Calvin, Jean - Der Brief des Apostels Jakobus - Kapitel 5.
V. 1. Wohlan nun usw. Meiner Meinung nach täuschen sich diejenigen, welche diese Stelle als eine Ermahnung der Reichen zur Buße auffassen. Mir scheint sie mehr eine einfache Ankündigung des göttlichen Gerichts zu sein, mit der Jakobus sie ohne Hoffnung auf Verzeihung schrecken will: alles, was er sagt, zielt nur auf hoffnungslose Verzweiflung ab. Er lädt sie also nicht etwa mit dieser Anrede zur Umkehr ein, sondern sein Absehen ist vielmehr auf die Gläubigen gerichtet, sie angesichts des unglücklichen Endes der Reichen vom Neide gegenüber ihrem Glück abzuhalten. Ferner sollen sie die Unbilden, die sie durchmachen, mit Gleichmut und Ruhe tragen in der Gewissheit, dass Gott der Rächer dafür sein wird. Übrigens richtet sich seine Strafrede nicht ohne Unterschied gegen alle Reichen, sondern gegen solche, die, im Genuss untergegangen und von Übermut aufgebläht, nur auf die Welt bedacht sind, die, unergründlichen Schlünden gleich, alles verschlingen, die tyrannisch andere quälen. So geht es aus dem Zusammenhang hervor.
Weint und heult. Auch die Buße hat ja ihre schmerzlichen Tränen, aber sie sind vermischt mit Trost, und es kommt nicht bis zum Heulen. Jakobus will also sagen: die Schwere des göttlichen Fluches wider die Reichen werde so grausig und schrecklich sein, dass sie zum Geheul sich unwiderstehlich gezwungen fühlen. Es ist gerade so viel wie das eine Wort: Weh euch! Es ist aber auch die den Propheten eigene Art zu reden, wenn die Gottlosen unter Ankündigung der Strafen, die auf sie warten, gleichsam schon mitten in den Verlauf derselben hineingezogen werden. Während sie sich schmeicheln und das Glück, in dessen Besitz sie sich selig wähnen, sich für ewig versprechen, kündigt Jakobus ihnen an, dass schwerste Strafen ihnen drohen.
V. 2. Euer Reichtum ist verfault. Der Sinn kann zwiefach gefasst werden. Einmal so, dass Jakobus das törichte Vertrauen der Reichen verspottet, da doch die Reichtümer, die sie als Ursache ihres Glücks betrachten, mehr als hinfällig sind, ja durch einen einzigen Hauch Gottes in nichts verwandelt werden können. Oder das Wort kann auch als ein Tadel ihrer unersättlichen Habsucht gefasst werden, in der sie nur zu dem Zweck Reichtümer aufhäufen, dass sie untergehen, ohne dass sie irgend Nutzen schaffen. Diese letzte Auffassung passt sich besser dem Zusammenhang an. Ist es doch wahr, dass die Reichen ohne Verstand sind, die in so vergänglichen Dingen wie Kleider, Gold, Silber und ähnlichem ihre Herrlichkeit suchen: denn das heißt nichts anderes als seine Herrlichkeit Rost und Motten preisgeben. Bekannt ist auch jenes Wort: Wie gewonnen, so zerronnen. Denn Gottes Fluch nimmt alles weg. Das ist ja auch nicht billig, dass die Schlechten oder ihre Erben die Schätze genießen sollten, die sie Gott gleichsam mit Gewalt entrissen haben. Wenn nun aber Jakobus hier die Laster aufzählt, mit welchen die Reichen das erwähnte Unheil sich zugezogen haben, so erfordert nach meinem Urteil der Zusammenhang, dass wir hier einen Tadel der ungeheuren Habsucht der Reichen finden; sie bringen auf die Seite, was und wo sie nur etwas an sich ziehen können, damit es nutzlos auf der Tenne verfaule. So kommt es, dass sie die von Gott zum Nutzen der Menschen geschaffenen Güter gleichsam als Feinde der Menschheit dem Verderben weihen. Zu bemerken ist aber, dass die hier getadelten Laster doch nicht etwa bei jedem einzelnen zusammentreffen. Denn die einen von den Reichen lassen sich weidlich die Zügel schießen, andere vergeuden viel in Prunk und Pracht, wieder andere versagen sich das Nötige und leben elend in ihrem Schmutz. Es sollen also offenbar allerlei Laster hier gekennzeichnet, allgemein aber sollen alle verurteilt werden, die in ungerechter Weise Reichtümer sich aufhäufen oder aber in verwerflicher Weise sie missbrauchen. Übrigens trifft dies Wort des Jakobus nicht allein die Reichen vom höchsten Geiz, sondern auch gewisse Leute, die in anderer Beziehung stattlich und vornehm erscheinen, die lieber ihre Haufen von Schätzen verderben lassen als sie zum notwendigen Gebrauch verausgaben wollen. So groß ist einiger Leute Bosheit, dass sie nur mit Unwillen Sonne und Luft mit anderen teilen.
V. 3. Sein Rost wird euch zum Zeugnis sein. Die eben von mir gegebene Ausführung bestätigt sich. Gott hat ja weder das Gold für den Rost noch die Kleider für die Motten bestimmt, vielmehr sollte das alles zum Unterhalt des menschlichen Lebens dienen. Wenn es nun ohne Nutzen sich verzehrt, so ist das an sich ein Zeugnis für den Mangel an menschlichem, gütigem und vernünftigem Wesen. Die Fäulnis des goldenen und silbernen Reichtums wird gleichsam Brennstoff sein für den Zorn Gottes, der entbrennen muss, um sie wie Feuer zu verzehren. Auch dass die Reichen sich Schätze gesammelt in den letzten Tagen, kann man zwiefach auslegen, entweder dahin, dass sie, als ob sie immer im Leben blieben, niemals satt werden, sondern sich aufzuhäufen mühen, was bis ans Ende der Welt genügen soll; oder dahin, dass sie Zorn und Fluch Gottes auf den jüngsten Tag aufhäufen. Diese letzte Auffassung scheint mir die bessere.
V. 4. Siehe, der Arbeiter Lohn usw. Nunmehr greift Jakobus die Grausamkeit an, die unzertrennliche Schwester der Habsucht. Und eine Art davon berührt er, die verdientermaßen vor anderen verhasst sein muss. Wenn es dem Charakter des wirklich humanen und billig denkenden Mannes entspricht, für sein Vieh Sorge zu tragen (wie Salomo Sprüche 12, 10 sagt), so ist es eine erstaunliche Grausamkeit, wenn der Mensch gegenüber dem Menschen, dessen Schweiß er zu seinem Nutzen aussaugt, sich nicht im Geringsten von Barmherzigkeit berührt zeigt. Deshalb verbietet der Herr im Gesetze streng, dass der Lohn des Tagelöhners bei uns die Nacht über bleibe (5. Mo. 24, 15). Nimm noch dazu, dass Jakobus nicht irgendwelche Arbeiter nennt, sondern beim Ackerbau und der Ernte Beschäftigte, um seine Anklage grell zu färben. Denn was ist wohl unwürdiger, als diejenigen mit Hunger und Fasten aufzureiben, die uns mit ihrer Anstrengung das Brot schaffen? Und doch ist diese Untat sehr verbreitet. Es lassen eben sehr viele vom Tyrannen-Geiste sich treiben und glauben, das menschliche Geschlecht sei allein ihnen zugute da. Jakobus sagt, der Lohn schreie, - weil ja alles fremde, auf Grund von Betrug oder Unrecht zurückbehaltene Eigentum über die Menschen gleichsam mit lauter Stimme die Strafe herabruft. Ausdrücklich fügt er hinzu, das Rufen der Armen erreiche das Ohr Gottes: wir sollen wissen, dass das Unrecht nicht ungestraft bleibt. Gleichmütig mögen deshalb die vom Unrecht Bedrückten es ertragen, Gott wird ihr Rächer sein. Dagegen mögen sich die mit Macht zu schädigen Ausgestatteten des Unrechts ja enthalten, um Gott, den Beschützer und Fürsorger der Armen, nicht gegen sich herauszufordern. Daher auch hier die Verwendung des Namens „Herr Zebaoth“: sie hebt seine Macht und Stärke hervor, um sein Gericht umso fruchtbarer erscheinen zu lassen.
V. 5. Ihr habt wohlgelebt. Zu einem anderen Laster steigt Jakobus herab: Luxus und Wohlleben. Die über den Durchschnitt begütert sind, halten sich selten im Zügel und vom Missbrauch ihres Überflusses zu übermächtiger Pracht fern. Es gibt zwar, wie oben gesagt, genug Reiche, die in ihrer Fülle Hunger leiden. Nicht ohne Grund haben die Dichter die Gestalt des am wohlbesetzten Tische hungrigen Tantalus geschaffen. Immer hat es in der Welt solche Tantalusse gegeben. Aber Jakobus hat es nicht mit Einzelnen zu tun. Es genügt, dass wir dies Laster unter den Reichen gemeinhin herrschen sehen: den Freuden der Tafel sind sie gar zu verschwenderisch ergeben. Wenn Gott ihnen auch durchaus erlaubt, reichlich von ihrem Vermögen zu leben, so muss man sich doch immer vor Verschwendung hüten und Wirtschaftlichkeit pflegen. Nicht umsonst tadelt der Herr durch die Propheten die Leute so hart, die in elfenbeinernen Betten liegen, die mit kostbarer Narde benetzt sind, die bei süßem Trank am Zitherspiel sich ergötzen, die den fetten Kühen auf üppiger Weide gleichen. Das alles wird uns vorgehalten, uns einzuprägen, dass man im Genuss Maß halten muss, und dass die Zuchtlosigkeit Gott missfällig ist. Die „Herzen weiden“ bedeutet: sich gehen lassen, nicht nur bis zur Sättigung der Natur, sondern ganz nach dem Maß der Begierde. Hinzugefügt wird das Bild: wie am Schlachttag, ein Hinweis auf die Sitte, bei den größeren Opferfeiern reichlicher zu essen, als man im täglichen Leben gewohnt war. Die Reichen setzen also im ganzen Leben den Festtag immer fort, sind untergegangen in fortgesetzten Vergnügungen.
V. 6. Ihr habt verurteilt den Gerechten. Eine andere Seite ihres unmenschlichen Wesens: mit ihrer Macht unterdrücken die Reichen die Schwachen und richten sie zugrunde. Bildlich ist es gemeint, dass die Gerechten von ihnen getötet und verurteilt werden. Mit ihrer Hand morden sie nicht, treten auch nicht im Amte des Richters auf; wenn sie aber ihre machtvolle Stellung zum Schaden gebrauchen, Gerichte zu bestechen, allerlei Künste ersinnen, um Unschuldige zu verderben, so ist das in der Tat Töten und Verurteilen. Fügt Jakobus noch hinzu, dass der Gerechte nicht widersteht, so deutet er an, dass bei den Reichen die Frechheit wächst, weil die Leute, die sie übervorteilen, ohne allen Schutz dastehen. Inzwischen erinnert er sie aber doch, dass die Strafe Gottes ihnen umso mehr bereit und nahe steht, als dem Armen bei den Menschen die Verteidigung fehlt. Wenn aber auch der Gerechte deshalb nicht Widerstand leistet, weil man Unrecht geduldig ertragen soll, so meine ich doch, dass hier zugleich auf die Schwäche hingewiesen werden soll: er widersteht nicht, weil er waffenlos ist und verlassen von Menschenhilfe.
V. 7. So seid nun geduldig. Diese folgernde Redeweise zeigt, dass die bisherige, strafende Anrede an die Reichen denen zum Troste dienen soll, die eine Zeitlang den Belästigungen durch dieselben ungestraft ausgesetzt schienen. Denn nachdem Jakobus die Ursachen für die den Reichen drohenden Unwetter durchgegangen ist und dabei dieses einen gedacht hat, dass sie hochmütig und grausam die Armen beherrscht haben, fügt er gleich darnach hinzu, dass wir, die ungerechterweise Betrübten, eine Stütze unserer Geduld daran haben, dass der Herr dereinst richten wird. Darauf zielt die Erinnerung an die Zukunft des Herrn. Nicht ewig bleibt die heute sichtbare Verwirrung der Dinge in der Welt, weil ja der Herr mit seiner Zukunft die Welt zur Ordnung zurückrufen wird. Deswegen mögen die Seelen in guter Hoffnung sich fassen. Nicht ohne Grund wird uns für jenen Tag die Herstellung aller Dinge versprochen. Wenn aber auch hin und wieder in der Schrift jede Offenbarung des Gerichts und der Gnade des Gottes, der den Seinen zu Hilfe eilt und die Gottlosen züchtigt, ein Tag des Herrn heißt, so möchte ich diese Stelle hier doch am liebsten von der letzten, endgültigen Befreiung deuten.
Siehe, ein Ackermann usw. Dasselbe Bild rührt Paulus 2. Tim. 2, 6 eben an, wenn er sagt, der Ackermann müsse sich mühen, ehe er die Frucht erntet. Ausführlicher ist des Jakobus Rede darüber. Die tägliche Geduld des Ackermanns schildert er, der den Samen der Erde anvertraut hat und nun sicher oder wenigstens geduldig wartet, bis die Zeit der Ernte kommt, und nicht unmutig darüber ist, dass die Erde nicht gleich die reife Frucht bringt. Daraus schließt er, dass wir nicht übermäßig ängstlich sein dürfen, wenn jetzt Mühsal und Säearbeit zu leisten ist, bis dass, der Ernte gleich, der Tag des Herrn erscheint. Dass die Frucht köstlich oder kostbar genannt wird, erklärt sich daraus, dass sie die Nahrung ist und zur Erhaltung unseres Lebens dient. Jakobus bedeutet uns aber mit dem Hinweis auf den Ackermann, der sein so kostbares Leben lange im Schoß der Erde verborgen liegen und seinen Wunsch auf Erntefrucht still ruhen lässt, dass wir allzu eilig und ungestüm sind, wenn wir den Tag unserer Erlösung nicht ruhigen Gemüts erwarten. Das Gleichnis einzeln auszuführen ist nicht nötig.
Frühregen und Spätregen bezeichnen die beiden Perioden, davon eine gleich auf die Saat folgt, während die andere die Reife bringt. Es ist die Redeweise der Propheten, die den Segen des Regens preisen, den Mose verheißen hatte (5. Mo. 28, 12; Joel 2, 23; Hos. 6, 3). An beide Perioden erinnert Jakobus, um die Tatsache eindrücklich zu machen, dass der Ackermann sich doch keineswegs durch Überdruss an der langen Wartezeit vom geduldigen Ausharren abbringen lässt.
V. 8. Stärkt eure Herzen. Dem Einwurf, dass die Zeit der Befreiung zu weit hinausgeschoben werde, begegnet der Hinweis, der Herr sei wahrlich vor der Tür, seine Zukunft sei nahe. Inzwischen gilt es, die Weichlichkeit der Seele zu beseitigen, welche die standhafte Hoffnung lähmt. Gewiss erscheint uns ja deswegen die Zeit des Wartens so lange, weil wir zu zärtlich und verwöhnt sind. Tragfähige, ausdauernde Kraft also müssen wir uns zu eigen machen; sie strömt uns aber aus keiner anderen Quelle besser zu als aus dem hoffenden Aufblick zur nahen Zukunft des Herrn.
V. 9. Seufzt nicht widereinander. Im Hinblick auf die Klagen vieler, dass sie schlechter als andere behandelt würden, hat man diesen Satz des Jakobus dahin ausgelegt, als ob er die Anweisung gebe: jeder solle mit seinem Lose zufrieden sein, ohne Neid gegen andere, ohne Unmut darüber, dass die Lage anderer erträglicher sei als die eigene. Mir scheint die Absicht eine andere zu sein. Hat Jakobus oben auf den unheilvollen Ausgang der Leute hingewiesen, deren Gewaltherrschaft die Guten und Stillen bedrückt, so folgt nun die Mahnung an die Gläubigen, dass sie unter sich gelassen und zur Vergebung von Beleidigungen bereitwillig seien. Dass dies der eigentliche Sinn ist, erhellt aus der zugefügten Begründung. Verklagt nicht einer den anderen, damit ihr nicht alle verdammt werdet, heißt es. Seufzen dürfen wir, so oft etwas Böses uns quält, aber hier ist das einander verklagende Seufzen gemeint, mit dem einer den anderen vor dem Herrn belangen möchte. Auf diese Weise wird die Verdammnis aller die Folge sein: es hat ja jeder seine Brüder verletzt und Anlass zur Klage gegeben. Wenn die Einzelnen anfangen, sich zu beschweren, werden sie alle wechselseitig sich anklagen; ist doch niemand so unschuldig, dass er nicht Einige beleidigt hätte; Gott wird der gemeinsame Richter aller sein. Der schließliche Erfolg wird also nur der sein, dass jeder das Gericht, das er über andere zu bringen begehrt, gegen sich selbst loslässt, und dass sie alle zum gegenseitigen Verderben erhört werden. Niemand also fordere die Rache über andere heraus, der sie nicht auf sein eigenes Haupt herabziehen will. Und damit sie nicht unbedacht in solche Klagen sich stürzen, folgt die Ankündigung, der Richter stehe vor der Tür. Nach unserem Hang zur Entheiligung des Namens Gottes berufen wir uns ja schon bei den geringsten Anstößen auf sein Gericht. Es gibt aber keinen besseren Zaum für unsere unbedachtsame Voreiligkeit als die Erwägung, dass unsere Anrufungen nicht in die Luft verfliegen, da ja Gottes Gericht nahe ist.
V. 10. Nehmt zum Exempel usw. Der hier dargebotene Trost ist nicht der des gemeinen Sprichwortes, nach dem die Unglücklichen begehren, irgendwelche Genossen ihres Unglücks zu haben. Vielmehr solche Leute bietet uns Jakobus als Genossen an, zu denen gezählt zu werden höchst erwünscht, und deren Lage zu teilen gewiss kein Elend ist. Wie wir von tiefster Traurigkeit ergriffen werden müssten, wenn uns etwas Böses träfe, das niemals von Gotteskindern erfahren wurde, so ist das doch auch ein einzigartiger Trost, zu wissen, dass wir das Gleiche wie sie erfahren, und zu merken, dass wir für das Tragen des gleichen Jochs bereitet werden. Als Hiob (5, 1) von seinen Freunden das Wort hörte, er möge doch an die Heiligen sich wenden: wirst du einen finden, der dir ähnlich sei? da war das des Satans Stimme, der ihn in Verzweiflung stürzen wollte. Auf der anderen Seite, wenn der Geist durch des Jakobus Wort zu guter Hoffnung uns erheben will, so zeigt er uns alle Heiligen, die uns vorangehen, wie sie uns gleichsam die Hand reichen und mit ihrem Beispiel uns zum Sieg und zur Herrschaft über die Leiden einladen. Das menschliche Leben ist zwar ohne Unterschied der Trübsal und dem Unglück unterworfen, aber Jakobus zieht nicht jedermann zum Beispiel heran – es nützt ja nichts, mit der Menge unterzugehen – sondern die Propheten wählt er als Beispiele aus, in deren Gemeinschaft zu stehen selig ist. Nichts anderes zerbricht und entkräftet uns als die Empfindung des Elends. Darum ist das der rechte Trost, die Dinge, welche gewöhnlich als Übel angesehen werden, als Hilfsmittel unseres Heils zu empfinden. Das ist freilich etwas dem Verständnis des Fleisches sehr Fremdes; dennoch müssen die Gläubigen es für sich feststellen: dass sie selig sind, wenn sie durch allerlei Trübsal vom Herrn geprüft werden. Um zu dieser Überzeugung zu führen, heißt uns Jakobus darauf achten, wozu den Propheten ihre Leiden dienen mussten. Vom Druck eigener Übel, des Schmerzes, der Trauer oder irgendwelcher anderer übermächtiger Eindrücke ganz in Anspruch genommen, entbehren wir ja des klaren Urteils und haben keinen freien Blick, als vom Ungewitter unter trübem Himmel und mitten in Stürmen umhergeworfenen Leute: da ist es also sehr nötig, das Auge anderswohin zu richten, wo der Himmel gewissermaßen heiter und klar ist. Werden uns der Heiligen Trübsale erzählt, so wird keiner sie für elend und nicht vielmehr für selig anerkennen. Recht macht es also Jakobus, wenn er uns dies Vorbild vor Augen hält, damit wir lernen, uns dahin zu wenden, so oft wir durch Ungeduld oder Verzweiflung versucht werden. Er nimmt aber jene Voraussetzung, die Propheten in ihren Trübsalen für selig zu erklären, deswegen an, weil sie dieselben geduldig ertragen. Weil es sich so verhält, muss nach seiner Meinung dasselbe Urteil in unseren Leidenstagen gefällt werden. Er spricht aber von den Propheten, die geredet haben im Namen des Herrn, um darauf hinzuweisen, dass sie vor Gott angenehm und bewährt waren. Sicherlich hätte Gott sie also vor Leiden bewahrt, wenn es ihnen nützlich gewesen wäre. Er hat es nicht getan: also sind die Trübsale den Gläubigen heilsam. In dieser Hinsicht sollen jene zum Exempel des Leidens genommen werden; aber freilich muss die Geduld hinzukommen als wahres Zeugnis unseres Gehorsams; daher wird beides miteinander verbunden.
V. 11. Die Geduld Hiobs. Über die Propheten ergeht die Rede allgemein; nun wird ein einzelnes, vor anderen ausgezeichnetes Beispiel hervorgehoben. Denn keiner wurde (soweit man es den biblischen Geschichten entnehmen kann) je von so schweren und so verschiedenen Plagen betroffen; dennoch tauchte er aus so tiefem Abgrund wieder auf. Jeder, der seine Geduld nachahmt, wird also ohne Zweifel auch Gottes endlich errettende Hand in ähnlicher Weise erfahren. Da sieht man, zu welchem Zweck die Geschichten geschrieben sind. Gott hat seinen Knecht Hiob, der geduldig sein Leiden trug, nicht gänzlich zu Boden drücken lassen: so wird kein Aufwand von Geduld vergebens sein. Doch erhebt sich die Frage, warum der Apostel denn die Geduld Hiobs so sehr preise, da Hiob doch, von blindem Ungestüm fortgerissen, so viele Beweise des Unmuts gibt. Ich antworte: wenn er auch durch seines Fleisches Schwachheit hin und wieder zum Wanken kommt, ja auch im Innern in Aufruhr gerät, so kommt er doch immer dahin zurück, dass er sich ganz Gott überlässt, sich ihm zur Zügelung und Regierung darbietet. Wenn auch immer etwas an seiner Geduld fehlen mag, so wird er deshalb doch nicht unverdient gelobt.
Das Ende des Herrn. Damit weist der Verfasser darauf hin, dass die Trübsale stets vom Ende her ihre Schätzung empfangen müssen. Anfangs nämlich scheint Gott fern zu sein; indessen wütet der Satan zügellos in dieser Verwirrung; das Fleisch flüstert uns ein, wir seien von Gott verlassen und verraten; weithin also müssen wir unseren Blick aussenden, weil kaum ein Lichtschimmer erscheint. Vom Ende, welches der Herr schafft, ist aber die Rede, weil es Gottes Art ist, dem Unglück den glücklichen Ausgang zu geben: wenn wir unsere Pflicht tun im gehorsamen Tragen, wird er es an seinem Teil auch nicht im Geringsten fehlen lassen. Wenn uns nur die Hoffnung aufs Ende leitet, wird Gott selbst sich dort mehr als barmherzig zeigen, wie schroff und streng er auch, während er betrübt, erscheint.
V. 12. Vor allen Dingen schwört nicht. Das war das fast allen Zeiten gemeine Laster, leichtsinnig und unbedacht zu schwören; denn bei unserer eingewurzelten Bosheit bedenken wir nicht, ein wie abscheuliches Verbrechen der Missbrauch des Namens Gottes ist. Streng hat Gott freilich die Ehrfurcht gegen seinen Namen uns empfohlen, aber die Menschen klügeln allerlei Ausflüchte aus, um strafloses Schwören sich zu erlauben. Man erdichtet sich also, es sei nichts Schlimmes, wenn nur der Name Gottes nicht ausdrücklich dabei genannt werde. So glaubten die Juden, wenn sie bei Himmel und Erde schwuren, den Namen Gottes nicht zu missbrauchen, da sie ihn ja verschwiegen. Aber wenn die Menschen klug sein wollen, um Gott zu täuschen, so haben sie sich nur selbst mit ihren frivolen Spitzfindigkeiten zum Besten. Gegen derartige Torheit richtete Christus seinen Angriff (Mt. 5, 34). Nun lehrt uns Jakobus, dem Gebote seines Meisters folgend, jener verblümten Formeln uns zu enthalten, weil jeder Gottes Namen missbraucht, der einen leeren und auf Nichtiges bezogenen Schwur ausspricht, welchen täuschenden Schein er auch über seine Worte wirft. Kurz also: es ist um nichts mehr erlaubt, bei Himmel und Erde zu schwören, als offen bei Gottes Namen. Der Grund wird von Christus ausgesprochen: weil überall Gottes Herrlichkeit eingeschrieben steht und überall widerstrahlt. Ja, nicht in irgendeinem anderen Sinn noch in anderer Absicht brauchen die Menschen die Namen Himmel und Erde bei ihrem Eidschwur, als wenn sie Gott selber nennten! Mit ihrer Redeweise bezeichnen sie ja nur den Schöpfer von seinen Werken her. „Vor allem“ heißt es, weil die Entheiligung des Namens Gottes kein leichtes Vergehen ist. Es wäre aber verkehrt, wollte man mit den Wiedertäufern aus diesem Wort eine Verurteilung jeden Eides ableiten. Denn Jakobus handelt hier ja nicht vom Schwören überhaupt, so wenig Christus das an dem angegebenen Orte tut, sondern beide widerlegen jene zur Umgehung des Gesetzes erfundene Spitzfindigkeit, mit der die Menschen sich die Erlaubnis zum Schwören bei dem nichtausgesprochenen Namen Gottes nehmen, eine Erlaubnis, die dem Verbot des Gesetzes widerspricht. Dies sagen doch deutlich die Worte: weder bei dem Himmel, noch bei der Erde. Denn, wenn hier vom Eide überhaupt die Rede wäre, wozu wären dann diese Formeln angezogen? Es steht also fest, dass Christus sowohl wie Jakobus die kindische Pfiffigkeit der Leute tadeln, die straflos zu schwören meinten, wenn sie den eigentlichen Schwur mit Schlichen umgingen. Nach dem Sinn des Jakobus lasst uns also zunächst das Gebot festhalten: Du sollst Gottes Namen nicht unnützlich führen – aus dem hervorgeht, dass es einen rechten und gesetzmäßigen Gebrauch des Namens Gottes gibt. Nun verurteilt Jakobus diejenigen, die zwar nicht unmittelbar Gottes Namen zu missbrauchen wagen, aber auf Umwegen in Worten dem Missbrauch zu entgehen suchen, den das Gesetz verdammt.
V. 13. Leidet jemand usw. Der Verfasser will sagen, es gebe überhaupt keine Zeitlage, in der Gott uns nicht zu sich einlade. Denn die Trübsale sollen uns zum Bitten antreiben, die glücklichen Ereignisse den Anlass zum Lob Gottes uns geben. Aber die Verderbnis der Menschen ist derart, dass sie sich nicht freuen können, ohne Gottes zu vergessen, in Trauer versetzt, aber alle Fassung verlieren und von Verzweiflung beherrscht werden. Darum ist es nötig, Maß zu halten, so dass die Freude, sie sonst Gott zu vergessen veranlasst, uns zum Ruhm der Güte Gottes anregt, die Traurigkeit aber uns beten lehrt. Denn das „Psalmensingen“ wird jener unheiligen und zügellosen Fröhlichkeit entgegengesetzt, in welcher diejenigen jauchzen, die sich durch das Glück nicht zu Gott leiten lassen, wie es billig wäre.
V. 14. Ist jemand krank. Weil damals die Gabe der Krankenheilung noch kräftig war, ergeht die Anweisung, dass die Kranken zu diesem Mittel ihre Zuflucht nehmen. Sicherlich wurden übrigens nicht alle geheilt, sondern Gott ließ diese Gnade geschehen, so oft und so weit er wusste, dass sie angebracht war. Es ist auch keineswegs wahrscheinlich, dass das Öl unterschiedslos angewandt wurde, sondern nur da, wo gewisse Hoffnung des Gelingens war. Zugleich mit der Kraft wurde den Dienern nämlich die Unterscheidungsgabe geschenkt, damit sie nicht durch Missbrauch das Heilmittel gemein machen möchten. Jakobus hatte keine andere Absicht, als die den Gläubigen damals zu Gebote stehende Gnade zu empfehlen, um ihren Segen nicht durch Leichtsinn oder Verachtung untergehen zu lassen. Zu dem Zweck heißt er sie die Ältesten holen. Man darf aber nicht etwa glauben, dass der Nutzen der Salbung sich weiter erstreckt habe, als der heilige Geist wirken wollte. Die Papisten streichen diese Stelle mächtig heraus um der Empfehlung ihrer letzten Ölung willen. Eine Auseinandersetzung über den Abstand dieses Missbrauchs von der Einrichtung, auf die Jakobus hier anspielt, unterlasse ich jetzt. Man mag das auch meinem „Christlichen Unterricht“ (IV, 13, 5) lernen. Nur das sei ausgesprochen: Unwissenheit und Verkehrtheit misshandeln diese Stelle, um die letzte Ölung zu einem zum bleibenden Gebrauch in der Kirche bestimmten Sakrament zu machen. Ich gestehe zwar zu, dass die Jünger Christi die Sache als Sakrament genommen haben – und ich stimme denen nicht zu, die hier nur ein leibliches Heilmittel annehmen – aber ich sage, es sei nur ein für eine gewisse Zeit bestimmtes Symbol gewesen, dementsprechend, dass die wahre Wirkung dieses Zeichens nur eine Zeitlang sich geltend machte. Und das ist ja ganz klar: es gibt keine größere Torheit, als das ein Sakrament zu nennen, was leer ist und uns die bezeichnete Sache gar nicht einträgt. Anderseits muss man zugestehen, dass die Gabe der Heilung nur eine beschränkte Dauer gehabt hat: also durfte das Zeichen dafür auch nicht ewig sein. Folglich sind die nicht Nachfolger, sondern nur Affen der Apostel, die heute noch die Salbung zu den Sakramenten tun, ohne doch zugleich die Wirkung wiederherzustellen, die Gott vor mehr als anderthalb Jahrtausenden schon der Welt raubte. Für uns ist also nicht das die Streitfrage, ob die Salbung jemals ein Sakrament gewesen ist, sondern ob sie uns zu dem Zweck gegeben ist, dass sie noch heute geübt werde. Aus der Tatsache, dass die mit jenem Symbol bezeichnete Wirkung aufgehört hat, ziehen wir den logischen Schluss, dass jene Streitfrage verneint werden muss.
Die Ältesten der Gemeinde. Ich verstehe darunter im Allgemeinen alle, die der Gemeinde vorstehen. Denn nicht allein die Prediger wurden Älteste genannt, sondern auch die Sittenrichter, die zur Aufrechterhaltung der Zucht aus dem Volke gewählt wurden. Denn eine jede Gemeinde hatte ihren eigenen Rat, einen Senat gleichsam, erwählt aus den ehrwürdigen Männern von erprobtem Charakter. Weil es nun Sitte war, vorwiegend Leute zu wählen, die mit hervorragenden Gnadengaben ausgerüstet waren, so ordnet Jakobus an, man solle die Ältesten herbeiholen, weil eben in ihnen die Gnade und Kraft des heiligen Geistes am reichsten sich darbot.
Und lasse sie über sich beten. Der Gebrauch, über jemand zu beten, zielt darauf, ihn gleichsam persönlich vor Gott darzustellen, da wir ja bei persönlicher Anwesenheit am Ort der Not mit viel größerer Teilnahme beten, wie nicht nur Elisa (2. Kön. 4, 34) und Paulus (Apg. 20, 10), sondern Christus selbst (Joh. 11, 41 f.) mit dieser Weise die Wärme des Gebetes gesteigert und die Gnade Gottes empfohlen haben. Bemerkenswert ist aber hier die Zufügung der Verheißung, damit der betende Glaube habe, woran er sich halten kann. Denn der da zaudert, ruft Gott nicht in rechter Weise an und ist deshalb natürlich unwürdig, etwas zu erhalten; wir haben das ja im ersten Kapitel gehört. Wer immer erhört werden will, der mache es bei sich fest, dass sein Gebet nicht fruchtlos sein kann. So spricht Jakobus von jener besonderen Gabe, deren bloßer Anhang der äußere Ritus ist. Wir schließen daraus, dass ohne Glauben auch der Gebrauch des Öles nicht rechtmäßig ist.
V. 15. Und so er hat Sünden getan usw. Das ist nicht nur der Stärkung halber hinzugefügt, als sollte es heißen, Gott werde den Kranken noch Größeres geben als Gesundheit des Leibes, sondern weil die Krankheiten sehr oft der Sünden halber verhängt werden, so deutet dieser Hinweis die Sündenvergebung an, dass die Ursache des Übels hinweggeschafft werde. Wir sehen ja auch, wie David (z. Bsp. Ps. 6) bei Krankheitsnot, vom Wunsch der Erleichterung bewegt, sich ganz in die Bitte um Verzeihung der Sünden hineinlegt. Wozu das, wenn nicht, weil David die Wirkung seiner Schuld in den Strafen erblickt und deshalb kein anderes Heilmittel zu finden weiß, als dass der Herr die Zurechnung seiner Sünden aufhören lasse? Die Propheten sind von diesem Gedanken erfüllt, dass die Menschen vom Übel befreit werden, sobald sie von der Fessel ihrer Verschuldung erlöst werden. Das also sollen wir als das rechte Heilmittel für unsere Krankheiten wie für andere Unglücksfälle erkennen, dass wir uns angelegentlichst um den Frieden mit Gott und die Vergebung der Sünden bekümmern.
V. 16. Bekenne einer dem andern seine Sünden. Ob ausgedrückt oder nicht, Verbindung mit dem Vorigen ist vorhanden. Ob ausgedrückt oder nicht, Verbindung mit dem Vorigen ist vorhanden. Gesprochen ist eben von der Vergebung der Sünden, welche Kranken auf das Gebet der Ältesten zuteilwird; nun wird hervorgehoben, wie nützlich es ist, wenn wir unsere Sünden den Brüdern aufdecken, da wir ja durch ihre Fürbitte Vergebung erlangen können. Es ist mir wohlbekannt, dass diese Stelle von vielen bezogen wird auf die Verzeihung von Beleidigungen, die einer dem andern angetan hat. Wer sich wieder aussöhnen will, muss natürlich erst seine Schuld anerkennen und eingestehen. Daher kommt es ja, dass eine Feindschaft einwurzelt, sich mehrt, ja unversöhnlich wird, weil jeder seinen Standpunkt aufs hartnäckigste vertritt. So meinen nun viele, Jakobus wolle im gegenseitigen Bekenntnis der Sünden den Weg zur brüderlichen Versöhnung aufweisen. Aber die Art und Weise seiner Aussage lässt ein anderes Ziel für sie erkennen. Die Verbindung nämlich der Fürbitte füreinander mit dem Bekenntnis voreinander deutet darauf hin, dass der Segen des Bekenntnisses in dem Beistand besteht, den das Gebet der Brüder uns bei Gott gewährt. Wer mit uns im Angesicht unserer Not steht, der empfindet auch den Antrieb zum Gebet, um uns zu helfen; wem unsere Gebrechen verborgen sind, der ist gewiss träge, uns zu helfen. Verwunderlich ist aber die Torheit oder Unredlichkeit der Papisten, die ihre Flüsterbeichte mit diesem Schriftzeugnis unterbauen möchten. Denn aus den Worten des Jakobus könnte man ja den Schluss begründen, nur die Priester hätten Beichte abzulegen. Denn wenn hier ein Bekenntnis voreinander oder, um es ganz deutlich zu sagen, ein gegenseitiges Bekenntnis gefordert wird, so kann dies Sündenbekenntnis doch nur solchen aufgelegt werden, die auch geeignet sind, ein solches gegenseitiges Bekenntnis entgegenzunehmen. Nehmen allein die Priester dies Recht für sich in Anspruch, so ist also allein auf sie das Gebot des Bekenntnisses zu beschränken. Aber ihre Torheiten sind der Widerlegung nicht wert: die gegebene, klare und natürliche Erklärung mag genügen. Die Worte besagen deutlich, dass nichts anderes der Zweck des gebotenen Bekenntnisses ist als eine Anregung derer, die unsere Gebrechen kennen, zu umso eifrigerer Hilfeleistung.
Des Gerechten Gebet vermag viel. Damit niemand glaube, solche Hilfeleistung durch Fürbitte sei fruchtlos, werden Nutzen und Wirkung des Gebets hervorgehoben. Ausdrücklich wird das Gebet „des Gerechten“ genannt, weil Gott ja die Unfrommen nicht erhört und der Zugang zu Gott nur dem guten Gewissen offensteht. Nicht als ob unsere Bitten in der eigenen Würdigkeit wohl begründet wären, sondern das Herz muss im Glauben gereinigt sein, wenn wir uns vor Gottes Angesicht stellen wollen. Jakobus bezeugt also, dass die Gerechten oder die Gläubigen mit Nutzen und keineswegs ohne Wirkung für uns beten. Dass das Gebet „ernstlich“ sein soll, wäre buchstäblich zu übersetzen: „wirksam“. Aber was soll das heißen? Es ist doch eine überflüssige Wiederholung: „das Gebet vermag viel, wenn es wirksam ist.“ Denn: wenn es „anhaltend“ ist, darf man nicht ohne weiteres übersetzen. Man könnte den Satz etwa so auflösen: das Gebet richtet viel aus, weil es wirksam ist. So würde der Beweis aus dem Grundsatz geführt werden, dass Gott die Gebete seiner Kinder nicht vergeblich und unwirksam bleiben lassen will. Weil er das nicht will, müssen ihre Gebete etwas vermögen. Ich möchte aber die Auslegung lieber recht aus der vorhandenen Lage herleiten: dann können unsere Bitten recht eigentlich als wirkende Mächte angesprochen werden, wenn uns eine ernste Notwendigkeit obliegt, die einen ernstlichen Drang des Gebets hervorruft. Täglich beten wir für die ganze Kirche, dass Gott ihr die Sünden vergebe; aber dann ist das Gebet wahrhaft in Übung, wenn wir uns anstrengen, denen zu Hilfe zu eilen, die in Not sind. Solche ernstliche Wirksamkeit kann das Gebet der Brüder nicht beherrschen, wenn sie nicht wissen, wie wir zu ringen haben. Also handelt es sich hier nicht um eine allgemeine Bemerkung, sondern man muss die besondere Verbindung mit dem Hauptsatz herstellen.
V. 17. Elia war ein Mensch gleichwie wir usw. Zahllose Beispiele könnte der Verfasser hier aus der Schrift zum Beweise anführen, nur ein vor andern leuchtendes wählt er aus. Denn das war etwas Großes, dass Gott sozusagen den Himmel dem Gebet des Elia unterwarf, so dass er seinen Wünschen sich fügte. Den Himmel hielt Elia mit seinen Gebeten 3,5 Jahre verschlossen; wiederum öffnete er ihn, dass er plötzlich einen reichlichen Regenguss ergab: so ist die wunderbare Kraft des Gebets offenbar. Die 1. Kön. 17 und 18 aufgezeichnete Geschichte ist bekannt und berühmt. Wenn dort übrigens auch nicht ausdrücklich berichtet wird, dass Elia gebetet habe, so liegt doch der Schluss auf sein Gebet als die Ursache der Dürre und des Regens auf der Hand. Bemerkenswert ist aber die Anwendung des Beispiels. Jakobus sagt nicht, wir müssten Dürre vom Herrn erbitten, wie Elia diese erlangt habe: so könnten wir mit unbedachtem Eifer, tollkühn und töricht dem Propheten es gleichzutun uns bestreben. Vielmehr ist dies die für das Gebet festzuhaltende Regel, dass es aus Glauben kommen soll. Dahin zielt Jakobus mit der Anführung dieses Beispiels: wenn Elia erhört wird, so werden auch wir bei rechtem Gebet erhört werden. Ist die für das Gebet gültige Vorschrift und Verheißung gemeinsam, so wird auch die Wirkung dieselbe sein; das ist ein logischer Schluss. Es soll aber niemand den Einwurf wagen: wir ständen doch weit unter dem erhabenen Elia. Darum stellt ihn Jakobus mit uns in eine Reihe und sagt, er sei ein sterblicher Mensch gewesen wie wir, denselben Leiden unterworfen wie wir. Deswegen ziehen wir ja so wenig Segen aus dem Beispiel der Heiligen, weil unsere Einbildung sie zu Halbgöttern und Heroen macht, für welche der Verkehr mit Gott ein eigentümliches Vorrecht gewesen sei. So entnehmen wir freilich ihrer Erfahrung von der Gebetserhörung seine Förderung unseres Vertrauens. Um diesen heidnischen und irreligiösen Aberglauben auszurotten, erinnert Jakobus an die Notwendigkeit, die Heiligen in der Schwachheit des Fleisches anzuschauen, damit wir es nicht ihren Verdiensten, sondern der Wirkung ihres Gebets zuschreiben lernen, dass sie alles vom Herrn erlangten. Hier erhellt, wie kindisch das Geschwätz der Papisten ist, die uns deswegen auf die Fürsprache der Heiligen verweisen, weil sie vom Herrn erhört seien. So schließen sie nämlich: der Heilige erhielt, was er erbat, solange er in dieser Welt lebte, also wird er nun nach seinem Tode der beste Fürsprecher für uns sein. Eine solche Spitzfindigkeit ist dem heiligen Geist fremd gewesen. Jakobus schließt ganz im Gegenteil: weil ihre Bitten so Großes vermocht haben, so müssen wir heute ihrem Beispiel ähnlich bitten, und wir werden das dann nicht vergeblich tun.
V. 20. Der soll wissen usw. Vielleicht ist hier eigentlich zu lesen: „so wisset“. Der Sinn kommt auf dasselbe hinaus. Von der erreichten Wirkung aus empfiehlt uns Jakobus die Seelsorge an den Brüdern, damit wir dadurch umso eifriger darin seien. Nichts Herrlicheres und Wünschenswerteres gibt es ja als die Errettung einer Seele aus dem ewigen Tode: das aber leistet, wer einen irrenden Bruder auf den rechten Weg zurückleitet. Eine so herrliche Arbeit darf also nicht im Mindesten vernachlässigt werden. Wir wissen, wie hoch Christus es wertet, dass dem Hungrigen Speise, dem Dürstenden der Trank gereicht wird; aber das Heil der Seele ist ihm viel kostbarer als das leibliche Leben. Hüten wir uns also, dass die von Christus erlösten Seelen nicht durch unsere Feigheit verloren gehen! Hat doch Gott ihr Heil sozusagen in unsere Hand gelegt. Nicht dass wir selber das Heil herschafften, aber Gott braucht unseren Dienst, um zu befreien und zu bewahren, was sonst dem Verderben nahe schien.
Und wird bedecken die Menge der Sünden. Das ist mehr eine Anspielung auf eine Stelle der Sprüche Salomos (10, 12) als eine Anführung. Salomo sagt: Liebe bedecke die Sünden, während Hass sie hervorzieht. Die einander hassen, brennen vor Begier, einander schlecht zu machen; die aber lieben, vergeben einander gern vieles; so begräbt die Liebe die Sünden bei den Menschen. Jakobus lehrt noch Höheres, nämlich, dass die Sünden von Gott abgetan werden. Als wenn er sagen wollte: Salomo preist diese Frucht der Liebe, dass sie die Sünden zudeckt, aber es gibt doch keine bessere und heilvollere Weise, zuzudecken, als wenn sie vor Gott ganz abgeschafft werden. Das geschieht aber, wenn der Sünder durch unsere Mahnung auf den rechten Weg zurückgebracht wird. So muss dies Ziel vornehmlich und eifrigst verfolgt werden.