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Calvin, Jean - Psalm 45.
Inhaltsangabe: Dieser Psalm beschreibt und rühmt die Huld und den Glanz Salomos, seine Königstugenden, Macht und Reichtum. Seine aus Ägypten stammende Gattin verheißt Gott zu segnen, wenn sie ihrer alten Heimat ganz entsagen und ihrem Gemahl mit ganzer Hingebung angehören wollte. Ohne Zweifel ist uns damit die Hoheit, Macht und Ausbreitung des Reichs Christi vor Augen gestellt, um die Gläubigen daran zu erinnern, dass es kein größeres Glück und keinen höheren Wunsch gibt, als ein Bürger dieses herrlichsten aller Königreiche zu sein.
1 Dem Musikvorsteher: ein Brautlied und Unterweisung der Kinder Korah, von den Rosen.
Ohne Zweifel handelt dieser Psalm von Salomo. Aber der Verfasser ist unbekannt. Nach meiner Ansicht hat entweder nach des Königs Tod oder schon zu seinen Lebzeiten ein Prophet oder ein frommer Gelehrter den Entschluss gefasst, in diesem Gedicht zu zeigen, wie das ganze Leben Salomos in allen Stücken nur das Vorbild eines weit erhabeneren sei. Das Gedicht heißt ein Brautlied und enthält den Lobpreis einer glücklichen, beseligenden Ehe. Wörtlich genommen ist es ein „Lied der Geliebten“ und bezieht sich auf die Liebe, die sich Ehegatten gegenseitig schulden. Weil aber die Liebe manchmal eine verkehrte Richtung einschlägt und selbst eheliche Liebe nie ganz frei ist von fleischlichen Gelüsten, wird das Lied zugleich eine Unterweisung genannt. Das lässt keinen Zweifel darüber, dass es sich hier nicht um niedrige oder minder keusche Liebe, sondern um eine Darstellung der heiligen göttlichen Verbindung Christi und seiner Gemeinde handelt, für welche Salomo nur das Vorbild liefern musste. – Das Ende der Überschrift findet mannigfache Erklärung. Jedenfalls wäre genauer nicht „Rosen“, sondern „Lilien“ zu übersetzen (so auch Ps. 80; Ps. 60 gebraucht dasselbe Wort in Einzahl). Wahrscheinlich wird mit dem Ausdruck „von den Rosen“ oder Lilien der Anfang einer geläufigen Melodie oder ein Musikinstrument bezeichnet. Übrigens ist das unwesentlich und mag es jeder unbedenklich nehmen, wie es ihm gefällt.
2 Mein Herz dichtet ein feines Lied; ich will singen von einem Könige; meine Zunge ist ein Griffel eines guten Schreibers. 3 Du bist der Schönste unter den Menschenkindern, holdselig sind deine Lippen, darum dass Gott dich segnet ewiglich. 4 Gürte dein Schwert an deine Seite, du Held, und schmücke dich schön! 5 Es müsse dir gelingen in deinem Schmuck. Zeuch einer der Wahrheit zu gut, und die Elenden bei Recht zu erhalten, so wird deine rechte Hand Wunder vollbringen. 6 Scharf sind deine Pfeile, dass die Völker vor dir niederfallen, sie dringen ins Herz der Feinde des Königs.
V. 2. Mein Herz dichtet usw. Dass es sich hier nicht um einfaches Volkslied handelt, zeigt schon die Ankündigung des Dichters, von hohen, prächtigen Dingen reden zu wollen. Der heilige Geist bläht ja die Backen nicht auf, um mit hohlen Posaunentönen die Welt aufmerksam zu machen. Deshalb dürfen wir auch schließen, dass der Psalm nicht ein vergängliches, sondern ein über die Zeiten erhabenes Reich besingt. Darum heißt es: „mein Herz dichtet“ oder wörtlich: „sprudelt heraus“. Mit aller Macht singt der Prophet das Lob des Königs. Dass er seine Zunge mit dem Griffel eines guten , schnellen Schreibers vergleicht, will besagen, dass sie die Gefühle seines Herzens richtig und eifrig zum Ausdruck bringt. Darauf (V. 3) beginnt er, des Königs Schönheit zu preisen, dann lobt er seine Redegabe. Des Königs schöne Gestalt wird nicht gepriesen, weil sie schon an sich als etwas Rühmenswertes und als eine Tugend aufzufassen wäre, sondern weil sein Edelmut oft aus seinen Blicken hervorleuchtete, wie ja Salomo schon durch das bloße Äußere zeigte, mit welch vortrefflichen Gaben er ausgestattet war. Mit gutem Grund wird aber an dem König seine Beredsamkeit gepriesen, nicht allein im Blick auf die Leitung seines Volkes durch Rat und Tat, sondern auch wegen der Gabe, durch holdselige, vernünftige Rede den Gehorsam in den Herzen seines Volkes zu wecken. Wie deutlich zeigt sich daran die Schlaffheit unserer heutigen Fürsten, die es mit ihrer Würde unvereinbar halten, durch die Rede auf ihre Untertanen einzuwirken! Sie gehen vielmehr in ihrer Herrschsucht so weit, dass sie ihren Willen lieber ohne weiteres durchsetzen, statt dass sie ihm auf dem Wege der überzeugenden Empfehlung Geltung zu verschaffen suchten. Sie sehen lieber Sklaven zu ihren Füßen, als dass sie ein gelehriges, gehorsames Volk in Recht und Gerechtigkeit leiten wollten. Übrigens kommt der schöne Zug, der uns hier an Salomo gezeigt wird, an Christo zur vollkommensten Erscheinung, dessen Zepter die wahre Lehre ist.
V. 3. Darum dass Gott dich segnet . So ist zu übersetzen, nicht etwa: darum segnet dich Gott. Schönheit und Redegabe hatte Salomo als Gnadengaben empfangen, weil Gottes Segen auf ihm ruhte, - nicht aber wurde er um dieser Vorzüge willen gesegnet.
V. 4. Gürte dein Schwert usw. Hier wird die kriegerische Macht Salomo hervorgehoben, durch die er seiner Feinde Schrecken ist, und die schönen Eigenschaften, mit denen er die Achtung seiner Untertanen erwirbt. Ein König kann ja sein Volk nicht schützen und schirmen, es sei denn, dass er seinen Feinden furchtbar erscheint. Anderseits aber genügt es nicht, den Feinden draußen kühn die Stirne zu bieten, wenn nicht auch im Innern des Reiches selbst Recht und Gerechtigkeit herrscht. Das Schwert, mit dem er umgürtet ist, ist ein Zeichen kriegerischer Kraft zur Niederwerfung der Feinde, zugleich aber auch ein Bild seiner Macht, die ihm im eigenen Lande Achtung verschafft, dass sein Ruhm nicht, wie das eitle Schaugepränge mancher Könige, zusammenbreche, sondern durch immer neue Erfolge zunehme. Es folgen (V. 5) die Eigenschaften, die sich im Frieden und in ruhiger Zeit bewähren und wahre Stützen des Thrones sind. Es heißt eigentlich: „fahre daher auf der Wahrheit“, wobei die Vorstellung eines Wagens zu Grunde liegt, auf dem der König einher fährt. Damit ist nicht allein der Gegensatz zu dem leeren Schaugepränge, mit dem irdische Könige sich brüsten, sondern auch zu den Lastern und Fehlern angedeutet, durch welche sie oft Ansehen zu gewinnen suchen. „Milde und Recht stützen die Königsthrone“, sagt auch Salomo selbst in den Sprüchen (20, 28). Und doch – wenn irdisch gesinnte Könige ihre Macht stärken und stützen wollen, so machen sie Ehrgeiz, stolze Kälte, Trotz, Grausamkeit, Pfändung, Raub und Gewaltsamkeit zu ihren Rossen und Wagen. Da ist es denn kein Wunder, wenn sie Gott oft von ihren luftigen, morschen Thronen herunterreißt. Darum ist die einzige, wahre Stütze der Throne: ein mildes Zepter, Treue und Recht. – Der Schluss des 5. Verses verheißt dann dem Salomo Glück bei all seinen Unternehmungen, falls er Gerechtigkeit und Milde auch im Kriegsgewand nicht vergesse. Denn Könige, die sich von blindem, stürmischen Eifer hinreißen lassen, fallen, auch wenn sie einen Augenblick Furcht und Schrecken verbreiten, unter ihrer eigenen Macht zusammen. Also erst Recht und Billigkeit machen die Hand des Starken gefürchtet.
Der 6. Vers greift wieder auf die kriegerische Macht zurück mit den Worten: Scharf sind die Pfeile, sie dringen ins Herz der Feinde. Der König hat die Geschosse in der Hand, mit welchen er alle die aus weiter Ferne trifft, welche sich wider seinen Thron erheben. Jeder Aufrührer wird zu Grunde gehen. Denn es fehlt dem König nicht an Mitteln, jeden starren Nacken zu brechen.
7 Dein Stuhl, o Gott, bleibt immer und ewig; das Zepter deines Reichs ist ein gerades Zepter. 8 Du liebest Gerechtigkeit und hassest gottlos Wesen; darum dass dich Gott, dein Gott, gesalbt hat mit Freudenöl mehr denn deine Gesellen.
V. 7. Der Dichter rühmt noch andere königliche Eigenschaften an Salomo: einmal dass sein Stuhl immer und ewig bleibt, und dann, dass seine Regierungsgrundsätze auf Recht und Geradheit hinauslaufen. Salomo herrscht nicht als Gewaltherrscher, sondern auf Grund von billigen, lauteren Gesetzen, und darum wird sein Stuhl alle Zeiten überdauern. Angeredet ist übrigens nicht Gott der Herr: so deuten die Juden unsern Satz, um nicht die Gottheit des Messias anerkennen zu müssen. Auch darf man nicht übersetzen: „dein Thron ist ein Gottesthron immer und ewig.“ Allerdings kann die Anrede „o Gott“ auch nicht auf einen einzelnen sterblichen Menschen wie Salomo bezogen werden. Wohl heißen Engel und obrigkeitliche Personen zuweilen „Götter“ in der Mehrzahl: aber niemals empfängt ein einzelner diesen Titel, selbst nicht ein König, dem doch Gott etwas von seiner Herrlichkeit aufgeprägt hat. Denn wenn Mose (2. Mose 7, 1) einmal als „Gott über Pharao“ bezeichnet wird, so gilt dieser Vergleich doch nur in der bestimmten Richtung auf Pharaos Person. So müssen wir schließen, dass unser Psalm über das schattenhafte und abbildliche irdische Königtum hinaus auf ein höheres Königtum schaut. Dies wird alsbald noch deutlicher werden.
V. 8. Du liebest Gerechtigkeit usw. Damit wird das rechte Regiment des Königs genauer beschrieben: wie er ein ungerechtes Wesen strenge bestraft, so tritt er anderseits für die Gerechtigkeit ein. Wir wissen ja, welch unsichere Zustände Straflosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber feststehenden Gesetzen im Gefolge haben. Daher das alte Sprichwort: Es ist besser, unter einem Fürsten zu leben, der nichts erlaubt, als unter einem, der alles erlaubt. So heißt es auch (Spr. 17, 15): „Wer den Gottlosen rechtfertigt und den Gerechten verurteilt, der ist dem Herrn ein Gräuel.“ Die rechten Herrschergrundsätze sind: strenge Bestrafung der Vergehen, entschiedenes Eintreten für die Gerechtigkeit. Zum Schluss ist wiederum zu übersetzen: darum dass dich Gott gesalbt hat. Denn diese Salbung ist nicht etwa die Folge, sondern die bewirkende Ursache von Salomos Gerechtigkeit: denn eben darin wurzelte bei ihm der Eifer für Recht und Billigkeit, dass er von Gott zum König des Volkes gesetzt war. Gott hatte ihm Ehre und Herrschaft bestimmt und ihm darum die notwendigen Gaben verliehen. Weil Salomo aus der Zahl der Brüder auserkoren und durch die heilige Salbung zum König geweiht war, zeigte er sich als ein so herrlicher Vertreter der Gerechtigkeit. Schon vor seiner Geburt war er durch himmlische Weissagung zum Thronerben bestimmt (2. Sam. 7, 12 ff.), und nach seiner Thronbesteigung ward er dann mit königlichen Eigenschaften ausgerüstet. Daraus ergibt sich: die Salbung geschah vor Ausübung der Gerechtigkeit. Somit darf man in letzterer nicht den Grund zu jener sehen. – Freudenöl heißt das Öl im Hinblick auf seine Wirkung. Hing doch Heil und Glück der Gemeinde von dem Geschick jenes Königtums ab. Soweit bin ich dem Buchstabensinn gefolgt.
Jetzt will ich die Vergleichung zwischen Salomo und Christus weiter ausführen; obwohl fromme und bescheidene Leute sich mit dem begnügen, was aus der Schrift bekannt ist. Weil aber die Juden und Leute ihrer Art nicht leicht der Wahrheit Raum geben, dass Christus dem alten Volk in den Nachkommen Davids vorgebildet wurde, lohnt es wohl die Mühe, in diesem Zusammenhang zu zeigen, dass nicht alles, was hier gesagt ist, voll und ganz auf Salomo passt. Der Sänger will die Frommen von den Zweifeln befreien, die sich ihnen wegen der bald hereinbrechenden traurigen Umwälzung regen mussten. Ein ewiges Reich war verheißen, während dieses doch nach dem Tode des ersten Königs zusammenbrach. Da sagt dann der Prophet: Obgleich Rehabeam, der erste Nachfolger auf dem so glänzenden, mächtigen Throne, sich nach der Reichsspaltung auf ein kleines Gebiet angewiesen sah, so liege doch kein Grund dazu vor, dass der Glaube der Gemeinde erlahme. Denn man habe es ja nur mit einem Abbild des ewigen Reiches zu tun, das noch Gegenstand der Hoffnung sei. David und Salomo, die als Gottes Erwählte hoch über die andern emporgehoben wurden, deuten auf jenen denkwürdigen König, dessen Stuhl Gott bestehen lassen will, so lange Sonne und Mond am Himmel glänzen (Ps. 72, 5). Wie stimmt es nun, dass Salomos kriegerische Tapferkeit so sehr gerühmt wird, des Königs, der doch so friedliebend war, der seinem Reich die Ruhe wahrte und nur Friedenswerke vollbrachte, ohne auch nur jemals das Kriegsbanner zu entrollen? Es gibt keinen klareren Beweis für die Ewigkeitsdauer des Reiches als eben diesen. Denn es ist kein Zweifel darüber, dass auf jene soeben genannte Weissagung angespielt wird (Ps. 72, 5), welche auch die Juden auf den Messias beziehen müssen. Obwohl also der Prophet zunächst von Davids Sohn geredet hatte, schlägt er doch sein geistiges Auge auf und schaut das Reich des wahren ewigen Messias. Darum sagt er auch „Gott“, womit der die göttliche Hoheit Christi meint.
Ich will jetzt noch kurz auf einige Einzelheiten eingehen. Wir sagten: das Lied sei ein Brautlied und zugleich – und das steht im Vordergrund – eine heilige Unterweisung, sich keine leichtfertigen, irdischen Liebesgedanken zu machen. Christus ist der Schönste unter den Menschenkindern, nicht weil er von schönem Aussehen gewesen wäre, wie es sich törichte Menschen träumen, sondern weil er mit ausgezeichneten Gaben ausgestattet war, durch die er alle andern überragte. Es ist ja nichts Neues, dass Christi geistliche Herrlichkeit mit irdischen Bildern dargestellt wird: die Propheten denken sein Königreich mit allen Schätzen ausgestattet, überstrahlt von glück bringendem Überfluss und großer Macht, erfüllt von allerlei Freuden. Und doch passt von alledem nichts zu Christi Reich, das nichts weiß von dem Tand der Welt. Die Propheten müssen aber ihre Lehre dem Verständnis des Volkes anpassen: darum stellen sie auch die künftige wahre Gottesverehrung mit den Schattenbildern des gesetzlichen Gottesdienstes dar (z. B. Mal. 1, 11). Wenn wir uns diese Umstände vergegenwärtigen, so weicht alles Dunkel von unserer Stelle. Es ist bemerkenswert, dass der göttliche König erst seiner Beredsamkeit wegen gerühmt und dann auch mit dem Schwert umgürtet wird. Lenkt er doch durch die Rede seines Mundes die Gelehrigen. Weil es aber zu allen Zeiten solche gegeben hat und geben wird, die widerspenstig und ungehorsam sind, so müssen es alle Ungläubigen bei ihrem Tode fühlen, dass Christus nicht wehrlos gekommen ist. Wenn er uns also freundlich zu sich einlädt, so sollen wir gehorsam sein Joch auf uns nehmen, auf das er sich nicht mit Schwert und todbringenden Pfeilen bewaffnet auf uns stürze. Mit Recht heißt es zwar, Gnade ströme über seine Lippen, weil das Evangelium einen Geruch zum Leben verbreitet. Wenn wir aber den Nacken nicht beugen, so wandelt sich diese Gnade in Schrecken, und Christus schmiedet aus seiner Heilslehre Schwerter und Pfeile. Darin liegt aber für uns ein großer Trost: die Menge und der Übermut der Feinde Christi wird uns nie umbringen. – Endlich ist der Mühe wert, zu bemerken, dass hier von Christo geredet ist, sofern er als Gott im Fleisch sich offenbarte. Denn heißt er auch , weil er das Wort ist, vom Vater vor Beginn der Zeiten gezeugt, so steht er hier doch als Mittler vor uns, weshalb er auch Gott dem Vater untergeordnet erscheint. Wenn man das, was von seinem ewigen Reich gesagt wird, auf seine göttliche Natur beschränkt, wird uns eine unschätzbare Frucht verloren gehen, die wir aus dieser Lehre empfangen: nämlich die, dass er, sofern er das Haupt der Gemeinde ist und Schutz und Schirm unseres Heils, nicht bloß eine gewisse Zeit regiert, sondern ewig das Zepter führt, woraus für uns Ruhe im Leben und im Sterben erwächst. Unverkennbar deutet auf den irdischen Mittler auch die Aussage, dass er durch die Salbung vor seinen Gesellen bevorzugt wurde: denn dies trifft nicht auf das ewige Wort Gottes zu, sondern auf Christum im Fleisch, in welchem er Gottes Knecht und unser Bruder ist.
9 Deine Kleider sind eitel Myrrhe, Aloe und Kasia, wenn du aus den elfenbeinenen Palästen daher trittst in deiner schönen Pracht. 10 In deinem Schmuck gehen der Könige Töchter; die Braut steht zu deiner Rechten in eitel köstlichem Golde. 11 Höre, Tochter, siehe und neige deine Ohren; vergiss deines Volks und deines Vaterhauses; 12 so wird der König Lust an deiner Schöne haben; denn er ist dein Herr, und sollst ihn anbeten. 13 Die Tochter Tyrus wird mit Geschenk da sein; die Reichen im Volk werden vor dir stehen.
V. 9. Ob die Übersetzung: „Myrrhe, Aloe und Kasia“ genau das Richtige trifft, lasse ich dahingestellt, da auch die hebräischen Ausleger schwanken. Jedenfalls will der Dichter sagen, dass die Kleider des Königs von köstlichen Wohlgerüchen duften. Dann beschreibt er, wie Salomo unter den Beifallsrufen des Volkes aus seinem Palast hervortritt. Freilich hängt sich nicht nur beim gemeinen Volk, sondern auch bei Königen an solch üppiges und prächtiges Auftreten nur zu leicht sündige Verkehrung. Doch darf man auch nicht zu streng urteilen und eine mäßige Pracht, wie sie dem Rang derer entspricht, die sie entfalten, nicht rundweg verwerfen. Auch die Königin tritt gleich nachher im kostbaren, reichen Schmuck auf, wie es einer Königin gebührt. Indessen soll man auch nicht übersehen, dass Gott sicher nicht alles gebilligt hat, was hier von Salomos Auftreten staunend gemeldet wird. Man denke nur daran, dass Gott von Anfang an die Vielweiberei verurteilt hat. Trotzdem werden die Segnungen Gottes auch den Nebenweibern zuteil. Ohne Zweifel sind solche in V. 10 gemeint. Die ägyptische Königstochter genoss zwar unter allen die höchste Ehre (vgl. 1. Kön. 3, 1). Doch scheint es, dass der König auch für andere offene Hände hatte und sie mit Auszeichnung behandelte. Der Sänger nennt diese der Könige Töchter , weil einige von ihnen aus königlichen Geschlechtern stammten. Wie kann aber nun der Dichter unter den Zeichen der Herrlichkeit Salomos auch die Vielweiberei aufzählen, die doch Gott bei allen Menschen, besonders aber bei Fürsten, missbilligt? Wir werden ohne weiteres feststellen, dass der Psalm, wenn er des Königs Reichtum und Herrlichkeit mit Farben schildert, wie sie dem Volk verständlich waren, doch den sündigen Missbrauch nicht loben will. Denn sicherlich wollte der Dichter nicht das Beispiel eines Menschen und Gottes Vorschrift wider einander ins Feld führen. Die Macht, Würde und Herrlichkeit Salomos verzeichnet er als ungewöhnliche Segnungen Gottes: aber wie es zu gehen pflegt, hatte Salomo diese Segnungen mit vielerlei Sünden befleckt, indem er nicht Maß hielt und seinem Fleisch die Zügel schießen ließ. Alles in allem: es wird hier erzählt, wie freigebig Gott den Salomo mit allen Gaben beschenkt hat; dass dieser aber Vielweiberei trieb und einen übermäßig glänzenden Hofhalt führte, ist nur ein nebensächlicher Zug.
V. 11. Höre, Tochter! Von der ägyptischen Königstochter, die wir eben zur Rechten des Königs stehen sehen, ist auch hier die Rede. War es auch nicht recht von Salomo, dass er eine ausländische Gattin sich erkor, so gehörte es doch unstreitig zu den Segnungen Gottes, dass er so mit dem mächtigsten Fürstenhause verwandt wurde. Die Juden mussten nach dem Gesetz dafür Sorge tragen, dass ihre Frauen vor der Eheschließung sich an den wahren Gottesdienst gewöhnten und dem Aberglauben entsagten (5. Mos. 21, 10 ff.; Bd. 2, Abschn. 47). Darum erinnert der Dichter hier daran, dass diese Königstochter aus heidnischem Lande stamme, und ehe sie dem Gottesvolke durch ihre Vermählung zugehören konnte, ihre bisherigen Sitten fahren lassen müsse: vergiss deines Volkes und deines Vaterhauses. Denn wenn sie dies nicht tat, ergab sich eine doppelte Gefahr: im eigenen Hause konnte der alte gewohnte Gottesdienst weiter gepflegt werden, und dieses Beispiel konnte viele zur Nachahmung verleiten. So geschah es ja auch bei Salomos Gattin (1. Kön. 11, 1. 4). – Um die Wichtigkeit der völligen Umwandlung der jungen Braut hervorzuheben, macht der Prophet viele Worte: Höre, siehe und neige deine Ohren.Es bedarf ja spitzer Stacheln, wo es sich um Verleugnung alles dessen handelt, was einem von Haus aus und von Natur lieb und teuer ist. Aber die Tochter Pharaos braucht um den Verlust von Vaterhaus, Verwandtschaft und der ganzen ägyptischen Heimat nicht zu trauern. Erhält sie doch herrlichen Ersatz dafür! Ihr Gatte soll ihr mehr sein, als ihre Heimat.
Sehen wir jetzt auf Christum! Sein ganzes geistiges Reich ist uns hier vor Augen gemalt. Die Propheten sehen sich ja durch die Verstocktheit der Menschen gezwungen, an irdischen Bildern das Ewige klar zu machen. Halten wir diese Redeweise, die in der Schrift so häufig ist, fest, so kann es uns nicht mehr wundern, wenn der Dichter die Elfenbeinpaläste, Gold, Edelstein und Wohlgerüche rühmt; denn er will zeigen, wie es an keinem Gute mangelt. Obwohl nun aber der Glanz und der Wert der Geistesgaben, mit denen Gott seine Gemeinde beschenkt, von der Welt verachtet wird, gilt er doch vor Gott mehr, als alle Reichtümer der Welt. Man muss übrigens nicht alle Einzelheiten der Beschreibung auf Christum deuten, wie z. B. die Bemerkung über die Vielweiberei. Denn es gibt nur eine Braut Christi, seine ungeteilte Gemeinde. Diese steht zu seiner Rechten, nicht weil sie ein besonderes Herrschaftsgebiet hätte, sondern weil Christus in ihr herrscht. – Unsere Psalmstelle enthält ferner eine herrliche Verheißung der künftigen Berufung der Heiden: wie Salomo sein Weib aus einem fremden und unheiligen Volk nahm, so ist auch der Sohn Gottes in ein Verwandtschaftsverhältnis zu Fremden und sogar zu seinen Feinden getreten. Es bestand ja zwischen Gott und allen unbeschnittenen Völkern ein feindlicher Zwiespalt. Eine Mauer trennte jene vom auserwählten Geschlechte Abrahams. Denn der Bund Gottes mit Abraham schloss bis zur Ankunft Christi die Heidenvölker vom Himmelreich aus: nun aber hat Gott der ganzen Welt einen heiligen Ehebund angetragen. Übrigens mahnt der Dichter die aus den Heiden berufene Gemeinde, dass sie ihr altes Leben vergesse und sich ganz ihrem Eheherrn weihe; denn er will Christo eine keusche und reine Braut zuführen. Der Sänger betont diese Umwandlung so stark, weil er weiß, wie schwer es ist, ein neuer Mensch zu werden, der den Adamssinn fahren und Gottessinn in seinem Herzen walten lässt. Mit der Häufung der Aufforderungen: höre, siehe, neige deine Ohren – weist er darauf hin, dass die Gläubigen nur mit großer Mühe und Arbeit imstande sind, sich selbst mit ihren alten Gewohnheiten gleichsam auszuziehen. Die Erfahrung zeigt ja, wie lässig und träge wir sind, wenn wir dem Herrn gehorchen sollen. Das „Siehe“ welches uns zugerufen wird, tadelt unsere Stumpfheit mit all ihrer blinden Eigenliebe, ihrer eingebildeten Klugheit und Tüchtigkeit, mit ihrer Lüsternheit und Anmaßung, dass wir nicht bedenken, welch kostbaren Schatz uns Gott in seinem eingeborenen Sohne anbietet, und alles andere für Kot achten (Phil. 3, 8), um uns nur mit Christi Schätzen zu bereichern. Wie aber das Wort „Tochter“ eine schmeichelnde Liebkosung für die neue Gemeinde bedeutet, so fehlt es auch nicht an einem Lockmittel, für Christi Gnade gerne alles, was einem bisher lieb und teuer war, einzutauschen. Es ist ja kein gewöhnlicher Trost, dass wir dem Sohne Gottes die größte Freude machen, wenn wir den irdischen Sinn ablegen (V. 12): so wird der König Lust an deiner Schöne haben. Indes sollen wir lernen: unsere Selbstverleugnung ist der Anfang der heiligen Verbindung mit Christo. Denn unter dem Vaterhaus, das wir vergessen sollen, versteht der Sänger alle die Verderbnis, die wir von Mutterleib an uns herumtragen, oder die wir durch schlechte Gewohnheit uns aneigneten; er fasst, kurz gesagt, in diesem Wort alles zusammen, was der Mensch von sich aus ist. Kein Stückchen an ihm ist gut, keines frei von Verkehrtheit! Auch das darf man nicht übersehen, dass die Gemeinde die wahre echte Untertanenpflicht verachtet, wenn sie sich von Christo lossagt. Denn dass sie ihn anbeten soll, ist keine äußerliche Handlung, sondern ein Ausdruck frommer Verehrung und Gehorsamsbezeugung.
V. 13. Die Tochter Tyrus wird mit Geschenk da sein. Das ist ein Stück der Entschädigung, womit der Dichter der Sehnsucht nach dem früheren Glück ihren Stachel nimmt oder sie vielmehr zum Schweigen bringt: dass nämlich die Tyrer mit Geschenken die Huld der neuen Königin erbitten werden. Wir wissen, wie berühmt einst dies Volk war. Darum ist es für die Juden die höchste Ehre, wenn zu ihnen die Bürger einer weltbekannten reichen Stadt kommen, um ihre Unterwürfigkeit zu bekunden. Es hat wenig Wert, für jede Kleinigkeit, die hier von Salomos Gattin gesagt ist, auch etwas Gleichwertiges in der Gemeinde Christi entdecken zu wollen. Aber die Weissagung im ganzen sehen wir doch heute darin erfüllt, dass manche vornehmen Leute, auch ohne das Joch Christi auf sich zu nehmen, in menschlicher Freundlichkeit der Gemeinde Schutz und Schirm angedeihen lassen.
14 Des Königs Tochter drinnen ist ganz herrlich; sie ist mit güldnen Gewändern gekleidet. 15 Man führet sie in gestickten Kleidern zum König; und ihre Gespielen, die Jungfrauen, die ihr nachgehen, führt man zu dir. 16 Man führet sie mit Freuden und Wonne, und sie gehen in des Königs Palast. 17 An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein; die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt. 18 Ich will deines Namens gedenken von Kind zu Kindeskind; darum werden dir danken die Völker immer und ewiglich.
V. 14. Des Königs Tochter drinnen ist ganz herrlich. Die Meinung ist entweder, dass die Königstochter nicht bloß bei öffentlichem Auftreten, sondern auch im Innern des Palastes aufs schönste gekleidet sei; oder: ihr Schmuck ist nicht gefälscht, um den Einfältigen Augen zu täuschen, sondern „ganz“ d. h. durchaus echt. Jedenfalls will der Sänger die glänzenden Verhältnisse der Königin in helles Licht stellen. Andere Ausleger meinen: ganz und gar darin bestehe die Herrlichkeit der Königin, dass der König sie „drinnen“ freundlich zu sich einlade. Denn alsbald wird uns der unter glänzender Gefolgschaft stattfindende Zug zum Ehegemach beschrieben. Aus dieser Beschreibung ungewöhnlicher Pracht wollen wir lernen: die Gemeinde ist nicht so kostbar gekleidet, um die Augen des Volkes auf sich zu ziehen, sondern nur um dem König zu gefallen. Wenn aber heute nichts mehr von dem geistigen Glanz der Gemeinde zu sehen ist, wie ihn der Reichtum Christi mit sich bringt, so ist dies allein die Schuld der Undankbarkeit der Menschen, die in ihrer Stumpfheit Gottes Gnadengaben von vornherein verschmähen oder aber verschleudern.
V. 17. An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein. Auch das ist ein Ruhm für den König, dass seine Nachkommen alle auf dem Thron sitzen sollen und das königliche Blut auch in den Adern seiner Nachfolger fließen wird. Denn seine Söhne sollen sich durch ebensolche Tugenden auszeichnen wie ihr Ahnherr. Dann folgt: die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt. Sein Reich wird sich soweit ausdehnen, dass es die meisten Königreiche umfasst. Das ist eine Weissagung auf Christus. Denn weit entfernt, dass Salomos Söhne das Reich unter sich geteilt hätten, erhielt nur einer, der erste Erbe, ein ganz kleines Stück. So gelangte keiner von seinen rechtmäßigen Nachfolgern zu der Macht des Ahnherrn. Sie waren vielmehr alle nur Herren von einem und einem halben Stamme und somit gleichsam in die Ecke gedrängt. Als aber Christus kam, der Mittler zwischen der alten und neuen Gemeinde, zeugte er wahre Söhne, die an Zahl und Rang den Vätern nicht nachstanden, denen er die ganze Welt untertan machte. Denn wenn auch die Schmach des Kreuzes den Ruhm der Gemeinde vor der Welt verdunkelt, so müssen wir doch in Erwägung des wunderbaren Wachstums und der reichen Fülle von Geistesgaben innerhalb der Gemeinde bekennen, dass ihr Ruhm mit Fug und Recht gepriesen wird. Die Herrschaft aber, von der hier die Rede ist, eignet im strengen Sinne nicht menschlichen Personen, sondern allein dem Haupt. Doch überträgt sie Christus auch seinen Gliedern, woraus sich dann freilich ergibt, dass die Vorsteher und Regierer der Gemeinde in Christi Namen weniger zu herrschen als zu dienen haben. Immerhin: weil ihnen Christus sein Evangelium, das seines Reiches Zepter ist, anvertraut hat, so üben sie in gewisser Weise seine Macht aus. Durch seine Diener – das ist gewiss – hat sich Christus den Erdkreis untertan gemacht und so viele Fürstentümer errichtet, als es in den verschiedensten Weltteilen Gemeinden gibt.
V. 18. Ich will deines Namens gedenken usw. Das passt nun gar nicht mehr auf Salomo, der das Gedächtnis seines Namens durch schmählichen Abfall von Gott befleckt hat. Hat er sich nicht für ewig mit Schmach und Schande bedeckt, da er den Gott geheiligten Boden mit dem Schmutz des Aberglaubens besudelte? Sein Name wäre wert gewesen, ins Grab ewiger Vergessenheit zu sinken. Auch Rehabeam steht nicht auf der Tafel ruhmgekrönter Fürsten, er, der in seinem unbeugsamen Hochmut das beste Stück seines Landes verlor. Wenn also der Lobpreis keine Lüge sein soll, so muss man ihn auf Christum beziehen, dessen Gedächtnis immerdar lebendig ist. Mag er auch von der Welt verachtet werden, mögen stolze Menschen seinen heiligen Namen verunglimpfen und mit Schmach und Schande bedecken, - seine Hoheit bleibt dennoch unerschüttert. Obwohl sich von allen Seiten zahllose Feinde erheben, sein Reich zu vernichten, so beginnen doch alle Kniee sich vor ihm zu beugen, bis dass er alle seine Widersacher zu seinen Füßen sieht. Denn auch die wütendsten Versuche des Teufels und der ganzen Welt konnten Christi Namen nicht auslöschen. Von Geschlecht zu Geschlecht, von Jahrhundert zu Jahrhundert hat er sich fortgepflanzt, und heute hören wir überall seinen Ruhm preisen. Obgleich aber noch der größte Teil der Erde diesen Namen verlästert, so ist` s doch genug, dass Gott überall seine Boten aussendet, die Christi Ruhm mit Eifer verkündigen. Unsere Aufgabe ist es nun, mit allem Fleiß dafür zu sorgen, dass dieses Gedächtnis nie untergehe, das alle Zeiten überdauern und seine Kraft zum ewigen Heil der Menschen entfalten soll.
Quelle: Menges, I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, 4. Band