Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Johannes - Kapitel 4.

Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Johannes - Kapitel 4.

Die Rede kehrt zu der vorigen Rede zurück, die schon im zweiten Kapitel berührt wurde. Viele nämlich missbrauchten, wie es bei etwas Neuem zu geschehen pflegt, den Namen Christi, um ihre Irrlehren auszustreuen. Andere bekannten sich halb und halb zu Christus; da sie aber zu der Gemeinde gehörten, waren sie umso schädlicher. Besonders suchte der Satan an Christus selbst Stoff zu gewinnen, um die Kirche zu verwirren. Er ist ja der Stein des Anstoßes, an dem sich alle stoßen müssen, die den geraden Weg, wie er uns von Gott gezeigt ist, nicht innehalten. Diese ganze Auseinandersetzung des Apostels besteht aus drei Teilen. Im ersten zeigt er das Übel, von welchem den Gläubigen Gefahr droht, und mahnt sie deshalb, sich zu hüten. Im zweiten schreibt er ihnen vor, wie sie sich hüten sollen, nämlich dadurch, dass sie die Geister prüfen. Endlich bezeichnet er eine besondere Art, von der ihnen am meisten Gefahr droht. Er warnt sie, auf die zu hören, die leugnen, dass der Sohn Gottes im Fleisch erschienen sei. Nun wollen wir das einzelne der Reihe nach behandeln. Im Texte steht der Satz, dass viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen sind, nicht an erster Stelle, aber es ist doch praktisch, damit den Anfang zu machen. Es enthält dieser Satz eine nützliche Mahnung; der Satan hat schon damals viele angetrieben, unter dem Namen Christi ihre Betrügereien auszustreuen, und deshalb darf uns heute etwas Ähnliches nicht verwirren. Das ist eben die beständige Lage des Evangeliums, dass der Satan versucht, seine Reinheit durch allerhand Irrlehren zu beflecken und zu verderben. Dieses unser Jahrhundert hat schreckliche und ungeheuerliche Sekten hervorgebracht. Deshalb bleiben viele wie betäubt hängen und werfen alle Sorge für die Frömmigkeit weg, da sie nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen. Sie finden keinen besseren Weg, sich aus der Gefahr der Irrlehren herauszuwinden. Das ist durchaus töricht; indem sie das Licht der Wahrheit fliehen, stürzen sie sich in die Finsternis der Irrlehren. Darum wollen wir uns tief einprägen: sobald das Evangelium anfing, ausgebreitet zu werden, sind auch sofort falsche Propheten aufgestanden. Diese Lehre wird uns gegen jenes Ärgernis schützen. Sehr viele hält das Alter der Irrlehren wie gebunden fest, dass sie nicht wagen, aus ihnen emporzutauchen. Der Apostel beschreibt hier ein inneres Übel der Kirche. Wenn also schon damals sich Betrüger unter die Apostel und andere treue Lehrer gemischt haben, was Wunder, wenn jetzt so viele Verderbnisse in der Welt umherschwirren, wo die Lehre des Evangeliums so lange unterdrückt war. Es ist also nicht so, dass uns das Alter der Irrlehren hindern müsste, die Wahrheit frei von der Lüge zu scheiden.

V. 1. Glaubt nicht einem jeglichen Geist. Viele, wie gesagt, treten erschrocken vom Evangelium ab, weil die Kirche durch Uneinigkeit und Kampf erschüttert wird. Der Geist aber schreibt ein ganz anderes Mittel vor; nämlich die Gläubigen sollen nicht leichtsinnig und ohne Wahl jede Lehre aufnehmen. Man muss sich also hüten, dass man nicht, durch die Mannigfaltigkeit der Meinungen geärgert, dem Worte Gottes zugleich mit den Lehrern den Abschied gebe. Es muss das Auskunftsmittel genügen, dass man nicht auf alle ohne Unterschied höre. Unter dem Ausdruck „Geist“ verstehe ich einen Menschen, der sich rühmt, mit der Gabe des Geistes ausgerüstet zu sein zur Verwaltung des Prophetenamtes. Denn da niemand in seinem eigenen Namen reden darf, darf man solchen, die reden, auch nur so weit Glauben schenken, als sie Werkzeuge des heiligen Geistes sind. Damit deshalb die Propheten mehr Ansehen hätten, hat Gott selbst sie mit diesem Worte „Geist“ geschmückt, als wollte er sie aus der Zahl der gewöhnlichen Menschen herausnehmen. „Geister“ wurden also solche Männer genannt, die ihre Zunge den Aussprüchen des heiligen Geistes darboten, nichts aus ihrem eigenen Geist hervorbrachten und nicht im eigenen Namen auftraten. Dieser Ehrentitel zielte aber darauf, dass das Wort Gottes nichts an Verehrung verliere durch die Verachtung des Dieners. Denn Gott wollte allezeit, dass sein Wort aus Menschenmund ebenso aufgenommen werde, als wenn er selbst offenbar vom Himmel her erschienen wäre. Hier schlich sich Satan ein; wie er falsche Lehrer unterschob, um das Wort Gottes zu fälschen, so legte er ihnen auch einen Namen bei, unter dem sie besser betrügen konnten. So haben sich die falschen Propheten immer ernstlich und mit vollen Backen alle Ehre angemaßt, die Gott auf seine Knechte gelegt hatte. Der Apostel scheint aber absichtlich diesen Ausdruck „Geist“ gebraucht zu haben, damit solche, die fälschlich den Namen Gottes verwenden, uns nicht durch ihre Maske täuschen möchten. So sehen wir ja auch heute, dass sehr viele durch den bloßen Titel „Kirche“ kopfscheu gemacht werden. Sie willen sich lieber dem Papst zu ihrem ewigen Verderben anschließen, als ihm irgendetwas, und sei es auch noch so wenig, von seinem Ansehen entziehen. Dieses Zugeständnis ist also zu merken. Der Apostel konnte ja sagen, man müsse nicht jedem Menschen glauben; da aber die falschen Lehrer den Titel „Geist“ erlogen, so lässt er ihnen diesen. Aber er erinnert zugleich, dieser Titel sei abgeschmackt und läppisch, wenn sie nicht durch die Tat selbst sich als das auswiesen, wofür sie sich ausgeben. Die aber, sagt er, sind töricht, die, durch den bloßen Klang eines ehrenvollen Titels bezaubert, der Sache selbst nachzuforschen nicht wagen.

Prüfet die Geister.Weil nicht alle Prophetie wahr ist, so betont der Apostel hier, man müsse sie einer Prüfung unterwerfen. Er redet dabei nicht nur den ganzen Leib der Kirche an, sondern auch die einzelnen Gläubigen. Aber es fragt sich, woher wir diese Unterscheidung gewinnen sollen. Wenn man antwortet, das Wort Gottes sei die Richtschnur, nach der alles untersucht werden müsse, was die Menschen vorbringen, so sagt man wohl etwas, aber nicht alles. Ich gebe zu, dass die Lehren am Worte Gottes zu prüfen sind; wenn aber der Geist des Verstandes nicht dabei ist, so wird es nichts oder wenig nützen, das Wort Gottes zur Hand zu haben, dessen Auslegung uns nicht feststeht. So wird z. B. das Gold durchs Feuer oder durch einen Prüfstein geprüft, aber nur von denen, welche die Kunst verstehen. Unkundige wissen nicht, wie sie es anfangen sollen. Um also rechte Richter zu sein, müssen wir mit dem Geist der Unterscheidung begabt sein und von ihm geleitet werden. Der Apostel würde uns dies aber vergeblich vorschreiben, wenn die Fähigkeit zu urteilen nicht vorhanden wäre. Darum ist festzustellen, dass die Frommen niemals vom Geist des Verstandes verlassen sein werden, soweit es nötig ist, wenn sie ihn nur vom Herrn erbitten. Aber nur dann wird uns der Geist zur wahren Unterscheidung führen, wenn wir alle unsere Sinne dem Worte unterwerfen. Dasselbe ist uns, wie man gesagt hat, ein Probierstein; ja es soll uns viel mehr sein, da alle Lehre, die als rechtmäßig gelten will, aus ihm geschöpft werden muss. Aber hier entsteht eine schwierige Frage. Wenn bei den einzelnen das Recht und die Entscheidung liegen, so wird niemals etwas Gewisses festgesetzt werden können, ja, die ganze Religion wird ins Schwanken geraten. Ich antworte: Die Prüfung der Lehre ist eine doppelte, eine private und eine öffentliche. Eine private, vermöge deren ein jeder seinen Glauben festmacht, so dass er sicher auf der Lehre ruht, von der er weiß, dass sie von Gott ausgegangen ist. Denn nur in Gott werden die Gewissen eine sichere und ruhige Stellung finden. Die öffentliche Prüfung zielt auf die allgemeine Übereinstimmung und die Regierung der Kirche. Es ist Gefahr, dass sich Schwärmer erheben, die sich dreist rühmen, mit dem Geiste Gottes begabt zu sein. Daher ist dies Hilfsmittel notwendig, dass die Gläubigen zusammenkommen und den Weg einer frommen und reinen Übereinstimmung suchen. Da übrigens jenes alte Sprichwort: „So viel Köpfe, so viele Sinne“ – nur allzu wahr ist, so ist es sicher ein einzigartiges Werk Gottes, wenn er bewirkt, dass wir alle Hartnäckigkeit zähmen, dasselbe meinen und zu einer reinen Glaubenseinheit zusammenwachsen. Dass aber die Papisten unter diesem Vorwande alles, was jemals auf Konzilen beschlossen worden ist, für sichere Gottessprüche gehalten wissen wollen, weil ja die Kirche einmal bestimmt hat, es stamme von Gott, das ist allzu töricht. Der ordentliche Weg, eine Übereinstimmung zu suchen, ist allerdings der, ein frommes und heiliges Konzil zusammenzurufen, wo die Streitpunkte aus dem Worte Gottes entschieden werden. Aber Gott hat uns doch niemals an die Beschlüsse eines beliebigen Konzils gebunden. Wenn hundert und mehr Bischöfe an einem Ort zusammengekommen sind, so folgt daraus doch noch nicht sofort, dass sie Gott recht angerufen und aus seinem Munde erkundet haben, was wahr ist. Nichts ist ja klarer, als dass sie oft von dem lauteren Wort Gottes abgewichen sind. Also muss auch hier die Prüfung bleiben, die der Apostel vorschreibt, nämlich dass wir die Geister prüfen.

V. 2. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen usw. Der Apostel fügt ein besonderes Kennzeichen hinzu, durch das man die wahren Propheten besser von den falschen unterscheiden kann, obwohl er hier nur wiederholt, was wir schon hörten, dass nämlich Christus die Klippe ist, an der alle Ketzer scheitern, wie er das Ziel ist, in dem der rechte Glaube gipfelt. Solange wir also in Christus bleiben, ist die Sache gut, sobald man aber von ihm abweicht, geht der Glaube zugrunde und ist aller Wahrheit entleert. Lasst uns übrigens daran denken, was dies Bekenntnis enthält. Wenn der Apostel sagt: Christus ist gekommen, so schließen wir daraus, dass er vorher beim Vater war. Dadurch wird seine ewige Gottheit aufgezeigt. Wenn er sagt, er sei im Fleisch gekommen, so deutet er an, dass er durch die Fleischwerdung ein wahrer Mensch wurde, von derselben Natur wie wir, um unser Bruder zu sein, abgesehen davon, dass er von aller Sünde und Verderbtheit frei geblieben ist. Endlich wollen wir auch den Grund seines Kommens ins Auge fassen, denn er ist nicht umsonst vom Vater gesandt worden. Davon hängt das Amt und die Bedeutung Christi ab. Wie nun die alten Ketzer von diesem Glauben abgefallen sind, indem sie teils die göttliche Natur Christi, teils seine menschliche leugneten, so halten auch heute die Papisten, wenn sie auch Christus als Gott und Mensch bekennen, doch dies Bekenntnis, welches der Apostel fordert, keineswegs fest; denn sie berauben Christus seiner Kraft. Da sie ihren freien Willen, das Verdienst der Werke, ihre erdichteten Kulte, die Genugtuungen, die Fürbitten der Heiligen festhalten, was bleibt da für Christus noch übrig? Das also meint der Apostel: weil die Erkenntnis Christi die Summe der Lehre zur Gottseligkeit in sich fasst, so muss man die Augen immer auf sie richten, damit wir nicht straucheln. Sicher ist Christus das Ende des Gesetzes und der Propheten. Aus dem Evangelium lernen wir nichts anderes als seine Kraft und Gnade.

V. 3. Und das ist der Geist des Widerchrists. Der Apostel hat das hinzugefügt, um die Betrügereien, die uns von Christus abziehen, als recht verabscheuungswürdig hinzustellen. Wir haben ja gesagt, dass die Lehre vom Reich des Antichrists sehr viel behandelt worden ist, damit die Gläubigen sich recht in acht nähmen; sie waren ja in Betreff der künftigen Verwirrung der Kirche gewarnt. Mit Recht verabscheuten sie also jenen Namen als einen verrufenen und verhängnisvollen. Nun sagt der Apostel: alle die sind Glieder seines Reiches, die Christus herabsetzen. Dass aber der Geist des Widerchrists kommen werde und dass er jetzt schon in der Welt sei, sagt er in einem verschiedenen Sinne. Er meint nämlich, er sei schon damals in der Welt gewesen, weil sich das Geheimnis seiner Bosheit regte. Weil aber die Wahrheit Gottes noch nicht durch falsche und gefälschte Lehrsätze unterdrückt war, weil die Gottesverehrung noch nicht verderbt war und der Aberglaube noch nicht die Oberhand gewonnen hatte, weil die Welt noch nicht in ruchloser Untreue von Christus abgefallen war, weil die Tyrannei wider das Reich Christi noch nicht öffentlich aufgetreten war, darum sagt er, er werde noch kommen.

V. 4. Ihr seid von Gott. Der Apostel hatte von einem Widerchrist geredet; jetzt erwähnt er mehrere. Indessen bezieht sich die Mehrzahl: ihr habt „jene“ überwunden – auf die falschen Propheten, die schon damals aufgetaucht waren, bevor ihr Haupt auftrat. Die Absicht des Apostels ist, den Gläubigen Mut zu machen, tapfer und unerschrocken den Betrügern zu widerstehen. Die Kampfeslust schwindet bedeutend, wenn der Ausgang zweifelhaft ist. Ferner konnte es den Guten Angst einjagen, dass sie gleich nach der Gründung des Reiches Christi die Feinde in Schlachtordnung dastehen sahen, um es zu unterdrücken. Wenn daher auch noch gekämpft werden muss, so sagt der Apostel doch: Ihr habt bereits überwunden – weil ein glücklicher Ausgang sicher ist. Es ist, als wollte er sagen: Ihr seid mitten in der Schlacht schon außer Gefahr, weil ihr Sieger sein werdet. Diese Lehre muss noch weiter ausgeführt werden. Jeder Streit, den wir gegen die Welt und das Fleisch aufnehmen, ist mit sicherem Siege verbunden. Für uns bleiben zwar harte und heftige Kämpfe, und einer folgt dem andern, aber wir sind doch Sieger im Kämpfen und im Arbeiten, weil wir in Christi Kraft kämpfen, ausgerüstet mit Gottes Waffen. Was die Besonderheit dieser Stelle angeht, so ist es ein ausgezeichneter Trost, dass wir in der Wahrheit Gottes stehen bleiben werden, mit was für Listen auch der Satan uns angreift. Indessen ist auch der Grund zu beachten, der sofort angegeben wird: der in euch ist, ist größer, das heißt stärker, denn der in der Welt ist. Unsere Schwäche ist derart, dass wir unterliegen müssen, bevor wir mit dem Feinde handgemein geworden sind. Wir sind mit Unwissenheit umfangen und deshalb allen Betrügereien ausgesetzt; Satan aber ist ein wunderbarer Künstler im Betrügen. Wenn wir auch einen Tag standhalten würden, so würde doch der Zweifel unsere Seele beschleichen: wie wird es morgen sein; wir würden beständig in Angst sein. Deshalb erinnert der Apostel, dass wir nicht aus eigener, sondern aus Gottes Kraft stark sind. Daraus schließt er, dass wir so wenig besiegt werden können wie Gott, der uns mit seiner Kraft bis ans Ende der Welt ausgerüstet hat. Bei unserm ganzen geistlichen Streit muss der Gedanke sich unsern Herzen einprägen: es ist erst dann um uns geschehen, wenn wir bloß mit unsern Kräften kämpfen müssen; weil aber Gott die Feinde vertreibt, während wir ruhen, so ist der Sieg unzweifelhaft.

V. 5. Sie sind von der Welt. Das ist kein geringer Trost, dass Leute, die Gott in uns anzugreifen wagen, nur mit den Waffen der Welt ausgerüstet sind. Unter „Welt“ versteht der Apostel die Welt, sofern Satan ihr Fürst ist. Zugleich wird ein anderer Trost hinzugefügt, indem er erklärt, dass die Welt die falschen Propheten ins Herz schließe, weil sie dieselben als die ihrigen erkennt. Wir sehen, wie groß die Neigung des Menschen zum Eitlen ist. Falsche Lehrer dringen sogleich leicht vor und verbreiten sich weit und breit. Der Apostel sagt, es sei kein Grund vorhanden, dass wir deshalb verwirrt werden müssten. Denn es ist nichts Neues oder Ungewohntes, wenn die Welt, die ganz verlogen ist, gern die Lüge hört.

V. 6. Wir sind von Gott. Obwohl das in Wahrheit von allen Gläubigen gilt, so bezieht es sich doch besonders auf die treuen Diener des Evangeliums. Der Apostel rühmt hier in der Freudigkeit des Geistes, dass er und seine Amtsgenossen in Lauterkeit Gott dienen und von ihm nehmen, was sie weitergeben. Dasselbe werden die falschen Apostel rühmen, wie sie die Gewohnheit haben, unter der Maske Gottes zu täuschen; aber die treuen Lehrer unterscheiden sich sehr von ihnen, weil sie nichts mit Worten von sich sagen, was sie nicht auch durch die Tat beweisen. Man muss aber immer im Gedächtnis behalten, welchen Gegenstand der Apostel hier behandelt. Klein war die Zahl der Frommen; der Unglaube beherrschte fast alles; wenige hingen dem Evangelium wirklich an; der größere Teil neigte den Irrlehren zu. Hier war Anlass zum Ärgernis; um diesem zu begegnen, heißt Johannes uns zufrieden sein mit jener kleinen Zahl der Gläubigen, weil alle, die Kinder Gottes sind, ihm die Ehre geben und sich seiner Lehre unterwerfen werden. Das Gegenteil fügt er sogleich hinzu: welcher nicht von Gott ist, der hört uns nicht. Er gibt damit zu verstehen, dass jene große Schar, der das Evangelium nicht schmeckt, deshalb nicht auf die rechten und rechtmäßigen Knechte Gottes hört, weil sie Gott selbst entfremdet ist; die Geltung des Evangeliums wird nicht im geringsten vermindert, weil es von vielen verschmäht wird. Dieser Lehre ist eine nützliche Mahnung angehängt, nämlich dass wir durch den Gehorsam des Glaubens dartun sollen, dass wir aus Gott sind. Nichts ist leichter als sich rühmen, man sei aus Gott; deshalb ist auch nichts unter den Menschen üblicher. So geben sich Papisten heutzutage stolz als Verehrer Gottes aus; dabei verschmähen sie nicht weniger stolz das Wort Gottes. Obwohl sie sich stellen, als glaubten sie dem Worte Gottes, so haben sie doch verschlossene Ohren, sobald es drauf und dran kommt. Und doch ist es das einzige Zeugnis der Gottesfurcht, dass man sein Wort verehre. Auch die Entschuldigung, die von vielen vorgebracht zu werden pflegt, nämlich sie meiden deshalb die Lehre des Evangeliums, wenn es ihnen vorgelegt wird, weil sie zur Beurteilung ungeschickt seien, ist nicht stichhaltig. Jeder, der Gott von Herzen fürchtet und ihm folgt, der muss ihn notwendig in seinem Wort erkennen. Wenn jemand entgegnet, dass viele von den Auserwählten dem Glauben nicht sogleich beitreten, ja sich im Anfang heftig sträuben, so erwidere ich, dass man sie zu der Zeit, wie mich dünkt, noch nicht zu den Kindern Gottes zählen darf. Übrigens ist dies das Kennzeichen eines verworfenen Menschen, dass die Wahrheit hartnäckig von ihm verworfen wird. Ferner ist auch zu bemerken, dass jenes „hören“, von welchem der Apostel spricht, von dem innerlichen und ernsthaften Hören des Herzens, das im Glauben besteht, zu verstehen ist.

Daran erkennen wir usw. Das Wort „daran“ umfasst die beiden vorigen Glieder. Die Meinung ist etwa: daran wird die Wahrheit von der Lüge unterschieden, dass die einen aus Gott, die andern aus der Welt reden. Unzulässig aber scheint es mir, unter dem Geist der Wahrheit und dem Geist des Irrtums die Hörer zu verstehen, in dem Sinne: die sich den Betrügern überliefern und sich von ihnen täuschen lassen, die seien zum Irrtum geboren und hätten den Samen der Lüge in sich; die aber dem Worte Gottes beistimmen, erwiesen sich durch dies Kennzeichen als wahrhaftig. Denn da der Apostel als „Geister“ hier die Lehrer und Propheten bezeichnet, so glaube ich, dass er nichts anderes will, als die Prüfung der Lehre auf diese zwei Punkte stellen, ob sie aus Gott oder aus der Welt ist. Er scheint aber damit nichts zu sagen. Denn alle werden sofort behaupten, dass sie nur aus Gott reden. So rühmen heute die Papisten mit großem Stolz, dass alle ihre Erdichtungen Aussprüche des Geistes seien. Auch Mohammed verkündet, dass er seine Torheiten nirgends anders her als aus dem Himmel geschöpft habe. Ja, sogar die Ägypter logen, jene widerwärtigen Albernheiten, durch die sie sich und andere betörten, seien ihnen einst göttliche geoffenbart worden. Ich antworte aber: wir haben das Wort des Herrn, das in erster Linie zu Rate zu ziehen ist. Da also die trügerischen Geister den Namen Gottes vorschützen, so ziemt es sich, in der Schrift nachzuforschen, ob es sich so verhalte. Es muss von uns nur ein frommes Studium angewandt werden mit Demut und Bescheidenheit, so wird sich der Geist der Unterscheidung einstellen, der sich dann als ein zuverlässiger Ausleger, als derselbe, der in der Schrift redet, ausweist.

V. 7. Ihr Lieben usw. Der Apostel wiederholt jene Ermahnung, auf die er im ganzen Brief immer wieder zurückkommt. Derselbe ist ja, wie gesagt, gemischt aus Glaubenslehre und Liebesmahnung. Diese beiden Punkte behandelt er so, dass er abwechselnd von einem zum andern übergeht. Wenn er die gegenseitige Liebe empfiehlt, so meint er nicht, dass wir unsere Pflicht erfüllt hätten, wenn wir unsere Freunde wiederum lieben, weil sie uns lieben. Er redet aber die Gläubigen im Allgemeinen an, und so durfte er nicht anders lehren, als dass sie sich „untereinander“ lieben sollten. Er bekräftigt diesen Satz durch einen schon oft angeführten Grund, nämlich dass nur der sich als ein Kind Gottes erweist, der den Nächsten liebt, und dass die wahre Erkenntnis Gottes notwendig die Liebe zu Gott in uns erzeugt. Er setzt auch nach seiner Gewohnheit das entgegengesetzte Glied bei, nämlich dass da keine Erkenntnis Gottes ist, wo die Liebe nicht blüht. Er stellt den allgemeinen Grundsatz auf: Gott ist Liebe,das heißt: es ist seine Natur, die Menschen zu lieben. Gott ist die Quelle der Liebe, deshalb strahlt diese Gesinnung von ihm aus, wohin die Kunde von ihm kommt. So wurde Gott früher (1, 5) als Licht bezeichnet, weil in ihm nichts Finsteres ist, er vielmehr alles durch seinen Glanz erleuchtet. Übrigens ist zweierlei bei den Worten des Apostels zu merken, nämlich: erst dann ist die Erkenntnis Gottes wahr, wenn sie uns wiedergebiert und neubildet, so dass wir neue Kreaturen werden; ferner muss jene wahre Erkenntnis Gottes uns notwendig Gott gleichförmig machen. Wenn einer die Liebe vom Glauben trennt, handelt er so, als wolle er die Wärme von der Sonne scheiden.

V. 9. Daran ist erschienen die Liebe Gottes usw. Außer durch die Sendung seines Sohnes hat Gott noch auf vielerlei Weise seine Liebe gegen uns bezeugt. Wenn man fragt, warum die Welt geschaffen, warum wir auf sie gesetzt wurden, um die Erde uns untertänig zu machen, warum wir in diesem Leben bewahrt werden, so dass wir unzählige Güter genießen, warum wir zur Hoffnung eines besseren Lebens geschaffen, warum wir mit Licht und Verstand begabt sind, so wird man für das alles keinen anderen Grund anführen können als die freie Liebe Gottes gegen uns. Aber der Apostel verweist hier auf ein besonderes Beispiel, das die andern alle weit überragt. Die Liebe Gottes, dass er seines eigenen Sohnes nicht schonte, um uns durch seinen Tod wieder zum Leben zu bringen, ist nicht nur unermesslich, nein, sie ist eine mehr als wunderbare Güte, die uns zum Staunen und Bewundern hinreißen muss. Christus ist also ein so herrlicher und einzigartiger Beweis der göttlichen Liebe zu uns, dass er uns, so oft wir ihn anschauen, diese Lehre, dass Gott Liebe ist, vollauf bekräftigt. Dass der Apostel ihn den „eingeborenen“ Sohn nennt, dient zur Verstärkung. Dadurch zeigt Gott noch klarer, wie einzig er uns liebt, dass er seinen einzigen Sohn um unsertwillen dem Tode preisgab. Indessen, der von Natur der einzige Sohn ist, macht viele aus Gnade und durch Annahme an Kindesstatt zu Kindern, nämlich alle, die er durch den Glauben seinem Leibe einfügt. Auch der Zweck wird angegeben, um dessentwillen Christus vom Vater gesandt ward: „dass wir durch ihn leben sollen“.Außer ihm sind wir alle tot; durch sein Kommen aber hat er uns das Leben gebracht, und wenn unser Unglaube nicht widerstrebt, so fühlen wir diese Wirkung seiner Gnade in uns.

V. 10. Darinnen steht die Liebe usw. Ein weiterer Grund soll uns die Liebe Gottes noch größer erscheinen lassen, nämlich dass er uns seinen Sohn gegeben hat, als wir noch Feinde waren, wie auch Paulus lehrt (Röm. 5, 8). Johannes braucht nur andere Worte als Paulus; er sagt, dass Gott uns aus freien Stücken geliebt hat, ohne im Geringsten durch unsere Liebe dazu veranlasst zu sein. Durch diese Worte will er uns lehren, dass Gottes Liebe gegen uns eine freie Liebe ist. Obwohl es des Apostels Absicht ist, Gott uns zur Nachahmung vorzuhalten, so ist doch die Glaubenslehre nicht außeracht zu lassen, die er zugleich damit gibt. Umsonst hat uns Gott geliebt. Was heißt das? Bevor wir geboren werden. Ferner: wir haben bei unserer verderbten Natur ein Herz, das ihm abgeneigt ist und das sich sehr schwer zu rechten und frommen Gesinnungen lenken lässt. Wenn die Papisten recht hätten mit der Behauptung, ein jeder sei von Gott erwählt, je nachdem Gott vorausgesehen hat, dass er der Liebe wert sei, dann würde diese Lehre hinfallen, er habe uns zuerst geliebt. Dann würde unsere Liebe zu Gott die erste Stelle einnehmen, wenn sie auch der Zeit nach später ist. Der Apostel aber steht auf dem anerkannten Grundsatz der Schrift, den jene Sophisten nicht beachten, nämlich: wir werden so verderbt und verkehrt geboren, dass uns sozusagen der Hass Gottes angeboren ist, dass wir nur das erstreben, was ihm missfällt, dass die einzelnen Begierden unseres Fleisches beständig mit seiner Gerechtigkeit Krieg führen. Und gesandt seinen Sohn.Also ist Christus mit allen seinen Gütern uns aus lauter Güte Gottes zugekommen. Wie es notwendig ist, zu erkennen, dass wir deshalb Heil in Christus haben, weil uns der himmlische Vater aus freien Stücken geliebt hat, so muss man wiederum, wo es sich um die sichere und volle Gewissheit der göttlichen Liebe gegen uns handelt, nur auf Christus schauen. Daher handeln die zu ihrem eigenen Verderben töricht, die mit Beiseitelassung Christi forschen, was über sie im geheimen Rat Gottes beschlossen sei. Ferner zeigt der Apostel wiederum die Ursache des Kommens Christi und sein Amt, indem er erklärt, er sei gesandt, damit er die Sühne für die Sünden werde. Diese Worte lehren uns zunächst, dass wir alle durch die Sünde von Gott entfremdet waren und dass dieser Zwiespalt blieb, bis Christus dazwischen trat, der uns versöhnte. Zweitens werden wir belehrt: der Anfang unseres Lebens ist, dass Gott, durch den Tod seines Sohnes versöhnt, uns zu Gnaden annimmt. Die „Sühne“, von der die Rede ist, bezieht sich recht eigentlich auf das Opfer des Todes. Diese Ehre kommt allein Christus zu, dass er die Sünden der Welt sühnt und so die Feindschaft zwischen uns und Gott aufhebt. Aber hier scheint ein Widerspruch vorzuliegen. Wenn Gott uns vorher liebte, bevor Christus sich für uns in den Tod gab, was braucht es da noch einer neuen Versöhnung? So könnte der Tod Christi überflüssig erscheinen. Ich antworte: wenn gesagt wird, Christus habe den Vater uns günstig gestimmt, so bezieht sich das auf unser Gefühl. Denn da wir ein schlechtes Gewissen haben, so können wir Gott nur als erzürnt und feindselig erfassen, bis Christus uns von der Schuld losmacht. Gott will ja, dass sein Zorn und das Gericht des ewigen Todes überall gefühlt werden, wo die Sünde erscheint. Daraus folgt, dass wir angesichts des Todes keine andere Empfindung als Schrecken haben können, bis Christus die Sünde durch seinen Tod tilgt, bis er uns durch den Preis seines Blutes vom Tode erlöst. Wiederum verlangt die Liebe Gottes Gerechtigkeit; um also überzeugt zu sein, dass Gott uns liebt, müssen wir zu Christus kommen, in dem allein für uns Gerechtigkeit ist. Jetzt sehen wir, dass die Verschiedenheit zu reden, die uns in der Schrift begegnet, je nach den verschiedenen Rücksichten, sehr passend und für den Glauben sehr nützlich ist. So hat Gott seinen Sohn als Mittler gesandt, um sich mit uns zu versöhnen, weil er uns liebte; aber jene Liebe war verborgen, weil wir inzwischen Gott feind waren und beständig seinen Zorn herausforderten. Ferner nahm uns die furchtbare Angst des bösen Gewissens allen Geschmack des Lebens. Nach dem Gefühl unseres Glaubens fängt Gott also in Christus an, uns zu lieben. Obwohl aber der Apostel hier von der ersten Versöhnung handelt, so lasst uns doch bedenken, dass das die beständige Wohltat Christi ist, dass er die Sünden sühnt und Gott uns gnädig stimmt. Das geben auch die Papisten zum Teil zu; aber hernach verkleinern sie diese Gnade und machen sie fast zu nichts, indem sie ihre erdichteten Genugtuungen einschieben. Und doch, wenn die Menschen sich durch Verdienste der Werke erlösen, dann ist Christus nicht die einzige Sühne, wie er hier genannt wird.

V. 11. Ihr Lieben usw. Der Apostel verwendet nun das, was er vorhin von der freien Liebe Gottes gesagt hat, zu seinem Zweck; er will uns durch das Beispiel Gottes zur brüderlichen Liebe ermahnen. Auch Paulus stellt uns (Eph. 5, 2) Christus als Vorbild hin, der sich dem Vater als Opfer süßen Geruchs dargeboten hat, damit ein jeder von uns sich für den Nächsten verzehre. Johannes erinnert aber, unsere Liebe dürfe nicht nach Lohn trachten; er heißt uns ja den Nächsten lieben, wie Gott uns geliebt hat. Dabei muss noch einmal daran erinnert werden, dass wir umsonst geliebt werden. Wo wir also auf unsern Vorteil blicken oder nur den Freunden Gleiches mit Gleichem vergelten, da ist sicherlich nur Selbstliebe, nicht wahre Liebe.

V. 12. Niemand hat Gott jemals gesehen. Dieselben Worte stehen im Evangelium des Johannes (1, 18). Dort besagen sie, dass man Gott nicht anders zu erkennen vermag, als soweit er sich in Christus offenbart hat. Die gleiche Lehre entfaltet der Apostel hier etwas weiter: Gottes Kraft wird von uns durch den Glauben und die Liebe gefasst, so dass wir wissen, dass wir seine Kinder sind und er in uns wohnt. Zunächst redet er von der Liebe, indem er sagt: Gott bleibt in uns, wenn wir uns untereinander lieben, weil dann seine Liebe in uns völlig, das heißt, wirklich erwiesen ist. Er will andeuten, dass Gott sich gewissermaßen als gegenwärtig erweist, wenn er durch seinen Geist unsere Herzen zur Bruderliebe bildet. In demselben Sinne wiederholt er, was er schon einmal gesagt hatte: wir erkennen aus dem Geist, den Gott uns gegeben hat, dass er in uns wohnt. Dies ist die Bestätigung des vorigen Satzes, weil die Liebe die Wirkung des Geistes ist. Das ist also der Sinn: da die Liebe aus dem Geiste Gottes stammt, so können wir die Brüder nicht in Wahrheit und mit lauterem Herzen lieben, es sei denn, dass der Geist seine Kraft entfalte. Auf diese Weise, bezeugt er, wohne Gott in uns. Hinwiederum, wer behauptet, er habe Gott, und liebt die Brüder nicht, dessen Gehaltlosigkeit wird durch diesen einen Satz aufgedeckt, weil er Gott von sich selbst losreißt. „Liebe“ kann hier in doppeltem Sinne verstanden werden, entweder die Liebe, die wir ihm erweisen, oder die Liebe, die er uns einflößt. Gott hat uns seinen Geist gegeben, und er hat uns von seinem Geist gegeben, das ist dasselbe.

V. 14. Und wir haben gesehen. Jetzt berührt er den zweiten Teil der Erkenntnis Gottes, nämlich dass Gott sich uns im Sohne mitteilt und darbietet. Daraus folgt, dass er durch den Glauben von uns erfasst wird. Das ist ja des Apostels Absicht, darzutun, dass wir durch den Glauben und die Liebe so mit Gott verbunden werden, dass er wirklich in uns wohnt und dass er sich durch die Wirkung seiner Kraft gewissermaßen sichtbar darstellt, da er ja sonst nicht gesehen werden kann. Wenn er sagt: wir haben gesehen und zeugen, so meint er damit sich und die andern Apostel. Er denkt auch nicht an jedes beliebige Sehen, sondern an ein solches, das mit dem Glauben verbunden ist, durch den sie in Christus die Herrlichkeit Gottes erkannt haben. Es folgt ja auch: der Vater hat den Sohn gesandt zum Heiland der Welt. Solche Erkenntnis fließt aus der Erleuchtung des Geistes.

V. 15. Welcher nun bekennt usw. Der Apostel wiederholt jenen Grundsatz, dass wir mit Gott vereinigt werden durch Christus; wo wir aber mit Christus verbunden sind, da bleibt Gott in uns. Glaube und Bekenntnis braucht er in demselben Sinne. Obwohl ja die Heuchler fälschlich Glauben vorgeben, so kennt der Apostel doch hier in der Reihe der Bekennenden keinen, der nicht wirklich und von Herzen glaubte. Ferner berührt er mit der kurzen Aussage, dass Jesus Gottes Sohn ist, die ganze Summe des Glaubens. Alles, was zum Heil notwendig ist, findet der Glaube in Christus. Der Zusammenhang ist übrigens der: der Glaube an Christus bewirkt, dass Gott in den Menschen bleibt, und wir sind dieser Gnade teilhaftig. Da aber Gott Liebe ist, so kann keiner in ihm bleiben, der nicht seine Brüder liebt. Also muss füglich die Liebe in uns herrschen, wenn Gott sich mit uns verbunden hat.

V. 16. Wir haben erkannt und geglaubt. Das ist so viel, wie wenn er sagte: wir haben durch den Glauben erkannt. Die Erkenntnis der Liebe, die Gott zu uns hat, wird ja nur durch den Glauben gewonnen. Wir sehen hier auch, wie der Glaube durchaus kein ungewisses und zweifelhaftes Meinen ist. Indem der Apostel nun den vorangehenden, allgemeinen Satz („welcher bekennt“) persönlich auf die Leser anwendet („wir haben erkannt“), so drückt er doch den Inhalt des Glaubens verschieden aus. Vorhin hatte er gesagt: wer da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist; jetzt aber sagt er: wir haben geglaubt die Liebe Gottes gegen uns. Daraus erhellt, dass die väterliche Liebe Gottes nur in Christus ergriffen wird und dass nur die etwas Festes an Christus haben, die sich durch seine Gnade als Kinder Gottes erkennen. Deshalb stellt der Vater seinen Sohn täglich in unsere Mitte, um in ihm uns als Kinder anzunehmen.

Gott ist Liebe. Das ist gleichsam der Untersatz einer Schlussfolge: durch den Glauben wohnt Gott in uns; Gott aber ist Liebe, - wo also Gott bleibt, da muss zugleich die Liebe blühen. Daraus folgt, dass die Liebe notwendig mit dem Glauben verbunden ist.

V. 17. Darinnen ist die Liebe völlig. Diese Erörterung hat zwei Glieder, nämlich: wir sind dann der göttlichen Annahme an Kindesstatt teilhaftig, wenn wir Gott abspiegeln wie Kinder den Vater; sodann: diese Freudigkeit ist ein unvergleichliches Gut, so dass wir ohne sie elend sind. Der Apostel zeigt also, in welcher Absicht Gott uns in seine Liebe aufgenommen hat, und wie wir diese Gnade erst recht genießen, die er uns in Christus erwies. Unter Liebe ist hier die Liebe Gottes gegen uns zu verstehen. Der Apostel nennt sie „völlig“, weil sie in voller Fülle ausgegossen und fest verbürgt ist, so dass sie in allen Fällen bestehen bleibt. Übrigens betont er, dass nur solche dieses Gutes teilhaftig sind, die durch die Ähnlichkeit mit Gott sich als seine Kinder ausweisen.

Dass wir eine Freudigkeit haben. Er zeigt die Frucht der göttlichen Liebe gegen uns, die er hernach noch klarer beschreibt. Es ist ein unschätzbares Glück, dass wir wagen, ohne Zittern vor Gott zu stehen. Von Natur scheuen wir den Anblick Gottes, und mit Recht. Da er der Richter der Welt ist, uns aber unsere Sünden verurteilen, so muss mit dem Gedanken an Gott auch der Gedanke an Tod und Hölle uns in den Sinn kommen. Daher jene Angst vor Gott, so dass die Menschen ihn so viel wie möglich fliehen. Johannes aber sagt, dass die Gläubigen nicht erschrecken, wenn sie des jüngsten Gerichts gedenken; vielmehr treten sie ruhig und froh vor Gottes Richterstuhl, weil sie von seiner väterlichen Liebe fest überzeugt sind. Nur der hat also Fortschritte im Glauben gemacht, der gutes Mutes den Tag des Gerichts erwarten darf.

Gleichwie Er ist usw. Diese Worte stellen nun, wie wir schon sagten, die Anforderung, dass auch wir unsererseits das Bild Gottes widerspiegeln sollen. Wie also Gott im Himmel ist, so heißt er uns in dieser Welt sein, damit wir als seine Kinder eingeschätzt werden können. Das Bild Gottes ist, wenn es in uns erscheint, gleichsam ein Spiegel dafür, dass er uns zu seinen Kindern annahm. Damit scheint aber der Apostel einen Teil der Freudigkeit auf die Werke zu stellen. Wir gestehen gern zu, dass niemand durch Christus mit Gott versöhnt wird, ohne zugleich in das Bild Gottes erneuert zu werden. Keins lässt sich von dem andern trennen. Mit Recht schließt der Apostel also alle vom Vertrauen auf Gottes Gnade aus, in denen keine Ähnlichkeit mit Gott geschaut wird. Solche sind sicher vom Geiste Gottes und von Christus weit entfernt. Wir leugnen auch nicht, dass die Neuheit des Lebens als Wirkung der göttlichen Annahme an Kindesstatt zur Stärkung des Vertrauens beiträgt, aber gleichsam als Hilfsmittel zweiten Ranges. Bei alledem müssen wir allein auf die Gnade gegründet sein. Anders kann die Lehre des Johannes nicht bestehen; denn die Erfahrung beweist und auch die Papisten geben es zu, dass der Blick auf die Werke immer Anlass zum Zittern gibt. Keiner wird jemals ruhigen Herzens dem Richterstuhl Gottes nahen, wenn es ihm nicht feststeht, dass er umsonst geliebt wird. Dass die Papisten davon nichts schmecken, darüber braucht sich keiner zu wundern, da die Elenden keinen andern Glauben kennen als einen mit Zweifel vermischten. Wir müssen unsern Glauben allein auf seine Gnade heften, um froh und heiter Christo entgegengehen zu können.

V. 18. Furcht ist nicht in der Liebe. Ein Blick auf das Gegenteil rückt die Vortrefflichkeit jenes Gutes in helles Licht. Der Apostel sagt, dass wir beständig gequält werden, bis Gott uns durch das Mittel seiner Liebe zu uns von jener elenden Qual befreit. Kurz, da es nichts Elenderes gibt, als durch beständige Unruhe gequält zu werden, so erreichen wir durch die Erkenntnis der Liebe Gottes gegen uns dies, dass wir furchtlos ruhen können. Daraus erhellt, was für eine einzigartige Wohltat Gottes es ist, uns seiner Liebe zu würdigen. Aus dieser Lehre zieht der Apostel hernach eine Mahnung; bevor er uns aber an unsere Pflicht mahnt, empfiehlt er uns jenes Geschenk Gottes, das uns durch den Glauben die Frucht nimmt. Ich weiß, dass diese ganze Stelle von vielen anders ausgelegt wird, aber mich geht nur das an, was der Apostel will, nicht was andere denken. Jene sagen, Furcht sei nicht in der Liebe, weil wir, wo wir willig Gott lieben, nicht durch Gewalt und Furcht zum Gehorsam gegen ihn gezwungen werden. Nach ihnen wird hier die knechtische Furcht der freiwilligen Verehrung entgegengesetzt. Daher stammt auch die Unterscheidung zwischen knechtischer und kindlicher Furcht. Es ist gewiss ein richtiger Gedanke, dass die Furcht vor Strafe uns nicht mehr drängt, wenn wir Gott als Vater aus freien Stücken lieben; aber das hat mit unserer Stelle nichts zu tun. Der Apostel lehrt nur: sobald die Liebe Gottes von uns durchschaut und durch den Glauben erkannt ist, so haben unsere Gewissen Frieden und werden nicht länger geängstigt. Man kann aber fragen, wann es eigentlich geschieht, dass völlige Liebe die Furcht austreibt. Wir sind ja nur mit einem gewissen Geschmack der göttlichen Liebe gegen uns begabt und werden niemals gänzlich von der Furcht befreit. Ich antworte: wenn auch die Furcht nicht völlig weicht, so wird sie doch, sobald wir zu Gott unsere Zuflucht nehmen wie zu einem ruhigen und von allen Schiffbrüchen und Unwettern freien Hafen, wirklich ausgetrieben, weil sie dem Glauben Platz macht. Also wird die Furcht nicht derartig beseitigt, dass sie unsere Seele überhaupt nicht mehr beunruhigt; vielmehr so wird sie ausgetrieben, dass sie uns nicht in Verwirrung bringt und unsern Frieden nicht dauernd stört, den wir durch den Glauben haben.

Die Furcht hat Pein. Auch hier preist der Apostel die Größe der Gnade, von der er redet. Denn da es eine elende Lage ist, beständig Pein zu dulden, so ist nichts wünschenswerter, als mit ruhigem Gewissen und gestilltem Herzen vor das Angesicht Gottes treten zu dürfen. Wenn andere sagen: die Sklaven fürchten sich, weil sie sich die Strafe und die Schläge vor Augen stellen, und sie tun ihre Pflicht nur gezwungen, so hat das, wie gesagt, mit der Meinung des Apostels nichts zu tun. Ebenso wenig passt es in den Zusammenhang, wenn man das nächste Satzglied folgendermaßen auslegt: wer sich fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe, weil er sich nicht freiwillig Gott unterwirft, ja sich viel lieber von ihm losmachen würde. Vielmehr erinnert der Apostel daran, dass es die Schuld des Unglaubens ist, wenn man sich fürchtet, das heißt, ein unruhiges Herz hat, während die wirklich erkannte Liebe Gottes die Herzen stillt.

V. 19. Wir lieben ihn. Die griechische Wortform könnte auch bedeuten: „Lasset uns ihn lieben.“ Aber die von uns gegebene Übersetzung als Aussage passt besser in den Zusammenhang. Meines Erachtens wiederholt der Apostel die vorher geäußerte Meinung: weil Gott uns mit seiner freien Liebe zuvorgekommen ist, so lieben wir ihn wieder; und zwar muss er in den Menschen geliebt werden, oder die Liebe, die wir zu ihm haben, müssen wir den Menschen gegenüber bezeugen. Bevorzugt man die Wiedergabe in Form der Mahnung, so hat die Rede dasselbe Ziel: weil Gott uns umsonst geliebt hat, so lasset uns ihn wiederum lieben. Aber diese Liebe kann nicht bestehen, ohne die brüderliche Liebe unter uns zu erzeugen. Deshalb nennt der Apostel solche Leute Lügner, die sich rühmen, Gott zu lieben, während sie den Nächsten hassen. Der Grund, den er angibt, scheint aber wenig treffend zu sein. Er sagt: wenn wir den Nächsten, mit dem wir zusammenleben, nicht lieben, so können wir Gott noch viel weniger lieben, da er unsichtbar ist. Aber Gottes Art ist doch ganz anders als die der Menschen. Gott reißt uns zur Liebe gegen ihn durch seine unermessliche Güte hin; die Menschen aber sind oft hassenswert. Ich antworte: der Apostel nimmt es hier als eingestandene Wahrheit, dass Gott uns in Menschen begegnet, die sein Bild eingeprägt tragen, und er fordert, dass wir die Liebesdienste, deren er selbst nicht bedarf, jenen erweisen. Sicherlich würde uns auch die Gemeinschaft an derselben Natur, der gemeinsame Gebrauch so vieler Dinge, der wechselseitige Austausch zur Liebe locken, wenn wir nicht so steinhart wären. Johannes will aber nur sagen, dass es eitle Prahlerei ist, wenn jemand behauptet, er liebe Gott, und dabei sein Ebenbild, das er vor Augen hat, vernachlässigt.

V. 21. Und dies Gebot usw. Ein stärkerer Grund für die Bruderliebe: die Autorität und die Lehre Christi. Er hat uns nicht bloß die Liebe zu Gott befohlen, er heißt uns auch die Brüder lieben. Man muss also mit der Liebe zu Gott anfangen, aber so, dass die Liebe zu den Menschen folgt.

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