf einige seiner Untergebenen übertragen? Oder könnte er nicht eine solche Wahl unter denselben treffen, dass die böse Ansteckung so weit wie immer nur möglich von seinen Angestellten fern bliebe? Oder könnte er nicht diejenigen, die es verdienen, in einer Art ermutigen, dass sie in ihrem sittlichen Streben an ihm eine Stütze fänden? Oder könnte er nicht mit dem Schild seines Beifalls und seiner Zustimmung den hartbedrängten Jüngling vor dem Spott seiner Kameraden schützen? Oder könnte er nicht durch ein kurzes Gespräch freundlicher Teilnahme in ihm die Willenskraft zu tugendhaftem Widerstande stählen? Würden nicht vermöge dieser und tausend anderer Mittel, welche denen, die den guten Willen dazu haben, leicht einfallen, heilende Wasserquellen durch die verdorbensten Häuser in unserer Handelswelt fließen, so dass für alleinstehende, junge Leute keine Gefahr in den Arbeitsräumen derselben zu befürchten wäre; und könnte es so nicht möglich werden, in das Geschäftsleben einzutreten, ohne sich solchen Versuchungen auszusetzen, welche das Laster, die Gottlosigkeit und endlich die ewige Verdammnis unvermeidlich nach sich ziehen? Wären die Christen nur offen und furchtlos und brächten sie ihre Religion mit in ihren Handel, und stünden uns in dieser Stadt nur ein einziges Hundert solcher Häuser zu Gebote, wo die Sorgfalt und der Charakter des Prinzipals für die strenge Sittlichkeit aller Untergebenen Bürgschaft leistete, so wäre das wie ein Stück sorgfältig kultivierten Bodens inmitten einer schrecklichen Wildnis; die Eltern wüssten dann, wohin sie sich vertrauensvoll wenden könnten, um ihre Söhne unterzubringen, und wir würden dann, was so sehr zu wünschen ist, deutlich den Unterschied zwischen der Kirche und der Welt wahrnehmen, und ein so köstliches Gut wie das der Unsterblichkeit der Kinder würde nicht länger dem Spiel zufälliger Umstände anheimgegeben sein, wie sie aufs Geratewohl in der Masse einer bunt durcheinander gewürfelten Gesellschaft sich zusammengefunden haben. Und so könnte die Frömmigkeit des väterlichen Hauses auch auf den Schauplatz des alltäglichen Geschäftslebens verpflanzt werden; und anstatt zu Grunde zu gehen, wie es jetzt der Fall sein muss, wo die Ansteckung in jeder Richtung um sich greift und die ganze Gesellschaft durchzieht, könnten unsere Jünglinge die sittlich reine Luft des Volkes Gottes atmen und, erlöst aus einer Welt, die im Argen liegt, zu gesunder Blüte gelangen.