Chalmers, Thomas - Auszüge aus bemerkenswerten Reden, chronologisch geordnet.
1. Die Erhebung des Vaterlandes.
Aus einer Fasttagspredigt.
20. Oktober 1803.
Lasst uns vor den Gefahren, die uns umgeben, nicht erzittern. Lasst uns furchtlos bleiben, auch wenn ein Feind sich wider uns lagern sollte. Wie, in des Himmels Namen, wir sollten unser Leben und unsere Freiheit dem Übermute eines zügellosen Ehrgeizes opfern? Wir sollten jene heiligen Privilegien, die durch das Blut unserer Vorfahren gefestigt wurden, preisgeben? Der Puls eines Britten schlägt hoch, wenn es sich um die Unabhängigkeit handelt. Die Knechtschaft zu verachten ist das stolzeste Gefühl seines Herzens. Er hat es von seiner Kindheit an gehegt; es glüht auch in den geringsten Hütten der Armut; es veredelt das unscheinbarste Leben. Unter den Schlägen des Schicksals hält er die Würde eines ungebrochenen Geistes aufrecht; er freut sich seines ihm selbst bewussten Wertes, nicht als ein Liebling des Glückes, nicht als der Gebieter über eine ausgedehnte Herrschaft, der dies Regiment der Laune über einen Stamm von Untertanen führt, nicht als das Kind einer erblichen Grandezza, das auf den Ruhm einer langen und erlauchten Ahnenreihe pochen kann er freut sich seines Wertes als ein Mann, als ein Mann, dessen Rechte von den Gesetzen des Landes geachtet werden, und dessen Tugenden den Beifall eines gleichgesinnten Volkes finden. In einem Lande wie das unsrige ist, haben wir nichts zu fürchten von der Anmaßung der Macht; denn sie muss sich beugen vor der Strenge einer unparteiischen Gerechtigkeit. In einem Lande wie das unsrige ist, haben wir nichts zu fürchten von der Bestechlichkeit unserer Gerichtshöfe, denn sie fühlen, dass sie unter der Kontrolle der öffentlichen Meinung stehen, und dass aller Glanz, den die Würde des Amtes verleiht, nicht im Stande ist, ihre Ungerechtigkeit vor dem Unwillen eines großmütigen und aufgeklärten Volkes zu schützen. In einem Lande wie das unsrige haben wir nichts zu fürchten von den Versuchen des Aufruhrs, denn unsere gemeinsamen Interessen nötigen uns, denselben uns zu widersetzen und die Gewalttätigkeiten der betörten Parteigänger zu kontrollieren. In einem Lande wie das unsrige haben wir nichts zu fürchten von der Raserei revolutionärer Ausschreitungen; denn bei bei den Segnungen, die wir jetzt genießen, würde der Volkswille sich einmütig erheben, um ihr zu widerstehen. In einem Lande wie das unsrige ist, haben wir nichts zu fürchten von der Herrschsucht einer nach Willkür handelnden Regierung; denn unsere Regenten haben gelernt, die Macht der Stimme des Volkes zu respektieren und sie fühlen, dass ihre beste Sicherheit in den Herzen ihrer Untertanen liegt. Und soll solch ein Land beim Herannahen eines Eroberers erbeben? Soll sein Patriotismus in der Stunde der Gefahr ermatten und sterben? Wird es jene ehrwürdige Gesetzgebung preisgeben, die durch die Weisheit der Jahrhunderte geschaffen worden ist? Wird es den Thron preisgeben, der mit den persönlichen Tugenden dessen geschmückt ist, welcher ihn inne hat? Wird es das Christentum preisgeben, das von unseren Vorfahren auf uns gekommen ist und das zu lieben und zu verehren wir von unserer Kindheit an gelehrt worden sind? Wird es die Felder preisgeben, welche der Fleiß ihrer Bewohner mit den schönsten Schätzen der Kultur bereichert hat? Wird es seine Städte und Dörfer der Zerstörung preisgeben? Wird es seine Wohnstätten dem Übermut einer brutalen und gefühllosen Soldateska preisgeben? Nein. Lasst es den Eroberer versuchen, wenn er mag; er wird es versuchen zu seinem Verderben. Der Stolz eines beleidigten Landes wird sich erheben, um die Zwecke seines Ehrgeizes zu vereiteln und den Glanz seiner früheren Siege wird verdunkelt werden durch die Schmach, die seiner wartet.
Wenn wir uns selbst nicht aufgeben, so haben wir nichts zu fürchten von den beleidigenden Drohungen Frankreichs. Und wie sollte ich auch nur für einen Augenblick mich dem schändlichen Verdachte hingeben und es für möglich halten, dass ein Mann unter uns ist, der schwach genug wäre, sich durch die feigen Vorstellungen der Furcht einschüchtern zu lassen? Wie sollte ich es auch nur eine Minute lang für möglich halten, dass ein Mann unter uns ist, der in diesen unruhigen Zeiten sich an der Sache seines Vaterlandes als Verräter erwiese? Eher würde ich meine Türe den wilden Banditen Frankreichs öffnen, als einen solchen Menschen meines Vertrauens würdigen. Gegen einen offenen Feind kann ich mich schützen; er warnt mich vor der Gefahr; er nötigt mich zu einer Verteidigungsstellung und ich trotze seiner Wut. Aber anders verhält es sich mit diesen aufrührerischen und hinterlistigen Menschen, die im Innern des Landes lauern. Sie sind Schlangen im Grase. Sie sind Nattern der Bosheit, die wir an unserem Busen nähren. Sie sind fähig, die heiligsten Schwüre zu brechen und die besten Freunde zu betrügen. Unter der Maske des Patriotismus ersinnen sie ihre Pläne des Verrats; und das Land, das, wenn einig und entschlossen, der Feindschaft von ganz Europa Trotz bieten würde, ist allen Schrecken einer Insurrektion preisgegeben. Aber es ist mir eine Genugtuung, dass kein solcher Geist in unserer Nähe ist. Es ist mir eine Genugtuung, dass das Herz eines Jeden, der mich jetzt hört, vom Gefühl des reinsten Patriotismus durchdrungen ist, dass das Herz eines Jeden, der mich jetzt hört, die stolzeste Verachtung empfindet, sollte Frankreich oder irgendeine andere Macht unter dem Himmel es wagen, unsere Unabhängigkeit anzutasten und den Frieden unserer Heimat zu stören drohen.
Möge der Tag, an dem Bonaparte den Thron Britanniens besteigt, der letzte meines Lebens sein; möge ich der Erste sein, der das Schafott besteigt, welches er errichtet, um das Leben und den Geist der Nation zu ersticken; möge mein Blut mit dem Blut der Patrioten sich mengen und möge ich sterben an der Schwelle des Altars, auf dem die Freiheit der Britten geopfert wurde! Das kommende Jahr ist voller Rätsel. Es kann uns in die Schrecken eines verheerenden Krieges verwickeln. Es kann die Beschaffenheit der zivilisierten Welt bestimmen. Es kann über die Ruhe der kommenden Geschlechter die Entscheidung bringen. Es kann dem Ehrgeiz eine furchtbare Lektion erteilen und die Nationen Europas lehren, was es heißt, an dem Gestade eines großen und hochherzigen Landes einen Einfall zu machen.
2. Abendmahlsrede
Ihr habt jetzt die größte Feier unseres heiligen Glaubens vollendet und möge es nicht eine unnütze Feier sein. Ich hoffe, dass die Gefühle, von denen ihr am Gnadentische erfüllt seid, euch nie verlassen werden und dass ihr sie mit euch in die Welt nehmen werdet und dass eure Frömmigkeit, statt bloß der Gehorsam eines Tages oder eines Festes zu sein, zum Vater der Geister aufsteigen wird wie der Weihrauch eines immerwährenden Opfers. Ihr seid schwach, aber Gott kann seine Kraft in eurer Schwachheit vollkommen machen - ihr seid verderbt, aber der Christenglaube hat Mittel gegen diese Verderbtheit ihr seid schuldbeladen, aber Gottes freie Gnade gilt Allen, die sich von ihren bösen Wegen abwenden und am Thron des Himmels ihren Glauben, ihre Demut und ihre Reue zum Opfer bringen. Etliche sind geneigt, sich selbst der Verzweiflung hinzugeben, weil sie das Gewicht ihrer eigenen Sündhaftigkeit fühlen. Aber ihr seid nicht die Ersten, die diese Entdeckung machen. Das Christentum setzt voraus, dass wir mit Sünde behaftet seien, das ist die Grundlage, auf der jene Gnadenmitteilung beruht, welche der Heiland der Welt gebracht hat. Es ist wahr, dass wir schwach und schuldbeladen sind und um uns von der Verzweiflung über diese Schwachheit und Schuld zu retten, wurde das Christentum gegründet. In der Gnade des Evangeliums ist ein umfassendes Heilmittel Allen angeboten, die sich in dieser Lage fühlen - da ist die Kraft von Christi Genugtuung -da ist die sterbende Liebe eines mächtigen und hingebenden Erlösers - da ist die Stimme seines Erbarmens - da ist die Zartheit seines Mitgefühls - da ist die Freundlichkeit seiner Einladung: Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid und ich will euch Ruhe geben.
Es geschah, um ein Gedächtnis der Liebe dieses freundlichen und mächtigen Erlösers zu feiern, dass ihr heute an dem Sakramente Teil genommen habt und ihr habt wohlgetan, seiner Liebe zu gedenken. Ihr habt dem Himmel das Bekenntnis abgelegt, dass ihr Ihn liebt; und was den besten und kräftigsten Beweis anbetrifft, den ihr von dieser Liebe geben könnt, so verweise ich euch auf die Schrift: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote.“ Wie kann ich denn wissen, dass ihr die Feier würdig begangen habt? Gott weiß es, denn er sieht in eure Herzen; aber ich habe diesen Vorteil nicht, ich kann nicht durch die listigen Anschläge der Heuchelei dringen, ich kann die Behauptungen der Unaufrichtigkeit und Falschheit nicht entkräften, ich kann nicht einen verborgenen Plag einnehmen und mit dem Blick eines Alles sehenden Auges die Tücke, die Verstellung, die Kulte, die verhärtete Gefühlslosigkeit entdecken, die in der Brust eines unwürdigen Kommunikanten lauert. Ich habe nichts vor mir, um danach die Frage zu entscheiden, ich kann nur nach den äußeren Erscheinungen, die zu meiner Kenntnis kommen, urteilen; und es ist unmöglich, dass in der kurzen Frist weniger Stunden solche Erscheinungen sollten vorgekommen sein, die mich in den Stand setzen, die Frage zu lösen. Alles was vor Menschen geschieht, ist eine ernste, würdige und wohlgeordnete Zeremonie. Ich sehe den Ernst fast auf jedem Antlitz. Ich sehe eine unverkennbare Verehrung für diese rührende Feier unserer heiligen Religion. Ich sehe die Spuren der Aufmerksamkeit in jedem Auge und wenn ich berechtigt wäre, nach einer so kurzen Erfahrung ein Urteil zu fällen, so würde ich sagen, dass ich nichts sehe als die verheißungsvollsten und befriedigendsten Anzeichen. Aber eine wichtige Frage bleibt. Wird dies Alles von Dauer sein? werden die guten Regungen, werden die frommen Vorsätze, wird die heilige Stimme der Reue und der Besserung nachhaltig sein und zu fortgesetzter und unablässiger Gewöhnung führen? Gott allein kann jetzt darauf eine Antwort geben.
Denn er allein kennt den Charakter eines jeden Kommunikanten, er kennt die Kraft oder die Schwachheit eurer Vorsätze, er kennt die Aufrichtigkeit oder die Falschheit eurer Gelübde, er weiß, ob ihr euch gebunden habt in jenem Geiste der Zuversicht, der enttäuscht sein wird, oder in jenem Geiste der Demut, den sein Geist zum Gedeihen und Triumphiren führen wird. Damit ich irgendetwas mit Sicherheit hierüber sagen könne, muss ich etwas mehr Erfahrung haben. Ich kann die Richtigkeit eurer Grundsähe nur nach ihren Wirkungen beurteilen, ich kann die Aufrichtigkeit eurer Buße nur nach eurer Erneuerung beurteilen, ich kann die evangelische Kraft eures Glaubens nur danach beurteilen, dass er die friedsame Frucht der Gerechtigkeit in Fülle hervorbringt. Wenn ich im Lenz des Jahres über das Land hin Umschau halte, so sehe ich dasselbe prangen in all der Pracht und Fülle des Wachstums, ich sehe die Blume in ihrer Lieblichkeit, ich sehe den Stängel, der sie trägt, ich sehe die Blätter und die sich ausbreitenden Zweige, aber die Wurzel ist für mich unsichtbar, auch würde ich nichts vom Dasein einer Wurzel gewusst haben, wenn nicht das Wachstum, das sie erzeugt, erkennbar wäre. Wenn ich unter den menschlichen Wesen meiner Umgebung Umschau halte, so sehe ich nichts als ihre äußere Erscheinung, ich höre ihre Worte, ich sehe ihr Verhalten, ich bemerke ihr Betragen, ich lausche ihrem Gespräche, ich beobachte ihre Handlungen. Die Wurzel und die Ursache von alledem ist für mich unsichtbar. Gott allein kann das unmittelbar wahrnehmen, aber ich kann von dem gedeihlichen Wachstum auf die gesunde Wurzel schließen.
Sei also ein Christ in deinem Betragen und ich werde daraus schließen, dass du ein Christ in deinen Grundsätzen seiest. Lass mich das gedeihliche Wachstum sehen und ich werde auf die gesunde Wurzel schließen und auf eine reichliche Ernte hoffen; lass mich die Frucht der Gerechtigkeit in deinem Verhalten sehen und ich schließe daraus, dass in dir eine Wurzel und evangelische Gesinnung ist, und ich hoffe auf einen reichen Lohn. Möge die Feier dieses Tages in der Hand der Vorsehung das Mittel sein, die Kraft dieser Wurzel zu vermehren; möge sie vom Tau des Himmels befeuchtet werden; möge sie noch stärker und unbeweglicher in euren Herzen werden; möge sie durch den Segen des Herrn erfrischt werden, damit sie im Stande sei, eine so reiche Ernte der Tugend und Gerechtigkeit zu bringen, dass sie zu seiner Verherrlichung und zur Ehre seiner Religion auf Erden beiträgt. Wenn im Verlaufe meiner Bekanntschaft mit euch ich euch gehorsam finde gegen das Evangelium, aufmerksam gegen seine Verordnungen, tapfer, wo seine Ehre und seine Interessen es erfordern, eifrig es zu verbreiten, eingedenk seiner Pflichten, bedacht auf seinen Frieden, seine Liebe, seine Reinheit, seine Gradheit, seine Ehrbarkeit, dann werde ich daraus, soweit es dem gefallenen Menschen zukommt, den Schluss ziehen, dass die Gnade Gottes in euch wirksam war und in euren Herzen aufgerichtet hat ein Reich des Glaubens und der Liebe und der Gerechtigkeit.
3. Der Wert kleiner Gaben.
(Die folgenden Sätze gehören einer Predigt an, die Chalmers im Jahre 1812 für die britische Bibelgesellschaft hielt. Es handelte sich um die Rechtfertigung der wöchentlichen Penny-Gaben zum Besten derselben, eines Systems, das damals noch neu war.)
Wie, sagen Einige, ihr wollt etwas von den Armen annehmen? Nein, wir nehmen nichts, sie geben es uns. Aber ihr trauet ihnen eine Unempfindlichkeit und einen Mangel an Großmut zu, welche sich bei ihnen nicht finden. Ihr seid so unzart, über ihre Verhältnisse und ihre Gefühle zu Gericht zu sitzen. Ihr habt von ihnen eine so geringe Meinung, dass ihr nicht begreifen könnt, wie Wahrheit und Wohltätigkeit ihnen teuer sind, gerade als ob es für sie, nachdem sie Speise zur Ernährung und ein Haus zum Obdach und Kleider zur Bedeckung empfangen haben, nichts geben dürfte, wofür sie gerne einen Pfennig verwenden. Vielleicht sind sie nicht in der Lage, ihren Empfindungen gegen einen so unedlen Verdacht Ausdruck zu verleihen, aber ich werde es für sie tun. Seelen haben wir so gut wie ihr, und teuer ist unsern Herzen der Heiland, der für sie starb. Gewiss haben wir unsere Nöte, aber diese haben uns nur umso enger mit unserer Bibel verbunden, und es ist unser Herzenswunsch, dass eine so köstliche Gabe auch den Armen anderer Länder gesendet werde. Gottes Wort ist unsere Hoffnung und unsre Freude: wir wünschen, dass es bei ihnen auch so sei, dass der umherziehende Wilde es kennen lerne und froh werden möge, und der arme Negersklave unter der Peitsche seines Meisters hören möge von einem Meister im Himmel, der voll Mitleid und voll Güte ist. Glaubt ihr, dass Mitgefühl für solche Menschen euer besonderes Vorrecht sei? Wisset, dass unsre Herzen vom gleichen Stoff wie die eurigen gemacht sind, dass wir so gut fühlen können wie ihr, und dass wir aus dem Verdienst einer harten und ehrbaren Arbeit unsern Beitrag für die Sache geben werden; und unsre Anstrengungen werden nicht aufhören, bis die Botschaft vom Heil ihren Lauf um die Welt vollendet und jenen zahllosen Millionen kundgetan worden ist, die in Sünde leben und in Finsternis sterben. Denkt an die arme Witwe, meine Brüder, und lernt von ihr, dass weder die Ausübung, noch der Lohn der Liebestätigkeit auf die höheren Stände der Gesellschaft beschränkt ist; und um euch zur Unterstützung der guten Sache noch mehr zu ermutigen: es ist, wiewohl die Gaben der Einzelnen klein sind, die Zahl der Geber unter euch groß, und der Zusammenfluss eurer kleinen Gaben wird eine bedeutendere Summe ausmachen, als je durch die Spenden der Reichen zusammengenommen in den Opferstock gelegt wurde. Wie, wisst ihr nicht, dass ein Pfennig in der Woche von jedem Familienhause in Großbritannien zu einer halben Million Pfund Sterling im Jahre anwächst, und dass diese Summe sechzehnmal größer ist, als je die Jahreseinnahme betrug, welche die Bibelgesellschaft von ihren vielen reichen Freunden erhielt? Ja, meine Brüder, wiewohl Vieles geschehen ist, so muss doch noch Vieles getan werden; und ihr werdet durch die Beharrlichkeit, mit der ihr eure Freigebigkeit aufrecht erhaltet, durch eure Unermüdlichkeit im Werke des Wohltuns, durch die männliche und christliche Ausdauer, womit ihr zu einer so gerechten Sache steht, durch das Beispiel einer kräftigen und gutgeleiteten Organisation, das ihr gebet, nicht nur die Zahl der Mitglieder eures eigenen Vereins vermehren, sondern auch zur Bildung ähnlicher Einrichtungen rings in der Nachbarschaft ermutigen. Ich wünsche den Tag zu sehen, und es ist mir nicht bange, dass ich ihn nicht sehen werde, wo jede Gemeinde ihren christlichen Verein haben wird, wo nicht ein Teil des Landes unkultiviert bleibt, sondern für die Sache des Heilandes einen Ertrag abwerfen wird, wo diese kleineren Wasser zu einem mächtigen Strome sich vereinigen werden, um Fülle und Fruchtbarkeit in jene dürren und einöden Gegenden zu bringen, und wo Großbritannien mit seinem hohen Rang, den es vermöge seines militärischen Ansehens und seiner politischen Stellung einnimmt, einen noch bleibenderen Ruhm sich erwerben soll, indem es mit der Botschaft des Himmels Licht und Kraft zu den fernsten Nationen der Erde sendet.
4. Aus der Predigt „Das geistliche Amt verweltlicht“. 1816.
Mit dieser Predigt suchte sich Chalmers zu schützen gegen alle Arten von weltlichen Geschäften, mit denen man in Glasgow die Geistlichen überbürdet hatte, während sie von Anderen ebenso gut besorgt werden konnten. Der Erfolg war der denkbar günstigste.
Text: Apostel-Gesch. 6, 2.
Ich habe schon Vieles von der Störung und der Mühe gesagt, welche die öffentlichen Wohltätigkeitsbestrebungen mit sich bringen; und und doch habe ich euch noch nicht die Hälfte von Allem aufgezählt. Ich habe nur jenen Teil davon herausgegriffen, der den Pfarrer vom Hause wegzieht, und wogegen der Pfarrer, wenn er etwas von seiner Popularität preisgeben will, sich jederzeit schützen kann, indem er sich entschließt, bei jedem Ruf und jeder Einladung unbeweglich sitzen zu bleiben. Alle jene Veranstaltungen, welche einen Pfarrer vom Hause wegziehen, können umgangen werden aber wie soll er im Stande sein, jene beunruhigende Störung einer Veranstaltung von sich abzuschütteln, die von Einrichtungen herrühren, welche die ganze Bevölkerung seiner Nachbarschaft in eine konstante und nie ruhende Bewegung zum Hause des Pfarrers versetzt haben? Das Patronatsrecht, womit belastet zu sein nach meinem Dafürhalten sein schweres Missgeschick ist, gibt ihm einen Anteil bei der Besetzung von unzähligen Stellen, und jede frei gewordene Stelle ruft unzählige Kandidaten, und jeder Kandidat ist überzeugt, seine Chancen des Erfolges zu verstärken, wenn er eine ganze Reihe von Bekannten in Bewegung setzt, welche, in den verschiedenen Formen mündlicher und schriftlicher Gesuche, ihre Wünsche bei dem Pfarrer in Gestalt von ungezählten Anliegen geltend machen. Es ist jedoch nur in der Ordnung, dabei zu bemerken, dass die Unruhe dieser Wahlumtriebe ihre regelmäßig wechselnden Jahreszeiten hat. Sie bleibt nicht immer sich selbst gleich etwa in der Form stetiger Passatwinde. Sie kommt über ihn mehr wie ein Orkan; und ähnlich den Orkanen in der Atmosphäre hat sie ihre Monate größter Heftigkeit und ihre Unterbrechungen periodischen Nachlassens. Ich kann nur sagen, dass, wenn sie kommt, die Kraft der Kontemplation Schwingen nimmt und von dannen fliegt. Sie kann nicht leben und gedeihen in dem Wirbelwind von all dem Geräusch und der Verwirrung, worin ihr Zufluchtsort in so ungestümer Weise versetzt worden ist. Sie fühlt sich krank und wird blass bei jedem Klingeln der Hausglocke und bei jedem Zuwerfen der Haustüre, wodurch die lauten Zeichen der Ungeduld über die Hausflur gehen und in jedem Zimmer eine ungestüme Ankündigung erzwingen. Sie findet, dass dies Alles zu viel für sie sei. Diese ungeschlachten und unaufhörlichen Besuche verursachen ihr Ermüdung und Erschöpfung und vertreiben sie endlich ganz; auch will sie weder durch Gewalt, noch durch Schmeichelei sich bestimmen lassen, in einer Behausung zu bleiben, die von dem Lärm so unruhiger und unsympathischer Elemente heimgesucht ist.
Aber wenn ich auch von Nachlassen und Unterbrechungen rede, so dürft ihr nicht meinen, dass jemals die Unterbrechungen einer vollkommenen Ruhe eintreten. Es gibt täglich Audienzen, wenn es auch gewisse Monate im Besonderen sind, wo sie über euch mit der Heftigkeit und Gewalt einer Windsbraut kommen. Neulich ging täglich ein nicht enden wollender Strom von Menschen durch das Haus, und diese stellten sich auf ihrem Wege zu den Unterstützungsbeiträgen des gewöhnlichen Pauperismus dem Pfarrer vor. Dies bildete einen Teil der vorgeschriebenen Fahrt, durch welche Jeder von ihnen glaubte, den Weg zu der ersehnten Hilfe zu finden. Dies sicherte immer einen Morgenbesuch von Bittstellern und unterhielt das ganze Jahr hindurch einen Strom von Gesuchen, der umso reißender und reichlicher floss, je schwieriger die Zeiten waren, aber nie, soweit meine Erfahrung reicht, zu einem so sanft rieselnden Bache wurde, dass er durch sein friedliches Gemurmel dem Herzen nur Freude und Erquickung gewährt hätte. O nein, meine Brüder - es ist etwas dabei, worüber unsere tränenreichen Söhne und Töchter der Poesie ganz bedenklich im Irrtum sind. Ich weiß, dass sie es fertig gebracht haben, viele schöne Dinge über den Diener der Religion des Wohltuns zu sagen, der für jedes Leiden eine Träne bereit hat, und ein offenes Ohr für jeden Hilferuf, und Raum in seinem Hause für jeden Jammernden, und Raum in seinem Herzen für einen besonderen Beweis des Mitleidens gegen den Mangel und die Not jeder armen Familie, und eine offene Tür, durch welche die Vorstellungen einer verachteten Menschheit immer willkommenen Eingang finden, und einen freien, unbesetzten Tag, von dem er jede Stunde seinen Gemeindegliedern zu opfern für seine Pflicht hält, um sich unmittelbar mit der Heiterkeit seines Wesens den Sorgen und dem Elend unter ihnen zu widmen. Gewiss, dies Alles sollte getan und Agenten sollten gefunden werden, die es tun. Aber der Pfarrer ist nicht der Mann dafür. Und beunruhigt wie wir sind, auf der einen Seite von einem harten, verweltlichten Geschlecht, das, ohne ein Zeichen von Gewissensbissen, zusehen könnte, wie jeder Pfarrer der Stadt die geistlichen Verpflichtungen seines Amtes untergehen lässt unter dem Gewichte von solchen Lasten, die sie nicht mit einem Finger anrühren wollen; und betäubt, wie wir es auf der andern Seite sind, von dem Geschrei weinerlicher Gefühlsmenschen, die ohne Nachdenken und Überlegung alle die Torheit und Lächerlichkeit ihrer Phantasiegemälde durch uns verwirklicht sehen möchten, stelle ich das Angemessene dieser Dienste mit aller Entschiedenheit in Abrede, und indem ich mich trotzdem als den treuen, eifrigen und aufopferungsfähigen Freund der Armen erkläre, behaupte ich, dass jene ihre Anwälte die blinden Anhänger eines Systems sind, das zugleich das sittliche und das physische Elend einer schrecklich vernachlässigten Bevölkerung verschlimmert hat.
(In der Nachmittagspredigt desselben Sonntags wurde das Thema fortgesetzt, und erklärt, warum dem Prediger des Evangeliums die Muße zum Studium unbedingt nötig sei. Die Predigt schloss mit den folgenden Sätzen.)
Nun, meine Brüder, wofür ich mit allem Nachdruck kämpfe, ist das, dass gleicherweise wie die Bibel des Christentums in alle Sprachen übersetzt werden sollte, so die Predigt des Christentums in einem Gewande erscheine, in welchem sie im Stande wäre, jeder Fassungskraft und jeder Veränderung des Geschmackes oder des Vorurteils, die nur in den verschiedenen Gesellschaftsklassen zu finden ist, gerecht zu werden. Der rühmlichste ihrer anerkannten Vorzüge ist der, dass sie die Religion der Armen ist; dass sie in ihren dürftigen Wohnstätten das Licht der Unsterblichkeitshoffnung anzünden kann, dass der geplagte Handwerker ihre sonntäglichen Lehren mit sich nehmen, seine Urteilskraft und sein Gedächtnis durch alle diese Lehren bereichern und an ihnen die Woche hindurch einen vollen Schatz des Trostes und der Aufmunterung haben kann; dass vermöge der Stärke ihrer großen und erhebenden Grundsätze ein Mann im Bettlergewande reich an Glauben werden, und, indem er mit seinem inneren Gesichte voll dunkler Ahnungen Ausschau hält, über dem Abgrund der Sorge und der Leiden dieser Zeit das Gegenteil davon in einer herrlichen Ewigkeit erblicken.
Ja, meine Brüder, eine Religion wie diese sollte man ihren Weg in jede Hütte finden und in alle Straßen und Gassen. einer dichten Bevölkerung hineindringen lassen, und der Menschenfreund sollte sie dahin mitnehmen, wo Mangel und Unglück ihre Wohnung aufgeschlagen haben; und an jeder Tür, wo er anklopft und eine menschliche Stimme ihn eintreten heißt, mag er sich, sofern er nur die Botschaft des Evangeliums mit sich bringt, für versichert halten, dass auch die verkommensten Menschen an seinen Lippen hängen und sich freuen und gesitteter werden durch die Worte, die aus seinem Munde kommen! Aber, meine Brüder, während ich solchermaßen wünsche, dass die Religion des Neuen Testamentes ihren durchdringenden Einfluss in die große Masse der Städte und der Familien der Gemeinde gelangen lasse, möchte ich nicht, dass sie in zaghafter Entfernung von den Wohnstätten des Reichtums oder den Sitzen der Wissenschaft sich verborgen halte. Ich möchte, dass sie, wie sie es ja wohl im Stande ist, mit solchen Waffen der Vernunft in den Kampf ziehe und ihre Stimme mit solcher Beredsamkeit erhebe und ihren Mund mit einer solchen Kraft und Mannigfaltigkeit der Argumente fülle, dass auch die erleuchtetsten Geister des Landes gezwungen sind, ihr mit Ehrfurcht zu begegnen. Ich möchte, dass sie mit demselben sichern und gewissen Schritt, mit dem Paulus den Hügel des Areopags hinanstieg und inmitten der versammelten Gelehrsamkeit Athens aus den Dichtungen und der Mythologie der Athener ein Argument für das Evangelium zu gewinnen wusste ich möchte, dass sie auch jetzt noch furchtlos ihren Weg durch die Hörsäle und Universitäten des modernen Europas mache, und wie sie damals sich maß mit der Bildung von Männern der Wissenschaft, so möchte ich, dass sie jetzt noch ihr ebenbürtig sei und es ihr zuvortue. O, sagt mir, warum es anders sein sollte! Sagt mir, warum die Majestät der Wahrheit jemals eines tüchtigen Anwaltes sie zu behaupten und zu verfechten ermangeln, oder warum die verbürgte Offenbarung Gottes jemals des gelehrten Verteidigers, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Geschichte darzutun, entbehren sollte!
Ich kann nur sagen, dass, wenn das Publikum auf der einen Seite und auf der andern die Anhänger eines gelehrten, geistlichen und gesonderten Standes von Pfarrern, reich an geistigen Fähigkeiten und mit der Freiheit ausgestattet, ihre volle und ungeteilte Muße den Arbeiten des Studierzimmers und dem eigentlichen Seelsorgerberufe zu widmen, - wenn diese beiden Parteien sich im Zwiespalt mit einander befinden, dann stehen wir nicht einen Augenblick an, zu behaupten, dass das Publikum sich im bedenklichsten und schreiendsten Unrecht befindet; dass in diesem Falle wie in vielen andern Volkesstimme nicht Gottesstimme ist; dass, sei sie auch noch so laut und eindringlich, es dem gewissenhaften Manne zukommt, sie um sich herum toben zu lassen, bis sie durch ihre eigene Heftigkeit erschöpft ist; und indem ich in der Tat wünsche, meine Brüder, die Festigkeit der Grundsätze mit der Milde der Freundschaft gegen Jeden aus euch zu verbinden, halte ich mich zu der Erklärung berechtigt, es werde sich, nachdem wir ohne Schaden aus diesem Streite hervorgegangen sind, zeigen, dass der, der ihn veranlasst hat, während er Vielen von euch nur als der Verteidiger seiner eigenen selbstsüchtigen Bequemlichkeit erschien, in Wahrheit für die besten Interessen jener missleiteten Bevölkerung kämpfte, die sich ihm widersetzte.
5. Aus der Rede für die Emanzipation der irischen Katholiken.
Wir sind keine Freunde der katholischen Sache. Wir sind weder feindselig noch gleichgültig gegen die geheiligte Sache des Protestantismus. Für Andere kann ich nicht einstehen; aber zu meiner eigenen Rechtfertigung kann ich wenigstens sagen: es geschieht im Geiste der Ergebenheit gegen diese Sache, dass ich hierher komme und weil ich in dieser Emanzipation der Katholiken eine noch größere und herrlichere Emanzipation für Protestanten sehe. Die Wahrheit zu sagen, haben diese Unzuträglichkeiten wie ein totes Gewicht mehr als ein Jahrhundert lang die protestantische Sache darniedergehalten. Sie haben gegen sie einige der unüberwindlichsten Naturnotwendigkeiten ins Feld geführt: Auflehnung in Folge von Ungerechtigkeit und den Ruhm der Parteinahme für eine unterdrückte Sache. Sie haben das ganze Wesen des Streites verkehrt und auf diese Weise dem Irrtum einen Halt und zehnfache Widerstandskraft verliehen. Sie haben unserer Seite den hässlichen Schein der Tyrannei verliehen, während wir auf ihrer Seite einen edlen und hochherzigen Widerstand gegen das wahrnehmen, was ihnen Unterdrückung zu sein dünkt. Sie haben aus einer Nation von Häretikern eine Nation von Helden gemacht. Den Häretiker könnten wir wegen seiner Irrtümer widerlegt und beschämt haben, aber den Helden können wir nicht von seiner Höhe herunterstürzen; und so kommt es, dass mit der ersten Einführung dieses heterogenen Elementes in die Frage die Sache der Wahrheit zurückgegangen ist. Man ist ihr seither immer mit dem unbeugsamen Trotze eines Volkes begegnet, das unter dem Gefühl des Unwillens gereizt, aber nicht erdrückt ist, und dieses auffallende Mittel, den Katholizismus Irlands darnieder zu halten, hat ihn nur zur Festigkeit verdichtet und ihn in eine Phalanx zusammengeschlossen, die sich uns als undurchdringlich erweisen wird, bis sie sich uns öffnet durch die Emanzipation.
Unter unseren Gegnern sind solche, die ihre Argumente gegen uns aus der Geschichte hernehmen; aber da ist ein Stück in der Geschichte, das sie nie zu ihren Gunsten verwenden können. Wie kommt es, dass der Protestantismus in diesen Reichen so triumphierende Fortschritte machte, als er mit Bann und Bußen verfolgt wurde? und warum kamen diese Fortschritte zum Stillstand, sobald er seinerseits mit Bann und Bußen vorging? Was haben alle Bestimmungen des Gesetzbuches für den Protestantismus in Irland getan? Und wie kommt es, dass, während die Wahrheit für sich allein mit der Macht und der Tapferkeit eines Eroberers durch unser Eiland zog, die glänzende Laufbahn ihrer Siege zu Ende war, sobald sie sich auf die Autorität des Staates stützte und ihr die Rüstung der Unduldsamkeit gegeben wurde? Es geschah, als sie zu den fleischlichen Waffen griff und die geistlichen niederlegte, dass die Stärke von ihr wich. Sie wurde mit Ohnmacht geschlagen von dem Augenblick an, als aus dem Kampf der Prinzipien ein politischer Kampf wurde. Unter unseren Gegnern sind solche, die durch ihre Kenntnis der Geschichtsurkunden sich auszeichnen; aber diese Wissenschaft hat nichts aufzuweisen, das halb so lehrreich wäre, wie die lebendige Geschichte, die jetzt vor unseren Augen sich zuträgt. Mit dem Bann und den Bußen wider sich hat die Sache der Reformation in Britannien fast alles getan; mit dem Bann und den Bußen auf ihrer Seite, hat sie in Irland nichts und weniger als nichts getan.
Aber es handelt sich hier eigentlich um eine Frage, die zu ihrer Aufklärung des Zeugnisses der Geschichte nicht bedarf. Sie wird unmittelbar beleuchtet von dem Lichte, das die bekannten Gesetz und Prinzipien der menschlichen Natur geben. Wenn Wahrheit und Irrtum mit einander unter den gleichen Voraussetzungen in Konflikt kommen und dies mit den ihnen eigentümlichen Waffen tun, so ist das Resultat nicht zweifelhaft. Magna est veritas et praevalebit1). Aber wenn ihr, um die Sache der Wahrheit zu verstärken, die Kraft der Gesetze zu ihrer Verfügung stellt, dann stellen sich sofort auf Seiten des Irrtums Hilfskräfte ein, die weit furchtbarer sind. Ihr könnt den Personen einen Zwang antun oder das Eigentum der Katholiken mit allerlei Beschränkungen umgeben, aber der katholische Geist wird zehn Mal einflussreicher als vorher. Wir kennen den Zweck dieser Verbote. Sie sollten den Protestanten als Schuhwehr zur Verteidigung gegen die Übergriffe des Katholizismus dienen; und sie sind zu einer Schuhwehr der Verteidigung für die Katholiken gegen die Übergriffe des Protestantismus geworden. Ihre Bestimmung war, einen Wall um die Burg des protestantischen Glaubens zu bilden; und in Wahrheit sind sie zu einem Wall um die Burg des katholischen Glaubens geworden. Um jene nun fast unbezwinglichen und unzugänglichen Burgen zu bewältigen, verlange ich, dass diese Scheidewand niedergerissen werde. Wenn ich von Gewalt spreche, so meine ich die Gewalt der Wahrheit, die mit der Liebe sich vereiniget, und eben darum, weil ich sie für allmächtig halte, bin ich ein Freund der Emanzipation: gerade darum, weil ich die Überzeugung des Herzogs von Wellington teile, dass aus der Aufhebung der politischen Unterschiede die Ausbreitung des Protestantismus als natürliche Folge hervorgehen würde. Hätte man uns erlaubt, uns enger mit unseren katholischen Mitbürgern zu verbinden und die bürgerlichen und politischen Geschäfte in Gemeinschaft mit ihnen zu erledigen, es würde heute ein anderes Gefühl unter ihnen verbreitet sein, es würde der dem eines anderen Geistes unter ihnen wehen und wir hätten nicht, wie es jetzt der Fall ist, das unversöhnliche Antlitz, die trotzige und entschlossene Haltung einer gekränkten und unglücklichen Bevölkerung mit ansehen müssen.
Eines Vorteils, den unsere Gegner vor uns voraus haben, bin ich mir wohlbewusst; das religiöse Gefühl unseres Volkes spricht nämlich bis zu einem gewissen Grade zu ihren Gunsten und doch weiß ich von keiner öffentlichen Angelegenheit, über welche die vorherrschende Stimmung im Volke dem ganzen Zug und Geist des Christentums so zuwiderliefe, wie es gegenwärtig der Fall ist. Von was für anderen Mitteln zur Verteidigung und Ausbreitung des Glaubens lesen wir im Neuen Testamente außer dem Worte Gottes und dem Geiste Gottes? Wie erklärt der Apostel das Geheimnis seiner Triumphe in jenem Zeitalter, da die Wahrheit so mächtig war im Niederreißen von Bollwerken? Daraus, dass die Waffen seiner Ritterschaft keine fleischlichen waren. Er selbst beschränkte sich auf den Gebrauch der geistlichen Waffen, der einzigen, durch welche die Bollwerke des Papsttums oder des Heidentums anzugreifen sind. Das Reich Gottes, das nicht von dieser Welt ist, will seine Ausbreitung nichts Anderem verdanken. Vernunft und Schrift und Gebet diese bilden oder sollten wenigstens die ganze Rüstung des Protestantismus bilden und mit diesen allein können die Glaubenskämpfe siegreich durchgekämpft werden. Erst seit die Intoleranz, dieser unangemessene Bundesgenosse, in unser Lager aufgenommen wurde, hat die Sache der Reformation ihren Vorteil eingebüßt und von dem Augenblicke an, da sie diese Maschine den Händen ihrer Gegner entriss und selbst sich ihrer zu bedienen begann, von dem Augenblicke an war sie zur Erfolglosigkeit verurteilt. Wir wollen von diesem Gewicht entlastet und dadurch dem Gebrauch unserer eigenen freien und tüchtigen Kräfte wiedergegeben werden. Wir wollen Wahrheit und Gewalt von einander geschieden, das Sittliche und Geistliche nicht mehr länger mit dem grob Physischen verflochten sehen; denn nie werden wir in Irland Gedeihen und nie dort den Vorrang haben, bis unsere Sache von der Schmach und der Befleckung eines so unheiligen Bündnisses befreit ist.
Nicht darum, weil ich den Katholizismus für unschuldig halte, fordere ich die Abschaffung dieser Einschränkungen, sondern weil ich die Überzeugung hege, dass, wenn diese wegfielen, er zehn Mal leichter anzugreifen wäre. Nicht darum, weil ich gegen die Vorzüge des Protestantismus gleichgültig wäre, fordere ich die Entfernung dieser künstlichen Krücken, sondern weil ich verlange, dass er frei von jedem Kennzeichen der Gebrechlichkeit und des Verfalls sich in seiner eigenen angeborenen Kraft zeige und es allen Menschen kundtue, was für einen starken Halt er an der Güte seiner Sache und an dem Fundamente seiner wohlgeordneten Beweisgründe habe. Darum weil ich ein so großes Gewicht - und wer von den hier anwesenden Protestanten wird sagen ein zu großes auf seine Bibel und ihre Zeugnisse und den Segen Gottes auf seinen Kirchen und die Kraft seines Appells an das Gewissen und die Einsicht der Menschen lege; darum, weil er in seiner Stärke weiterer Stützen nicht bedarf, möchte ich auf den Beistand von Gesetzesparagraphen verzichten und keinen Dank oder Verpflichtung irgendwelcher Art einem System der Intoleranz schuldig sein. Davon hatte er genug in den Tagen seiner Leiden und mehr als genug in den Tagen verhältnismäßiger Sicherheit. Nicht durch unsere Furcht und falschen Alarm ehren wir den Protestantismus. Weit besser steht der großen Sache die Ehre an, die wir ihr durch unser Vertrauen erweisen. Denn was Sheridan von der Freiheit der Presse sagte, lässt sich mit vollstem Recht auf diese Religion der Wahrheit und der Freiheit anwenden. „Gebt, sagt jener große Redner, gebt den Ministern ein korrumpiertes Haus der Gemeinen; gebt ihnen ein gefügiges und unterwürfiges Oberhaus; gebt ihnen die Schlüssel der Schatzkammer und das Patronatrecht der Krone, und gebt mir die Freiheit der Presse und mit diesem mächtigen Werkzeug werde ich die Werkstätte der Korruption zerstören und auf ihren Trümmern die Rechte und Privilegien des Volkes aufrichten.“ Gleicherweise gebt den Katholiken Irlands ihre Emanzipation, gebt ihnen einen Sitz im Parlamente ihres Landes, gebt ihnen einen freien und gleichmäßigen Anteil an der Politik des Reiches, gebt ihnen Gehör vor den Ohren Seiner Majestät und eine Stimme in ihren Räten; und gebt mir die Zirkulation der Bibel und mit diesem mächtigen Werkzeug will ich die Tyrannei des Antichrists zerstören und auf ihren Ruinen die schöne und ursprüngliche Gestalt des Christentums wieder aufrichten.
6. Tod und Ewigkeit.
Aus verschiedenen Predigten und Gedächtnisreden.
a. Des Menschen Vergänglichkeit.
Kommt also und gedenkt der traurigen Veränderungen, die sich rings um uns her auf diesem Schauplatz der Hinfälligkeit und Sterblichkeit vollziehen. Wo sind die Menschen des Geschlechtes, das vor uns war? Sie waren wie wir selbst eifrig, den Trugbildern dieser Welt zu folgen, tätig in ihrem Geschäft, gespannt auf die Entwicklung in der Politik und im Staate, irregeführt durch den eitlen Schimmer des Ruhmes und ergeben den Genüssen einer weltseligen Sinnlichkeit. Wo sind die Menschen, die vor wenigen Jahren auf dieser Schaubühne ein emsiges Regen und Bewegen entfalteten? wo jene Ackerleute, die auf dem Grund und Boden lebten, den ihr jetzt inne habt? wo jene armen Arbeiter, die in euren Häusern und Dörfern lebten? wo jene Diener des Wortes, die die Lehren der Frömmigkeit predigten und von der Vergänglichkeit dieser Welt redeten? wo jene Leute, die an den Sabbaten vergangener Zeiten sich auf den Ruf der Kirchenglocken versammelten und das Haus füllten, in welchem ihr jetzt sitzt? Ihre Wohnung ist das kalte Grab das Land der Vergessenheit und des Schweigens. Ihr Name ist vergessen in der Erde, ihre eigenen Kinder haben die Erinnerung an sie verloren. Die Arbeit ihrer Hände ist bedeckt mit Moos oder zerstört vom Zahn der Zeit. Und wir sind die Kinder dieser Väter und Erben des gleichen traurigen und erstaunlichen Geschickes. Unser Geschlecht ist eins von den vielen, die in schneller Folge durch dies Gebiet des sinnlichen Lebens eilen. Die Zeit, in der ich lebe, ist nur ein kurzer Augenblick in der Geschichte dieser Welt. Wenn wir an den Wechsel der Jahrhunderte, die schon vorüber sind, denken, so schwindet das augenblickliche Dasein des Einzelnen in nichts zusammen. Es ist die Flucht eines Schattens; es ist ein Traum der Eitelkeit: es ist das kurze Aufleuchten eines Meteors; es ist eine Blume, die jeder Wind des Himmels zum Verwelken bringen kann; es ist eine Geschichte, die mit der Erinnerung schwindet; es ist ein Tag, den das Schweigen einer langen Nacht verdunkeln und überschatten wird. In wenigen Jahren wird unser Haupt im kühlen Grabe ruhen, und der grüne Rasen wird uns bedecken. Die Kinder, die nach uns kommen, werden über unsere Gräber schreiten; wenige Tage lang werden sie um uns weinen; wenige Monate lang werden sie von uns reden; wenige Jahre lang werden sie unser gedenken; und dann wird unser Gedächtnis von der Erde verschwinden und keine Zunge mehr wird sich finden, es zurückzurufen. Nun, ein Nutzen, den die jährliche Wiederkehr einer feierlichen Handlung stiften kann, ist dieser, an die Flucht der Zeit und das rasche Verschwinden ihrer eitlen und vergänglichen Herrlichkeit zu erinnern. Es gibt in dieser Hinsicht eine blinde und bedenkliche Selbsttäuschung. Wie vergänglich ist das Menschenleben! aber kein Mensch fasst es zu Herzen. Der Tod ergreift immer mehrere und wir sehen es an mit trauriger Gleichgültigkeit. Bekannte von uns sinken jedes Jahr ins Grab und wir widerstehen den eindringlichen Warnungen des Todes. Sogar unter der Bürde des Alters und der Gebrechlichkeit wenden wir uns ab von unserem schließlichen Ende und rechnen noch auf viele Tage des Genießens. Wenn die Leute einen Nachbar zu seinem Grabe begleiten, so reden sie von dieser Welt und den Sorgen dieser Welt. Und wenn sie sehen, wie der Erdhügel über ihn geschüttet wird, und sie von ihrem Bekannten Abschied nehmen für immer, so kehrt ein Jeder zu seinen eigenen Geschäften zurück und in wenigen Stunden ist er vergessen.
Am allermeisten gibt mir die Wahrnehmung zu denken, dass es in hundert Jahren noch genau so sein wird. Man redet davon oft in Form eines Sprichwortes und ohne sich seines gewichtigen Inhaltes bewusst zu werden. In hundert Jahren! Guter Himmel, mit welcher Eile und mit welcher Gewissheit werden diese hundert Jahre zu ihrem Ende kommen! Der heutige Tag wird sich neigen und eine Reihe von Tagen macht einen Umkreis der Jahreszeiten aus. Ein Jahr folgt dem andern und eine Reihe von Jahren machen ein Jahrhundert aus. Diese kleinen Zeitabschnitte häufen sich und erfüllen jenen mächtigen Raum, der der Einbildungskraft so ungeheuer und so unermesslich erscheint. Die hundert Jahre werden kommen und sie werden den Untergang ganzer Generationen überdauern. Jedes lebende Wesen, das jetzt auf der Erdoberfläche sich regt, wird von ihr verschwinden. Das Kind, das jetzt an seiner Mutter Brust liegt, wird nur noch in der Erinnerung seiner Enkel leben. Was jetzt vor mir lebt und handelt, wird die düstere und grauenerregende Gestalt der Verwesung angenommen haben. Von den Leuten, die mich jetzt hören, wird man nicht einmal mehr reden: ihr Gedächtnis wird von der Erde verschwinden; ihr Fleisch wird von Würmern verzehrt werden; die unheimlichen kriechenden Wesen, die im Innern der Erde sich aufhalten, werden sich von ihren Leibern ernähren; ihre Särge werden vermodert sein und ihre Gebeine werden zusammen in ein neues Grab versenkt werden. Und das soll die Vollendung aller Dinge sein? Ist das das schließliche Ende und was von dem Menschen noch übrig bleibt? Ist das das Ergebnis seiner geschäftigen Geschichte? Ist auf der andern Seite von Zeit und Grab nichts, das traurige Gemälde anziehender zu machen und die düsteren Bilder zu verscheuchen? Müssen wir immer im Staube schlafen und dem Licht des Himmels ewig Lebewohl sagen?
b. Die Buße aufs Sterbebett verspart.
Und was ist das für ein Schauplag, fragen wir, wo ihr jene gewaltigen Streitkräfte des Feindes zu bekämpfen euch vornehmt, die ihr jetzt gegen euch aufzureizen so geschäftig seid? Was ist das für ein Kampfplay, nach dem ihr jetzt ausschaut als nach dem Orte, wo ihr einen Sieg über alle jene furchtbaren Feinde erringen werdet, denen ihr eben jetzt eine so gewaltige Rüstung anleget, dass ihr sie, wie wir euch mit unbedingter Sicherheit voraussagen können, unwiderstehlich finden werdet? über die Torheit einer so trügerischen Selbsttäuschung! Der in Aussicht genommene Schauplatz, auf dem dieser Kampf für die Ewigkeit gekämpft und dieser Sieg für die Krone der Herrlichkeit gewonnen werden soll, ist ein Sterbebett. Dann, wenn der letzte Bote am Bette des Sterbenden steht und ihm sein grinsendes Angesicht voller Schrecken zeigt, hofft er, das arme Opfer der Betörung, zu kämpfen und obzusiegen gegen alle seine Feinde, gegen die unerbittliche Tyrannei der Gewohnheit, gegen die Verhärtung des eigenen Herzens, das sich jetzt alle Mühe gibt, sich selbst immer mehr zu verstocken gegen den Geist Gottes, der sein Loos vielleicht schon lange mit dem Ausspruch besiegelt: „Er wird seinen eigenen Weg gehen und nach seinem eigenen Ratschlusse wandeln; ich werde mir keine Mühe mehr machen und ihn sich selbst überlassen“ - gegen Satan, dem er es alle Tage ermöglicht hat, neue Vorteile über ihn zu gewinnen, und der nicht wird willens sein, die Beute, an die er so viele Tücken verschwendet, und die er mit so vielen Ränken umstrickt hat, wieder fahren zu lassen. Und so sieht es mit den Feinden aus, welche ihr, die ihr unglücklicherweise auf die Buße in der elften Stunde rechnet, jeden Tag mit größerer Kraft und Furchtbarkeit gegen euch selbst ins Feld führet; und wie dürfen wir daran denken, euch mit einer andern Buße hinüberziehen zu lassen, als die des unschätzbaren Augenblickes ist, der jetzt an euch vorübergeht, wenn wir vor uns die Schrecken jener unvergesslichen Stunde sehen, da ihr den Preis der Unsterblichkeit gewinnen wollet, und zwar ohne Hilfe und allein, trotz der gewaltigen Rüstung, die ihr selbst gegen euch geschmiedet habt ein Sterbebette ein mattes, kurzatmiges, hustendes und ruheloses Sterbebett; jener Anblick der Schwäche, wo der arme Mensch keinen Bissen mehr zu sich nehmen kann, wo er Wärter um sich haben muss, die ihn pflegen und Acht geben auf jeden seiner Wünsche und jedes seiner Zeichen deuten, und ihn stets in die Lage bringen, darin er für einen Augenblick Ruhe finden kann, und den kalten Schweiß, der ihn bedeckt, wegwischen und ihm mit Herzstärkungen gegen Durst und Schmerzen und unerträgliche Mattigkeit zu Hilfe kommen. Und das ist die Zeit, da ihr, von solchen Empfindungen beherrscht und von solchen Kämpfen in Anspruch genommen, euch vornehmt, im engen Rahmen weniger jammervoller Tage jenes Geschäft abzutun, das in sich die Sorge für eine vernachlässigte Ewigkeit begreift!
c. Auf den Tod der Prinzessin Charlotte.
Vor wenigen Tagen war Alles noch so voll Leben und Verheißung und Sicherheit, als wir von der Unruhe der großartigen Zurüstungen lasen, und man uns von der Kunst und dem Talent erzählte, das bei der Dienstleistung zur Geltung kam, und wir von der zahlreichen Anwesenheit derer hörten, die die hervorragendste Stellung in der Nation einnehmen, und wie die Staatsbeamten und die Würdenträger des Landes in glänzenden Equipagen zum Schauplatz der Erwartung gefahren wurden, als gälte es zu den Freuden eines kommenden Festtages - ja, und man sagte uns auch, dass die Glocken der benachbarten Dörfer alle für den freudigen Klang des Glückwunsches in Bereitschaft standen, und dass die harrende Hauptstadt unsers Reiches, auf den Fußspitzen der Ankündigung ihres künftigen Monarchen harrend, ihre geflügelten Eilboten bestellt hatte, um die willkommene Kunde aufs Schnellste den Ohren ihrer Bürger zuzutragen, und dass von ihr eine Botschaft der Freude durch alle Provinzen des Landes die Runde machen sollte; und das Vaterland war im Begriffe, zu vergessen, was es gelitten und sich dem Jubel eines fröhlichen und für Alle bestimmten Festes hinzugeben. O Tod! Du hast freilich die Zeit und das Opfer wohl gewählt, um die grausame Überlegenheit deiner Macht über alle Hoffnungen und Wünsche unseres Geschlechtes darzutun! Unsere blühende Prinzessin, welche die Einbildungskraft mit der Krone dieses Reichs geschmückt hatte und unter deren freundlichem Einfluss Alles sich so schön für das Wohl und den Frieden unserer Nation anließ, hat er auf die Totenbahre gestreckt! Und als ob er das Maß seines Triumphes voll machen wollte, hat er an ihre Seite jenes Kindlein gelegt, das ohne ihn würde der Monarch einer künftigen Generation geworden sein, und er hat das getan, was er sonst durch keine einzige Leistung hätte vollführen können: er hat über unser ganzes Land die Trauer um einen solchen Verlust gebracht, dass kein lebendes Glied unserer Königsfamilie ihn ersehen kann; er hat die direkte Nachfolge auf dem Thron von England unterbrochen; durch ein und denselben Trauerfall hat er im Lande ernstliche Sorge ums öffentliche Wohl wachgerufen, und in das Herz eines Jeden und in alle Familien einen Kummer gebracht, der so sehr empfunden wird, wie die schmerzliche Heimsuchung im eigenen Hause.
d. Auf den Tod von Dr. Thomson.
Thomson war neben Chalmers einer der hervorragendsten Führer der evangelischen Partei. Er starb den 15. Februar 1831 als Pfarrer in Edinburgh. Chalmers hielt am folgenden Sonntag die übliche Gedächtnispredigt, aus der wir hier die auf den Toten bezügliche Stelle mitteilen.
Es ist, als ob der Tod den höchsten Beweis seiner Macht hätte zeigen wollen und zu diesem Zwecke ihn als Ziel ersehen hätte, der in der vordersten Reihe stand und in der Achtung seiner Landsleute die hervorragendste Stellung einnahm. Ich rede jetzt nicht von irgendeiner der Beziehungen, welche er zu der Gesellschaft, die in seiner unmittelbaren Umgebung lebte, oder zu den Tausenden in der Kirche, die seine wohlbekannte Stimme jeden Sonntag erreichte, oder zu den Zehntausenden in der Stadt, die er die Woche hindurch auf den verschiedenen Gängen und Versammlungen christlicher Nächstenliebe entweder mit seinem Rate leitete oder durch seine Beredsamkeit anfeuerte, zu unterhalten pflegte. Ihr wisst nur zu gut, wie weit die umfassende, aufmerksame und unermüdliche Güte ihn trieb, und dass man von ihm sagen kann, er sei durch die damit verbundenen Arbeiten und Reisen der persönliche Bekannte des schottischen Volkes geworden, so sehr, dass es kein Dorf im Lande gibt, wo die Kunde seines Todes nicht den Eindruck hervorgerufen hat, dass ein Meister in Israel gefallen isst; und ich darf hinzufügen, so groß war der Reiz seines Umgangs, so groß die Herzlichkeit, die seine Gegenwart in jedem Hause hervorrief, dass zu dieser Stunde in Folge seines Todes tiefe Traurigkeit in den Herzen von vielen tausenden selbst unserer fernsten schottischen Familien empfunden wird. Und wenn wirklich die Nation durch dies Ereignis eine Lehre empfangen hat, so hat eben auch die Nation durch dasselbe einen Verlust erlitten. Dieser Todesfall ist in den Augen vieler Zuschauer eine öffentliche Angelegenheit. Und wenn man an die lebendige Energie denkt, wovon jede seiner Taten und jede seiner Äußerungen durchdrungen war, an jene wunderbare Kraft, die mit den Schwierigkeiten, welche andere Menschen niedergedrückt und überwältigt hätten, nur spielte, an jene Tapferkeit im Kampfe, an jene Schlagfertigkeit im Rate der Genossen, an jene elastische Spannkraft, die stets mit der Gelegenheit sich erhob und ihn vorwärts und aufwärts zur erfolgreichen Vollendung seiner Laufbahn trug, an die Last und Mannigfaltigkeit seiner Verpflichtungen, und die doch damit verbundene Schnelligkeit und Leichtigkeit, womit Alles ausgeführt wurde, gerade als ob für diesen riesenhaften Geist und diesen kräftigen Körper nichts zu viel wäre, wenn man bedenkt, wie angestrengt er ungeachtet dieser Kräfte und dieser Leistungen arbeitete, ich hätte beinahe gesagt, wie angestrengt er in unserer Mitte lebte, dann können wir nicht umhin, es einzugestehen, dass der Tod, indem er ihn ergriff, den vollen Beweis einer Herrschaft gegeben hat, die alle Größe und alle Verheißung des Menschentums zu Schanden macht.
Aber die Lehre wird noch außerordentlich viel eindrücklicher, wenn wir von seinen Leistungen als Kanzelredner übergehen zu denen als Seelsorger im Hause. Vielleicht tue ich ihm Unrecht, wenn ich annehme, ein größerer Teil seiner Zuhörer habe ihn nicht persönlich gekannt, denn so unvergleichlich war er in der Überwindung von Strapazen, so unbesiegbar die Kraft und Beweglichkeit seiner Natur, dass man fast versucht sein könnte, von ihm zu sagen, er habe eine Art persönlicher Ubiquität unter seinen Leuten zu Stande gebracht. Aber ehe wir die Wirkung davon recht ins Auge fassen, lasst mich an ein Prinzip erinnern, das in jedem komplizierten Naturvorgange zur Geltung kommt. Die Maler kennen es wohl; sie wissen, wie viel ihre Darstellungen an Kraft und Schönheit gewinnen, wenn sie mit dem Hintergrunde, von dem sie sich abheben, in wirksamen und angemessenen Kontrast gebracht sind. Und dies ist ganz ebenso der Fall, wenn die Natur unmittelbar in einer ihrer eigenen Szenerien uns entgegentritt, wie wenn sie durch die Einbildungskraft und den Stift des Künstlers nachgebildet wird. Das kann man oft in jenen wilden Alpenlandschaften wahrnehmen, wo die Schönheit zuweilen in die Hülle der Großartigkeit eingeschlossen uns entgegentritt, wie wenn am Fuße einer jähen Felswand ein Stück grüner Rasen oder eine friedliche Hütte in reizenderer Lieblichkeit zu lächeln scheint, weil dahinter Kraft und Majestät sich umso mächtiger erheben. Nun lasst uns dies auf den Charakter anwenden und bedenken, wie ganz analog der Effekt ist, wenn von der Unterlage eines Charakters, der in seiner ganzen Bildung und nach seinem allgemeinen Eindruck männliches Gepräge hat, die Blüten einer sanfteren Natur und jene milderen Kundgebungen herzlicher Liebe hervorsprießen, die in zehnfacher Schönheit strahlend sich entfalten, sobald sie auf dem Grunde sittlicher Stärke und Größe erwachsen. So ist es, wenn der Mann der Kraft sich als den Mann der Milde erzeigt, und man ihn, der zwar der Ungerechtigkeit gegenüber sich als hartnäckig und unerbittlich erweist, aber nichtsdestoweniger anspruchslos zur Geselligkeit des täglichen Lebens herniedersteigt, mit teilnehmender Wärme in die Sorgen und Freuden seiner Mitmenschen sich mengen sieht. Dem entspricht gewiss die rührende Erinnerung sehr vieler meiner jetzigen Hörer, die nach ihrer eigenen Erfahrung es bestätigen werden, dass der Kraft seiner Predigt nichts gleichkam, als die Treue und Zartheit, womit er seinem Seelsorgerberufe oblag.
Sie werden es vollauf verstehen, was ich eben von der Kraft und Bedeutung des Kontrastes sagte, wo der Hirt in der Gemeinde zum Hirten in der Familie wird, und wo der, der inmitten einer dichtgedrängten Versammlung alle Geister sich untertan macht, irgendeines Vaters niedere Hütte betritt und mit ihm weint und betet über seines Kindes Sterbebett. Bei solchen Gelegenheiten zeigt der Pfarrer die moralische Überlegenheit, die seinem Stande ziemt, auf ihrer höchsten Stufe. Das gibt ihm einen Schlüssel zu jedem Herzen; und wenn der Triumph der Liebe zu dem Triumph des Verstandes hinzugefügt wird, dann ist er ein König durch die Liebe eines lenksamen Volkes.