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Calvin, Jean - Psalm 125.

Calvin, Jean - Psalm 125.

Inhaltsangabe:

Weil die Gläubigen hier auf Erden ebenso wie die Kinder der Welt allen Zufälligkeiten des Lebens ausgesetzt scheinen, so zeigt der Prophet, indem er sie mit Jerusalem vergleicht, dass sie sich in einer unüberwindlichen Festung befinden. Und wenn Gott es mitunter zulässt, dass sie durch den Übermut der Gottlosen zu leiden haben, so spricht er ihnen Trost und Hoffnung zu. Damit jedoch nicht Heuchler unbefugterweise an sich reißen, was hier gesagt wird, so unterscheidet er zwischen wahren und falschen Israeliten.

Ein Stufenpsalm.

1 Die auf den Herrn hoffen, sind wie der Berg Zion, der nicht wankt, der ewig fest steht. 2 Um Jerusalem her sind Berge, und der Herr ist um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.

V. 1. Die auf den Herrn hoffen usw. Der Gedanke dieses Psalms ist ein anderer als der des vorhergehenden. Dort hörten wir, dass die Gemeinde bisher wunderbar und ohne menschliche Mitwirkung errettet worden sei, jetzt belehrt uns der heilige Geist, sie werde in alle Zukunft geborgen und wohl bewahrt sein, weil sie von der göttlichen Allmacht als unbezwingbare Festung umschlossen ist. Dies veranschaulicht uns der Prophet an der Lage der Stadt Jerusalem. Er will damit jedem Gläubigen die feste Überzeugung erwecken, dass ihm persönlich das Heil gilt, das dem ganzen auserwählten Volke verheißen ist. Mit seinem Anschauungsunterricht aber hat er es auf die Anfänger im Glauben abgesehen, denen das träge Fleisch noch zu schaffen macht, so dass sie vom Sichtbaren nicht loskommen. – Das ist also hier zuerst zu bemerken: wer den geheimen, göttlichen Schutz mit dem Glauben noch nicht recht zu fassen vermag, dem werden die Berge vor die Augen hingestellt, von denen Jerusalem rings umgeben ist, und es wird ihm versichert, die Gemeinde sei ebenso sicher vor jeder Gefahr, als wenn sie von solchen Bollwerken und Mauern auf allen Seiten gehörig eingeschlossen wäre. Nun ist es aber gut, wenn wir das einsehen, was früher schon gesagt wurde, dass Gott, wenn er zu seinem Volk im Ganzen redet, immer auch die einzelnen meint. Ein gut Teil der Verheißungen geht ja auf die Gemeinde im Ganzen; da betrachten denn viele sie gleichsam nur von weitem und wagen nicht, sie auf sich zu beziehen. Wir müssen an dem Grundsatz festhalten, der hier zur Nachachtung aufgestellt wird, dass jeder sich die der Gemeinde insgesamt gegebenen Verheißungen für seine Person zurechtzulegen hat. Wenn gerade Jerusalem als Bild der Gemeinde gewählt wird, so hat das seinen Grund darin, dass das Heiligtum und die Bundeslade dort waren. Die Wortverbindung geben manche Ausleger etwas abweichend: „Die auf den Herrn hoffen, werden – wie der Berg Zion nicht wankt – ewig feststehen.“ Das ist nach hebräischem Sprachgebrauch möglich, obwohl das letzte Zeitwort eigentlich in der Einzahl steht. – Der Gedanke des Psalmisten ist uns jetzt klar: obgleich die Welt vielem und jähem Wechsel unterworfen ist, so dass sie fast in jedem Augenblick ein anderes Gesicht zeigt, und obgleich die Gläubigen mit den anderen vermengt sind und es ihnen ebenso ergeht wie diesen, so steht doch unter dem allmächtigen Schutze Gottes ihr Heil fest, nicht weil sie in ungestörtem Frieden lebten, sondern weil Gott sie bewahrt wider alle Anläufe des Feindes, so dass sie aus ihrer Festung nicht herausfallen können, auch wenn sie einmal wanken. Aber beharrlicher Glaube ist erforderlich; das sagen die Worte: die auf den Herrn hoffen oder harren. Also wen die Hand Gottes stützen soll, der muss sich immerfort auf sie lehnen; wen sie schützen soll, der muss geduldig unter ihr bleiben. Denn wenn Gott es oft geschehen lässt, dass wir hierhin und dahin gezerrt oder wie die Spreu geschüttelt werden, so hat das nur seinen Grund in der Unbeständigkeit unseres Glaubens, da wir lieber in der Luft fliegen als auf einem Felsen seiner Hilfe ruhen.

Das Bild des zweiten Verses ist klar genug; wie um Jerusalem her die Berge eine Art Mauer bilden, so umgibt Gott mit seiner Allmacht die Gläubigen, um allen Schaden von ihnen fernzuhalten. Bildliche Ausdrücke ähnlicher Art kommen oft vor: Gott werde seinem Volke Mauer und Wehr sein. Aber hier haben wir mehr als bloß einen bildlichen Ausdruck; hier wird die unsichtbare Schutzwehr, die Gott um die Seinen gebaut hat, unter der Gestalt der Berge vor unsere Augen hingezeichnet um der Anfänger und Schwachen willen, die noch so an der Erde kleben. Der Anblick der Berge soll ihnen dazu helfen, dass sie ihre Herzen nach oben erheben.

3 Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben über dem Häuflein der Gerechten, auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. 4 Herr, tue wohl den guten und den geraden Herzen! 5 Die aber abweichen auf ihre krummen Wege, wird der Herr wegtreiben mit den Übeltätern. Friede sei über Israel!

V. 3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben usw. Das ist in gewissem Sinn eine Berichtigung des Vorhergehenden. Die Hand Gottes, so hieß es vorher, sei nach allen Seiten ausgestreckt, um seine Gemeinde zu schützen. Nun legen wir ja gern die göttlichen Verheißungen zu unserem Vorteil aus und meinen gar, wir müssten von aller Plage frei sein. Darum werden wir hier erinnert, die göttliche Fürsorge und Obhut stehe dem nicht entgegen, dass wir bisweilen in Kreuz und Trübsal geübt werden. Die Gläubigen haben keinen Grund, sich ein behagliches, stilles Leben zu versprechen; genug, dass sie nicht im Stich gelassen werden, wo sie der Hilfe Gottes bedürfen. Denn wenngleich der Vater im Himmel sie zärtlich lieb hat, so braucht er doch das Kreuz zu ihrer Aufweckung, damit sie nicht ihren fleischlichen Liebhabereien zu sehr nachhängen. Machen wir uns diese Anschauung zu eigen, so werden wir, wie schwer auch immer die Herrschaft der Gottlosen auf uns lastet, geduldig warten, bis Gott ihr Zepter zerbricht, oder es ihnen aus der Hand schlägt. Gewiss, es ist eine schwere Versuchung, zu sehen, wie die Gottlosen schalten und walten in dem Erbe des Herrn und die Gläubigen unter ihren Füßen liegen. Aber wir wollen uns daran trösten, dass Gott nicht ohne guten Grund die Seinen so demütigt. Es ist hier sogar ein sehr beachtenswerter Grund angegeben: auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Sie sollen nicht der Versuchung erliegen, sich zur Sünde hinreißen zu lassen. Daraus folgt, dass Gott die Trübsale in der rechten Weise abstimmt, weil er auf unsere Schwachheit Rücksicht nehmen will. Wenn wir darum auch in uns selbst nicht so viel Tapferkeit und Standhaftigkeit besitzen, um nur einen Augenblick auf unserem Posten zu bleiben, so kommt uns dieser Gedanke zu Hilfe: Gott werde dennoch Sorge tragen, dass wir im Leben nicht verzagen und abfallen. Ja, wollte er uns unser Leben lang plagen ohne jegliche Erquickung, so ist das Kreuz uns immer gut. Wie trotzig und unbändig gebärdet sich doch unser Fleisch, wie heftig wallen immer wieder seine Triebe auf! Unter den Trübsalsschlägen selbst, die es zum Gehorsam zwingen sollten, hört es nicht auf, auszuschlagen. Umso mehr tut diese Erinnerung Not, dass Gott zur rechten Zeit den Versuchungen ein Ziel setzt, weil er sieht, dass unsere Widerstandskraft nicht ausreicht. Der Prophet sagt nicht bloß, es sei Gefahr, dass die Schwachen abfallen, sondern dass die Gerechten, die aufrichtig und von Herzen Gott dienen und der Gottseligkeit sich befleißigen, gleichfalls unterliegen. Also, wir mögen so fromm sein, wie wir wollen, so sollen wir doch wissen, dass wir keine solchen Helden sind, um bis zum Ende auszuhalten, wenn der Herr nicht unsrer Schwachheit Rechnung trägt. Wenn das der heilige Geist von den geübtesten Streitern sagt, wie wird es den Rekruten ergehen, die noch nicht so beherzt sind? Auch der Ausdruck: „damit sie ihre Hände nicht ausstrecken“ – verdient Beachtung. Die Hände der Gerechten sind gleichsam gebunden, so dass sie nur nach dem Willen Gottes sich bewegen. Aber die Versuchungen dringen hart auf sie ein, um ihre Hände gleichsam los zu machen, dass sie ungescheut sündigen.

V. 4. Herr, tue wohl! Obgleich der Prophet allen Frommen die rechtzeitige Hilfe Gottes in sichere Aussicht gestellt hatte, wendet er sich doch zum Gebet, und er weiß wohl, warum. Allerdings ist es der Glaube, der uns aufrecht hält; aber die schwankenden Gefühle unseres Fleisches sind auch da. Darum muss sich das Gebet mit dem Glauben verbinden, damit er fest werde. Lasst uns deshalb dem Psalmisten hierin folgen. Er hat uns zum Gottvertrauen ermahnt, zeigt uns aber gleichzeitig durch sein Beispiel, dass wir es nicht sorglos versäumen dürfen, zu Gott unsre Zuflucht zu nehmen und eben dasjenige im Gebet von ihm zu verlangen, worauf er uns in seinem Worte selbst hoffen heißt. Und es tut wahrlich Not, von diesem Mittel Gebrauch zu machen, weil man im Dunkel der Trübsale nichts von der Hilfe Gottes sieht, und es vielmehr so scheint, als sei vor Gott zwischen Gerechten und Ungerechten kein Unterschied. Der Dichter bittet auch nicht einfach bloß darum, dass Gott die Guten gütig behandeln möge, sondern bezeichnet diese noch näher als die geraden Herzen, d. h. als Menschen, deren gutes Verhalten aus lauterer Gesinnung fließt. Denn es wäre für Gottes Kinder nicht genug, sich alles Bösen zu enthalten, wenn ihrem Wandel nicht eine innere Herzenslauterkeit entspräche, und wenn diese nicht ihr ganzes Leben beherrschte.

V. 5. Die aber abweichen usw. So ist das hebräische Wort wahrscheinlich zu verstehen, wiewohl auch übersetzt werden kann: die abweichen lassen oder ablenken. Der Sinn ist: Gott möge sein Auge doch nicht immer verschließen gegen die ruchlosen Taten der Leute, die, mit einem falschen Bekenntnisschilde sich deckend, nach ihren Lüsten leben, oder auch einfältige Seelen verführen und mit sich fortreißen zu sündlichem Treiben. Offenbar ist hier von Heuchlern die Rede, welche durch ihre einstweilige Straflosigkeit so verhärtet werden, dass sie sich zu den größten Heiligen zählen, weil Gott Nachsicht gegen sie übt. Wir sehen: nicht bloß in der Welt sind Böse und Gute untereinander, sondern auch auf der Tenne Gottes liegt der Weizen unter Spreu und Kehricht versteckt. Unter diesen unklaren und verworrenen Verhältnissen gebärden sich die Bösen so übermütig, als gehörten sie zu den besten Verehrern Gottes. Darum müssen wir Gott bitten, dass er sie ans Licht ziehen und wegtreiben möge mit den Übeltätern zu gerechter Bestrafung. Daraus folgt dann der Friede , den der Psalmist über Israel wünscht. Israel aber ist ihm nicht die gesamte Nachkommenschaft Abrahams nach dem Fleisch; er wünscht ja, dass die Gemeinde Gottes von den Heuchlern gereinigt werde, welche so lange einen Platz darin einnehmen, bis Gott seine Hand erhebt zum Gericht. Deshalb sagte ich, dass Friede für die Gemeinde kommt, wenn Gott an den unechten und heuchlerischen Israeliten, die sie im Innersten zerreißen und zerwühlen, gerechte Vergeltung übt und die, die geraden Herzens sind, sammelt und segnet und also seine väterliche Huld gegen sie vor aller Welt dartut.

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