Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 8.
1 Es erhob sich aber zu der Zeit eine große Verfolgung über die Gemeine zu Jerusalem; und sie zerstreueten sich alle in die Länder Judäa und Samarien außer den Aposteln. 2 Es bestatteten aber Stephanus gottesfürchtige Männer und hielten eine große Klage über ihn. 3 Saulus aber verstörte die Gemeine, ging hin und her in die Häuser und zog hervor Männer und Weiber und überantwortete sie ins Gefängnis. 4 Die nun zerstreuet waren, gingen um und predigten das Wort.
V. 1. Diese Geschichte zeigt zuerst, in welcher Lage die Frommen in der Welt sich befinden. Namentlich wenn der Herr den Feinden die Zügel lockert, dass sie die Wut ihres Herzens auslassen können, gleichen sie, mit dem Psalm (44, 23) zu reden, Schafen, die zur Schlachtung bestimmt sind. Sodann wird uns der Ausgang der Verfolgung gezeigt; sie können durchaus den Lauf des Evangeliums nicht hindern, sondern müssen nach Gottes wunderbarem Rat zu seiner Beförderung helfen. So war es ein denkwürdiges Wunder, dass die Zerstreuung, von der Lukas berichtet, viele, die zuvor Gott entfremdet waren, zur Einheit des Glaubens sammelte. Nunmehr wollen wir das einzelne der Reihe nach erwägen.
Es erhob sich aber zu der Zeit usw. Der Anfang geschah mit Stephanus; darauf griff die entzündete Flamme der Wut auf die Gemeinde über. Denn die Gottlosen werden wie wilde Tiere immer blutgieriger, nachdem sie einmal Blut geschmeckt haben, und der Mord selbst macht sie wilder und wilder. Mit dem Erfolg wächst die Kühnheit, so dass sie vollends ungezügelt daherstürmen. Darauf deutet der Ausdruck, dass sich eine große Verfolgung erhob. Sicherlich war auch zuvor die Gemeinde nicht von allen Angriffen gottloser Leute verschont; aber der Herr gewährte ihr doch eine Zeitlang etwas Erleichterung, jetzt aber hebt härtere Bedrängnis an. Auch in unserer Zeit sollen wir nicht von beständiger Waffenruhe träumen, sondern bei solch plötzlichem Ausbruch uns bereithalten, größere Anstürme zu erdulden. Dass die Gemeine zu Jerusalem genannt wird, besagt nicht, dass es auch anderwärts Gemeinden gab, sondern bahnt nur den Übergang zu dem folgenden Bericht. Das einzige Häuflein von Frommen, welches in Jerusalem vorhanden war, wurde durch die Flucht auseinander gerissen; aber aus den verstümmelten und zerstreuten Gliedern entstanden alsbald mehrere Gemeinden. So breitete sich der Leib Christi, der zuvor in den Mauern Jerusalems beschlossen war, weit aus.
Sie zerstreueten sich alle. Viele weichmütige Geister fliehen beim geringsten Gerücht von Gefahr. Hier aber hat es eine ganz andere Bewandtnis. Denn die Christen ergreifen die Flucht nicht in wüster Bestürzung, sondern weil sie sehen, dass die Wut der Gottlosen anders nicht gestillt werden kann. Sie zerstreuten sich aber nicht bloß über verschiedene Orte von Judäa, sondern kamen bis nach Samarien. Dies war der Anfang, den Zaun abzutragen, der Juden und Heiden trennte (Eph. 2, 14). Die Bekehrung von Samaria, wo man nach Christi Wort (Joh. 4, 22) nur einen selbst gemachten Gottesdienst pflegte, war gleichsam der Anbruch der Bekehrung der Heiden. Damals tat Gott dem Evangelium die Tür auf, damit Christi Zepter von Jerusalem aus sich über die Heiden erstrecke. Es flohen aber alle, außer den Aposteln. Nicht als wären diese der allgemeinen Gefahr entnommen gewesen; aber es ziemt sich für einen guten Hirten, zum Besten der Herde den Einbruch der Wölfe aufzuhalten. Doch könnte man fragen, warum sie in Jerusalem blieben, auch als man sie mit gewaltsamer Hand vertreiben wollte, da ihnen doch der Befehl geworden war, das Evangelium in aller Welt auszubreiten. Aber Christus hatte sie auch geheißen, in Jerusalem anzufangen; darum taten sie dort ihre Pflicht, bis es ihnen ganz fest stand, dass seine Hand sie hinwegführte und er sie anderswohin leitete. Wir sehen ja auch, wie zaghaft sie mit der weiteren Verbreitung des Evangeliums vorangingen, nicht weil sie sich dem ihnen aufgetragenen Amt versagen wollten, sondern weil die noch neue und ungewohnte Sache sie stutzen ließ. Ganz gewiss sitzen sie auch nicht um ihrer Sicherheit und ihres Vorteils willen in Jerusalem stille, wo sie eine mühevolle Aufgabe hatten, ständig unter vielerlei Gefahren einhergingen und mit äußersten Belästigungen kämpften. Sie wollten also ohne Zweifel ihre Aufgabe durchführen. Insbesondere ist es ein deutlicher Beweis furchtloser Standhaftigkeit, dass sie bleiben, während alle anderen fliehen. Übrigens soll die Flucht dieser Leute, die ja in mehr ungebundener Lage waren, nicht getadelt werden. Hätten aber die Apostel aus Furcht vor Verfolgung schon im ersten Anfang sich zerstreut, so würde jedermann ein Recht haben, sie Mietlinge zu heißen. Wie schädlich und schmählich wäre es gewesen, in diesem Augenblick den Ort zu verlassen! Welchen Schaden hätte dies Beispiel für die Nachfolger anrichten müssen!
V. 2. Es bestatteten aber Stephanus usw. Dieser Bericht zeigt, wie mitten unter der Glut der Verfolgung die Frommen nicht derartig den Mut verloren, dass sie nicht in brennendem Eifer die Pflichten der Pietät erfüllten. Dies Begräbnis, mit welchem sie sich in handgreifliche Lebensgefahr begeben, scheint eine bedeutungslose Sache. Dass aber nach den Umständen der Zeit Todesverachtung erforderlich war, lässt vielmehr den Schluss zu, dass man nicht ohne große und nötige Ursache in diesem Stück so besorgt war. Denn es war für die Übung ihres Glaubens sehr viel daran gelegen, dass der Leichnam des heiligen Märtyrers, durch welchen Christus zum Ruhme seines Evangeliums herrlich triumphiert hatte, nicht als ein Raub für wilde Tiere liegen blieb. Auch konnten sie nicht für Christus leben, wenn sie nicht bereit waren, dem Stephanus in die Gemeinschaft des Todes zu folgen. Doch hatte auch ein allgemeiner Grund, der immer und überall bei den Frommen gelten muss, ohne Zweifel bei ihnen sein Gewicht. Denn die Sitte der Beerdigung gewährt einen Ausblick auf die gehoffte Auferstehung und wurde eben zu diesem Zweck seit Anbeginn der Welt von Gott verordnet. So wird ersichtlich, dass diese Pflichtleistung mehr den Lebenden als den Toten nützt. Immerhin gehört es auch zu unserer Menschlichkeit, den Leibern, von denen wir wissen, dass ihnen selige Unsterblichkeit verheißen ward, die schuldige Ehre zu erweisen.
Und hielten eine große Klage über ihn. Sie vergegenwärtigen sich, welchen Verlust die Gemeinde Gottes durch den Untergang dieses einen Mannes erlitt. So wollen wir uns losmachen von jener verrückten Philosophie, die von Menschen, die weise sein wollen, völlig stumpfe Unempfindlichkeit verlangt. Solche Stoiker können es nicht vertragen, dass ein anderer auch nur die kleinste Träne vergießt; wenn aber ihnen etwas gegen den Wunsch ihrer Seele geschieht, werden ihre Klagen maßlos. So spottet Gottes Rache ihrer Anmaßung. Wir aber sollen wissen, dass die Gefühle, die Gott der menschlichen Natur eingepflanzt hat, an sich ebenso wenig sündhaft sind wie ihr Stifter. Man muss eben erstlich fragen, welchen Grund sie haben, zum anderen, ob sie sich in mäßigen Grenzen halten. Wer behauptet, dass man sich über Gottes Gaben nicht freuen dürfe, ist sicherlich mehr ein Klotz und Stein als ein Mensch; also ist der Schmerz nicht weniger zulässig, wenn sie uns genommen werden. Im Blick auf die vorliegende Stelle erinnere ich insbesondere, dass Paulus den Gläubigen das Trauern nicht gänzlich verbietet, wenn ihnen einer der Ihrigen durch den Tod entrissen wird. Er will nur, dass ein Unterschied zwischen ihnen und den Ungläubigen sei, weil sie eine Hoffnung und damit einen Trost und ein Heilmittel der Leidensscheu haben (1. Thess. 4, 13). Über den Ursprung des Todes selbst trauern wir mit Recht; weil wir aber wissen, dass uns in Christus das Leben wiedergegeben wird, können wir den Schmerz hinlänglich stillen. Ebenso hat der Schmerz eine gerechte Ursache, wenn wir klagen müssen, dass die Kirche seltener und hervorragender Männer beraubt ward; doch sollen wir einen Trost suchen, der das Übermaß zügelt.
V. 3. Saulus aber verstörte die Gemeine. Zweierlei ist hier zu beachten. Erstlich, wie groß die Wut der Feinde, zum anderen, wie wunderbar Gottes Güte war, die sich herabließ, den Paulus aus einem so grausamen Wolf in einen Hirten zu verwandeln. Jene Lust am Zerstören, die ihn durchglühte, schien alle Hoffnung abzuschneiden. Umso heller leuchtete darnach seine Bekehrung. Seitdem er beim Tode des Stephanus mit den anderen gottlosen Leuten gemeinsame Sache gemacht hatte, strafte ihn Gott ohne Zweifel damit, dass er der Bannerträger der Grausamkeit werden musste. Denn oft rächt Gott die Sünden an seinen Auserwählten härter als an den Verworfenen.
V. 4. Die nun zerstreuet waren usw. Auch hier berichtet Lukas, wie es durch Gottes allen Glauben übersteigende Vorsehung geschah, dass die Zerstreuung der Gläubigen viele zur Einheit des Glauben herbeiführte. So pflegt der Herr aus Finsternis Licht und aus dem Tode Leben hervorzulocken. Mitten im Unglück gewinnen die aus Jerusalem fliehenden Gläubigen frischen Mut, Christus zu verkündigen, als hätten sie nie eine Last zu tragen gehabt. Immer wieder müssen sie ihren Wohnort wechseln und ein unstetes Leben führen. Wollen wir als ihre Brüder gelten, so müssen wir uns ernstlich aufraffen, dass keine Bitterkeit des Kreuzes noch irgendeine Furcht uns den Mut nehme, dass wir vielmehr fortfahren, unseren Glauben zu bekennen und unermüdet Christi Lehre auszubreiten. Es wäre ungereimt, dass Verbannung und Flucht, welche die Erstlingsschule des Märtyrertums sind, uns stumm und mutlos machen sollten.
5 Philippus aber kam in die Stadt Samaria und predigte ihnen von Christo. 6 Das Volk aber merkte einmütig auf das, was Philippus sagte, indem sie hörten und die Zeichen sahen, die er tat. 7 Denn die unsaubern Geister fuhren aus vielen Besessenen mit großem Geschrei, auch viel Gichtbrüchige und Lahme wurden gesund gemacht. 8 Und ward eine große Freude in derselben Stadt. 9 Es war aber ein Mann mit Namen Simon, der zuvor in derselbigen Stadt Zauberei trieb, und bezauberte das samaritische Volk und gab vor, er wäre etwas Großes. 10 Und sie sahen alle auf ihn, beide, klein und groß, und sprachen: Der ist die Kraft Gottes, die da groß ist. 11 Sie sahen aber darum auf ihn, dass er sie lange Zeit mit seiner Zauberei bezaubert hatte. 12 Da sie aber des Philippus Predigten glaubten von dem Reich Gottes und von dem Namen Jesu Christi, ließen sich taufen, beide, Männer und Weiber. 13 Da ward auch der Simon gläubig und ließ sich taufen und hielt sich zu Philippus. Und als er sah die Zeichen und Taten, die da geschahen, verwunderte er sich.
V. 5. Hatte Lukas berichtet, dass alle ohne Unterschied Gottes Wort verkündeten, so gedenkt er jetzt insbesondere des Philippus. Denn seine Predigt war vornehmlich wirksam und fruchtbar gewesen; auch folgten denkwürdige Ereignisse, die er alsbald anschließen wird. Die Stadt Samaria, die Hirkan zerstört hatte, wurde, wie der jüdische Schriftsteller Josephus (Altertümer XIII 15, 4; XV 8, 5) berichtet, von Herodes unter dem Namen Sebaste wieder aufgebaut. Wenn Philippus von Christus predigte, so wird damit der ganze Inhalt des Evangeliums umspannt. Wird später (V. 12) dazu noch das Reich Gottes genannt, so hat dies keine andere Bedeutung. Der Hauptinhalt der Predigt ist ja der, dass Christus die verlorene Welt durch seine Gnade erneuert. Dies geschieht, wenn er uns mit dem Vater aussöhnt, zum anderen, wenn er uns durch seinen Geist neu gebiert, damit der Satan niedergeschlagen und Gottes Reich unter uns aufgerichtet werde. Da es nun vorher hieß, dass die Apostel keinen Fuß aus Jerusalem setzten, ist der hier genannte Philippus wahrscheinlich einer von den sieben Almosenpflegern, dessen Töchter ebenfalls weissagten (6, 3; 21, 9).
V. 6. Das Volk aber merkte usw. Jetzt berichtet Lukas, wie die Samaritaner die Lehre des Philippus aufnahmen: indem sie hörten, gewannen sie einen gewissen Geschmack. Als weiterer Antrieb kamen die Wunder hinzu; endlich folgte das Aufmerken. Damit wird uns die regelrechte Entwicklung zum Glauben gezeichnet, der ja aus der Predigt kommt (Röm. 10, 14). Übrigens ist das Hören nur des Glaubens Anfang; an sich würde es nicht genügen, wenn nicht zugleich die Majestät der Lehre die Herzen ergreift. Und wer bedenkt, dass er es mit Gott zu tun hat, kann unmöglich seine Rede in wegwerfender Stimmung hören. Die Lehre selbst, die in seinem Wort enthalten ist, erwirbt sich Ansehen; so wird das Aufnehmen fast mit Notwendigkeit aus dem Hören fließen. Die Wunder, von denen weiter die Rede ist, haben bekanntlich einen doppelten Zweck: sie sollen uns auf das Hören des Evangeliums vorbereiten und im Glauben an dasselbe befestigen. Wie kräftig aber die Predigt wirkte, rühmt der Bericht, indem er erwähnt, dass plötzlich eine große Zahl von Menschen einmütiglich zu ernstem Hören bereit war.
V. 7. Die unsaubern Geister usw. Indem Lukas einige besondere Arten heraushebt, will er zeigen, durch welcherlei Wunder die Samariter sich bestimmen ließen, den Philippus zu ehren. Das Geschrei der unsauberen Geister war ein Zeichen ihres Widerstandes. So wird Christi Kraft in helles Licht gerückt, indem er die Teufel unterwirft, die seinem Befehl scheltend widerstehen.
V. 8. Die Freude, von der berichtet wird, ist eine Frucht des Glaubens. Wenn wir fühlen, dass Gott uns versöhnt ist, müssen ja unsere Herzen zu einer unvergleichlichen Freude sich erhoben fühlen, die alles Denken übersteigt (Phil. 4, 7).
V. 9. Ein Mann mit Namen Simon. Hier lag ein derartiges Hindernis, dass dem Evangelium der Zugang zu den Samaritanern hätte verschlossen scheinen können. Denn aller Sinne waren durch Simons Gaukeleien verzaubert, und diese Verblendung hatte schon seit langer Zeit geherrscht. Die Erfahrung lehrt, wie schwer es ist, einen lange eingewurzelten Irrtum aus Menschenherzen zu reißen und verhärtete Leute zu gesundem Sinn zurückzuführen. Hier trug es zur Verstockung im Irrtum noch bei, dass man abergläubisch dem Simon nicht bloß für einen Propheten Gottes, sondern gleichsam für den Geist selbst hielt. Wenn also Philippus diese Hindernisse durchbrach, leuchtet Christi Macht umso heller. Zugleich wird und Philippus als Beispiel der Ausdauer vor Augen gestellt; obwohl er keinen Weg sieht, greift er des Herrn Werk mit ungebeugtem Mut an und wartet ab, welchen Erfolg er geben will. Wenn aber Lukas berichtet, dass alle, klein und groß, sich verführen ließen, so sollen wir uns merken, dass kein Scharfsinn noch Verstand und Klugheit uns wider des Satans Verschlagenheit schützen kann. Sehen wir doch, in welch törichte und unsinnige Irrtümer sich Leute verwickelt haben, welche die Welt vor anderen für scharfsinnig hielt.
Das ist die Kraft Gottes, die da groß ist. Satan hatte also Gottes Namen zur Täuscherei missbraucht; dies ist die verderblichste Art des Betrugs, kann aber darum durchaus nicht zur Entschuldigung dienen. Simon maßte sich eine besondere göttliche Kraft an, um alles, was sonst göttlich war, zu überstrahlen, gleichwie die Sonne mit ihrem Licht alle Sterne verdunkelt. Dies war eine gottlose und frevelhafte Entweihung des Namens Gottes. Doch geschieht dergleichen täglich. Denn zu nichts neigen die Menschen mehr, als auf Satan zu übertragen, was Gott eigen ist. Man wendet zwar religiösen Sinn vor; aber was ist den Samaritern damit geholfen? Es geschieht uns also eine Wohltat dadurch, dass Gott uns seine Kraft in Christus offenbart und zeigt, dass man sie nirgend sonst suchen darf, auch die Trügereien Satans, die wir fliehen müssen, aufdeckt, um uns in seiner Gemeinschaft zu halten.
V. 12. Da sie aber des Philippus Predigten glaubten usw. Es ist dies, wie gesagt, ein Wunder, dass Leute auf den Philippus hörten, die durch Satans Gaukelwerk ganz verzaubert waren, dass mit himmlischer Weisheit beschenkt wurden, die töricht und stumpf waren. So wurden sie gleichsam aus der Hölle zum Himmel erhoben. Dass die Taufe erst auf den Glauben folgte, stimmt, wenn es sich um bisher fern stehende Leute handelt, mit Christi Einsetzung überein (Mk. 16, 16). Denn sie mussten erst durch den Glauben dem Leib der Gemeinde eingepflanzt werden, bevor sie das Zeichen empfingen. Doch ist es töricht, wenn die Wiedertäufer aus solchen Stellen beweisen wollen, man müsse die Kinder von der Taufe fernhalten. Denn Männer und Weiber konnten nicht getauft werden, ohne ihren Glauben zu bekennen. Doch brachte die Taufe für sie die Ordnung mit sich, dass auch ihre Familien zugleich dem Herrn geheiligt wurden. Denn dies besagt der Bund (1. Mos. 17, 7): „Ich will dein und deines Samens Gott sein.“
V. 13. Da ward auch der Simon gläubig. Der mit seine Trügereien die ganze Stadt verblendet hatte, nimmt zugleich mit den anderen Gottes Wahrheit an; der geprahlt hatte, Gottes große Kraft zu sein, unterwirft sich Christus. Dass er aber zur Erkenntnis des Evangeliums erleuchtet ward, geschah nicht allein um seinetwillen, sondern zum Besten des ganzen Volks; es sollte der Anstoß gehoben werden, der unerfahrene Leute aufhalten konnte. Diesem Zweck dient auch die Mitteilung, dass Simon sich verwunderte, als er sah die Zeichen usw. Gott wollte diesen Mann, den die Samariter wie einen Halbgott hielten, im Triumph aufführen. Dies geschieht, indem er die hohle Prahlerei fahren lassen und den wahren Wundern die Ehre geben muss. Denn er hatte sich nicht mit redlichem Herzen Christus übergeben; sonst hätten ja nicht sein falscher Ehrgeiz und seine gottlose und unheilige Schätzung der Geistesgaben sofort ausbrechen können. Freilich glaube ich nicht, dass er einen überhaupt nicht vorhandenen Glauben heuchelte. Denn Lukas bezeugt klar, dass er gläubig ward, und gibt als Grund an, dass Verwunderung ihn packte. Wie konnte er also bald darauf sich als Heuchler verraten? Ich antworte, dass es ein Mittleres zwischen Glauben und reiner Heuchelei gibt. Viele werden zwar nicht durch den Geist der Kindschaft neu geboren, noch ergeben sie sich dem Herrn von ganzem Herzen, - aber unter der Macht des Wortes erkennen sie die ihnen vorgetragene Lehre als Wahrheit an und werden von der Furcht Gottes in so weit berührt, dass sie zustimmen. Sie geben zu, dass man auf Gott hören muss, und dass er der Urheber des Heils und der Welt Richter ist. Sie täuschen also nicht den Menschen einen Glauben vor, der nicht vorhanden wäre, sondern wähnen zu glauben. Einen solchen Zeitglauben, wie ihn Christus einmal nennt (Mt. 13, 21; vergl. Lk. 8, 13), hatte auch Simon; er fühlt, dass die Lehre des Evangeliums wahr ist, und die Empfindung seines Gewissens zwingt ihn, sie anzunehmen; aber es fehlt die Grundlage, nämlich die Selbstverleugnung. So verwickelt sich seine Seele in Heuchelei, die auch bald zutage tritt. Aber es war eine Heuchelei, in der er sich selbst täuschte, nicht jene grobe, hinter welcher die Epikuräer und ähnliche Leute sich verstecken, welche ihre Gottesverachtung nicht öffentlich zu bekennen wagen.
Und ließ sich taufen. Dies Beispiel Simons macht ganz klar, dass die Taufe nicht allen ohne Unterschied die Gnade mitteilt, welche sie darstellt. Die papistische Lehre besagt, dass jeder mit den Zeichen ihre Wahrheit und Kraft empfange, der nicht einen Riegel der Todsünde vorschiebt. So schreiben sie den Sakramenten eine Zauberkraft zu, als ob sie ohne Glauben etwas nützen könnten. Wir aber sollen wissen, dass uns der Herr durch die Sakramente anbietet, was die ihnen angehängten Verheißungen besagen, dass er es auch nicht vergeblich und täuschend anbietet – wenn wir nur im Glauben auf Christus uns richten und von ihm erbitten, was die Sakramente verheißen. So nützte die Taufe dem Simon augenblicklich nichts; hätte er aber, wie manche vermuten, sich später bekehrt, so wäre ihr Nutzen doch nicht erloschen oder getilgt gewesen. Denn oft geschieht es, dass Gottes Geist erst nach langer Zeit wirkt, womit die Sakramente nun anfangen, ihre Kraft zu beweisen.
Und hielt sich zu Philippus. Dass Philippus ihn zuließ, ist ein Beweis, wie schwer Heuchler sich erkennen lassen. Damit wird unsere Geduld auf die Probe gestellt. So wurde ein Demas aus einem zeitweiligen Begleiter des Paulus nachmals ein treuloser Abtrünniger (2. Tim. 4, 10). Wir können dem Übel nicht entgehen, dass sich zuweilen verbrecherische und trügerische Menschen an uns heranmachen. Doch sollen wir uns in diesem Stück ernstlich vor Leichtfertigkeit hüten, die nur zu oft auf das Evangelium einen Schandfleck bringt.
14 Da aber die Apostel höreten zu Jerusalem, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, sandten sie zu ihnen Petrus und Johannes, 15 welche, da sie hinabkamen, beteten sie über sie, dass sie den heiligen Geist empfingen. 16 (Denn er war noch auf keinen gefallen, sondern waren allein getauft auf den Namen Christi Jesu.) 17 Da legten sie die Hände auf sie, und sie empfingen den heiligen Geist.
V. 14. Hier beschreibt Lukas die Fortschritte der Gnade Gottes bei den Samaritanern, wie denn der Herr unermüdlich seinen Gläubigen größere und reichere Gnadengaben zu schenken pflegt. Er bedient sich aber dabei besonderer Werkzeuge, um die verschiedenen Teile seines Werkes durchzuführen. Gewiss hätte er auch durch Philippus sein angefangenes Werk vollenden können. Aber er wollte die Samaritaner an ein neues Band fesseln, damit sie desto besser lernten, brüderliche Gemeinschaft mit der ersten Gemeinde heilig zu pflegen. Zum anderen wollte er die Apostel, denen ja die Ausbreitung des Evangeliums über den ganzen Erdkreis aufgetragen war, besonders auszeichnen. Durch dies alles sollte man zu einem Glauben an das Evangelium noch enger verwachsen. Dabei sehen wir auch, wie ernstlich die Apostel bestrebt waren, die Brüder zu unterstützen. Sie warten auch nicht, bis sie gebeten werden, sondern nehmen aus freien Stücken die Fürsorge auf sich. Das tun sie aber nicht etwa aus Misstrauen gegen Philippus, sondern bieten ihm in seiner Mühe ihre Hilfe an. Petrus und Johannes kommen auch nicht bloß, um seine Arbeit zu teilen, sondern um ihn für alle Zukunft zu bestätigen. Philippus seinerseits klagt nicht, dass seiner Ehre etwas abgehe, wenn andere an den von ihm begonnen Bau die letzte Hand legen. Allerseits vereinigt man freundlich und in gutem Glauben seinen Eifer zum gemeinsamen Zweck. Sicherlich ist es allein falscher Ehrgeiz, der ein heiliges Zusammenarbeiten hindert. Dass die Apostel den Petrus sandten, lässt übrigens ersehen, dass er nicht eine Obergewalt über seine Kollegen übte; seine hervorragende Stellung schloss nicht aus, dass er dem Gesamtkörper unterstellt war und gehorchte.
Die Apostel, die zu Jerusalem waren. Die Meinung kann sein, dass sich damals alle Apostel zu Jerusalem aufhielten; oder es ist nur von einigen die Rede, die dort zurückgeblieben waren, während die anderen sich hier oder dort befanden. Ich bevorzuge die letztere Möglichkeit. Denn die Apostel werden ihre Arbeit geteilt haben und schwerlich alle in Jerusalem wie im Nest geblieben sein, da sie doch Christus geheißen hatte, die Welt zu durchziehen.
V. 15. Beteten sie, dass sie den Geist empfingen. Ohne Zweifel haben sie zuerst das Lehramt geübt; denn wir wissen, dass sie nicht stumme Puppen waren. Aber Lukas übergeht, was ihnen mit Philippus gemeinsam war, und spricht nur von dem, was ihre Ankunft den Samaritanern neues brachte, nämlich dass sie jetzt erst mit dem heiligen Geist beschenkt wurden.
V. 16. Doch erhebt sich hier die Frage. Es heißt, dass sie allein getauft waren, also den Geist noch nicht empfangen hatten. Aber die Taufe kann doch nur ein leeres, aller Kraft und Gnade bares Ding sein, - oder sie muss, was sie wirkt, vom heiligen Geist haben. In der Taufe werden wir von Sünden abgewaschen; nun aber lehrt Paulus, dass unsere Abwaschung ein Werk des heiligen Geistes ist (Tit. 3, 5). Die Wassertaufe ist ein Sinnbild des Blutes Christi; nun aber verkündet Petrus, dass es der Geist ist, durch den wir mit Christi Blut besprengt werden (1. Petr. 1, 2). In der Taufe wird unser alter Mensch gekreuzigt, so dass wir zu einem neuen Leben erweckt werden (Röm. 6, 6); woher aber kann dies kommen als aus der Heiligung durch den Geist? Kurz, man wird der Taufe alles absprechen, wenn man sie vom Geist getrennt denkt. Also wird man nicht leugnen dürfen, dass die Samaritaner, welche in der Taufe Christus wahrhaftig angezogen hatten (Gal. 3, 27), auch mit seinem Geist bekleidet waren. In der Tat spricht Lukas hier nicht von der allgemeinen Gnadengabe des Geistes, durch welche uns Gott zu seinen Kindern neu gebiert, sondern von jenen einzigartigen Gaben, mit denen der Herr im Anfang des Evangeliums manche Christen ausstatten wollte, um Christi Reich zu zieren. In diesem Sinne müssen auch die Worte des Johannes (7, 39) verstanden werden, bei den Jüngern sei der Geist noch nicht vorhanden gewesen, da Christus noch auf Erden weilte. Sie waren ja nicht ganz des Geistes bar, von dem sie vielmehr den Glauben und die fromme Bereitschaft zur Nachfolge Christi empfangen hatten. Aber es fehlten ihnen noch die hervorragenden Gaben, welche den Ruhm des Reiches Christi später weithin strahlen ließen. Alles in allem: mit dem Geist der Kindschaft waren die Samaritaner bereits begabt; nun aber häuft Gott ausgezeichnete Gnadengaben darüber, durch welche er eine Zeitlang seiner Gemeinde die Gegenwart seines Geistes bekräftigte. Er wollte damit für alle Zeit die Autorität seines Evangeliums befestigen und zugleich bezeugen, dass sein Geist die Gläubigen immer schützen und leiten werde. Dass die Samaritaner „allein getauft“ waren, wird nicht etwa gesagt, um die Taufe verächtlich zu machen. Dies hebe ich darum heraus, weil die Papisten, um ihre selbst gemachte Firmelung zu erheben, vor dem gottesräuberischen Wort nicht zurückscheuen, dass Leute, denen die Hände noch nicht aufgelegt wurden, erst halbe Christen seien. Dabei will ich noch davon schweigen, dass sie zur Handauflegung das Öl fügten. In jedem Falle ist es mehr als frech, der Kirche ein bleibendes Gesetz aufzulegen und zu einem allgemeinen Sakrament zu machen, was doch nur den Aposteln zu besonderem Gebrauch aufgetragen war (Mk. 6, 13). Das Zeichen kann doch nicht unablässig dauern, nachdem die Sache selbst vergangen ist.
V. 17. Da legten sie die Hände auf sie. An das Gebet schließt sich die Handauflegung. Dies ist ein Zeichen, dass die Gnadengabe des Geistes, die man doch im Gebet anderswoher haben muss, durchaus nicht in dem äußeren Brauch beschlossen liegt. Indem man sich aber zu Gott als dem Geber bekennt, vernachlässigt man den Brauch auch nicht, welcher eben zu diesem Zweck göttlich gestiftet war. Und weil man sich seines nicht willkürlich bedient, schließt sich zugleich der Erfolg an. Nutzen und Wirkung haben die Zeichen, weil Gott in ihnen wirkt; und doch bleibt er allein der Spender der Gnade und handhabt das Recht, sie nach seinem Willen auszuteilen. So war die Handauflegung ein Werkzeug Gottes für die Zeit, in welcher er den Seinen sichtbare Geistesgaben verlieh. Seitdem aber der Gemeinde solche Reichtümer nicht mehr zu Verfügung stehen, wäre sie nur ein hohles Schauspiel.
18 Da aber Simon sah, dass der heilige Geist gegeben ward, wenn die Apostel die Hände auflegten, bot er ihnen Geld an 19 und sprach: Gebt mir auch die Macht, dass, so ich jemand die Hände auflege, derselbige den heiligen Geist empfange. 20 Petrus aber sprach zu ihm: Dass du verdammt werdest mit deinem Gelde, dass du meinest, Gottes Gabe werde durch Geld erlanget! 21 Du hast weder Teil noch Erbe an dieser Sache; denn dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott. 22 Darum tu Buße für diese deine Bosheit und bitte Gott, ob dir vergeben werden möchte die Tücke deines Herzens. 23 Denn ich sehe, dass du bist voll bittrer Galle und verstrickt in Ungerechtigkeit. 24 Da antwortete Simon und sprach: Bittet ihr den Herrn für mich, dass der keines über mich komme, davon ihr gesagt habt. 25 Sie aber, da sie bezeuget und geredet hatten das Wort des Herrn, wandten sie wieder um gen Jerusalem und predigten das Evangelium vielen samaritischen Flecken.
V. 18. Da aber Simon sah usw. Jetzt enthüllt sich Simons Heuchelei und innere Unreinigkeit, die bis dahin im Herzen gleichsam vergraben lag. Gott wischt dem Simon den täuschenden Schein ab, damit er durch Bekenntnis des Namens Christi nicht weiter sich und andere betrüge. Jetzt zeigt sich sein verborgener Ehrgeiz, indem er es den Aposteln gleichtun will. Dazu gesellt sich der andere Fehler, dass er Gottes Gnade für käuflich hält und sie zu einem Erwerbsmittel herabwürdigen will. So wird klar, dass er ein unheiliger Mensch ist, der noch nicht einmal die Anfangsgründe wahrer Frömmigkeit geschmeckt hat. Ihn beseelt kein Eifer für Gottes Ehre; er hat keine Ahnung davon, was es heißt, ein Diener Gottes zu sein. Wie er bis jetzt aus seiner Zauberei ein Geschäft gemacht hatte, so sollten ihm auch die Gnadengaben des Geistes nur Gewinn schaffen. Es ist kein Zweifel, dass er Geld und Ruhm vor der Welt suchte. Zugleich fügt er dem Herrn eine schwere Beleidigung zu, indem er keinen Unterschied zwischen dieser himmlischen Kraft und seinen zauberhaften Beschwörungen sah.
V. 20. Petrus aber sprach zu ihm usw. Petrus aber fährt heftig auf ihn los und fügt zum Tadel noch die harte Verwünschung, Simon möge mit seinem Gelde zugrunde gehen. Immerhin betet er nicht geradezu Verderben auf ihn herab, sondern zeigt nur, was er verdient hätte, weil er mit Gottes Geist einen schmutzigen Handel treiben wollte. Dass Petrus den Simon lieber gerettet als verloren wissen wollte, lässt das Folgende leicht ersehen. Simon aber musste so hart behandelt werden, um die Schwere seines Verbrechens zu fühlen. Dass das Geld mit ihm verdammt sein soll, lässt es bei solch nichtswürdigem Gebrauch gleichsam von dem Verbrechen angesteckt und befleckt erscheinen. Und sicherlich wäre es wünschenswerter, dass die ganze Welt zugrunde ginge, als dass Dinge, die im Vergleich mit Gottes Ruhm nichts wert sind, diesen verdunkeln sollten. Übrigens sieht eine solche Verwünschung eines Heiligtumsschänders weniger die Person an als die Tat. Wir müssen gegen die Verbrechen der Menschen heftig entbrennen, den Menschen selbst aber Mitleid zuwenden. Solche Bewandtnis hat es mit den Sprüchen Gottes, welche Ehebrecher, Räuber, Trunkenbolde und Ungerechte dem Verderben weihen (1. Kor. 6, 9 f.; Eph. 5, 5). Denn sofern sie Menschen sind, wird ihnen die Heilshoffnung nicht abgeschnitten; die Aussprüche beziehen sich nur auf den gegenwärtigen Zustand solcher Leute und kündigen an, welcher Ausgang ihrer wartet, wenn sie verstockt darin verharren.
V. 21. Du hast weder Teil noch Erbe an dieser Sache. Diese Übersetzung ist besser als die sonst geläufige: „an diesem Wort.“ Petrus will sagen, dass ein Heiligtumsschänder mit diesem ganzen Betrieb, den er unfrommen Sinnes entweiht, nichts zu schaffen haben kann. Die älteren Theologen und Papisten sprechen viel von dem Verbrechen der „Simonie“. Und gewiss tritt jeder irgendwie in Simons Fußstapfen, der mit übeln Künsten zur Regierung der Kirche zu gelangen strebt. Im strengen Sinne kann aber von Simonie nur da die Rede sein, wo man aus den Gaben des Geistes ein unfrommes Geschäft oder dergleichen macht, wo man sie zum Ehrgeiz oder anderer Verderbnis missbraucht. Wollen wir von der Befleckung mit Simons Verbrechen rein bleiben, so müssen wir zuerst bedenken, dass sich die Gaben des Geistes nicht mit Geld erwerben lassen, sondern durch Gottes freie und unverdiente Güte verliehen werden, und dies zur Erbauung der Gemeinde, damit ein jeder nach dem Maß seiner Fähigkeit die Brüder zu unterstützen strebe und bescheiden zum gemeinen Besten beisteure, was er empfangen hat, wobei keines Menschen hervorragende Stellung hindern darf, dass Christus über allen stehe.
V. 22. Darum tu Buße. Diese Mahnung zu Buße und Gebet gewährt noch einen Ausblick auf Verzeihung. Denn echte, bußfertige Gesinnung wird nur da sein, wo man darauf traut, dass Gott gnädig sein werde. Dagegen wird Verzweiflung die Menschen in immer frecheres Sündigen stürzen. Außerdem lehrt die Schrift, dass man Gott nur durch Glauben in rechter Weise anrufen kann. Wir sehen also, wie Petrus den Simon, den er mit dem Strahl seiner Worte niedergeschmettert hatte, jetzt wieder zur Hoffnung auf Heil aufrichtet; und doch war dessen Sünde nicht gering. Aber wenn es geschehen kann, sollen wir die Menschen noch aus der Hölle heraufziehen. Solange also selbst schlimme Verbrecher nicht durch offenkundige Zeichen beweisen, dass sie zu den Verworfenen gehören, soll man niemand so streng behandeln, dass man ihm nicht zugleich die Vergebung der Sünden vor Augen stellte. Selbst Leute, denen wegen ihrer Härte und Verstockung ein schärferer Tadel nützlich ist, darf man doch nur mit der einen Hand hinab stoßen, um sie mit der anderen zu erheben. Gottes Geist erlaubt nicht, den Bannstrahl zu schleudern. Doch scheint Petrus Furcht und Zweifel einzuflößen, wenn er fragend sagt: ob dir vergeben werden möchte. Und die Papisten wollen mit solchen Stellen beweisen, dass man aus schwankendem und zweifelndem Gemüt beten müsse, weil es anmaßend sei, seinen Bitten einen gewissen Erfolg zu versprechen. Doch ist die Antwort leicht. Petrus will Simons Geist nicht einschüchtern, sondern vielmehr zu heftigem Gebet antreiben. Gerade die Schwierigkeit einer Sache kann ja nicht wenig beitragen, uns anzufeuern; wo wir aber die Sache schon in der Hand zu haben glauben, werden wir nur zu sicher und träge. Petrus also will Simons Eifer wecken, indem er ihm die Vergebung als schwierig darstellt, weil das Verbrechen so schlimm war. Dem demütigen und herzlichen Gebet macht er aber gewisse Hoffnung. Denn freilich muss uns der Glaube voranleuchten, wenn wir zu Gott nahen wollen. Ja, er muss die Mutter des Gebets sein.
V. 23. Du bist voll bittrer Galle. Noch einmal greift Petrus den Simon hart an und erschüttert ihn durch Gottes Gericht. Denn hätte man ihn nicht gezwungen, in sich zu gehen, so hätte er sich niemals ernstlich zu Gott bekehrt. Nichts ist ja stumpfen Geistern verderblicher, als wenn wir ihnen schmeicheln oder nur oberflächlich die Haut kratzen; man muss sie vielmehr durchbohren. Solange also den Sünder die Empfindung seiner Sünde noch nicht zu wahrer Traurigkeit und rechtem Schmerz geführt hat, ist eine Strenge am Platz, die seine Seele verwundet. Ohne sie würde man nur inneren Eiter hegen, der den Menschen allmählich verzehren müsste. Immer aber sollen wir dies Maß halten, dass wir, soviel an uns ist, auf die Rettung der Menschen bedacht bleiben. Die Bilder, deren sich Petrus bedient und deren erstes aus Mose genommen scheint (5. Mos. 29, 17), beschreiben eine das Herz völlig durchdringende, giftige Bosheit, bei welcher der Satan den Menschen verstrickt und gefesselt hält. Auch sonst fromme Menschen tun einmal böse Werke. Hier aber will Petrus sagen, dass Simon nicht nur in einem Stück zu Fall kam, sondern dass die Wurzel seines Herzens böse und bitter war und er als ein Sklave der Ungerechtigkeit dem Satan gehörte. Zugleich ist hier ein Fingerzeig, dass man die Schwere eines Verbrechens nicht nach der in die Augen fallenden Schandtat, sondern nach der Stimmung des Herzens einschätzen muss.
V. 24. Da antwortete Simon usw. Diese Antwort lässt ersehen, dass er trotz der Drohung wohl verstand, wie Petrus auf sein Heil bedacht war. Obgleich nun dieser allein geredet hatte, wendet sich die Antwort an alle insgemein, die ja mit ihm zusammenstimmten. Jetzt erhebt sich die Frage, was man von Simon denken soll. Die Schrift führt uns nicht weiter als zu einer Vermutung. Dass er dem Tadel nachgibt und im Gefühl seiner Sünde Gottes Gericht fürchtet, sodann der Barmherzigkeit Gottes sich übergibt und der Fürbitte der Gemeinde sich empfiehlt, sind deutliche Anzeichen der Buße. Vielleicht ist er also zur Umkehr gekommen. Und doch berichten die Alten einstimmig, dass er später ein heftiger Gegner des Petrus gewesen und mit ihm zu Rom eine dreitägige Disputation ausgefochten habe. Da aber weiter Erzählungen töricht und verdächtig sind, ist es am sichersten, sich einfach an das zu halten, was die Schrift überliefert.
V. 25. Da sie bezeuget hatten usw. Diese Worte lassen ersehen, dass Petrus und Johannes nicht nur gekommen waren, die Samaritaner mit den Gaben des Geistes zu beschenken, sondern sie auch durch Bekräftigung der Lehre des Philippus in dem schon gewonnenen Glauben zu bestärken. Eben darin besteht die Bezeugung, dass ihr Zeugnis dem Worte Gottes volle und klare Geltung schafft und es als unzweifelhafte Wahrheit erscheinen lässt. Als treue Zeugen beweisen sie sich damit, dass sie nichts anderes reden als das Wort des Herrn. Die Hauptsache beim Lehren der Apostel war ja, dass sie treulich vorbrachten, was sie vom Herrn gelernt hatten, nicht aber Menschengedichte vortrugen. Und sie predigten das Evangelium nicht allein in der Stadt, sondern auch in vielen Flecken. Der Eifer für Christi Ehre trieb sie, es im Munde zu führen, wohin sie kamen.
26 Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Stehe auf und gehe gegen Mittag auf die Straße, die von Jerusalem gehet hinab gen Gaza, welches wüste ist. 27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Mohrenland, welcher war über alle ihre Schatzkammer, der war gekommen gen Jerusalem, anzubeten, 28 und zog wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Gehe hinzu und halte dich zu diesem Wagen. 30 Da lief Philippus hinzu und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und sprach: Verstehest du auch, was du liesest? 31 Er aber sprach: Wie kann ich, so mich nicht jemand anleitet? Und bat Philippus, dass er aufträte, und setzte sich zu ihm
V. 26. Diese neue Geschichte erzählt, wie das Evangelium bis zu den Äthiopiern drang. Allerdings hören wir nur von einem einzigen Manne, der sich zum Glauben an Christus bekehrte; weil aber sein Ansehen und seine Macht im ganzen Königreiche groß waren, konnte der Geruch seines Glaubens weit und breit spürbar werden. Wir wissen ja, wie das Evangelium aus dünnen Anfängen wuchs; und die Kraft des Geistes leuchtet umso heller, weil ein winziges Samenkorn in kurzer Zeit das weite Land erfüllte. Zuerst wird dem Philippus vom Engel befohlen, gegen Mittag zu gehen; mit welchem Erfolg und zu welchem Zweck, sagt ihm der Engel nicht. Wir sollen also mit Gottes bloßem Befehl uns zufrieden geben, auch wenn man nicht gleich sieht, aus welchem Grund er ihn gibt oder welche Frucht der Gehorsam bringen wird. Denn auch ohne dass es ausdrücklich gesagt würde, bergen alle Befehle Gottes die stille Verheißung in sich, dass, so oft wir dem Herrn gehorchen, alles, was wir angreifen, nicht anders als glücklich ausgehen kann. Außerdem muss es uns ja genug sein, dass dem Herrn unser Eifer gefällt, wenn wir nichts vorwitzig und ohne sein Geheiß unternehmen. Gewiss steigt heute nicht an jedem Tage ein Engel vom Himmel, uns zu zeigen, was wir tun sollen. Aber Gottes Wort belehrt uns doch reichlich darüber; und wer seinen Mund befragt und der Leitung des Geistes sich unterwirft, wird nicht unberaten bleiben. Es ist lediglich die Schuld unserer Gleichgültigkeit und Trägheit zum Gebet, wenn wir nicht frisch und bereit sind, dem Herrn zu folgen.
Gaza, welches wüste ist. So wird das von Alexander dem Großen zerstörte, alte Gaza genannt, im Unterschiede von der neuen, 20 Stadien davon entfernten, am Meer gelegenen Stadt.
V. 27. Ein Mann aus Mohrenland, ein Kämmerer, buchstäblich „ein Verschnittener“. So wurden aber alle obersten Beamten der orientalischen Könige nach der herrschenden Gewohnheit genannt. Im einzelnen Falle konnte ein solcher wohl ein wirklicher Mann sein. Übrigens erfährt jetzt Philippus in der Tat, dass er nicht umsonst dem Herrn gehorchte. Kandace hießen alle Königinnen des Mohrenlandes, gleichwie Cäsar der gemeinsame Name der römischen Herrscher war. Auch daran wollen wir erinnern, dass nach dem Bericht der Geschichtsschreiber Äthiopien ein edles und reiches Land war. Die Größe und Macht des Landes lässt also darauf schließen, dass der Kämmerer eine glänzende Würdestellung bekleidete. Die Hauptstadt und der Sitz der Königin war Merve.
Der war gekommen, anzubeten. Daraus schließen wir, dass der Name des wahren Gottes weithin ausgestreut war, so dass er auch in entfernten Gegenden einige Anbeter hatte. Sicherlich musste dieser Mann sich zu einem ganz anderen Gottesdienst bekennen, als sein Volk ihn pflegte. Auch konnte solch gewaltiger Mann nicht verstohlen nach Judäa gelangen; dazu nahm er ohne Zweifel eine große Begleitung mit. Dass allenthalben im Mohrenlande einige Verehrer des wahren Gottes gab, darf uns nicht wundernehmen; denn mit der Zerstreuung des Volks breitete sich ein Geruch reiner Gotteserkenntnis über die fremden Völker aus. Sogar die Römer, die mit harten Verordnungen die jüdische Religion verdammten, konnten nicht hindern, dass man sich scharenweis ihr anschloss. Das waren Vorspiele der Berufung der Heiden, bis endlich Christus durch den Glanz seiner Erscheinung die Schatten des Gesetzes zerteilte, die Scheidung zwischen Juden und Heiden aufhob und den Zaun abbrach, um Gottes Kinder von allen Seiten zu sammeln (Eph. 2, 14). Dass der Kämmerer nach Jerusalem kommt, um anzubeten, darf man nicht als Aberglauben auslegen. Gewiss konnte er auch daheim zu Gott beten; aber der fromme Mann wollte die den Verehrern Gottes vorgeschriebenen Übungen nicht unterlassen, ja er hatte sich vorgesetzt, den Glauben nicht bloß heimlich für sich im Herzen zu nähren, sondern vor den Menschen zu bekennen. Und dies äußere Bekenntnis, welches, wie er wusste, der Herr von ihm forderte, und um dessentwillen er vielen in seinem Volk verhasst werden konnte, war ihm mehr wert als Gunst bei den Menschen. Wenn nun der geringe Funke von Erkenntnis, welchen das Gesetz bot, in ihm so hell leuchtete, wie schimpflich wäre es für uns, wollten wir das volle Licht des Evangeliums in treulosem Stillschweigen dämpfen! Nun könnte jemand einwerfen, dass damals schon die Opfer abgeschafft waren und die Zeit gekommen war, da Gott allenthalben, ohne Unterschied des Ortes, angerufen sein wollte. Darauf ist einfach zu antworten, dass es kein Aberglaube war, wenn Leute, denen die Wahrheit des Evangeliums noch nicht kundgetan war, noch im Schattenwerk des Gesetzes zurückgehalten wurden. Wenn der Herr es zuließ, dass der Kämmerer nach Jerusalem kam, bevor er ihm einen Lehrer schickte, so tat er es vermutlich deshalb, weil demselben der Elementarunterricht des Gesetzes eine nützliche Vorbereitung für die spätere Aufnahme des Evangeliums war. Warum Gott ihn zu Jerusalem keinen von den Aposteln in den Weg führte, liegt in seinem Rat verborgen. Vielleicht sollte der Kämmerer den ihm so plötzlich und unvermutet angebotenen Schatz umso höher werten; vielleicht war es auch besser, Christus ihm vor Augen zu stellen, nachdem ihm der äußere Glanz der Gebräuche und der Anblick des Tempels wieder entschwunden war und er in freierer Weise in Muße und Ruhe den Heilsweg suchte.
V. 28. Und las den Propheten Jesaja. Dies Lesen zeigt, dass der Kämmerer nicht einen vorwitzig ausgedachten, sondern den Gott anbetete, den er aus der Lehre des Gesetzes kennen gelernt hatte. Und diesen zu verehren ist sicher die rechte Weise, dass man nicht die bloßen und leeren Gebräuche aufrafft, sondern zugleich das Wort hinzufügt, ohne welches man nur zufällige und verworrene Dinge hat. Aber der Kämmerer scheint sich vergeblich zu mühen, wenn er ohne Nutzen liest. Denn er gesteht, dass er ohne Hilfe eines Lehrers den Sinn des Propheten durchaus nicht fasst. Aber dies bescheidene Geständnis der Unwissenheit wird sich doch nur auf dunklere Stellen beziehen. Es gibt vieles bei Jesaja, welches keiner langen Auslegung bedarf. So wenn er von Gottes Güte und Macht redet, um die Menschen zum Glauben zu locken oder sie zu einem heiligen Leben zu mahnen und zu unterweisen. Niemand ist so ungebildet und unwissend, dass ihm das Lesen dieses Buches nicht einigen Nutzen brächte; freilich wird er unter zehn Versen kaum einen ganz verstehen. In dieser Weise las auch der Kämmerer. Indem er nach dem Maße seines Verständnisses sich an das hielt, was ihm erbaulich war, brachte ihm sein Studium ohne Zweifel Nutzen. Wenn er dabei vieles nicht verstand, ließ er sich doch nicht durch Überdruss reizen, das Buch wegzuwerfen. So müssen wir überhaupt die Bibel lesen: was deutlich ist und worin Gott uns seine Gedanken kundtut, sollen wir begierig und willigen Herzens aufnehmen; was uns noch dunkel bleibt, dürfen wir übergehen, bis ein völligeres Licht uns bestrahlt. Wenn wir so unermüdlich weiter lesen, wird es endlich geschehen, dass die Schrift durch anhaltenden Gebrauch uns ganz vertraut wird.
V. 31. Wie kann ich? usw. Eine treffliche Bescheidenheit des Kämmerers, der sich nicht nur von Philippus, dem Mann aus dem Volke, ruhig fragen lässt, sondern auch freiwillig und offen seine Unwissenheit gesteht. Sicherlich lässt sich nicht hoffen, dass jemand sich gelehrig zeigen werde, den das Vertrauen auf seinen eigenen Geist aufbläht. Wahre Ehrfurcht bringen wir der Schrift erst entgegen, wenn wir anerkennen, dass darin eine Weisheit verborgen liegt, welche unsere Sinne weit übersteigt. Dabei dürfen wir doch der Sache nicht überdrüssig werden, sondern müssen unter eifrigem Lesen uns von der Offenbarung des Geistes abhängig machen und bitten, dass uns ein Ausleger geschenkt werde.
Und bat Philippus, dass er aufträte. Ein zweites Beispiel von Bescheidenheit, dass er einen Ausleger und Lehrer sucht. Er hätte in dem gewöhnlichen, hochfahrenden Wesen der Reichen den Philippus wegschicken können: Was geht es dich an? Was habe ich mit dir zu schaffen? Aber er unterwirft sich in Demut der Belehrung. Das muss die Stimmung eines Menschen sein, der Gott zum Lehrer haben will; denn sein Geist wohnt bei den Demütigen und Sanftmütigen (Jes. 66, 2). Wenn jemand an sich selbst verzagt und sich gelehrig stellt, werden eher Engel vom Himmel steigen, ihn zu belehren, als dass der Herr ihn vergeblich suchen ließe. Dabei soll man doch nach dem Vorbild des Kämmerers alle Hilfsmittel benutzen, welche der Herr zur Erläuterung der Schrift uns bietet. Schwärmer begehren Erleuchtungen vom Himmel, verachten aber den Diener Gottes, durch dessen Hand sie sich regieren lassen sollten. Andere lassen im Vertrauen auf ihre Einsicht sich nicht herab, auf irgendjemand zu hören oder Auslegungen zu lesen. Und doch wird Gott die Hilfsmittel, die er uns zudenkt, nicht ungestraft verachten lassen. Übrigens ist es eine nachdrückliche Empfehlung der äußeren Predigt, wenn der Herr seinen Engel nicht unmittelbar zum Kämmerer schickt, sondern durch dessen Wort den Philippus herbeiruft. Er will uns daran gewöhnen, auf Menschen zu hören. Wenn Engel schweigen, soll Gottes Stimme zu unserem Heil aus Menschenmund erschallen.
32 Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser: „Er ist wie ein Schaf zur Schlachtung geführet und still wie ein Lamm vor seinem Scherer, also hat er nicht aufgetan seinen Mund. 33 In seiner Niedrigkeit ist sein Gericht aufgehoben. Wer wird über seines Lebens Länge ausreden? denn sein Leben ist von der Erde weggenommen.“ 34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet solches? Von ihm selber oder von jemand anders? 35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing von dieser Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesu.
V. 32. Der Inhalt aber der Schrift usw. Nicht zufällig stieß der Kämmerer auf diese Stelle, sondern Gottes wunderbare Vorsehung schaffte es, dass Philippus eine Unterlage hatte, von welcher ausgehend er den Hauptinhalt des Christentums passend entwickeln konnte. In dieser besonders denkwürdigen Weissagung von Christus verkündet Jesaja (53, 7 f.) ohne Hülle den Weg der Erlösung: der Sohn Gottes soll durchs sein Sterben den Menschen das Leben erwerben, soll zur Sühne ihrer Sünde sich als Opfer darstellen, soll durch Gottes Hand zerschlagen und bis zur Hölle hinab gestoßen werden, um uns aus dem Verderben heraufzuholen und bis in den Himmel zu erheben. Alles in allem verkündet diese Stelle deutlich, wie die Menschen mit Gott ausgesöhnt werden und Gerechtigkeit erlangen, wie sie von der Tyrannei Satans und dem Joch der Sünde befreit werden und dadurch den Eintritt in Gottes Reich gewinnen. Ich lege nur die beiden Stücke aus, die Lukas zitiert. Erstlich lehrt er, dass Christus, um die Gemeinde zu erlösen und wieder ins Leben zu setzen, so zerschlagen werden müsse, dass er ganz verloren und verzweifelt scheint. Sodann verkündet er, dass sein Tod Leben spenden und dass aus der tiefsten Verzweiflung ein einzigartiger Triumph hervorgehen werde. Der Vergleich Christi mit einem Schaf, das zur Schlachtung geführet wird, und mit einem Lamm, das geduldig sich scheren lässt, deutet auf die Freiwilligkeit seines Opfers. Und sicher war dies die Weise, Gott zu versöhnen, dass er Gehorsam bewährte. Er hat zwar vor Pilatus geredet, aber nicht, um sein Leben zu gewinnen (Joh. 18, 34. 36), sondern um sich aus freien Stücken zum Opfer darzubieten, wozu er vom Vater bestimmt war, und dadurch die Strafe, die unser wartete, auf sich zu nehmen. Der Prophet lehrt also ein Doppeltes: erstlich, dass Christus sterben musste, um uns das Leben zu erwerben; zum anderen, dass er freiwillig den Tod erdulden musste, um der Menschen Widerspenstigkeit durch seinen Gehorsam auszutilgen. Daraus kann man, wie Petrus dies tut (1. Petr. 2, 20 ff.), eine Mahnung zur Geduld entnehmen. An erster Stelle steht aber jene für den Glauben bestimmte Lehre, die ich kurz entwickelte.
V. 33. In seiner Niedrigkeit ist sein Gericht aufgehoben. Wörtlich steht beim Propheten: Christus ward „der Bedrängnis und dem Gericht entnommen“. Lukas hält sich aber nach seiner Weise an die damals geläufige griechische Übersetzung, die entweder besagt, dass das über Christus ergangene Gericht aufgehoben, oder aber, dass sein Recht erhoben, d. h. ihm Recht geschafft ward. Der Unterschied des Sinnes beider Texte ist also gering. Der Prophet stellt, um unser Vertrauen zu ihm zu stärken, den durch Gottes Hand geschlagenen und der Schlachtung unterworfenen Christus jetzt in neuer Gestalt dar, wie er als Sieger aus dem Abgrund des Todes empor taucht und selbst aus der Hölle als Urheber des ewigen Lebens hervorgeht. Der Gedanke ist also, dass Christus erst dem Tode übergeben werden musste, ehe der Vater ihn zur Herrlichkeit seines Königtums emporhob. Diese Lehre müssen wir auf den ganzen Leib der Gemeinde ausdehnen; denn alle Frommen sollen durch Gottes Hand wunderbar aufgerichtet werden, damit der Tod sie nicht verschlinge. Gott aber, der als Rächer der Seinen erscheint, führt sie nicht bloß wieder ins Leben zurück, sondern bereitet ihnen aus mehrfachem Tod herrlichen Triumph, gleichwie Christus das Kreuz als herrliches Zeichen jenes Triumphs aufgerichtet hat, von welchem der Apostel im Kolosserbrief (4, 14 f.) spricht.
Wer wird seines Lebens Länge ausreden? Nachdem der Prophet die Siegeskraft des Todes Christi gerühmt, fügt er hinzu, dass die Wirkung des Sieges nicht nur geringe Zeit andauern, sondern über alle Zeitspannen ausgebreitet werden solle. Kein Menschenmund soll die Dauer des Reiches Christi aussagen können. Das hebräische Wort wird übrigens von manchen nicht als „Lebenslänge“, sondern als „Nachkommenschaft“ gedeutet. Ohne Zweifel will aber der Prophet sagen, dass Christi Leben ewig währen solle, nachdem er einmal durch des Vaters Gnade vom Tode befreit ward. Dabei will dies Leben, das kein Ende hat, auf den ganzen Leib der Gemeinde bezogen sein; denn Christus ist auferstanden, nicht um für sich, sondern für die Seinen zu leben. Es wird also Frucht und Erfolg des Sieges, den das Haupt gewann, jetzt für alle Glieder gerühmt. Darum kann aus dieser Stelle jeder einzelne Gläubige Hoffnung auf ewiges Leben schöpfen, und der Gemeinde wird nach dem Beispiel Christi ewiger Bestand zugesagt.
Denn sein Leben ist von der Erde weggenommen. Dies scheint ein ungereimter Beweis für Christi erhabene Herrschaft im Himmel und auf Erden. Denn wer sollte glauben, dass der Untergang der Grund des Lebens sei? Aber durch Gottes wunderbaren Rat musste die Hölle zur Leiter werden, über welche Christus zum Himmel empor stieg. Die Schmach ward ihm der Durchgang zum Leben. Aus dem Schrecken und Dunkel des Kreuzes sollte froher Glanz des Heils hervorbrechen und aus dem Abgrund des Todes selige Unsterblichkeit fließen. Der sich selbst erniedrigte, ward eben darum vom Vater erhöht; und nun sollen aller Knie vor ihm sich beugen (Phil. 2, 8 ff.). Nun wollen wir bedenken, in welcher Gemeinschaft wir mit Christus stehen, damit es uns nicht schwer und lästig falle, auf demselben Weg zu gehen.
V. 34. Da antwortete der Kämmerer usw. Hier wird deutlich, welche Lernbegier den Kämmerer beseelte. Während er aber nichts sich anmaßte, gewinnt er unverhofft und plötzlich weit mehr, als er während seines ganzen Lebens bei äußerster Anstrengung seines Scharfsinns hätte erreichen können. So wird auch uns der Herr freundlich begegnen, wie ein Lehrer kleinen Kindern, wenn wir im Bewusstsein unserer Unwissenheit uns in Demut der Belehrung unterwerfen. Und wie in die Erde gesenkter Same eine Zeitlang verborgen liegt, so wird der Herr durch die Strahlen seines Geistes schaffen, dass das Lesen, welches zunächst unfruchtbar scheint und Überdruss hervorruft, ein helles Licht der Erkenntnis gewinnt. Bis aber diese Zeit voller Offenbarung kommt, soll uns der Gewinn genügen, dass schon ein ganz geringer Geschmack von Erkenntnis uns Gottesfurcht und Glauben einflößt.
V. 35. Philippus aber tat seinen Mund auf. Dieser Ausdruck pflegt in der Schrift auf das Anheben einer langen Rede über eine wichtige und ernste Sache zu deuten. Demgemäß will Lukas sagen, dass Philippus gleichsam mit vollem Munde von Christus zu reden anhob. Dabei fing er von dieser Schrift an, denn keine Stelle malt Christus deutlicher als diese, die ja auch gerade zur Hand lag. Nachdem also Philippus nach den Worten des Propheten dargelegt, welche Bewandtnis es mit Christus haben sollte und was man von ihm hoffen dürfe, bietet er alsbald die Sache selbst dar. Der Kämmerer sollte erfahren, dass jener Christus, auf den die Weissagung zielte, bereits erschienen sei und seine Kraft gewinnen sollte.
36 Und als sie zogen der Straße nach, kamen sie an ein Wasser. Und der Kämmerer sprach: Siehe, da ist Wasser; was hindert´s, dass ich mich taufen lasse? 37 Philippus aber sprach: Glaubest du von ganzem Herzen, so mag´s wohl sein. Er antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. 38 Und er hieß den Wagen halten, und stiegen hinab in das Wasser beide, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. 39 Da sie aber heraufstiegen aus dem Wasser, rückte der Geist des Herrn Philippus hinweg, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich. 40 Philippus aber ward gefunden zu Asdod und wandelte umher und predigte allen Städten das Evangelium, bis dass er kam gen Cäsarea.
V. 36. Was hindert´s, dass ich mich taufen lasse? Nun folgt die Taufe des Kämmerers. Wir sehen daraus, welchen Fortschritt er in kurzer Zeit machte, da er sich freiwillig zum Anschluss an Christus anbietet. Der Glaube ist in seinem Herzen reif geworden und ruft den brennenden Wunsch nach äußerem Bekenntnis hervor. Es ist ihm nicht genug, inwendig vor Gott zu glauben; er muss sein Christentum auch vor den Menschen bezeugen. Alles, was ihn von der Taufe abhalten konnte, etwa dass er sich nicht dem Hass und den Vorwürfen der Königin und des ganzen Volkes aussetzen dürfe, hinderte nicht seinen Wunsch, unter Christi Jünger gezählt zu werden. Wenn eine Unterweisung weniger Stunden ihn so weit förderte, wie müssen sich dann die trägen Leute schämen, die einen Glauben, der in zehn- oder zwanzigjähriger Belehrung gezeitigt wurde, verbergen und unterdrücken!
V. 37. Glaubest du von ganzem Herzen usw. Aus dieser Bedingung ergibt sich die allgemeine Regel, dass man Leute, die bis dahin nicht zur Gemeinde Christi gehörten, erst aufnehmen soll, wenn sie Zeugnis geben, dass sie an Christus glauben. Denn die Taufe ist gleichsam ein Anhang des Glaubens, hat demselben also zeitlich nachzufolgen. Wenn man sie ohne Glauben erteilt, den sie versiegeln soll, begeht man eine unfromme und grobe Entweihung. Indessen ist es verkehrt, wenn unter diesem Vorwand schwärmerische Leute die Kindertaufe bekämpfen. Sicherlich werden Erwachsene der Gemeinde durch den Glauben einverleibt. Von den Kindern der Frommen aber sage ich, dass sie als Kinder der Gemeinde geboren werden und von Mutterleibe an als Christi Glieder zu gelten haben, weil Gott uns mit der Bedingung zu seinen Kindern annimmt, dass er auch unseres Samens Vater sein will. Anderseits haben auch manche bedeutende Männer1) dies Zeugnis missbraucht, indem sie beweisen wollten, dass der Glaube aus der Taufe keine Stärkung empfange. Ihr Gedanke war, dass der Kämmerer geheißen wurde, vollkommenen Glauben zur Taufe zu bringen, dass also nichts mehr habe hinzukommen können. Aber ein Glaube von ganzem Herzen ist nach dem Sprachgebrauch der Schrift oft ein echter, ungeheuchelter Glaube. Der Gegensatz ist ein zwiespältiges Herz. Wer also von ganzem Herzen glaubt, braucht noch nicht vollkommen zu glauben. Sein Glaube kann noch schwach und winzig sein, wenn auch sein Herz aufrichtig und von aller Täuschung rein ist. So muss man es verstehen, wenn David sich rühmt, dass er den Herrn von ganzem Herzen liebe (Ps. 18, 2; 119, 10).
Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Wie die Taufe auf Christus sich gründet und auf ihm ihre Kraft und Wahrheit ruht, so stellt sich der Kämmerer allein Christus vor Augen. Er wusste schon vorher, dass ein einiger Gott ist, der seinen Bund mit Abraham geschlossen, sein Gesetz durch Mose gegeben, ein Volk von den übrigen abgesondert und den Messias verheißen hatte, durch welchen er der Welt gnädig sein wollte. Jetzt bekennt er, dass Jesus dieser Welterlöser und Gottes Sohn sei, und unter diesem Titel fasst er alles zusammen, was die Schrift Christus zuschreibt. Das ist der vollkommene Glaube, von dem Philippus soeben sprach, welcher den einst verheißenen und nun erschienenen Christus annimmt, und zwar mit ernster Stimmung des Herzens. So spricht auch Paulus (1. Tim. 1, 5) von einem ungefärbten Glauben. Wer als herangewachsener Mensch diesen Glauben nicht hat, wird sich vergeblich dessen rühmen, dass er in der Kindheit getauft ward; denn eben dazu eignet Christus sich die Kinder durch die Taufe an, dass sie sich ihm als Jünger übergeben, sobald ihr Alter die Fähigkeit dazu mit sich bringt, und dass sie durch seinen Geist getauft werden, um dessen Kraft, die in der Taufe dargestellt wird, durch eigene gläubige Erkenntnis zu erfahren.
V. 38. Und stiegen hinab in das Wasser. Hier sehen wir, dass nach der Sitte der Alten der ganze Leib in das Wasser getaucht ward, während es jetzt allgemeine Sitte ist, dass der Diener den Leib oder nur den Kopf besprengt. Da wir nun in dem Sinnbild des Wassers ein Zeugnis sowohl unserer Abwaschung als auch des neuen Lebens haben, da uns Christus im Wasser wie in einem Spiegel sein Blut darstellt, in welchem wir Reinigung suchen sollen, da er uns lehrt, dass wir durch seinen Geist wiedergeboren werden und der Sünde absterben müssen, um der Gerechtigkeit zu leben, so fehlt uns ganz gewiss nichts am Wesen der Taufe. Wenn also dies gesichert ist, hat die Kirche seit Anbeginn sich die Freiheit genommen, etwas verschiedener Formen sich zu bedienen. Um solcher Dinge willen soll man die Kirche nicht zerreißen, noch allzu peinlich sich stellen, wenn nur nicht hinzugefügter, äußerer Prunk die schlichte Einsetzung Christi befleckt.
V. 39. Da sie aber heraufstiegen usw. Indem Lukas die Geschichte vom Kämmerer zum Abschluss bringt, erzählt er, dass Philippus seinem Anblick entzogen wurde. Dies trug zu seiner Befestigung nicht wenig bei, indem er sah, dass jener Mensch ihm wie ein Engel von Gott geschickt war, und dass er plötzlich wieder verschwand, ehe er ihm einen Lohn für seine Mühe bieten konnte. Daraus musste er schließen, dass er sich nicht etwa herangemacht hatte, um etwas zu verdienen. Aus diesem Umstand sollen Christi Knechte lernen, ihre Mühe für den Herrn ohne Entgeld aufzuwenden oder vielmehr den Menschen in einer solchen Weise zu dienen, dass sie den Lohn vom Himmel erwarten. Gewiss erlaubt der Herr den Dienern des Evangeliums, Lohn von denen anzunehmen, denen sie ihre Lehre widmen (1. Kor. 9, 9). Lohnarbeiter aber sollen sie nicht sein, die nur um des Gewinns willen sich mühen (Joh. 10, 12 f.). Vielmehr sollen sie dies als ihre Aufgabe betrachten, die Menschen selbst für Gott zu gewinnen.
Er zog aber seine Straße fröhlich. Diese Frucht tragen der Glaube und die Erkenntnis Gottes immer. Denn ein wahrhaftigerer Grund zur Freude lässt sich nicht denken, als dass der Herr uns nicht bloß die Schätze seiner Barmherzigkeit öffnet, sondern sozusagen sein Herz für uns ausschüttet und in seinem Sohn sich uns zu eigen gibt, so dass uns am vollkommenen Glück nichts fehlt. Nun wird der Himmel heiter und die Erde friedlich; nun ist das Gewissen von der traurigen und schrecklichen Empfindung des göttlichen Zorns befreit, aus der Tyrannei Satans gelöst, aus den Finsternissen des Todes aufgetaucht und schaut darum das Licht des Lebens. Darum ist es die Gewohnheit der Propheten, uns zur Freude, zu Jubel und Triumphgesang zu ermuntern, so oft sie von Christi Reich reden wollen. Weil aber Leute, deren Sinn von den eitlen Freuden der Welt erfüllt ist, zu dieser geistlichen Freude sich nicht aufschwingen können, sollen wir lernen, die Welt und alle ihre Lockungen zu verachten, damit Christus uns wahrhaft fröhlich mache.
V. 40. Philippus aber ward gefunden zu Asdod. Das war bekanntlich eine von den Städten, aus welchen man die Enakskinder nicht vertreiben konnte (Jos. 11, 22). Sie lag von Askalon ungefähr 200 Stadien entfernt. Dorthin wurde Philippus getragen, fing dann aber an nach Menschenweise weiterzugehen und den Samen des Evangeliums auszustreuen, wohin er kam. Dass er dies auf dem Wege tat, zeuge für einen seltenen und wunderbaren Eifer. Wenn aber Lukas erzählt, dass er in allen Städten predigte, bis dass er kam gen Cäsarea, ohne eine Rückkehr nach Samaria anzumerken, lässt sich vielleicht schließen, dass er einige Zeit in Cäsarea blieb.