Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Petrus - Kapitel 5

Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Petrus - Kapitel 5

1 Die Ältesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden, die in Christus sind, und auch teilhaftig der Herrlichkeit, die offenbaret werden soll; 2 weidet, so viel an euch ist, die Herde Gottes, und übet das Aufseheramt nicht gezwungen, sondern williglich; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; 3 nicht als die über die Gemeinden herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde. 4 So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Ehren empfangen.

Indem der Apostel die Hirten der Gemeinde an ihre Pflicht erinnert, weist er vornehmlich auf drei Laster hin, welche dieselben zu schädigen pflegen, auf Trägheit, Gewinnsucht und Herrschbegier. Gegenüber dem ersten Laster empfiehlt er einen fröhlichen und willigen Eifer, gegenüber dem zweiten eine uneigennützige Stimmung, gegenüber dem dritten Maßhalten, Bescheidenheit und Selbstzucht. Die Hirten sollen für die Herde des Herrn nicht gerade nur soviel sorgen, als die Notwendigkeit sie zwingt. Denn wer nicht mehr zu leisten strebt, als er sich gezwungen sieht, wird sein Werk nur geschäftsmäßig und nachlässig tun. Die Pastoren sollen also mit freiwilligem Geist wirken und ernstlich auf ihr Amt bedacht sein. Um ihnen die Habsucht auszutreiben, heißt der Apostel sie aus innerem Triebe ihre Pflicht tun. Denn wer sich nicht als Ziel vorsetzt, seine Arbeit gern und frei der Gemeinde zu widmen, wird nicht Christi Diener sein, sondern ein Knecht des Bauchs und des Geldsacks. Das dritte Laster, welches der Apostel verzeichnet, ist die Herrschsucht. Es fragt sich aber, an welche Art der Herrschaft er denkt. Die Antwort dürfte sich aus der entgegen gesetzten Aussage ergeben, dass die Pastoren Vorbilder der Herde sein sollen. Damit wird ihnen eingeprägt, dass ihre hervorragende Stellung sich in hervorragender Heiligkeit zeigen soll: dies wird aber nur der Fall sein, wenn sie sich und ihr Leben bescheiden der allgemeinen Regel unterwerfen. Dieser Tugend wird der tyrannische Hochmut gegenübergestellt, in welchem ein Pastor sich jeder Unterordnung entzieht und die Gemeinde in Knechtschaft niederhält. Solchen falschen Propheten wirft Hesekiel (34, 4) vor, dass sie streng und hart herrschen. Auch Christus tadelt die Pharisäer (Mt. 23, 4), dass die den Schultern des Volks unerträgliche Lasten auflegen, die sie selbst nicht mit einem Finger anrühren wollen. Es lässt sich also die herrschsüchtige Strenge, mit welcher schlechte Pastoren die Gemeinde behandeln, nur bessern, wenn sie ihre Autorität darauf beschränken, mit dem ehrbaren Vorbild des Lebens voranzugehen.

V. 1. Die Ältesten. Darunter sind die Pastoren zu verstehen, sowie alle, die zur Leitung der Gemeinde aufgestellt waren. Sie hießen „Älteste“ um ihrer ehrenvollen Stellung willen, nicht als wären sie alle bereits alte Leute gewesen, sondern weil sie vornehmlich aus den Greisen erwählt wurden. Denn hohes Alter besitzt gewöhnlich ein größeres Maß von Klugheit, Würde und Erfahrung. Weil aber, um mich eines Sprichworts zu bedienen, auch Alter nicht vor Torheit schützt und sich zuweilen junge Leute wie Timotheus finden, die für das Amt geeignet sind, so heißen auch sie nach ihrer Bestallung „Älteste“. Und wenn Petrus sich als Mitältesten bezeichnet, so sieht man eben daraus, wie auch aus manchen anderen Stellen, dass der Name allgemein geläufig war. Übrigens legt er sich mit diesem Titel eine besondere Autorität bei und will sagen, dass er ein gutes Recht habe, die Pastoren zu ermahnen, weil er zu ihnen gehört; denn diese wechselseitige Freiheit muss unter Amtsgenossen walten. Hätte er eine Obergewalt besessen, so hätte er sich auf sie berufen können, was im gegenwärtigen Fall besonders passend gewesen wäre. Aber obwohl er ein Apostel ist, weiß er, dass er durchaus keine Herrschaft über seine Amtsgenossen zu üben hat, sondern vielmehr durch gemeinsame Pflicht mit ihnen verbunden ist.

Zeuge der Leiden, die in Christus sind. Dieser Ausdruck kann von der Lehre verstanden werden, ich möchte ihn aber lieber auf das Leben beziehen. Denn auf diese Weise gewinnt man einen besseren Zusammenhang der beiden Satzglieder, dass Petrus die Leiden Christi an seinem Fleisch darstellt und auch teilhaftig der Herrlichkeit ist. So stimmt dieser Satz mit der Aussage des Paulus überein (2. Tim. 2, 12): „Dulden wir, so werden wir mit herrschen.“ Übrigens trägt es viel dazu bei, dir Worte des Apostels glaubwürdig zu machen, dass er durch das Dulden des Kreuzes einen Beweis seines Glaubens gab. Denn nun ist er gewiss, dass er im Ernst redet. Und wenn der Herr die Seinen in dieser Weise erprobt, so drückt er gewissermaßen ihrem Amt das Siegel auf, damit sie bei den Menschen an Würde und Ansehen gewinnen. Darauf zielt ja Petrus, dass man ihn als einen treuen Diener Christi hörend soll; zum Beweis dafür deutet er auf die Verfolgungen, die er erlitten hatte, und auf die Hoffnung des ewigen Lebens. Dabei erscheint bemerkenswert, dass Petrus ohne Scheu sich als einen Teilhaber der Herrlichkeit ausgibt, die doch noch nicht offenbar wurde. Denn es ist die Natur des Glaubens, auf verborgenen Gütern auszuruhen.

V. 2. Weidet, soviel an euch ist, die Herde Gottes. Hier lässt sich ersehen, was der Name eines Ältesten bedeutet: er schließt das Hirtenamt in sich. Geweidet kann aber Christi Herde nur durch die reine Lehre werden, welche die einzige Seelenspeise ist. Darum ist der kein Hirt, wer als stumme Larve dasteht, oder wer eigene Einfälle ausstreut, die wie tödliches Gift die Seelen umbringen. Übrigens ließe sich auch übersetzen: „Weidet die Herde, die bei euch ist.“ Ich ziehe aber die gegebene Übersetzung vor, die etwa besagen will: Spannt alle Sehnen an und wendet jede Fähigkeit auf, die Gott euch gegeben hat. Ob von der Herde Gottes oder des Herrn oder Christi die Rede ist, macht wenig Unterschied: alle drei Lesarten wurden überliefert.

Übet das Aufseheramt. Andere übersetzen: „Sehet wohl zu.“ Aber Petrus will ohne Zweifel von der Pflicht und dem Namen des Aufseheramts reden. Auch lässt sich aus andern Schriftstellen schließen (Apg. 20, 17 vgl. 28; Tit. 1, 5 vgl. 7), dass ein „Aufseher“ oder Bischof dasselbe ist wie ein Ältester oder Hirt. Der Apostel gibt also Vorschriften darüber, wie man das Hirtenamt recht verwalten soll, zunächst: nicht gezwungen. Denn wer sich nur an das hält, was ihm wie eine Notwendigkeit oder ein Zwang aufgelegt wurde, treibt sein Werk lässig und kalt.

V. 3. Nicht als die über die Gemeinden herrschen. Buchstäblich ließe sich fast übersetzen: „wider die Gemeinden.“ Damit beschreibt Petrus alle verkehrte Herrschaft, wie solche Leute sie üben, die sich nicht als Diener Christi und der Gemeinde fühlen und etwas mehr sein wollen. Das Wort „Klerus“ in der Mehrzahl, welches wir als „die Gemeinden“ übersetzen, bedeutet eigentlich „die Erbteile“. Wie die gesamte Gottesgemeinde das Erbe des Herrn heißt (5. Mos. 9, 29), so sind die einzelnen Gemeinden in Städten und Dörfern, deren Pflege einzelnen Hirten anvertraut wurde, gleichsam ebenso viele Erbteile Gottes. Wäre demgegenüber doch nie der Sprachgebrauch aufgekommen, dass man die Bezeichnung als „Klerus“, welche die Schrift der ganzen Gemeinde zuteil werden lässt, auf wenige Menschen beschränkt! Ausdrücklich ehrt aber Petrus die Gemeinden mit diesem Titel, um einzuprägen, dass jegliche Herrschaft, die Menschen an sich ziehen, ein Raub an Gottes Eigentum ist. Wenn der Herr an vielen Stellen die Kirche als sein Eigentum und Erbteil bezeichnet, will er eben die Herrschaft ganz für sich in Anspruch nehmen. Denn nicht eine Obergewalt, sondern eine Fürsorge hat er in die Hand der Pastoren gelegt, wobei ihm sein Recht ungeschmälert bleiben soll.

V. 4. So werdet ihr, wenn erscheinen wird usw. Wenn die Hirten nicht mit aller Anspannung auf dieses Ziel sich richten, können sie unmöglich im Lauf ihres Berufs emsig vorwärts kommen, ja, sie werden allmählich nachlassen. Denn es begegnen ihnen zahllose Anstöße, die sonst auch den Mutigsten außer Atem bringen könnten. Oft hat man mit undankbaren Menschen zu tun, die alle Mühe übel belohnen; lange und unermessliche Arbeiten sind oft vergeblich; Satan gewinnt mit seinen bösen Machenschaften zuweilen die Oberhand. Soll dabei ein frommer Diener Christi ungebrochen dastehen, so hat er nur das eine Heilmittel, dass er seine Augen auf Christi Wiederkunft richtet. So wird ein jeglicher sein Werk welches bei Menschen fruchtlos scheint, emsig verrichten, weil demselben beim Herrn ein so großer Lohn bereit liegt. Damit aber das lange Warten uns nicht dennoch erschlaffen lasse, rühmt der Apostel den hohen Wert des Lohnes, der den Verzug weit aufwiegen soll. Es wartet eurer, so sagt er, die unverwelkliche Krone der Ehren. Bemerkenswert ist auch, dass Christus der Erzhirte heißt: wenn wir die Gemeinde leiten, so tun wir es als seine Untergebenen und in seinem Namen, so dass er selbst ganz und gar der Oberhirt bleibt. Er besitzt nicht bloß eine hervorragende Stellung, sondern die Obergewalt über alle andern.

5 Desselbigengleichen, ihr Jüngeren, seid untertan den Ältesten. Allesamt seid untereinander untertan, und umkleidet euch mit Demut. Denn Gott widerstehet den Hoffärtigen; aber den Demütigen gibt er Gnade. 6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, dass er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn Er sorget für euch.

V. 5. Desselbigengleichen, ihr Jüngeren, usw. Die Ältesten, oder besser Älteren, werden hier in einem etwas anderen Sinne genannt als zuvor. Es stehen sich hier die Jungen und die Alten gegenüber. Gemeint sind also die Greise, während zuvor vom Ältestenamt die Rede war. Der Gedanke schreitet von einem engeren Kreise zu einem weiteren fort. Alles in allem will der Apostel, dass jeder, der an Lebensalter zurücksteht, auf den Rat der Älteren höre und sich belehrbar und bescheiden stelle. Denn junge Leute kommen besonders leicht zu Fall, bedürfen also des Zügels. Weiter können die Hirten ihr Amt nicht ausrichten, wenn nicht jene ehrerbietige Stimmung waltet und gepflegt wird, dass jüngere Leute sich leiten lassen. Denn wo keine Unterordnung ist, ist jede Ordnung in der Gemeinschaft umgestürzt. Wo die Leute, die nach Ordnung des Rechtes oder der Natur an der Spitze stehen sollten, keine Autorität besitzen, wird die Masse sofort zügellos und frech.

Allesamt seid untereinander untertan. Damit wird der Zweck aufgedeckt, welchem die geforderte Unterordnung der Jüngeren unter die Älteren dient: es soll unter allen Gleichmäßigkeit und Harmonie bestehen. Die Autorität, welche den alten Leuten zugesprochen wird, bedeutet doch nicht das Recht und die Freiheit, für sich selbst den Zügel abzuschütteln; auch ihrerseits haben sie sich in eine Ordnung zu fügen, damit man sich gegenseitig diene. So ist der Mann des Weibes Haupt, und doch ist er ihr auch seinerseits gewissermaßen unterworfen. So hat ein Vater Obergewalt über seine Kinder, und doch ist er nicht derartig von aller Unterordnung frei, dass er nicht auch er ihnen etwas schuldete. Dieser Grundsatz gilt ganz allgemein. Kurz, alle Abstufungen im Gemeinschaftsleben zielen auf die Erhaltung des Gesamtkörpers. Sie wird unmöglich sein, wenn nicht alle Glieder in gegenseitiger Unterordnung sich ineinander fügen.

Denn Gott widerstehet den Hoffärtigen. Eine überaus schwere Drohung: alle Menschen, die sich überheben möchten, werden Gott zum Feinde haben, der sie niederschlägt; wer dagegen sich niedrig hält, wird an ihm einen Freund und Gönner finden. Wir mögen uns vorstellen, das Gott zwei Hände hat: mit der einen schlägt er wie mit einem Hammer nieder, die sich erheben, und zermalmt sie; mit der andern hebt und stützt er wie mit einer starken Stütze, die sich freiwillig beugen. Wäre dies unsere feste, unseren Herzen tief eingeprägte Überzeugung, wer würde dann im Übermut Krieg mit Gott anzufangen wagen? Weil wir aber ungestraft zu bleiben hoffen, erheben wir ungescheut unser Horn bis zum Himmel. Es möge also der Satz des Petrus wie ein himmlischer Blitzstrahl wirken, die Menschen zu demütigen. Unter den Demütigen sind Leute zu verstehen, die sich von allem Vertrauen auf eigene Tüchtigkeit, Weisheit und Gerechtigkeit entäußern und alles Gute in Gott allein suchen. Wenn man auf keinem andern Weg zu Gott gelangen kann, wer sollte dann nicht gern auf Eigenruhm verzichten und sich demütigen?

V. 6. So demütiget euch nun. Immer müssen wir das Ziel im Auge behalten, um dessentwillen der Apostel uns die Demut vor Gott anbefiehlt: wir sollen dadurch freundlich und menschlich mit den Brüdern umgehen lernen und die Unterordnung nach dem Maß der Liebe nicht verweigern. Wer also hochfahrend und widerwillig im Verkehr mit den Menschen ist, von dem sagt der Apostel, dass er sich wider Gott auflehnt. Demgemäß ermahnt er alle Frommen, sich der Macht Gottes zu unterwerfen. Er spricht, um uns desto mehr Schrecken einzujagen, von Gottes gewaltiger Hand. Das hat in diesem Zusammenhange auch den Sinn, dass wir uns nicht zu fürchten brauchen, als ob eine demütige Haltung uns schaden könnte und die andern daraus nur Anlass zu größerer Frechheit nähmen. Dem begegnet Petrus und verheißt, dass Gott alle, die sich unterwerfen, erhöhen werde. Um aber zugleich einer übergroßen Eile zu wehren, fügt er hinzu: zu seiner Zeit. Er prägt also ein, dass wir nötig haben, für eine Spanne Zeit demütige Unterwerfung zu lernen, dass aber Gott schon weiß, wann es nützlich ist, uns emporzuheben. So ziemt es sich, dass wir uns seinem Rat anvertrauen.

V. 7. Alle eure Sorge werfet auf ihn usw. Jetzt verweist uns der Apostel noch dringender auf Gottes Vorsehung. Das Sprichwort sagt, man müsse mit den Wölfen heulen, und töricht sei, wer wie ein Schaf vom Wolf sich verschlingen lasse. Solche Reden entspringen doch nur der Meinung, dass ein bescheidenes Verhalten auf unserer Seite der Frechheit der Gottlosen die Zügel löse, so dass sie uns nur noch hochfahrender angreifen. Solche Stimmung erwächst aber aus Unkenntnis der göttlichen Vorsehung. Sobald es uns dagegen einmal feststeht, dass Gott für uns sorgt, wird unsere Seele leicht auf Geduld und Sanftmut sich stimmen lassen. Damit also menschliche Ungerechtigkeit uns nicht zu trotzigem Widerstand reize, gibt uns der Apostel das gleiche Heilmittel in die Hand, wie David im 37. Psalm (V. 5): indem wir unsere Sorge auf Gott werfen, sollen wir still sein. Denn wer nicht in Gottes Vorsehung seine Ruhe findet, muss in sich selbst in beständigem Aufruhr sein und mit gewaltsamem Ansturm auf andere losschießen. Umso eifriger sollen wir uns in den Gedanken versenken, dass Gott für uns sorgt: so werden wir zum ersten starken Frieden in uns haben und zum andern uns bescheiden und sanftmütig gegen die Menschen beweisen. Dass wir alle unsere Sorge auf Gott werfen sollen, hat übrigens nicht den Sinn, als sollte unser Herz wie Stein werden und wir alle Empfindung verlieren; nur soll uns kein Zittern noch übermäßige Angst zur Ungeduld treiben. Die Erkenntnis der göttlichen Vorsehung verscheucht nicht derartig jede Sorge, dass die Menschen in Sicherheit sich könnten gehen lassen: sie will uns nicht fleischliche Stumpfheit, sondern Ruhe des Glaubens bringen.

8 Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge. 9 Dem widerstehet, fest im Glauben, und wisset, dass eben dieselbigen Leiden über eure Brüder in der Welt sich vollenden. 10 Der Gott aber aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner Herrlichkeit in Christus Jesus, derselbige möge euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Demselbigen sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

V. 8. Seid nüchtern usw. Diese Mahnung greift weiter. Weil die Gläubigen im Kampf mit einem überaus scharfen und mächtigen Feind stehen, müssen sie zum Widerstand gerüstet sein. Dies wird in einem doppelten Bilde ausgedrückt: seid nüchtern und wachet. Schlemmerei macht träge und schläfrig; desgleichen verfallen Leute, die sich durch irdische Sorgen oder Vergnügungen berauschen, in geistlichen Schlaf oder Gedankenlosigkeit. Jetzt verstehen wir, was der Apostel meint: es ist uns in dieser Welt ein Kriegsdienst verordnet, und wir haben es mit einem Feinde zu tun, den wir nicht verachten dürfen, der wie ein Löwe hierhin und dorthin springt, damit er uns verschlinge. So ergibt sich der Schluss, dass man ernstlich wachen müsse. Mit demselben Beweisgrund schärft Paulus unsern Eifer, wenn er sagt (Eph. 6, 12), dass wir nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, sondern mit der Nichtswürdigkeit böser Geister. Den Frieden missbrauchen wir ja meistens zu müßigem Treiben; so geschieht es, dass der Feind uns allmählich umgarnt und erdrückt, weil wir uns außer Gefahr wähnten und in den Lüsten des Fleisches gehen ließen. Der Vergleich des Teufels mit einem Löwen will ihn als ein überaus reißendes Wesen darstellen. Dass er umhergehet, uns zu verschlingen, soll uns zu eifriger Wachsamkeit treiben. Weiter heißt der Teufel der Widersacher der Frommen: denn diese sollen wissen, dass ihr Gottesdienst und gläubiges Bekenntnis zu Christus sie verpflichtet, mit dem Teufel einen beständigen Krieg zu führen. Denn er, der wider das Haupt ankämpft, wird die Glieder nicht verschonen.

V. 9. Dem widerstehet. Dass der Feind so mächtig ist, soll uns auf der einen Seite scharf und besorgt machen; anderseits wäre doch Gefahr, dass ein unmäßiger Schrecken uns den Mut nehmen könnte, wenn uns nicht Hoffnung auf Sieg geboten würde. Der Apostel will uns also wissen lassen, dass der Krieg einen glücklichen Ausgang nehmen muss, wenn wir unter Christi Fahnen streiten. Denn wer in der Rüstung des Glaubens in den Kampf zieht, wird sicherlich den Sieg gewinnen. Der Apostel sagt: widerstehet! Fragt jemand: womit? – so lautet die Antwort; dass der Glaube Stärke genug hat: fest im Glauben. Paulus aber zählt an der eben zitierten Stelle (Eph. 6, 13) die einzelnen Stücke der Waffenrüstung auf. Dies alles will das gleiche besagen wie das Zeugnis des Johannes (1. Joh. 5, 4): „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“

Und wisset, dass eben dieselbigen Leiden usw. Auch dies dient zum Trost, dass wir in dem gleichen Kampf stehen wie alle Kinder Gottes. Denn Satan bereitet uns eine besonders gefährliche Versuchung, wenn er uns von dem Leibe Christi trennt. Darum erinnert uns der Apostel, dass nichts uns trifft, was wir nicht auch an den andern Gliedern der Gottesgemeinde sehen. Und wir dürfen uns durchaus nicht weigern, in der Gemeinschaft mit allen Heiligen zu stehen und in der gleichen Lage wie sie. Dass die Leiden sich vollenden, bedeutet etwa soviel wie das Wort des Paulus (Kol. 1, 24), dass täglich an den Gläubigen vollendet werde, was an den Trübsalen Christi noch fehlt. Dass die Brüder in der Welt sind, kann doppelt verstanden werden. Entweder ist die Meinung, dass Gott seine Gläubigen unterschiedslos übt, wo immer sie sich unter den Völkern der Welt befinden. Oder es soll gesagt werden, dass die Notwendigkeit des Kriegsdienstes unser wartet, solange wir in dieser Welt leben. Auch darauf wollen wir hinweisen, dass die Anläufe des Satans, von denen die Rede war, jegliche Art von Trübsalen umfassen. Wir schließen daraus, dass wir immer mit einem dämonischen Feinde zu tun haben, woher auch die Widrigkeiten kommen mögen, - mag uns Krankheit drücken, mag infolge Unfruchtbarkeit der Äcker Hungersnot drohen, oder mögen Menschen uns lästig fallen.

V. 10. Der Gott aber aller Gnade usw. Nachdem der Apostel hinreichend Mahnungen gegeben, wendet er sich jetzt zum Gebet. Denn eine bloße Belehrung würde fruchtlos in der Luft verfliegen, wenn nicht Gott durch seinen Geist wirkte. So müssen alle Diener Gottes diesem Beispiel folgen, damit der Herr selbst ihren Mühen Erfolg schenke, - denn anders schaffen sie weder mit Pflanzen noch mit Begießen etwas. Statt der Wunschform: Gott möge euch vollbereiten – gibt es auch eine andere Lesart: er wird euch vollbereiten. In jedem Falle bedeutet auch das Gebet des Apostels, welches ich lieber hier finden möchte, eine Stärkung für seine Leser. Denn wenn er den Herrn den Gott aller Gnade nennt und hinzufügt: der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit, so zielt er ohne Zweifel darauf, mit voller Sicherheit einzuprägen, dass Gott sein angefangenes Heilswirken zur Vollendung führen wird. Ausdrücklich spricht er aber von „aller“ Gnade. Er will dadurch die Leser anleiten, alles Gute, was sie haben, auf Rechnung Gottes zu setzen. Weiter sollen wir erwarten, dass immer eine Gnadengabe sich an die andere schließe, so dass wir, was uns jetzt noch fehlt, von der Zukunft erhoffen.

Der uns berufen hat usw. Wie ich schon sagte, will dieser Zusatz unser Vertrauen stärken. Denn nicht bloß seine Güte, sondern auch seine bereits geschenkten Wohltaten treiben den Herrn, uns mehr und mehr zu helfen. Es ist auch nicht einfach von unserer Berufung die Rede, sondern von der ewigen Herrlichkeit als ihrem Ziel. Außerdem wird uns der feste Grund der Berufung in Christus Jesus gezeigt. Beides soll unsere Zuversicht auf einen dauerhaften Bestand stärken. Denn wenn unsere Berufung in Christus begründet ist und auf das himmlische Gottesreich und die selige Unsterblichkeit zielt, kann sie nicht schwankend und hinfällig sein. Wenn wir in Christus berufen sind, ist unsere Berufung auf guten Grund gebaut; und zum andern sollen wir daraus abnehmen, dass jede Rücksicht auf eigene Würdigkeit und Verdienst ausgeschlossen ist. Denn schon dies ist ein unverdientes Geschenk, dass Gott uns durch die Predigt des Evangeliums zu sich einlädt; größere Gnade aber ist es noch, wenn er unsere Herzen wirksam beeinflusst, so dass wir seiner Stimme gehorchen. Petrus redet ja insbesondere zu Gläubigen: darum denkt er mit der äußeren Predigt die innere Geisteswirkung verbunden. Dass er aber mit vielen Worten eine und dieselbe Sache beschreibt: Gott möge euch vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen, - soll uns erinnern, wie schwierig die Vollendung unseres Laufes ist, und dass es darum einer besonderen Gottesgnade bedarf. Ein Zwischensatz deutet darauf hin, dass die Dauer der Anfechtung kurz sein wird: die ihr eine kleine Zeit leidet. Auch dies ist ein kräftiger Trostgrund.

V. 11. Demselbigen sei Ehre usw. Statt dieser Wunschform ließe sich auch übersetzen: demselbigen gebührt Ehre. Jedenfalls soll es den Frommen die Zuversicht stärken, wenn der Apostel jetzt in einen Lobpreis Gottes ausbricht.

12 Durch euren treuen Bruder Silvanus (als ich achte) habe ich euch ein wenig geschrieben, zu ermahnen und zu bezeugen, dass das die rechte Gnade Gottes ist, darinnen ihr stehet. 13 Es grüßen euch, die samt euch auserwählet sind zu Babylon, und mein Sohn Markus. 14 Grüßet euch untereinander mit dem Kuss der Liebe. Friede sei mit allen, die in Christus Jesus sind! Amen.

V. 12. Durch euren treuen Bruder Silvanus usw. Dieser Schluss des Briefes ermahnt die Leser zur Standhaftigkeit. Ja, der Apostel erklärt geradezu, es sei seine Absicht gewesen, sie im Gehorsam gegen die Lehre, die sie angenommen hatten, festzuhalten. Dabei empfiehlt er seinen Brief mit seiner Kürze: das Lesen soll ihnen nicht allzu schwer fallen. Sodann fügt er eine kurze Empfehlung des Überbringers hinzu, damit auch das lebendige Wort sich zur schriftlichen Aussprache geselle. Denn eben darauf zielt das Zeugnis der Treue, welches dem Silvanus gegeben wird. Wenn der Apostel hinzufügt: als ich achte, - so geschieht dies entweder, weil er bescheiden reden oder die Leser gewiss machen will, dass er nur das sagt, wovon er wirklich überzeugt ist. Es wäre aber ungereimt, wenn sie selbst dem Urteil eines so bedeutenden Apostels nicht zustimmen wollten.

Zu ermahnen und zu bezeugen usw. Wie schwierig es ist, in dem angenommenen Glauben zu verharren, sieht man daraus, dass täglich viele abfallen. Bei dem Leichtsinn und der Unbeständigkeit der Menschen, ja bei ihrer übergroßen Neigung zu eitlem Wesen darf man sich darüber nicht wundern. Weil nun aber keine Lehre feste und beständige Wurzeln in den Menschenherzen schlagen kann, die noch mit irgendeinem Zweifel behaftet ist, bezeugt es der Apostel, dass es die gewisse Wahrheit Gottes ist, in welcher die Leser unterwiesen wurden. Wenn uns dies nicht im tiefsten Herzensgrunde feststeht, müssen wir freilich immer wieder von neuem schwanken und uns jedem Windhauch einer neuen Lehre beugen. Unter der Gnade Gottes ist der Glaube mit seinen Wirkungen und Früchten zu verstehen.

V. 13. Viele alte Ausleger deuteten Babylon allegorisch auf Rom. Diese Einbildung lassen sich die Papisten gern gefallen, damit Petrus als Vorsteher der römischen Kirche gelten könne. Die Schmach, die an diesem Namen haftet, schreckt sie nicht, wenn sie nur den Ehrentitel eines apostolischen Sitzes vorwenden können. Es liegt ihnen ja auch nicht viel an Christus, wenn ihnen nur Petrus bleibt. Ja, wenn sie nur den Namen des Stuhles Petri behalten können, haben sie nichts dagegen, dass sich ihr Rom in der tiefsten Hölle ansiedelt. Aber jene alte Einbildung ist grundlos. Und was vollends Eusebius und Hieronymus von einem fünfundzwanzigjährigen Aufenthalt des Petrus in Rom zu sagen wissen, widerlegt ein einfacher Blick auf die beiden ersten Kapitel des Galaterbriefs. Dass Petrus, als er seinen Brief schrieb, in Babylon sich befand, ist auch darum wahrscheinlicher, weil er damals den Markus als Begleiter bei sich hatte. Es stimmt dies auch besser mit seinem Beruf. Wir wissen ja, dass er insbesondere als Apostel für die Juden bestimmt war; so bereiste er vornehmlich solche Gegenden, in denen größere Scharen dieses Volkes wohnten. Wenn er nun von den Brüdern dort sagt: die samt euch auserwählet sind, so will er damit die anderen zu einer stets wachsenden Befestigung ihres Glaubens anhalten. Denn es war eine große Sache, dass Juden aus so weit voneinander entfernten Weltgegenden zu einer auserwählten Gottesgemeinde zusammenwuchsen.

Mein Sohn. Diesen Ehrentitel gibt der Apostel dem Markus, weil er ihm das Leben des Glaubens geschenkt hatte, gleichwie Paulus dem Timotheus. Der Kuss der Liebe soll als ein äußeres Zeichen der inneren Herzensgemeinschaft entsprechen.

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