Calvin, Jean - Psalm 66.
Inhaltsangabe: Obgleich es nicht unmöglich ist, dass der Dichter in diesem Psalm im Namen der Gemeinde eine einzige Rettungstat, welche dieselbe erfahren hat, besonders feiert, rührt er doch zugleich eine ganze Reihe von Gnadentaten an, mit welchen Gott unablässig sein Volk geleitete. Wie er aber rühmt, dass den Elenden und Gebeugten Gottes Heil gebracht wurde, so gibt er ihnen anderseits auch Grund zum Trost und zur Geduld, indem er sagt, sie seien wie Silber geläutert worden, als die Gewaltherrschaft der Feinde sie drückte. Zum Schluss scheint er von seiner eigenen Person zu reden, indem er zum Beweise seines aufrichtigen Sinnes darauf hinweist, dass der Gott, der Frevler und Verbrecher von sich stößt, ihn erhört habe.
1 Dem Musikvorsteher: ein Psalmlied. Jauchzet Gott, alle Lande! 2 Lobsinget zu Ehren seinem Namen; rühmet ihn herrlich! 3 Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke! Deine Feinde werden dir heucheln ob deiner großen Macht. 4 Alles Land bete dich an und lobsinge dir, lobsinge deinem Namen.
V. 1. Jauchzet Gott usw. Zunächst (V. 1 f.) fordert der Dichter allgemein auf, den Herrn zu preisen; darnach führt er die Gründe an, warum. Dass er aber seine Rede an alle Lande richtet, lässt ersehen, dass wir es mit einer Weissagung über die allumfassende Herrlichkeit des künftigen Gottesreichs zu tun haben, die doch erst bei Christi Ankunft sichtbar wurde. Das gleiche bekräftigt der nächste Vers noch nachdrücklicher, um uns Menschen aus unserer Trägheit und Unlust zum Lobe Gottes aufzuwecken. Es gilt den Namen Gottes so zu rühmen, wie seine Heiligkeit und Majestät es verdient. Und zwar soll man ihn herrlich rühmen, damit er unter den Menschen groß werde. Der heilige Sänger gibt sich nicht mit einem kalten Lob zufrieden, sondern will Gottes Wohltaten mit dem Glanz und Schwung verkündigt haben, der allein ihrer Erhabenheit entspricht.
V. 3. Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke! Jetzt werden wir erinnert, wie viel Stoff und Anlass zum Lobe Gottes ist. Weil aber die meisten Menschen Gottes Lob nur kalt und lässig treiben, gibt uns der Sänger einen kräftigen und erwecklichen Stoß: wir sollen unsere Rede nicht bloß an Menschen, sondern an Gott selbst richten. Redet man ihn ohne Seitenblick auf menschliche Zeugen an, so bleibt für Heuchelei kein Raum: jedermann muss aussprechen, was er wirklich im Herzen denkt. Nichts zwingt uns mehr zur Ehrfurcht vor Gott, als wenn wir uns unmittelbar vor sein Angesicht stellen. Um diese Stimmung noch zu steigern, fügt der Dichter hinzu: Deine Feinde werden dir heucheln ob deiner großen Macht. Denn wenn schon verhärtete und widerspenstige Menschen, die sich am liebsten der Herrschaft Gottes entzögen, sie mögen wollen oder nicht, zur Demütigung vor ihm gezwungen werden, - was müssen dann die Gläubigen tun, welche der Herr sich nicht mit Schrecken unterwirft, sondern freundlich zu sich lockt? Der Ausdruck deutet auf den Gegensatz zwischen der freiwilligen Verehrung, welche die Gläubigen dem Herrn unter dem Trieb seiner süßen Gnade bringen, und der knechtischen und gezwungenen Unterwerfung der Ungläubigen. Dies nämlich will es besagen, dass sie heucheln oder schmeicheln: sie fallen dem Herrn nicht mit freiwilligem und freiem Gehorsam zu Füßen, sondern unter dem Zwang seiner Macht.
V. 4. Alles Land bete dich an usw. Der Wortreichtum des heiligen Dichters hat seinen guten Grund: denn während der Gegenstand für alle Menschenzungen viel zu erhaben ist, müssen wir doch sehen, wie karg und fast böswillig die Menschen sind, indem sie nur ein höchst dürftiges und frostiges Lob für Gott übrig haben. Und doch sollten sie alle Kräfte Leibes und der Seele anstrengen, ihn zu preisen. Obgleich aber damals nur die Juden in ihrem Winkel Gott verehrten, weissagt der Dichter auch in unserm Verse, dass alle Heiden unter seine Herrschaft kommen werden. Jetzt aber ist nicht, wie soeben, davon die Rede, dass widerwillige Feinde, die, wenn es möglich wäre, Widerstand leisten würden, unter das Joch gebeugt würden, sondern es wird uns eine wahre und aufrichtige Anbetung vor Augen gestellt: alles Land lobsinge dir, lobsinge deinem Namen. Denn eben dies ist das vornehmste Dankopfer, von welchem Ps. 50, 14. 23 die Rede ist, und auch die rechte Bezeugung eines frommen Sinnes.
5 Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist mit seinem Tun unter den Menschenkindern. 6 Er verwandelte das Meer ins Trockene, dass man zu Fuß über das Wasser ging; dort freueten wir uns sein. 7 Er herrschet mit seiner Gewalt ewiglich; seine Augen schauen auf die Völker. Die Abtrünnigen werden sich nicht erheben können. (Sela.) 8 Lobet, ihr Völker, unsern Gott; lasst seinen Ruhm weit erschallen, 9 der unsre Seelen ins Leben versetzte, und ließ unsere Füße nicht gleiten.
V. 5. Kommt her usw. Diese Worte enthalten einen versteckten Tadel der allgemeinen menschlichen Trägheit, durch deren Schuld Gott um sein verdientes Lob betrogen wird. Denn woher kommt es, dass der größte Teil der Menschen mit geschlossenen Augen an Gottes Werken vorübergeht, wenn nicht daher, dass unter hundert kaum einer sich zu ihrer Betrachtung die Mühe nimmt? Es ist also ein Stachel nötig, der die Menschen aus ihrer Gleichgültigkeit aufweckt (vgl. auch zu Ps. 46, 9). Alles in allem: da der Sänger sieht, wie die Menschen mit nichtigen Dingen ihre Zeit ausfüllen oder gar durch sündhaftes Streben sich in die Irre führen lassen, ermahnt er sie, sich aufzumachen und Gottes Werke anzuschauen. Denn wenn er sie erst aufrufen muss: sehet – so sind sie eben am hellen Tage blind. Und wenn er sie so aufrufen kann, müssen Gottes Werke wohl offensichtlich vor Augen liegen. Wir hören auch, auf welche Werke Gottes wir unser Augenmerk lenken sollen, nämlich auf sein Tun unter den Menschenkindern. Eine erfahrungsmäßige Kenntnis dieses Tuns wird unsere Herzen tief ergreifen. Darum schließt auch Paulus in Athen an seine allgemeine Aussprache über Gottes mächtiges Wirken die besondere Erinnerung, dass ein jeder in sich selbst hineinschauen möge, um dort den Gott zu empfinden, der nicht ferne ist von einem jeglichen unter uns (Apg. 17, 27). In der Behütung und Bewahrung des Menschengeschlechts tut Gottes Vorsehung ihre größten Wunder (vgl. auch Ps. 40, 6). So brauchen die Menschen nicht weit umherzuschauen: denn sie finden in sich selbst Grund genug, Gott verehren und zu fürchten. Im nächsten Satz (V. 6) wendet sich der Gedanke von der Bewahrung des ganzen Menschengeschlechts zu der besonderen Fürsorge Gottes für seine Gemeinde und zur Erlösung seines auserwählten Volkes. Dabei wird nur beispielsweise die hervorragendste Gottestat genannt: Er verwandelte das Meer ins Trockene. Alle die unzähligen Wohltaten, mit welchen der Herr nachmals die Gnadentat der ersten Erlösung bekräftigte, sollen die Gläubigen sich durch diesen einen Hinweis zugleich ins Gedächtnis rufen lassen. Darauf deutet auch der Satz: dort freueten wir uns sein. Wird doch allen späteren Geschlechtern ein Anteil an der Freude der ersten Erlösung nur dadurch zugewendet, dass dieselbe als das erste Pfand seiner Liebe eine ganze Reihe von Gnadenbeweisen Gottes gegen seine ganze Gemeinde nach sich zog. Weil damals der Herr als ewiger Erlöser der Seinen erschien, ward ein Quell eröffnet, aus welchem allen Geschlechtern der Frommen Freude zufloss.
V. 7. Er herrschet usw. Jetzt wird Gottes Herrschermacht gerühmt, mit welcher er den ganzen Erdkreis unterwirft. Darauf deutet es auch, dass seine Augen auf die Völker schauen. Allerdings hatte er zu Zeiten des Gesetzes seinen Herrschersitz im jüdischen Lande aufgerichtet, aber er umfasste doch immer mit seiner Vorsehung den ganzen Erdkreis. Das besondere Vorrecht, dessen er im Hinblick auf seinen Bund die Kinder Abrahams gewürdigt hatte, hinderte ihn nicht, sein Auge auch über die anderen Völker zu erheben, um sie zu hegen und zu pflegen. Dass aber der Herr auch unter den Heiden waltet, dafür wird ein Beweis angefügt: die Abtrünnigen werden sich nicht erhöhen können. Wenn Gott überall Frevler von ihrer Höhe herabstürzt, so kann man daraus den Schluss ziehen, dass er keinen Teil des menschlichen Geschlechts sich völlig selbst überlässt. Geht auch vieles in der Welt drunter und drüber, so verbirgt doch Gott niemals seine Gerichte in irgendeinem Winkel: überall könne scharfe und aufmerksame Beobachter deutliche Zeichen derselben sehen.
V. 8. Lobet, ihr Völker usw. Mit diesen Worten ruft der Dichter alle Völker insgemein zum Lobe Gottes auf. Und doch nennt er alsbald eine besondere helfende Tat, durch welche Gott seine Gemeinde rettete. Darin liegt wohl eine Andeutung, dass die Heiden einst an derselben Gnade teil gewinnen sollten, welche Gott in damaliger Zeit sein auserwähltes Volk schmecken ließ. Inzwischen muss es eine herrliche und bemerkenswerte Befreiungstat gewesen sein, deren Ruhm überall erschallen soll. Es heißt (V. 9), dass Gott die Seelen seines Volkes ins Leben versetzte, was auf eine ganz ungewöhnliche Hilfe deutet. Doch zeigt der nachfolgende Ausdruck, dass Israel mehr von einer Gefahr bewahrt, als aus einem schon geschehenen Fall wieder aufgerichtet wurde. Denn wenn es heißt, dass Gott die Füße der Seinen nicht gleiten ließ, so ergibt sich, dass sie nicht wirklich fielen, sondern zur rechten Zeit Hilfe empfingen, so dass sie fest stehen konnten. Dass aber Gott dem Schlimmsten nur zuvorkam, lässt in den Augen des Dichters seine Gnade nicht etwa geringer erscheinen; er bekennt, dass die Kinder Israel, die durch Gottes Wohltat unversehrt blieben, sich wie in ein neues Leben versetzt vorkamen.
10 Denn, Gott du hast uns versucht, und geläutert, wie das Silber geläutert wird; 11 du hast uns lassen in den Turm werfen; du hast auf unsere Lenden eine Last gelegt; 12 du hast Menschen lassen über unser Haupt fahren; wir sind in Feuer und Wasser kommen; aber du hast uns ausgeführt und erquicket.
V. 10. Denn du hast uns versucht usw. Dieser Satz könnte als Einschränkung des vorigen verstanden werden, etwas in dem Sinne: obwohl Gott sein Volk prüfte, durfte der Sänger doch die Gnade rühmen, die es aus dem schwersten Druck erlöste. So richtig dies ist, wird der Sänger doch noch einen anderen Zweck im Augen haben: er will mit dem besten Trost, den man seinen Worten entnehmen kann, die Traurigkeit der Frommen lindern. Denn nichts ist nützlicher als der Gedanke, dass es Gottes Hand ist, unter deren Druck wir stehen, wenn Unglück uns drückt, und dass er nichts anderes will, als für unser Heil sorgen. Darauf deutet auch der Ausdruck, dass Gott sein Volk geläutert hat. Gott prüft sein Volk, wie das Silber, um es von Sünden zu reinigen, gleichwie Feuer die Schlacken ausscheidet, und um einen Beweis von ihrer Geduld zu empfangen. Der Vergleich mit dem Silber deutet darauf hin, dass die Prüfung in die tiefsten Tiefen ging, wie ja auch das Silber mehr als einmal in das Feuer geworfen wird. Wenn nun auch die Gläubigen dem Herrn danken, dass sie unter den Anfechtungen nur geläutert, aber nicht völlig verzehrt wurden, so deutet doch mehr als ein Wort und der ganze Zusammenhang darauf hin, wie mannigfache und schwere Leiden sie quälten. Sie wurden ins Gefängnis geworfen und von Menschen bedrängt und mussten Schiffbruch und Feuersnot bestehen. Der Satz (V. 11): Du hast auf unsre Lenden eine Last (oder Kette) gelegt, ist eine stärkere Wiederholung der vorangehenden Aussage, dass Gott die Seinen in den Turm werfen ließ. In ihrem Gefängnis waren die Unglücklichen nicht mit dünnen Fäden, sondern mit unzerreißbaren Banden gefesselt. Dass Menschen über ihr Haupt fahren, will besagen, dass Tyrannen schmählich und hochfahrend über sie herrschen und sie wie Zugvieh missbrauchen. Unter dem Bilde von Feuer und Wasser werden die mannigfachsten Beschwerden dargestellt. Der Sinn ist, dass Gott seine Gemeinde mit allen nur erdenklichen Trübsalen geübt habe. Wie die hier genannten beiden Elemente das meiste vermögen, das menschliche Leben zu erhalten, so auch es zu zerstören. Bei alledem erscheint vornehmlich bemerkenswert, dass der Prophet alle die Unbill, welche das Volk durch die Grausamkeit der Feinde erlitten hatte, als göttliche auferlegte Strafen einschätzt: die Gläubigen sollen nicht meinen, dass jene harten Angriffe sie trafen, während Gott etwa schlief oder etwas anderes tat. Hier wird uns aber wie in einem Spiegel vor Augen gestellt, was Gottes Gemeinde jederzeit erfahren kann: geschieht es also, dass wir aus dem Feuer ins Wasser gerissen und hier- und dorthin geworfen werden, so sind wir nicht überrascht und lassen uns nicht erschrecken. Dass Gott uns erquicket, ist ein Bild, welches von einem guten Stand der Fluren hergenommen ist. Es soll im Leben der Gläubigen gehen, wie wenn das Feld fruchtbar und lieblich gewässert wird. Wenn sie Gott auch hart mit zeitlichen Strafen züchtigt, so gibt er doch immer einen guten und erfreulichen Ausgang.
13 Darum will mit Brandopfern gehen in dein Haus, und dir meine Gelübde bezahlen; 14 wie ich meine Lippen habe aufgetan, und mein Mund geredet hat in meiner Not. 15 Ich will dir Brandopfer bringen von feisten Schafen samt dem Rauch von Widdern, ich will opfern Rinder mit Böcken. (Sela.) 16 Kommt her, höret zu alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was er an meiner Seele getan hat.
V. 13. Darum will ich usw. Hat der Dichter bis dahin im Namen der ganzen Gemeinde geredet, so spricht er jetzt besonders nachdrücklich aus seiner persönlichen Empfindung heraus. Darin liegt für jeden einzelnen ein kräftiger Aufruf, die Pflicht dankbarer Frömmigkeit zu erfüllen. Wenn in dieser Weise ein jeder sich zu rechter Dankbarkeit stimmt, wird ein allgemeiner Lobgesang fröhlich emporsteigen. Alles in allem: es hieße dem Gott, der uns im Unglück geholfen hat, seinen Ruhm schmälern, wenn man der Befreiung nicht feierliche Danksagung folgen lassen wollte. Indem er sagt, dass er mitten in der Bedrängnis Gelübde dargebracht habe, lässt er ersehen, wie unwandelbar sein Glaube war. Bekannt ist die Mahnung des Jakobus (5, 13): „Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand gutes Muts, der singe Psalmen.“ Dagegen schmeicheln die meisten Menschen, so lange es ihnen gut geht, dem Herrn mit einem nur oberflächlichen Lob; sobald sie aber etwas härter angegriffen werden, kommen sie in Murren und Aufruhr wider ihn oder werden ganz gebrochen und stumpf. Und doch zeigt sich wahre Frömmigkeit nur darin, dass der Mensch im tiefsten Schmerz sich zu Gott ausstreckt, sein Beharren im Glauben und in der Geduld durch Beten beweist und endlich seine Dankbarkeit bezeugt. Mit gutem Grunde sagt David (V. 14), dass er seine Lippen aufgetan habe: niemals umstrickt ihn die Traurigkeit in einem solchen Grade, dass er nicht ausdrücklich gebetet und damit erklärt hätte, dass er sein Heil in Gottes Hand lege. Über die Gelübde haben wir anderwärts ausführlicher gehandelt und wollen hier nur kurz erinnern, dass die heiligen Väter nur solches dem Herrn gelobt haben, wovon sie wussten, dass es ihm angenehm sein würde. Ihre Gelübde hatten auch keinen anderen Zweck, als ihre Dankbarkeit zu bezeugen. Darum ist es eine Torheit, wenn man im Papsttum dem Herrn Gelübde über Dinge tut, die er gar nicht haben will.
V. 15. Ich will dir Brandopfer bringen usw. Hier muss David oder einer von den Vornehmen reden: denn weniger begüterte Menschen hätten nicht so reiche und glänzende Opfer bringen können. So ist es mir am wahrscheinlichsten, dass es David war, der diesen königlichen Aufwand in Opfern anbot. Wir wissen aber, warum Gott in damaliger Zeit Opfer zum Ausdruck des Dankes verordnet hatte: es sollte dem Volk eingeprägt werden, dass es mit seiner Unreinigkeit das Lob Gottes beflecken und verdunkeln würde, wenn ihm nicht von außen her eine Heiligung käme. Bei dem besten Vorsatz, den Namen Gottes zu loben, werden wir ihn nur mit unsern unreinen Lippen entweihen: und nur Christus kann uns decken, der sich einmal zum Opfer dargebracht hat, um uns und alles, was wir haben, zu heiligen. Nur durch ihn gefallen dem Herrn unsre Lobopfer. Den Rauch seines Brandopfers nennt der Dichter als eine lobenswerte Sache, obgleich doch dabei nur ein schwerer und übler Duft zum Himmel aufstieg: aber insofern die Widder und anderen Opfertiere vorbildliche Darstellungen Christi waren, hatten sie vor Gott einen süßen Geruch. Nachdem jetzt solche gesetzlichen Zeremonien gefallen, bleibt uns nur die geistliche Wahrheit, welche der Dichter im nächsten Verse deutlicher ausspricht: Ich will erzählen, was er an meiner Seele getan hat. Dies war ja auch unter dem Gesetz der Zweck der äußeren Zeremonien, ohne welchen aller Pomp unfruchtbar gewesen wäre. Der Lobpreis der Gnade Gottes war die rechte Würze, welche die Opfer erst genießbar machte. Dass aber der Dichter alle aufruft, die Gott fürchten, will uns lehren, dass rechte und volle Dankbarkeit immer die Sehnsucht in sich trägt, die erfahrenen Gnadengaben öffentlich kundzumachen: so sollen alle Menschen nicht nur bewogen werden, in unser Lob einzustimmen, sondern es soll auch durch das Zeugnis von der Gnade Gottes ihr Glaube und ihre Hoffnung gestärkt werden. Dass nur die Gottesfürchtigen die Verkündigung von Gottes Taten hören sollen, erklärt sich einfach daraus, dass nur sie geeignete Hörer sind, während unheilige und heuchlerische Menschen taube Ohren haben.
17 Zu ihm rief ich mit meinem Munde, und seine Erhebung war unter meiner Zunge. 18 Wo ich Unrechtes vorhätte in meinem Herzen, so würde der Herr nicht hören. 19 Aber Gott hat mich erhöret und gemerkt auf mein Flehen. 20 Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet.
V. 17. Zu ihm rief ich usw. David bezeugt, dass nur Gottes Hilfe ihn gerettet hat: denn die Erhörung seines Gebets war ihm ein Erfahrungsbeweis dafür, dass der Herr ihm gnädig war. Solche Frucht unsrer Bitten setzt Gottes Gnade in ein helles Licht und macht sie uns desto gewisser. Dass David mit dem Munde und der Zunge seinen Lobpreis darbringt, will besagen, dass er es kräftig und vernehmlich tut. Gewiss gehört vor allen Dingen die entsprechende innerste Herzensstimmung dazu, um das Gebet vor Gott angenehm zu machen: aber auch die Zunge muss neben dem Herzen in Bewegung kommen, wenn das Gebet nicht einen kalten und gleichgültigen Eindruck machen soll. Merkwürdig ist der Ausdruck: seine Erhebung war unter meiner Zunge. Die Rede wird gewissermaßen unter der Zunge geboren, wie es Ps. 140, 4 heißt: „Otterngift ist unter ihren Lippen.“ Dass aber das Gebet eine „Erhebung“ Gottes ist, kann uns lehren, dass man auf keine Weise dem Herrn eine höhere Ehre antut, als wenn man von ihm Hilfe erbittet. Des Weiteren (V. 18) lehrt uns aber der heilige Sänger, dass man mit rechtem und reinem Herzen beten soll: niemand darf ohne Glauben und Buße gedankenlos sich zur Anrufung Gottes drängen. Mischen sich doch nur zu leicht Heuchler und Gottlose unter die Gläubigen. Um solchen Spott zu wehren, erklärt David: Wo ich Unrechtes vorhätte, würde der Herr nicht hören. Damit nimmt er gewiss für sich Unschuld und Rechtschaffenheit in Anspruch, der auch Gott durch seine Gnadenerweise Zeugnis wider die Verleumdung gegeben hat. Aber seine Hauptabsicht war, durch sein Beispiel eine allgemeine Regel zu geben, die uns lehren soll, dass man nur mit reinem Herzen zu Gott nahen kann. Ähnlich heißt es auch Joh. 9, 31, dass Gott die Sünder nicht höret. Allerdings kann man auch sagen, dass nur Sünder erhört werden: denn das Gebet um Vergebung der Sünden ist allen zur allgemeinen Vorschrift gemacht. Indessen hören die Gläubigen in demselben Augenblick, in welchem sie ein aufrichtiges Schuldbekenntnis vor Gott bringen, auf, Sünder zu sein, weil Gott sie auf ihr Gebet hin freispricht. Denn wir sollen festhalten, was Paulus sagt (2. Tim. 2, 19): „Es trete ab von Ungerechtigkeit, wer des Herrn Namen anruft.“ Wenn der Dichter ausdrücklich versichert: ich habe nichts Unrechtes in meinem Herzen vor, so will er sagen, dass er nicht bloß vor Menschenaugen seine Hände äußerlich rein gehalten, sondern vor Gottes Augen das Lob wahrer Unschuld gewonnen hat. Denn wenn dem äußeren Schein des Lebens nicht ein innerlich reines Herz entspricht, sondern sich darin Bosheit verhüllt, so wird vor Gott ein Gräuel sein, was vor den Menschen glänzt. Mit starker Betonung kann aber David fortfahren (V. 19): Aber Gott hat mich erhöret. Daraus dürfen wir den Schluss ziehen, dass unsre Hoffnung nie getäuscht werden kann, wenn wir nur den Herrn von ganzem Herzen suchen.
V. 20. Gelobt sei Gott. Wie der Psalm mit Danksagung begonnen, so schließt er auch. Darum aber kann David danken, weil er erfahren hat, dass Gott sein Gebet nicht verwirft, sondern ihn seiner Hilfe würdigt. Der tiefste Quell davon wird darin aufgedeckt, dass er seine Güte nicht von ihm wendet. Denn allein freie und unverdiente Gnade ist es, kraft deren unsere Bitten erhörlich und fruchtbar werden.
Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter