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Calvin, Jean - Psalm 131.

Calvin, Jean - Psalm 131.

Inhaltsangabe:

Um das Volk zu unverdrossenem Kriegsdienst unter seiner Führung zu ermuntern, oder auch um allen Gläubigen zum Gehorsam gegen ihren König Lust zu machen, versichert David, dass er sich jederzeit von Gott habe führen lassen und nie etwas ohne seinen Auftrag unternommen habe.

Ein Stufenlied von David.

1 Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz; ich wandle nicht in großen Dingen, die mir zu hoch sind.

V. 1. Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig. Weil David über das Volk Gottes gesetzt war und es ihm anlag, sich als den rechtmäßigen König zu erweisen und den Gläubigen zum Gehorsam Lust zu machen, so hat er es bezeugen wollen, er sei nie ein hochmütiger oder ehrgeiziger Streber gewesen, sondern dank seiner Gelassenheit und Demut sei er in der Abhängigkeit von Gott geblieben. Hierin liegt eine Weisheit von vorzüglich praktischem Wert; denn es gibt keinen sichereren Weg zu einem glücklichen Leben, als wenn jeder einzelne, zufrieden mit dem von Gott ihm verordneten Lose, nicht selbst seines Glückes Schmied sein will, sondern still wartet, wie Gott ihn ruft: nicht mehr begehrt, als ihm zusteht, nicht ungestüm sich vordrängt oder hoch hinausstrebt, sondern an seinem Stande sich gern genügen lässt. Die Worte: „mein Herz ist nicht hoffärtig“ – deuten an, wo die Quelle alles unbesonnenen und vermessenen Handelns liegt. Denn woher kommt es, wenn die Menschen in dem Maße von ihren Begierden beherrscht werden, dass sie sich in schwindelnde Höhen verlieren, dass sie alles umwälzen und die Welt verwirren, dass sie schließlich in ihrer Verwegenheit Hals über Kopf daherstürmen? Woher anders als von ihrem maßlosen Hochmut? Wenn das Herz, das unergründliche, geheilt ist, wird jedermann Selbstbeherrschung üben. Was David dann von den Augen sagt, bedeutet, dass man in den Gebärden oder im Blick kein Zeichen von Stolz an ihm habe sehen können; gleichwie anderswo an den Stolzen die „hohen Augen“ verurteilt werden (Spr. 6, 17). Seine Meinung ist, er habe nicht bloß sein Herz gehütet, dass es sich nicht in Ehrgeiz überhöbe, sondern auch seine Augen in Zucht gehalten, dass sie nicht mit dem nach Hoheit lüsternen Herzen Gesellschaft machten; also Herz und Sinne, alles sei zur Demut angehalten worden.

Wenn David behauptet, er habe nicht in großen Dingen gewandelt, so muss das von der Gesinnung verstanden werden. Sicherlich war es etwas Großes, Inhaber des Prophetenamtes und zugleich der königlichen Würde zu sein, ja auf dem heiligen Stuhl des eingeborenen Sohnes Gottes zu sitzen; nicht zu reden von anderen Vorzügen, durch die ihn Gott über die gewöhnlichen Menschen erhoben hatte. Aber weil er sich hieran genügen ließ und nichts Anderes begehrte, als dem Herrn in seiner Gemeinde zu dienen, so behauptet er mit Recht, er habe nicht in großen Dingen gewandelt. Übrigens gehören die folgenden Worte dazu: die mir zu hoch sind. Das geht überhaupt auf große, verborgene, absonderliche Dinge. Es kommt also gar nicht darauf an, wie niedrig oder hoch Davids Stellung an und für sich gewesen ist; genug, dass er Maß gehalten und die Grenzen seines Berufs nicht überschritten hat. Er erlaubte sich nicht, auch nur den Fuß zu rühren, wenn kein göttliches Gebot ihn leitete. Welcher Gegensatz zwischen der Demut Davids und der Vermessenheit derjenigen, welche, ohne auf ein göttliches Gebot zu achten, sich mit Ungebühr vordrängen oder auch in fremde Geschäfte sich einmengen! Denn ein göttlicher Beruf ist wie ein Licht, das uns voranleuchtet, so dass uns nichts zu groß oder absonderlich sein wird, zumal wenn wir zu jeglichem Gehorsam bereit sind! Aber wenn einen der Ehrgeiz stachelt, ist es nicht anders möglich, als dass er umherfährt wie in einem Labyrinth. Sehen wir es doch mit Augen, wie Gott jene großartigen Unternehmungen vereitelt, bei denen die Kinder der Welt so stolz und selbstbewusst auftreten. Sie rennen in die Länge und Breite, setzen alle Welt in Atem durch ihr gebieterisches Wesen, lassen nichts unversucht, gefallen sich auch in ihrem Scharfsinn und ihrer Rührigkeit; und wenn sie dann in Ausführung ihrer Pläne einen großen Haufen zusammengetragen haben, so wird er mit einem Mal umgeworfen, weil nichts Festes darin ist. Das sind die, die vor Gott herlaufen wollen und es nicht über sich gewinnen, hinter ihm herzugehen. Sie leiden an zwei ganz verschiedenen Fehlern. Die einen stürmen hitzig darauf los, wie wenn sie, um zu bauen, die Steine in den Himmel werfen wollten. Die anderen sind anscheinend besonnener und gehen bedächtig vor, Schrift für Schritt, sie rechnen mit einer langen Zeit; aber mit nicht geringerer Anmaßung bestimmen sie, ohne nach Gott zu fragen, was sie über zehn oder zwanzig Jahre tun wollen, als wären sie die Herren über Himmel und Erde. Sie werfen die Steine, um den Grund ihres Bauwerks zu legen, in das tiefe Meer; und doch werden sie, selbst wenn Gott ihnen hundert Leben schenkte, nie bis an die Oberfläche gelangen. Wenn aber jemand sich unter Gott stellt, so dass er fürs erste nichts begehrt und sodann zufrieden ist mit dem ihm zugewiesenen Teil, der wird mit David einen ebenen und gleichmäßigen Weg gehen.

2 Ja, ich habe meine Seele gesetzet und gestillet; so ist meine Seele in mir wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter. 3 Israel hoffe auf den Herrn von nun an bis in Ewigkeit!

V. 2. Ja, ich habe meine Seele gesetzet. Durch ein sinniges Gleichnis legt David, was er hat sagen wollen, noch besser aus. Er vergleicht sich mit einem eben von der Milch entwöhnten Knaben. Der Sinn ist: er habe all den Sorgen den Abschied gegeben, von welchen gemeiniglich ehrsüchtige Menschen sich beunruhigen lassen, und habe die Kleinheit lieb gewonnen. Und weil das schwer zu glauben ist, so bekräftigt er es mit einem Schwur. Die Worte lauten nämlich nach dem Grundtext: „Wenn ich meine Seele nicht setzte und stillte!“ Das ist die bekannte Form eines Schwurs, wobei die Verwünschung zu ergänzen ist, aber verschwiegen wird, damit man lerne, beim Schwören seine Zunge im Zaum halten und den Namen Gottes nicht missbrauchen. Die Stille, zu welcher David seine Seele gebracht hat, bildet den Gegensatz zu den glühenden Trieben, wodurch viele sich und alle Welt in Aufregung bringen. Der Vergleich mit einem kleinen Kinde kommt anderwärts in tadelndem Sinne vor. Wenn es heißt (Jes. 28, 9): „Wen soll ich lehren Erkenntnis? Die Entwöhnten von der Milch? Die von Brüsten abgesetzt sind?“ – so tadelt der Prophet die Stumpfheit des Volkes, das zum Lernen nicht geschickter sei als kleine, noch nicht zweijährige Kinder. Aber an unserer Stelle wird die Einfalt des Kindes gelobt, und zwar in derselben Beziehung wie in Christi Wort (Matth. 18, 3): „Wenn ihr nicht werdet wie dies Kind, könnt ihr nicht in das Reich Gottes kommen.“ Das aber ist die Ursache der unsinnigen Leidenschaften, dass die Leute über Gebühr verständig sein und die Vorsehung spielen wollen. Darum sagt David weiter, seine Seele sei still geworden in ihm, nicht als ob er mit eigner Kraft dies anstrebte, sondern weil er ein leidenschaftsloses Gemüt still und vergnüglich in seiner Brust trug. Denn das ist der Gegensatz: auf der einen Seite das unstete, unberechenbare, ungestüme Treiben und Drängen der unzufriedenen Streber, auf der anderen Seite die Anspruchslosigkeit der Frommen, die still und gelassen in dem Stand bleiben, in den Gott sie gesetzt hat.

Der Schluss macht klar, zu welchem Zweck David betont, dass er nichts aus fleischlichem Triebe unternommen habe. Er lässt den Ruf ergehen: Israel hoffe auf den Herrn! Der verbindende Gedanke kann nur der sein, dass für das Wohl der ganzen Gemeinde an seiner göttlichen Berufung auf den Königsthron viel gelegen war; denn darin lag die Bürgschaft des verheißenen Segens für die Gläubigen. Und sicherlich steht es dann am besten mit unserer Hoffnung, wenn wir nüchtern und demütig von uns denken und so bei allem, was wir wünschen oder wagen, in Abhängigkeit bleiben von dem, der beides gibt, Rat und Tat.

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autoren/c/calvin/calvin-psalmen/psalm_131.txt · Zuletzt geändert: von aj
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