Calvin, Jean - Psalm 43.
Inhaltsangabe:Dieser Psalm ist mit dem vorigen verwandt. Verfasser desselben ist wahrscheinlich David. Ungerechterweise durch das gewalttätige Auftreten seiner Feinde zur Flucht genötigt und aus der Heimat vertrieben, fleht er Gott als Rächer an und ermuntert sich zur Hoffnung auf seine Wiedereinsetzung.
V. 1. Richte mich, Gott usw. Zuerst beschwert sich David über die Wut seiner Feinde; bald aber wird er zeigen, dass das traurigste für ihn die Beraubung des Zugangs zum Heiligtum gewesen ist. Das aber ist ein Zeichen seines guten Gewissens, dass er dem Herrn die Verteidigung seiner Sache befiehlt. Denn das Wort „richten“, das er an erster Stelle braucht, bedeutet nichts anderes als: die Verteidigung in einem Rechtsfalle übernehmen. Noch deutlicher drückt er darauf diesen Sinn durch die Aufforderung aus: führe meine Sache. Allerdings war es der Hauptgegenstand seiner Bitte, den gottlosen, verbrecherischen Leuten entrissen zu werden, von denen er in empörender Weise erniedrigt wurde. Aber weil Gott den Elenden und Unschuldigen, die unverdient gequält werden, seine Hilfe verheißt, so bietet David an erster Stelle sich selbst zur Prüfung dar, damit Gott die Rechtmäßigkeit seiner Sache untersuche und durchschaue, und endlich doch Abhilfe schaffe. Wenn sich aber einerseits die lieblichste Tröstung daraus für uns ergibt, dass Gott es sich nicht verdrießen lässt, als Untersuchungsrichter in unserer Sache aufzutreten, so werden wir doch anderseits vergeblich darauf hoffen, ihn als Rächer bei unserer Unbill einschreiten zu sehen, wenn sich unsere Unbescholtenheit nicht klar herausstellt, die uns seine Gunst vor den Gegnern sichern kann. Als das „unheilige Volk “ bezeichnet David die ganze Rotte seiner Feinde, welche unbarmherzig und aller Menschlichkeit bar auftrat. Das folgende Wort redet, wenn man es buchstäblich übersetzen wollte, von „einem falschen und bösen Manne“, könnte also auf Saul bezogen werden; tatsächlich scheint aber an mehrere falsche und böse Leute gedacht werden zu müssen.
V. 2 u. 3. Denn Du bist der Gott meiner Stärke.Dieser Vers unterscheidet sich nur wenig vom 10. Vers des vorigen Psalms, und zwar mehr dem Ausdruck als dem Inhalt nach. Denn der Versuchung hält David als Schild die Erfahrung entgegen, dass Gottes Kraft ihm beistehe, und beklagt sich dann, dass er traurig einhergehen müsse, weil er dem Mutwillen der Feinde preisgegeben sei. Denn weil er es für sicher und ausgemacht hielt, den Feinden komme nur so viel Macht zu, ihm Beschwerden zu bereiten, wie der Herr ihnen erlaubte, so scheint es ihm gleichsam widersinnig und er bittet um Aufklärung darüber, wie es zugehe, dass seine Feinde das Übergewicht erlangen, während er selbst doch unter Gottes Schutz und Obhut sich befinde. Darauf aber sammelt er seine Seele zu dem Gebet, Gott wolle seine Gnade wieder hervortreten lassen, die er eine Zeitlang zu verbergen schien.
Gottes (V. 3) „Licht“ist seine Gunst: denn wie das Unglück Gottes Antlitz nicht nur verhüllt, sondern uns auch den Himmel verdüstert, so erstrahlt anderseits, wenn Gott uns segnet frohe Heiterkeit; ja das Licht des Lebens zerstreut die Finsternis, unter der wir traurig begraben lagen. David will sagen: alles Elend rühre nur daher, dass uns Gott die Zeichen seiner väterlichen Liebe entzieht; sobald er uns aber des Anblicks seines fröhlichen und heiteren Antlitzes würdigt, entspringe Befreiung und Heil. „Wahrheit“ fügt David hinzu, weil er Licht nur aus Gottes Verheißungen hoffte. Denn die Ungläubigen mögen wohl den Wunsch empfinden, dass Gott sich ihnen günstig erweise, erheben aber trotzdem die Augen nicht zu seinem Licht: denn immer neigt sich der menschliche Geist der Erde zu, wenn er nicht durch Gottes Wort aufwärts gerichtet wird. Daraus also fasst David Vertrauen zu Gottes Gnade, dass Gott, der Wahrhaftige, der nicht lügen kann, sich seinen Knechten für alle Zukunft versprochen hat. Daher ist die Rede so aufzulösen: Sende dein Licht aus, dass es mir Probe und Beweis deiner Treue sei oder mir wahrhaftig und wirklich erhärte, du seiest treu in deinen Verheißungen und unmöglich ein Lügner. Obgleich nämlich die Erkenntnis der Gnade Gottes aus dem Worte zu schöpfen ist und der Glaube nur dann Bestand haben wird, wenn er sich auf das Wort stützt, so verleiht doch die Erfahrung selbst dem Wort und dem Glauben eine ganz ungewöhnliche Bestätigung, sobald Gott zu unserer Hilfe die Hand ausstreckt. – Nunmehr legt David seinen hauptsächlichsten Wunsch und das Ziel dar, welches er für seine Wiedereinsetzung im Auge hatte: dass sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berg.Wie es nämlich der Hauptgrund seines Kummers war, von der Versammlung der Frommen verbannt zu leben, so schätzt er es auch als das höchste unter allen Gütern, die er von der Zukunft hofft, wenn er wieder an den Übungen der Frömmigkeit teilnehmen und Gott im Heiligtum verehren dürfe. Im Stillen freilich legt David das Gelübde der Danksagung ab, aber es ist durchaus unzweifelhaft, dass er mit jenen Ausdrücken das Endziel der Befreiung bezeichnen will, welches ihm vorschwebte: dass ihm nämlich der freie Zugang zum Heiligtum offen stände, von dem feindliche Gewaltherrschaft ihn vertrieben hatte, so dass er ganz zu Boden geschlagen war. Und zwar ist es höchst bemerkenswert, dass er, obwohl der Gattin, des Vermögens, der Heimat und anderer Annehmlichkeiten beraubt, immerdar nach dem Tempel ein so brennendes Verlangen hegte, dass er beinahe alles andere darüber vergaß (vgl. zu Ps. 42, 7). Man fragt freilich, wie des Berges Zion Erwähnung geschehen könne, welcher erst nach Sauls Tode zur gottesdienstlichen Stätte bestimmt wurde. Für diese Schwierigkeit bietet sich eine Lösung nur in der Annahme, David habe, als er nach langer Zeit den Psalm dichtete, das, was er sonst im Allgemeinen von der Stiftshütte sagen wollte, so ausgedrückt, dass es sich auf die ihm später verliehene Offenbarung zugleich mit bezog, - ein Verfahren, das nichts Widersinniges enthält.
V. 4 u. 5. Dass ich hingehe zum Altar usw. David gelobt dem Herrn ein feierliches Opfer zum Andenken an seine Befreiung. Er spricht nämlich nicht nur vom täglichen oder gewöhnlichen Gottesdienst, sondern mit der Nennung des Altars, wo die Dankopfer dargebracht zu werden pflegten (3. Mo. 3, 1 ff.), deutet er auf solch besonderes Zeichen der Dankbarkeit. Deswegen redet er auch den Herrn an: meine Freude, - denn er war entschlossen, vor dem Gott, der ihn aus der Trauer in die Freude führte, diese Wohltat dankbar zu bekennen. Und er fügt, um die Gnadengabe der Befreiung noch herrlicher zu erheben, zur Freude verstärkend und erläuternd die Wonne; denn er fühlte sich von einer ganz unvergleichlichen Freude durchströmt, als Gott ihn wider Erwarten wieder einsetzte. –
Für V. 5 genügt ein Rückverweis auf die Ausführungen zu Ps. 42, 6. 12.