Calvin, Jean – Das Evangelium des Johannes - Kapitel 21.
V. 1. Darnach offenbarte sich Jesus. Der Evangelist befleißigt sich noch weiter, Belege für die Auferstehung Christi beizubringen. Er erzählt, wie Christus sieben Jüngern erschien. Er nennt unter ihnen den Thomas, nicht, weil er ihn besonders auszeichnen will, sondern weil sein Zeugnis besonders eindrucksvoll ist, da er doch so hartnäckig in seinem Unglauben war. Der Evangelist berichtet ziemlich umständlich. Er sucht eben alle Einzelheiten sorgfältig zusammen, die dazu beitragen, seinen Bericht recht zuverlässig zu machen. Dass der See Tiberias nach hebräischem Sprachgebrauch ein Meer genannt wurde, haben wir bereits früher gesehen (zu 6,1).
V. 3. Ich will hin fischen gehen. Wenn sich Petrus an die Fischerarbeit begab, so darf man darin nicht etwas zu seinem Amte nicht Passendes erblicken. Durch Jesu Anhauch war er zum Apostel geweiht (20,22), doch trat er sein Amt nicht alsbald an. Er wartete, bis er mit neuer Kraft angetan wurde (vgl. Lk. 24,49). Jenes Anblasen mit dem Geiste war noch kein Befehl zu sofortiger Ausübung des Lehramtes, sondern nur ein Hinweis auf die bevorstehende Amtseinsetzung, welcher dem Petrus und den anderen Jüngern verbürgen sollte, dass ihre frühere Erwählung nicht vergeblich war. In der Zwischenzeit treiben sie ihr gewohntes, bürgerliches Geschäft. Paulus hat sogar noch während seiner apostolischen Tätigkeit mit seiner Hände Arbeit seinen Lebensunterhalt erworben. Doch hatte er dabei seinen besonderen Grund; auch wird er seine Zeit so eingeteilt haben, dass das Lehramt nicht hinter dem Handwerk zurückstehen musste. Bei Petrus und seinen Gefährten stand es anders. Sie hatten in der Öffentlichkeit augenblicklich nichts zu tun und konnten sich also ganz ungehindert wieder einmal dem Fischerhandwerk zuwenden.
In derselbigen Nacht fingen sie nichts. Ihre Bemühungen während einer ganzen Nacht blieben erfolglos. Gott ließ das zu, weil er dadurch die Glaubwürdigkeit des nun folgenden Wunders in ein umso helleres Licht stellen wollte. Hätten sie vorher wenigstens eine kleine Anfangsbeute gemacht, so hätte man nachher nicht so zuversichtlich sagen können: das hat die Wunderkraft des Heilandes bewirkt! Nun aber ist alle nächtliche Arbeit vergebens gewesen. Wenn sie da so plötzlich diesen überreichen Fang machen, ist ihnen wahrlich die beste Gelegenheit gegeben, eine besondere Gnadengabe des Herrn darin zu erkennen. Gott übt in ganz derselben Weise oftmals seine Gläubigen, um ihnen dadurch die Augen für seinen Segen zu öffnen. Hätten wir immer frohes Gelingen, sobald wir nur die Hände regen, so würde kaum einer den immerwährenden Segen Gottes mit Dank hinnehmen! Man würde dann sagen: das kommt davon, dass ich gearbeitet habe! Dann würde jeder mit seinem Fleiße prahlen und statt Gottes Hände, die eigenen Hände küssen. Müht und plagt man sich dagegen einmal eine Zeit lang ohne jeden Erfolg, so muss man in jedem späteren Gelingen eine außerordentliche Gottesgabe erkennen. So kommt es, dass man beginnt, dem gnädigen Gott für glücklichen Erfolg Lob und Dank zu sagen.
V. 6. Werfet das Netz zur Rechten. Christus redet nicht im Befehlstone zufolge seines Rechtes und seiner Würde als Meister und Herr, sondern er erteilt den Fischern guten Rat, als wäre er ein Landsmann, der gerade des Weges kommt. Die Jünger wissen sich selbst nicht zu raten, noch zu helfen. So befolgen sie denn willig den Rat des Unbekannten. Hätte er ihnen, ehe sie in jener Nacht zum ersten Male das Netz auswarfen, diesen Rat gegeben, so wären sie vielleicht nicht so bereit gewesen, ihm Folge zu leisten. Ich hebe diesen kleinen Zug unserer Geschichte hervor, damit man den Grund ihrer Willfährigkeit durchschaue: sie sind durch die ermüdende, langanhaltende und noch obendrein ganz nutzlose Arbeit mürbe geworden. Immerhin ein Beweis, mit welch einer Geduld sie ihr Werk betreiben: es ist Tag geworden, und die Sonne sieht sie noch bei derselben Arbeit, die sie mit solchem Misserfolg die ganze Nacht hindurch getan haben! Auf jeden Fall muss also ein Mensch, der Gottes Segen erleben möchte, ihn mit standhafter Treue erwarten; denn es gibt nichts Verkehrteres, als die Hand sofort vom Werk abzuziehen, wenn es keine Frucht zu bringen scheint. Dass die Jünger ernstlich gearbeitet haben, dafür bürgt auch der Umstand, dass Petrus die Kleider abgelegt hat. Und jetzt lassen sie sich auch einen neuen Versuch nicht verdrießen, um ja keine Gelegenheit zu versäumen. Dass sie nun dem Gebote Christi folgen, kann man nicht auf Rechnung ihres Glaubens setzen. Sein Wort ist für sie einstweilen noch das eines unbekannten Mannes. Wir wollen hier lernen, dass auch ein beschwerlicher Beruf, in welchem die Arbeit keine Frucht zu bringen scheint, uns nur zum Aufmerken auf Gottes Mahnungen treiben soll. Wo Gott uns antreibt, fortzufahren, da kann zu seiner Zeit der glückliche Erfolg nicht ausbleiben.
Und konnten es nicht mehr ziehen. Zunächst hat Christus dadurch einen Beweis seiner Wunderkraft gegeben, dass er den Jüngern einen so reichen Fischfang bescherte, zweitens aber dadurch, dass er durch eine geheime Wirkung das Netz vor dem Zerreißen und Auseinanderbrechen bewahrte. Noch weitere Einzelumstände werden uns geschildert (V. 9): als die Jünger ans Land steigen, finden sie am Ufer ein brennendes Kohlenfeuer, über dem Fische zubereitet werden, ja es fehlt auch nicht am Brot zu den Fischen. Die Zahl der Fische (V. 11) irgendwie geheimnisvoll ausdeuten zu wollen, halte ich für kindische Spielerei.
V. 7. Da spricht der Jünger usw. Der Evangelist lehrt uns hier durch das eigene Beispiel, die Herzen zu Gott zu erheben, so oft wir wider Erwarten guten Erfolg haben. Es muss uns sofort in den Sinn kommen, dass solche Wohltaten aus der Gnade des Gottes fließen, der alle guten Gaben gibt. Fromme Erkenntlichkeit für die fromme Gnade, wie sie in der Seele des Johannes wohnte, befähigte ihn, zu erkennen, dass der am Ufer Stehende Christus war. Nicht mit Leibesaugen erkennt er Christum; aber weil er fest überzeugt ist, dass dieser Fischreichtum nur eine Gabe Gottes sein kann, zieht er den Schluss, dass der Mann, dessen Wort ihre Hände gelenkt hat, Christus sein muss. Bei Johannes zuerst zeigt sich der Glaube. Petrus aber übertrifft ihn an Eifer und Schnelligkeit. Der Gefahr nicht achtend, wirft er sich in die See. Die anderen folgen im Kahn. Zuletzt sind sie alle bei Christo, aber die glühende Liebe des Petrus hat doch die anderen weit überflügelt. Übrigens ist es zweifelhaft, ob er, um ans Ufer zu gelangen, durch tieferes Wasser schwimmen oder durch leichteres gehen musste. Es mag uns genug sein, im Auge zu behalten: Petrus strebte, das Schiff verlassend, so eilig zu Jesu hin, nicht aus blindem Antriebe und in tollkühnem Wagemut, sondern weil er innerlich in dem Maße seines heiligen Eifers den anderen voraus war.
V. 10. Bringt her von den Fischen. Obgleich das Netz ohne große Mühe der Fischer sich in einem Augenblick gefüllt hatte, redet Christus doch von „Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.“ So nennen wir ja auch das Brot, das wir eingestandenermaßen auf unser Gebet hin aus den segnenden Händen Gottes nehmen, „unser täglich Brot.“
V. 12. Niemand unter den Jüngern wagte ihn zu fragen. Kam diese Zurückhaltung aus ehrerbietiger Scheu oder woher sonst? Wäre noch ein wirklicher Zweifel vorhanden gewesen, so würde Jesus ihn ausdrücklich beseitigt haben. Dass die Jünger nicht fragen, erklärt sich also einfach daraus, dass es ihnen völlig feststand, mit Jesu zu tun zu haben. Da man doch nur nach dunkeln und ungewissen Sachen sich zu erkundigen pflegt, so wäre in diesem Falle Christo gegenüber, der sich doch an deutlichen Zeichen zu erkennen gegeben hatte, eine Frage geradezu eine Beleidigung gewesen.
V. 14. Das ist nun das dritte Mal usw. Dabei ist nicht an jede einzelne Erscheinung gedacht, deren schon mehr als sieben waren. Der Evangelist rechnet vielmehr gruppenweise die Erscheinungen je eines Tages zusammen: in diesem Betracht ist es das dritte Mal, dass Jesus es unternimmt, den Glauben an seine Auferstehung zu stärken.
V. 15. Da sie nun das Mahl gehalten hatten. Jetzt erzählt der Evangelist, wie Petrus wieder auf die Ehrenstufe, von der er herabgeglitten war, hinaufgehoben wurde. Die treulose Verleugnung des Heilandes hat ihn des Apostelamtes unwürdig gemacht. Wie sollte einer, der so schmählich vom Glauben abtrünnig geworden war, der geeignete Mann sein, eben diesen Glauben anderen beizubringen? Gewählt war er zum Apostel. Gewählt war dazu Judas auch. Als er nun seinen Posten feige verließ, da fiel eben dadurch auch die Würde seines Apostelamtes zu Boden. Hier gibt ihm Jesus wieder die Lehrerlaubnis und die Lehrvollmacht, deren beider er durch eigene Schuld verlustig gegangen war. Und damit künftig der Schimpf, abgefallen gewesen zu sein, ihm in seinem Apostelberufe nicht hinderlich sei, tilgt Christus das Gedächtnis an diesen Fall völlig aus. Einer solchen Wiedereinsetzung in volle Ehren und Würden bedurfte Petrus selbst; aber sie war auch um seiner dereinstigen Hörer willen notwendig. Für ihn war sie nötig, damit er in voller Gewissheit seiner erneuten Berufung sein Amt wieder mutig angreifen konnte. Für die Hörer des Petrus war sie notwendig, damit nicht der an dem Menschen haftende Makel dem Evangelium selbst Verachtung zuzöge. Auch uns heutzutage ist recht viel daran gelegen, dass Petrus als ein neuer Mensch zu uns kommt, dessen Schande weggenommen ist, und dem infolge dessen an Würde nichts gebricht.
Hast du mich lieber, denn mich diese haben? Damit erklärt Christus: Treu der Gemeinde dienen, mit Fleiß und wahrer Liebe die Herde weiden kann nur der, welcher höher sieht, als auf Menschen. Denn erstlich ist das Hirtenamt, wenn man das Amt an und für sich betrachtet, mühevoll und beschwerlich, da ja nichts schwieriger ist, als Menschen unter Gottes Joch zu halten: denn viele von ihnen sind schwach, andere sind leichtfertig und trotzig, andere langsam und träge, andere wieder hartköpfig und hartherzig. Satan beeilt sich gar bald, so viele Anstöße, als er nur vermag, einem guten Hirten in den Weg zu werfen; er hat die Absicht, ihn dadurch zu schwächen und zu entmutigen. Dazu kommt dann der Undank vieler und anderer Ursachen, die einem das Amt überdrüssig machen können. Kein Mensch wird darin unentwegt treu ausharren, der nicht in seinem Herzen die Liebe Christi wohnen und thronen hat. Sie allein macht einen Hirten fähig, sich selbst zu vergessen und in völliger Hingabe an Jesum alle Hindernisse zu besiegen. Dass es mit Paulus so stand, sagt er im 2. Briefe an die Korinther (5, 14), wo wir lesen: „Die Liebe Christi dringet uns also; sintemal wir halten, dass, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben.“ Da denkt er zwar an die Liebe, mit der Christus uns umfängt, und für welche er den Beweis durch seinen Tod erbracht hat, aber daran schließt sich doch sofort die durch den Opfertod Jesu erweckte Gegenliebe. An einer anderen Stelle (1. Kor. 16, 22) kennzeichnet Paulus als gottlose, falsche Lehrer, welche die Kirche verwirren, diejenigen, welche den Herrn Jesum Christ nicht lieb haben. Möchten doch alle, die zur Leitung der Gemeinde berufen werden, daran denken, dass, wenn sie wünschen ihr Amt recht und gut auszuüben, sie damit bei sich selbst inwendig den Anfang zu machen haben, indem sie Christum herzlich lieben.
Bei dieser Gelegenheit bezeugt Christus in der leuchtendsten Weise, wie innig ihm unser Heil am Herzen liegt, nämlich dadurch, dass er es allen Hirten seiner Herde so dringend anempfiehlt. Wie sehr sie ihn als Heiland lieben, dafür soll ihm das untrügliche Merkzeichen sein, ob sie mit treuer Sorge das Heil der einzelnen Seelen im Auge haben. Gewiss konnte nichts Wirkungsvolleres gesagt werden, um die Diener des Evangeliums anzufeuern, als dies, dass treue Hirtensorge für seine Herde ihm selbst der liebste Dienst sein wird. Alle Frommen aber dürfen daraus einen besonders schönen Trost schöpfen, dass sie vernehmen, wie lieb und teuer sie dem Sohne Gottes sind; setzt er sie doch an seinen eigenen Platz, indem er die Liebe, die der Apostel zu ihm hegt, auf die Schafe seiner Herde übertragen sehen will.
Falsche Lehrer dagegen, die durch ihre Wirksamkeit der Gemeinde Schaden zufügen, müssen angesichts dieser Aussprüche Jesu aufs tiefste erschrecken. Indem sie die Gemeinde schädigen, verletzen und misshandeln sie Christum selbst, womit sie eine schwere Verantwortung auf sich ziehen.
Weide meine Lämmer. Den Ausdruck „weiden“ braucht die Schrift bildlich für jede Art von Herrschaft. Hier handelt es sich um die geistliche Leitung der Gemeinde. Da ist es der Mühe wert, anzugeben, worin des Näheren die Pflicht eines geistlichen Hirten besteht. Es ist hier keine Würde gemeint, die man mit Nichtstun ausfüllen kann. Christus überträgt hier nicht einem sterblichen Menschen eine Herrschaft, die er ohne klare Überlegung nach Willkür ausüben mag.
Im zehnten Kapitel sehen wir, dass Christus im Grunde genommen ganz allein der Hirt der Gemeinde ist. Wir haben gesehen, weshalb er sich diesen Namen beilegt: er regiert und weidet seine Schafe mit der Lehre des Heils; er selbst ist die wahre Seelenspeise. Weil er sich nun aber zur Verkündigung seiner Lehre der Tätigkeit der Menschen bedient, so überträgt er auch seinen Hirtennamen auf sie, ja er teilt sich mit ihnen in diesen Namen. Als rechte Hirten gelten vor Gott nur die, welche als Diener des Wortes, unter Christo als dem Haupte stehend, die Gemeinde regieren. Daraus kann man ersehen, was für eine Last der Herr dem Petrus hier auferlegt und unter welcher Bedingung er ihn an die Spitze seiner Herde stellt.
Von hier aus ist auch die Verdrehung, die man römischerseits mit dieser Stelle vornimmt, um daraus die Tyrannei des Papsttums als berechtigt zu erweisen, gründlich zu widerlegen. Denn dass Petrus Christi Schafen weiden sollte, bedeutete für ihn keine Auszeichnung vor den übrigen Aposteln. Vielmehr war dies Wort an ihn einfach dadurch veranlasst, dass er in der beschriebenen Weise wieder in sein Amt eingesetzt werden musste. Entsprechend der dreimaligen Verleugnung wird ihm drei Mal das Hirtenamt angetragen. Übrigens ist dem Petrus mit diesen Worten nichts gegeben worden, was nicht in ganz derselben Weise jeder andere Diener des Evangeliums zugewiesen bekommt. Es ist also ganz vergebliche Mühe, wenn die Anhänger des Papsttums sich dafür ereifern, Petrus sei der Apostelfürst, dem Range nach der Erste, weil er ganz allein in besonderer Weise zum Hirten berufen worden sei. Aber selbst wenn wir dies einmal zugeben wollten, so ist doch noch immer keine Rede davon, dass der Apostelfürst in dieser seiner Stellung einen Nachfolger haben könne und solle. Solchen Erbanspruch zu erheben hätte Mohammed genau so viel Recht, als der Papst.
V. 16. Weide meine Schafe! Nicht alle Menschen ohne Unterschied übergibt der Herr dem Petrus und anderen Hirten, dass sie dieselben weiden, sondern nur seine Lämmer und Schafe. Früher (10,27) hat er bestimmt erklärt, welche Leute er unter seinen Schafen versteht, nämlich die, welche seine Stimme hören und ihm folgen, dagegen auf die Stimme eines Fremden nicht achten. Rechtschaffene Lehrer zwar müssen sich bemühen, alle Menschen um das Evangelium von Christo zu sammeln. Weil sie eben selbst nicht unterscheiden können, wer schon zu den Schafen und wer noch zu den wilden Tieren gehört, müssen sie auf alle Weise versuchen, diejenigen, welche eher Wölfen als Schafen gleichen, sanftmütig zu machen. Haben sie sich dazu alle Mühe gegeben, so wird ihre Arbeit schließlich doch nur den auserlesenen Schafen der Herde Christi zugute kommen. Diese werden willig, die Lehre anzunehmen und im Glauben zu wandeln, weil der himmlische Vater sie dem Sohne übergibt, ihm zu gehorchen, nachdem er sie vor Grundlegung der Welt auserwählt hat. Übrigens mögen wir aus dem Ausdruck „Schafe“ und „Lämmer“ abnehmen, dass nur sanftmütige und gelehrige Menschen auf der Weide der christlichen Lehre zum Heil in Christo geführt werden können. Freilich hat der Geist Gottes schon oft solche, die von Natur Bären oder Löwen waren, zahm gemacht.
V. 17. Petrus ward traurig. Ohne Zweifel merkt Petrus nicht, worauf Christus mit seiner wiederholten Frage hinaus will. Er meint wahrscheinlich, Jesus habe ihn im Verdacht, dass seine Antwort nicht aus aufrichtigem Herzen komme. Wir haben aber bereits gezeigt (zu V. 15), welchen guten Sinn die dreimalige Wiederholung der gleichen Frage hatte. Ferner hatte Petrus noch keine genügende Erfahrung davon, wie gründlich in den Herzen derer, die zahllose Schwierigkeiten überwinden sollen, die Liebe zu Christo festgewurzelt sein muss. Nachher hat er, vom Leben immer wieder darauf hingewiesen, es gelernt, dass Jesus eine solche Prüfung nicht grundlos abgehalten hat. Der gleichen Belehrung bedürfen alle, welche die Sorge der Gemeindeleitung auf sich nehmen wollen. Möchten sie sich doch nicht nur oberflächlich, sondern recht eingehend und ernstlich prüfen, ob ihre Liebe zu Christo auch wirklich in starkem Eifer glüht, damit sie nicht nachher mitten auf ihrer Bahn die Lust verlieren und die Hand vom Werke lassen, oder gar ganz von Jesu abkommen!
Uns alle will diese Geschichte lehren, mit sanftem, geduldigem Geiste stille zu halten, wenn der Herr uns einmal in eine solche scharfe Prüfung nimmt; er hat seine guten Gründe dabei, die wir freilich zumeist nicht kennen.
V. 18. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir. Nachdem Christus den Petrus ermahnt hat, die Schafe zu weiden, legt er ihm nun auch die Rüstung an, in der er gut gewappnet der Bosheit, die ihn bedrohte, entgegengehen konnte. Der Heiland fordert von seinem Jünger nicht bloß Glauben und Fleiß, sondern auch in Gefahren einen unüberwindlichen Mut und beim Tragen des Kreuzes unerschütterliche Standhaftigkeit. Er befiehlt seinem Apostel, bereit zu sein, wenn es nottut, in seinem Beruf in den Tod zu gehen. Wenn nun auch nicht alle Hirten in diese Lage kommen, so passt doch diese Ermahnung in irgendwelcher Beziehung auf jeden. Mit vielen geht der Herr schonend um: er verlangt ihr Blut nicht, sondern begnügt sich damit, dass sie in ihrem Leben sich ihm in rechter Treue weihen. Da aber Satan immerzu neue Kämpfe mannigfaltigster Art erregt, so ist es nötig, dass alle diejenigen, welche das geistliche Hirtenamt übernehmen, sich zum Sterben fertig machen, so gewiss sie nicht mit Schafen allein, sondern auch mit Wölfen zu tun haben. Was den Petrus angeht, so wollte Christus ihm im Voraus eine Mahnung an sein Ende geben, damit er beständig daran dächte: Ich muss dereinst die Lehre, deren Diener ich bin, mit dem eigenen Blute bekräftigen!
Doch scheinen Christi Worte gar nicht bloß in Rücksicht auf Petrus, sondern auch auf die anderen Jünger gesprochen: der ehrenvolle Ausblick auf das Märtyrertum soll ihnen zeigen, dass Petrus sich dereinst ganz anders, als zuvor im Kampfe tapfer beweisen wird.
Da du jünger warst. Nach allgemeiner Ansicht ist das Greisenalter für die Ruhe des Feierabends bestimmt. In Rücksicht darauf pflegt man Männern in höheren Jahren öffentliche Lasten abzunehmen. Ein alter Kriegsmann hat seinen Ruhestand wohl verdient und nimmt deshalb seinen Abschied von der Waffe. So konnte auch Petrus sich in die Hoffnung einwiegen: bist du einmal alt, so bekommst du auch deine Ruhe. Dem gegenüber spricht es Christus klar aus: Als Jüngling hast du nach deinem Willen leben können, als Greis wirst du von einem fremden Willen regiert werden. Es geht also in deinem Leben gerade umgekehrt, als man es zu erwarten pflegt: sie werden dich mit rauer Hand anpacken und kein Erbarmen üben. –
Übrigens haben wir an dem Geschick des Petrus einen Spiegel, worin wir uns selber betrachten können. Viele leben angenehm und unbehelligt dahin, ehe der Ruf Christi an sie erschallt; haben sie sich aber erst ihrem Herrn und Meister zu eigen gegeben, so geht es alsbald oder doch nach kurzer Zeit schon in schwere Kämpfe hinein, ihr Leben wird ein Leben voller Aufregung und Unruhe, sie geraten oftmals in furchtbar gefährliche Lagen, ja es kommt vor, dass sie um ihres Glaubens willen den Tod erleiden müssen. Ein solches Los ist wohl hart, und dennoch sollte man es nicht unwillig ertragen. Bei alledem schont der Herr die Seinen. Er legt seinen Knechten das Kreuz, womit er sie prüfen will, erst dann auf, wenn ihre Kraft reif geworden ist, es zu tragen. Er kennt ja ihre Schwachheit recht gut und mutet ihnen keine größeren Opfer zu, als sie bringen können. So hat er auch mit Petrus Nachsicht geübt, solange er sah, dass er noch zart und dem Märtyrertum nicht gewachsen war. Lasst uns lernen, uns bis zum letzten Atemzug Christo zur Verfügung zu stellen, doch unter der Bedingung, dass er uns Kraft verleihe. Gerade in diesem Punkte tritt bei vielen der schnöde Undank zutage. Je milder der Herr uns behandelt, desto mehr gewöhnen wir uns an die Annehmlichkeit eines solchen weichen Ruhepolsters. Hat dann der Herr lange Nachsicht geübt, und geht es nun einmal schärfer an uns, als sonst, so ist unter hundert Christen kaum einer, der das nicht sehr unleidlich findet. Welch ein Unrecht! Da wäre doch vielmehr Grund vorhanden, Gottes Freundlichkeit zu rühmen, die uns bis dahin geschont hat. So sagt auch Christus (Mt. 9,15), dass er seine Jünger, deren erst später Fasten und Tränen warteten, während seiner irdischen Gegenwart wie in der Hochzeitsfreude erhalten habe.
Ein anderer wird dich gürten. Viele Ausleger finden hier eine Hindeutung auf die Todesart des Petrus, dass er mit ausgebreiteten Armen ans Kreuz gehängt werden würde. Mir scheint es einfacher, an alle Tätigkeit zu denken, mit welcher der Mensch sich seinen Lebensweg selbst gestaltet. „Du gürtetest dich selbst“ heißt also: du zogst das Kleid an, das dir beliebte. „Ein anderer wird dich gürten“ muss dann heißen: Später wirst du nicht einmal in der Wahl deiner Kleidung mehr einen freien Willen haben. Außerdem ist es auch durchaus nicht sicher verbürgt, wie Petrus eigentlich gestorben ist. Lieber sollen wir offen eingestehen, dass wir von seiner Todesart nichts wissen, als dass wir Fabeln von zweifelhafter Beschaffenheit Glauben schenken.
Führen, wo du nicht hinwillst. Der Sinn ist: nicht Altersschwäche, sondern Gewalt und Schwert wird Ursache deines Todes sein! Sonderbar erscheint nur, dass Christus sagt, der Tod des Petrus werde kein freiwilliger sein. Wenn jemand gegen seinen Willen zum Tode geführt wird, so ist er noch nicht einmal als ein standhafter, beherzter Mensch zu rühmen, geschweige denn als ein Märtyrer. Christus meint jedoch etwas ganz anderes. Er bezieht seine Worte auf den Widerstreit von Geist und Fleisch untereinander, wie ihn die Gläubigen verspüren. Niemals folgen wir Gott mit so freiem, von aller anderen Beeinflussung als dem Gebote Gottes abgelösten Gehorsam, dass nicht doch Welt und Fleisch mit Stricken der Verführung uns in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen suchten. Daher rührt die Klage des Paulus (Röm. 7,19): „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht.“ Außerdem ist zu beachten, dass wir alle einen natürlichen Schauder vor dem Tode haben; unsere Leiblichkeit kann nicht nach ihrer eigenen Auflösung verlangen. Daher betet Christus, obwohl er von ganzem Herzen willig ist, Gott zu gehorchen, dennoch um Abwendung des Todes, wenn es möglich sei. Nimmt man noch hinzu, dass dem Petrus schreckliche Qualen vonseiten boshafter Menschen bevorstanden, so wird man sich nicht darüber wundern, wenn er in gewissem Sinne vor einem solchen Sterben zurückscheute. Dass er aber bei alledem sich seinem Herrn in wirklichem Gehorsam aufopferte, wird uns völlig klar werden, wenn wir bedenken, dass er eben den Tod, dem er nach seinem natürlichen Gefühl gern entgangen wäre, willig auf sich nahm, weil er es so als Gottes Willen erkannt hatte. Wäre mit solchem Märtyrertum kein seelisches Leid verbunden, so müsste man ja von der Geduld der Märtyrer ganz schweigen.
Es ist sehr nützlich, diese Lehre zu durchdenken. Sie bewegt auch uns zum Beten, da wir ja niemals imstande sein würden, ohne ganz besondere Hilfe Gottes die Todesfurcht zu überwinden. So bleibt uns denn nichts anders übrig, als uns in Gebet und Flehen ihm darzubieten: „Regiere uns ganz, o Gott!“ Ferner hat die besprochene Lehre den Wert, unsere Herzen zu erleichtern, damit sie nicht unter übergroßer Last zusammenbrechen, wenn sich Verfolgungen gegen uns erheben, und wir schon zu zagen beginnen. Wollten wir uns freilich einbilden, dass wahren Märtyrern jede Furcht fremd wäre, so müsste es uns zur Verzweiflung treiben, wenn in unserem Herzen noch die Furcht sich regt. Doch ist gar kein Grund vorhanden, dass wir uns von dem Vorsatz, ihrem Beispiel zu folgen, dadurch abschrecken lassen, dass wir schwache Menschen sind. Auch sie haben menschliche Schwachheit verspürt; auch sie konnten nur im Kampf mit der eigenen Leidensscheu sterbend über die Feinde der Wahrheit triumphieren.
V. 19. Mit welchem Tode er Gott preisen würde. Dieser erklärende Zusatz ist von großem Gewichte. Allerdings soll es ja das Ziel alles Christenstrebens sein, dass wie im Leben und im Tode Gott gepriesen wird. Hier aber will der Ausdruck denen ein besonderes Lob spenden, die mit ihrem Blute das Evangelium besiegeln und den Jesusnamen als den besten preisen (vgl. Phil. 1,20). Möchte nie unsere Trägheit uns hindern, die recht Frucht aus solchem Märtyrertode zu gewinnen! Möchte unser Glaube vielmehr den Anstoß empfangen, dass wir immer besser der Verherrlichung Gottes dienen wollen!
Folge mir nach! Dies Wort zeigt dem Petrus, dass Jesus ihn mit dem Hinweis auf seinen gewaltsamen Tod zur Geduld im Leiden erziehen will. Jesus will sagen: Du weißt ja, was ich ertragen habe. So folge denn, wenn du ebenso in den Tod gehen musst, mir als deinem Führer nach! Somit ist nicht von der Nachfolge im Allgemeinen die Rede, sondern ganz besonders von der Nachfolge in den Tod. Eine wundersame Linderung für alles Bittere, was das Sterben mit sich bringt, trägt dieser eine Gedanke in sich: Was hat doch Jesus erleiden müssen, der Sohn Gottes! Und wie ist er doch so siegreich aus dem Grabe hervorgegangen und hat mit seiner Auferstehung auch für uns den Tod überwunden!
V. 20. Petrus aber wandte sich um. An Petrus haben wir ein Beispiel für unsere nicht nur überflüssige, sondern geradezu schädlich Neugierde: das Schauen auf andere lässt uns die eigene Pflicht aus den Augen verlieren. Das hängt uns ja fast allen an, dass wir mehr über das Leben anderer, als über das eigene Leben nachdenken und nun auf eitle Ausflüchte verfallen. Wie gern betrügen wir uns mit der Entschuldigung: die anderen sind nicht besser als ich! Ist denn die Trägheit eines anderen wirklich eine Entschuldigung für dich? Wie selten findet man doch einen Menschen, der sich das Wort des Paulus (Gal. 6,5) gesagt sein lässt: „Ein jeglicher wird seine Last tragen!“ Der Tadel, welchen der Herr hier über Petrus ausspricht, trifft also jeden, der über der Umschau auf das Treiben der Menschen, die um ihm sind, die ihm von Gott auferlegte Pflicht versäumt. Was ist es doch für ein närrischer Wahn, wenn ein Mensch sorglos an den Pflichten vorübergeht, die gerade ihm, und niemandem genau in derselben Weise wie ihm, durch seine besondere Berufung zugewiesen sind! Aus zehn Menschen wählt Gott sich einen aus, dem er die schwersten Sorgen oder eine ungeheure Arbeitslast auflädt, - die anderen neun lässt er in Ruhe oder legt ihnen doch im Verhältnis zu dem einen nur wenig auf. Gott behandelt nun einmal nicht alle Menschen in derselben Weise. Einzelne Menschen sucht er sich in ganz besonderer Weise aus den übrigen heraus. Die Art, in der wir als Streiter Christi zum Dienst unseres Gottes herangezogen werden, ist eine recht verschiedene. Möge nur jeder da, wo er steht, seinen Platz ausfüllen. Wir müssen noch immer mehr die Unart ablegen, dass wir neugierig zu erlauschen suchen, was unser himmlischer Feldherr anderen befiehlt! Er wird ihnen schon die rechten Befehle erteilen. Das ist seine Sache. Darum haben wir uns nicht weiter zu kümmern. Unsere Sache ist es, zufrieden zu sein mit dem Befehl, der uns erteilt ist, und unsere Aufgabe auszuführen, ohne rechts oder links zu sehen.
Welchen Jesus lieb hatte. Diese Erläuterung wird hier eingeschoben, damit wir wissen, was den Petrus zu der hier berichteten Anfrage veranlasst hat. Es kam ihm sonderbar vor, dass nur er berufen wurde, und Jesus von Johannes gar nichts sagte, den er doch stets ganz besonders lieb gehabt hatte. Ein Vorwand fehlte also dem Petrus bei seiner Anfrage nicht. Jesus aber lässt diesen Vorwand nicht gelten, sondern entgegnet ihm: Was andere tun sollen, geht dich nichts an; gehorche du nur der Berufung, die Gott an dich ergehen lässt.
V. 22. So ich will, dass er bleibe usw. Mit diesen Worten will Christus seinen Jünger innerhalb der Schranken seines besonderen Berufes festhalten: Es ist nicht schön von dir, dass du danach forschest, was ich mit deinem Amtsgenossen vorhabe; das überlasse doch mir! Denke jetzt nur an dich! Mache dich bereit, dass du dem Rufe Gottes folgst, wohin er dich auch gehen heißt! –
Jesus will nun freilich nicht sagen, dass wir gegen das Los unserer Brüder gleichgültig sein sollen; ist es doch sein Gebot, dass wir sie lieb haben. Aber wir müssen genau die Grenze innehalten. Herzlichen Anteil gilt es an dem Geschick anderer zu nehmen. Neugier dagegen, die uns in unserem eigenen Berufe lähmt, ist für Christen ganz und gar ungehörig. Insofern als wir uns alle Mühe geben sollen, auch andere zur Nachfolge in Christi Fußstapfen mit fortzureißen, hat jeder von uns auf seine Nächsten Rücksicht zu nehmen. Insofern aber, als der Blick auf andere uns matt machen kann in der Nachfolge Christi, sollen wir uns um den Nächsten durchaus nicht kümmern.
V. 23. Da ging eine Rede aus. Johannes berichtet endlich, wie der Missverstand dieser Worte Jesu unter den Jüngern den Irrtum aufgebracht habe, dass er nicht sterben werde. Unter den Brüdern versteht er zunächst die Anfänger der großen christlichen Familie, also die Apostel, welche Jesu Worte mit anhörten. Im weiteren Sinne ist auch die ganze Christengemeinde gemeint, in welche dieser Irrtum „ausging“. Dass er sich hier besonders festsetzte, kann ja nicht wunder nehmen, wo ihm doch Christi vertrauteste Jünger zuerst verfallen waren. So geht es aber, wenn wir dem göttlichen Lichte etwas von unserer eigenen Finsternis beimischen. Christus hatte gar nichts Bestimmtes über das Geschick des Johannes aussagen wollen; er wollte nur auch ihm gegenüber für sich vollkommen frei Verfügung über Leben und Tod in Anspruch nehmen. Seine Liebe war somit an und für sich einfach und heilsam. Die Jünger aber gehen weit über den Wortlaut hinaus. Wollen wir uns vor der Gefahr sichern, welcher sie erlegen sind, so müssen wir uns in rechter Nüchternheit selbst Schranken setzen. Aber das ist gerade das Üble: der Menschengeist liebt die Ungebundenheit; so rennt er denn in vollem Lauf mitten in allerlei Einbildungen und leere Gedanken hinein. So kommt man nie aus dem Irrtum heraus, es sei denn, dass man einfach annimmt, was der Herr selbst gesagt hat, und menschliche Fündlein, die davon abweichen, unbeachtet lässt.
V. 24. Dies ist der Jünger usw. Da Johannes bisher immer in der dritten Person von sich geredet hat, so tritt er jetzt endlich mit großem Nachdruck als Augenzeuge hervor, um dem, was er aus eigner Erfahrung berichtet hat, ein volles Gewicht zu verschaffen. Damit nun aber gegen ihn als den Lieblingsjünger Jesu nicht etwa der Verdacht aufkomme, als habe er Schönfärberei zu Gunsten seines Meisters getrieben, bemerkt er ausdrücklich, dass er ganz im Gegenteil sehr vieles übergangen und von Christi Taten nur solche mitgeteilt habe, die mit seinem öffentlichen Amte in Verbindung standen. Dabei darf man es nicht für eine alberne Übertreibung ansehen, wenn Johannes zum Schluss (V. 25) sich einer Wendung bedient, wie man sie ähnlich in weltlichen Schriften vielfach antrifft. Man sehe doch nicht nur auf die Zahl der uns berichteten Taten Christi! Der Sache entspricht es vielmehr, dass man das Schwergewicht und die Größe seiner Taten erwägt. Christi göttliche Majestät, die mit ihrer Unendlichkeit nicht nur die Gedanken der Menschen, sondern, wie man kühnlich sagen darf, Himmel und Erde weit hinter sich lässt, hat ihren wunderbaren Glanz darin hervorleuchten lassen.
Wenn der Evangelist auf ihn seine Blicke richtet und nun, aufs tiefste bewegt, ausruft: Wollte man ihn beschreiben, wie er es verdiente, so wäre die weite Welt zu klein, alle die Bücher zu fassen! –
Kann man sich da über diesen Ausdruck wundern? Nein, es ist kein Grund vorhanden, ihm einen Vorwurf daraus zu machen, dass er einer Redewendung, die andere vor ihm so oft auf weit geringere Gegenstände angewandt haben, sich bedient, um auf Christi überragende Werke hinzuweisen. Wir wissen ja, dass Gott sich in der heiligen Schrift gar oft der geläufigen menschlichen Redeweise bis zum herablassenden Stammeln anbequemt, um unserem Verständnis entgegen zu kommen.
Übrigens ist im Gedächtnis zu behalten, war wir schon früher bemerkten (20,31), dass der kurze Abriss von den Taten und Reden unseres Heilandes, den die Evangelisten in ihren Schriften hinterlassen haben, vollkommen genügt, uns in dem rechten Glauben zu unterweisen und uns das Heil in Christo zu bringen. Der weiß genug und übergenug, welcher sich von den Evangelisten belehren lässt und ihren Unterricht treulich zu Herzen nimmt. Gott der Herr hat ihnen die Aufgabe zuerteilt, uns von Jesu zu erzählen. Sie haben redlich ihre Pflicht getan. Nun ist es unsere Pflicht, uns ganz und gar von ihrem Zeugnis abhängig zu machen und nicht mehr zu begehren, als was ihnen zu berichten anbefohlen wurde, zumal Gottes Vorsehung ihre Feder gelenkt hat, damit sie uns nicht mit endlos langen Erzählungen beschwerten und dennoch bei der getroffenen Auswahl so viel erzählten, wie nach Gottes weisem Rate für uns gut war.
Er, unser Gott ist, allein weise und der Urquell aller Weisheit.
Ihm sei Ehre und Lob in Ewigkeit! Amen.