Nr. 724 (C. R. – 3941)
Calvin, Jean - An Jakob Sylvius in Polen.
Jakob Sylvius, Pfarrer im Dienst des Martin von Zborow, Pfalzgrafen von Posen, hatte Calvin aufgefordert, gegen die Antitrinitarier zu schreiben, denen der größere Teil der polnischen Evangelischen zugefallen war.
Vom Abfall Polens.
Als ich vor vier Monaten auf Eure Zwistigkeiten und auf den so traurigen Zerfall Eurer Kirchen aufmerksam gemacht wurde, schrieb ich eine kurze, aber deutliche Mahnung, die Brüder möchten sich vor Blandrata und ähnlichen Brandfackeln in acht nehmen. Zwar wünschte Herr Christoph Threcius, ich möchte doch Stancaros Phantastereien ebenso ausführlich zurückweisen wie Blandratas Irrlehre; da aber die Antwort, die ich Stancaro bereits gegeben hatte, durch Unachtsamkeit oder Betrug Eurer Landsleute verloren gegangen war, so unterließ ich es, nochmals diese Arbeit zu unternehmen, weil mich das zu sehr verdrossen hatte. Und sicher werde ich eine eigentliche Schrift mir nicht abpressen lassen, bis ich jene Schrift wieder habe, die mir zur Widerlegung der Verleumdungen dieses unsauberen, frechen Schmähredners Stancaro mehr als notwendig ist. Jetzt will ich aber doch auf deine und unseres Bruders, Herrn Sarnitzki, Mahnung einen gemeinsamen Brief an Euren Adel und die Bürgerschaft von Krakau schreiben. Wenn ich nicht an jeden einzelnen schreibe, so müsst Ihr mir das verzeihen; denn soviel übrige Zeit habe ich nicht, dass ich mein Amt beiseite legen, meine Landsleute übergehen und alles, was ich sonst zu tun habe, vernachlässigen könnte, um Euch einmal acht Tage hintereinander zu widmen. Außerdem lässt mir meine schwache Gesundheit dazu schon keine Zeit. Dir aber, trefflichster Bruder, gratuliere ich von Herzen, dass du, da der große Haufe abfällt, feststehst mit ein paar andern in der Verteidigung des reinen Glaubens. Ich erschrak förmlich, als ich sehen musste, wie all die Pfarrer von Klein-Polen plötzlich sich zu so krassem, abscheulichem Abfall hinreißen ließen. Was soll man anders davon sagen, als dass ein Felix Cruciger und seinesgleichen nach einem geheimnisvollen Ratschluss Gottes verzaubert wurden, ihre Hoffnung auf einen Gott zweiten Ranges, der erst Gott geworden ist, zu setzen. Lächerlich aber ist der Hochmut dieser Leute, die uns aus ihren Löchern drohen, als könnten sie mit ihren hochtrabenden Worten uns alle über den Haufen werfen. Doch ists gut, dass wir nicht um den eigenen Ruhm streiten, sondern nur darum, dass uns die wahre, ewige Gottheit Christi unangetastet bleibe und vor ihren Lästerungen verteidigt werde. Dafür mühe auch du dich und lass dich durch ihren Trotz nicht ermüden! Lebwohl, trefflicher Mann und von Herzen verehrter Bruder; der Herr behüte dich mit seinem Schutze; er wappne dich mit seiner Kraft und mache dich stets reicher an seinen Geistesgaben. Den erlauchten Herrn Pfalzgrafen von Polen, in dessen Dienst du stehst, grüße ehrerbietig von mir.
Genf [April 1563].