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Calvin, Jean - Psalm 126.

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Calvin, Jean - Psalm 126.

Inhaltsangabe:

Der Psalm besteht aus drei Teilen. Zuerst (V. 1 – 3) ermahnt der Prophet die aus der Gefangenschaft Zurückgekehrten zur Dankbarkeit und preist mit herrlichen Worten die Gnade, die sie frei gemacht hat, um es ihnen fest einzuprägen, dass sie ihre Rückkehr nicht einem glücklichen Zufall, nicht menschlicher Hilfe, sondern einem Wunder Gottes zuzuschreiben haben. Sodann (V. 4) schließt sich die Bitte an, dass Gott das angefangene Werk vollführen möge. Und wenn die völlige Wiederherstellung noch nicht gleich mit Augen zu sehen ist, so kann der Prophet (V. 5 – 6) doch über den Verzug trösten und die Versicherung geben, dass, ob die Aussaat auch unter Tränen geschieht, dennoch eine fröhliche Ernte folgen wird.

Ein Stufenlied.

1 Als der Herr die Gefangenen Zions wiederbrachte, da wurden wir wie die Träumenden. 2 Nun wird unser Mund voll Lachen werden und unsere Zunge voll Jauchzen. Nun wird man sagen unter den Heiden: „Der Herr hat Großes an ihnen getan.“ 3 Der Herr hat Großes an uns getan; wir sind fröhlich geworden.

V. 1. Als der Herr die Gefangenen Zions wiederbrachte usw. Einige Ausleger wollen die Worte als Weissagung fassen; sie übersetzen: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird.“ Dabei tut man aber den Worten Gewalt an. Nach meiner Überzeugung wenigstens ist der Psalm aus Anlass der Rückkehr des Volkes verfasst, und die hebräischen Zeitwörter sind in der Vergangenheitsform wiederzugeben. Der levitische oder prophetische Verfasser, wer es auch sein mag, erklärt, die Art und Weise der Erlösung sei viel zu wunderbar, als dass man von einem günstigen Zufall reden dürfte. Die Gläubigen sollen hieraus den Schluss ziehen, dass die Weissagung des Jeremia (25, 12; 29, 10), welche die Dauer der Gefangenschaft auf siebenzig Jahre im Voraus begrenzt hatte, jetzt in Wahrheit erfüllt sei. Wurden dabei die Kinder Israel wie die Träumenden, so ist die Meinung, dass es sich um etwas Unglaubliches handle, so dass Undankbarkeit gar nicht statthaben könne. Boshaft nämlich, wie die Menschen sind, pflegen sie allemal, wenn Gott auf gewohnte Weise handelt, sich die verschiedenartigsten Ursachen auszudenken, bloß um die Gnade Gottes in den Schatten zu stellen. In der Rückkehr Israels aber, will der Prophet sagen, strahlt uns ein Wunder entgegen, welches alle menschlichen Empfindungen derartig in Beschlag nimmt und in Erstaunen versetzt, dass wir genötigt sind, eine außerordentliche Gottestat anzuerkennen. Das ist der Grund, weshalb er die Erlösung des Volks mit einem Träume vergleicht, als wollte er sagen: es geht so hoch über allen Menschenverstand hinaus, was wir da an Gotteshilfe erfahren haben, dass wir beim bloßen Gedenken daran starr werden möchten vor Staunen, als wäre es ein Traum und nicht Wirklichkeit. Welche Schlechtigkeit demnach, Gott nicht als den Urheber anerkennen zu wollen! Es ist nun nicht gerade die Meinung des Propheten, die Gläubigen seien so stumpfsinnig gewesen, dass sie die Hand Gottes, die bei ihrer Erlösung im Spiele war, gar nicht hätten spüren können; er meint nur, sie seien wie betäubt gewesen, und daran sei ihre fleischliche Denkungsart schuld, - darum hätten sie die Sache wie einen alltäglichen Vorgang betrachtet und die Kraft Gottes ungebührlich niedrig dabei eingeschätzt.

V. 2. Nun wird unser Mund voll Lachen werden. Das hebräische Wort, welches ich mit „nun“ wiedergegeben habe, heißt eigentlich „damals“. Aber weil die Zeitwörter in der Zukunftsform stehen, glaubte ich so übersetzen zu dürfen. Des Propheten Absicht ist nicht zu verkennen: das Volk soll sich über seine Rückkehr in einer solchen Weise freuen, dass es der Gnade Gottes dabei nicht vergisst. Deshalb schildert er eine Freude nicht gewöhnlicher Art, eine überströmende Freude, die sich auch in Gebärden und Lauten äußert und kein Maß kennt. Und er gibt zu bedenken, das sei jetzt einmal eine rechte, dauerhafte Freude, eine Freude, der sich die Kinder Gottes ruhig hingeben dürfen, - dass ihnen die Rückkehr ins Land der Väter gestattet war. Gab es für sie damals nichts Traurigeres, als in der Fremde zu leben und aus dem von Gott verheißenen Erbe so gut wie verstoßen zu sein, so musste es ja das Allererwünschteste sein, wieder in dasselbe eingesetzt zu werden. Ihre Rückkehr nach Kanaan war das Zeichen ihrer Widerannahme bei Gott; kein Wunder, wenn der Prophet sagt, ihr Mund sei voll Lachen und ihre Zunge voll Jauchzen geworden. Auch wir dürfen heutzutage ebenso uns freuen und frohlocken, da Gott daran ist, seine Gemeinde zu sammeln: denn wir müssten von Stein und Eisen sein, wenn ihre klägliche Zersplitterung uns nicht mit Schmerz und Trauer erfüllte.

Der Prophet geht dann weiter und sagt, dieses Wunder habe die Augen der Blinden auf sich gelenkt. Die Heiden wandelten ja damals gleich Blinden in der Finsternis, kein Licht der Gotteserkenntnis war in ihnen. Und doch war hier das Wirken der Kraft Gottes so augenfällig, dass sie im Blick auf Gottes Volk offen in das Bekenntnis ausbrachen: „Der Herr hat Großes an ihnen getan.“ Umso mehr mussten sich die Juden schämen wegen ihrer Herzensträgheit, wenn sie nicht frei und laut die Gnade Gottes priesen, die bei den Ungläubigen so viel Lob geerntet hatte. Der Ausdruck hebt es nachdrücklich hervor, wie die herrliche Kraft Gottes in dieser Befreiungstat von den Heiden erkannt wurde. Deshalb wiederholt auch der Psalmist alsbald in seinem und der Gemeinde Namen dieselben Worte, als dächte er: es muss doch auch bei uns ein solches Bekenntnis hervorbrechen, wie Gott es den Ungläubigen abgenötigt hat. Der Schluss: „wir sind fröhlich geworden“ – erinnert leise an den Gegensatz zwischen dieser unerhörten Freude und der langen, langen Trauer während ihrer Gefangenschaft. Wiedergeschenkt ist ihnen die Freude; das lässt der Prophet hier deutlich durchklingen, damit die Gläubigen umso besser es erwägen können, wie trübselig ihre Lage vorher gewesen ist.

4 Herr, bringe wieder unsre Gefangenen, wie die Bäche im Mittagslande! 5 Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. 6 Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

V. 4. Herr, bringe wieder unsre Gefangenen! Der zweite Teil des Psalms enthält, wie gesagt, das Gebet, dass Gott die zurückgebliebenen Gefangenen vollends zusammenbringen möge. Und dies Gebet hat der heilige Geist den Juden, die schon der Heimat sich erfreuten, in den Mund gelegt, damit sie ihrer armen Brüder nicht vergäßen. Wohl war dem ganzen Volk die Türe aufgetan und die Freiheit geschenkt, aber doch befand sich verhältnismäßig erst eine kleine Zahl im wirklichen Genuss dieser Wohltat. Furcht hielt die einen zurück, Trägheit die anderen; sie sahen Gefahren, denen sie nicht gewachsen waren, und wären noch lieber in ihrem Schmutz erstarrt, als dass sie die beschwerliche Reise unternommen hätten. Wahrscheinlich würden auch viele die zeitliche Ruhe und Bequemlichkeit dem ewigen Heil vorgezogen haben. Jedenfalls hat sich das Wort des Jesaja (10, 22) erfüllt: „Wenn auch das Volk ist wie der Sand am Meer, so sollen doch nur die übrigen gerettet werden.“ Weil somit viele die ihnen entgegengebrachte Wohltat offen zurückwiesen und die huldvoll gewährte Freiheit noch mit viel Schwierigkeiten und Hindernissen verknüpft war, also dass kaum etliche Beherztere den Aufbruch wagten, so ist es nicht zu verwundern, dass der Prophet die Gemeinde auffordert, noch weiter um Wiederbringung der Gefangenen zu beten. Und dann haben wir gleichzeitig zu beachten, in welcher Lage die bereits Zurückgekehrten sich befanden. Das Land war von Fremden besetzt, und an diesen hatten sie erbitterte und geschworene Feinde. Mithin waren sie im eigenen Lande ebenso wohl Gefangene wie unter den Babyloniern. So hatte die Gemeinde in doppelter Hinsicht nötig, um Sammlung der Zerstreuten angelegentlich zu beten: einmal, dass Gott den Furchtsamen Mut mache, die Gleichgültigen aufwecke, den Träumenden ihre Liebhabereien wegreiße, allen die Führerhand darbiete, und dann dass er das Häuflein der Zurückgekehrten in Freiheit und Ruhe versetze.

Wie die Bäche im Mittagslande. Dieses Gleichnis nehmen viele in dem Sinn: die Rückführung der Gefangenen werde ebenso wohltuend empfunden werden, als wenn Wasser durch die Wüste flösse. Wir wissen, wie beschwerlich im heißen Lande die Reise durch dürre Sandstrecken ist. Mittagsland aber steht hier für Wüste, weil der Strich im Mittag Judäas öde und fast unbewohnbar war. Doch glaube ich vielmehr, dass Gottes Gnadentat mit einem Naturwunder verglichen und dadurch hoch erhoben werden soll. Der Prophet will sagen: dass die zerstreuten Überbleibsel zu einem Volksganzen zusammenwachsen, ist sicherlich schwer; für Gott aber ist es doch nichts anderes, als wenn er Bäche durch die dürre Wüste leitete. Angespielt ist dabei auf den Weg zwischen Babylonien und Judäa. So ist nichts zu ergänzen. Die Worte bedeuten einfach: Bringe die Gefangenen wieder, wie wenn ein Strom herabflösse in unfruchtbarem, trockenem Lande. In der Tat, dem Volk, das gleichsam in einen tiefen Abgrund versenkt war, einen Weg aufzutun, war kein geringeres Wunder, als rieselnden Wassern den Lauf durch die Wüste zu eröffnen.

V. 5. Die mit Tränen säen usw. Dieser Satz ist meines Erachtens ebenso wohl auf die Zukunft zu beziehen, wie von der Vergangenheit zu verstehen. Das Ausziehen nach Babylon bedeutete für die Juden ein Säen, weil Gott sie durch die Weissagung des Jeremia auf eine zu erwartende Ernte hingewiesen hatte. Aber es geschah doch nicht ohne ungeheuren Gram und Schmerz, dass sie in die lange Gefangenschaft geschleppt wurden. Das war so, wie wenn in teurer Zeit der arme Landmann, schon Hunger leidend, sich` s an der gewöhnlichen Nahrung abziehen muss, um für das kommende Jahr zu sorgen. So bitter es ist, so treibt die Hoffnung auf die Ernte ihn doch zum Säen. Nicht anders die Traurigkeit der Juden, als sie in die Verbannung mussten; und das ist wahr: eine fröhliche Ernte ist gefolgt in ihrer Befreiung; da hat der Herr ihnen gleichsam durch überreichen Ertrag die Fröhlichkeit wiedergegeben. – Aber ich denke, der Prophet will auch im Blick auf die Zukunft die Gläubigen zur Geduld ermuntern. Die Wiederbringung der Gemeinde war noch nicht vollendet; vielmehr lassen die beiden oben angeführten Umstände deutlich erkennen, dass noch Saatzeit war: erstens, weil trotz der durch den königlichen Erlass an alle Juden ergangenen Aufforderung nur wenige von den vielen nach und nach truppweise und schüchtern zurückgekehrt waren, zweitens, weil sie von ihren Nachbarn unfreundliche Aufnahme erfahren und viel Verdruss erlitten hatten, so dass ihre frühere Knechtschaft ebenso unerträglich war. Daraus folgt doch, dass sie noch zu säen hatten, denn die rechte Erntezeit war noch nicht gekommen. Darum ermahnt sie der Prophet, unverdrossen zu arbeiten und unter den fortwährenden Belästigungen nicht zu ermüden, bis bessere Zeiten sich einstellen.

V. 6. Sie tragen edlen Samen, buchstäblich: „das edle Gut des Samens.“ Andere übersetzen: sie tragen den Samenkorb oder Samenbehälter. Diese Bedeutung lässt sich nicht begründen; für unsere Übersetzung kann man sich dagegen auf Hiob 28, 18 berufen: „Der Besitz (oder das edle Gut) der Weisheit ist besser als Perlen.“ Obwohl die Bedeutung des Worts auch an dieser Stelle nicht völlig sicher ist, können wir doch dabei bleiben. Dann wird der Sinn sein: bei knappem Mundvorrat wird der Same unter Tränen der Erde anvertraut, weil er kostbar und teuer ist. – Der Spruch findet eine weitere Anwendung. Bekanntlich wird in der Bibel unser Leben mit der Saat verglichen. Es wird nun oft so sein, dass unter Tränen gesät werden muss. Da schickt sich` s, durch die Erntehoffnung die Herzen aufzurichten, damit nicht der Gram unseren Lebensmut knickt oder lähmt. Übrigens wollen wir uns erinnern, dass nicht alle Juden, die nach Babel geführt wurden, gesät haben. Wie viele verhärteten ihre Herzen gegen Gott und seine Propheten! Sie hatten vorher alle Drohungen in den Wind geschlagen und blieben jetzt von der Hoffnung der Rückkehr ausgeschlossen. Ohne Trost mussten sie vergehen in ihrem Elend. Die anderen hielt die göttliche Verheißung aufrecht: sie warfen bei äußerstem Mangel ihren Samen auf gut Glück in die Erde, aber in ihren Herzen lebte die Hoffnung der Ernte. Soll einmal Freude unsere gegenwärtige Traurigkeit ablösen, so lasst uns lernen, den Ausgang fest im Auge zu behalten, den Gott verheißt. So erfahren wir, dass allen Frommen insgemein die Weissagung gilt, Gott werde nicht nur die Tränen von ihren Augen abwischen, sondern auch ihre Herzen mit unaussprechlicher Freude erfüllen.

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