Nr. 425 (C. R. – 2051)
Calvin, Jean - An die Pfarrer von Bern
Vgl. 417.
Bitte um energisches Vorgehen gegen Bolsec.
Ihr wisst, verehrteste Brüder, als wir neulich bei Eurem hochweisen Rat Klage führten wegen der Beleidigung durch einige Leute, die unsere Lehre maß- und schamlos verlästern, da ist der von uns mit diesem Auftrag abgesandte Bruder mit der guten Aussicht entlassen worden, der Rat werde sich der Sache annehmen. Wir haben lange darauf gewartet. Endlich kam eine Antwort, die uns ebenso gespannt erhält, wie wir es vorher waren. Euer Rat schrieb dem unsern, diese Händel und bissigen Feindseligkeiten missfielen ihm sehr, und wie er schon vorher in mehreren Erlassen streitsüchtiges Disputieren, prahlerisches Aufbringen neuer Lehren, Schmähschriften und andere händelsüchtige Dinge verboten habe, so beharre er jetzt noch auf dieser Ansicht. Dann verlangte er weiter, wir sollten gemahnt werden, auch unsererseits alle Verfolgung zu lassen und Frieden zu halten mit den Pfarrern seines Gebietes. Ihr seht, dass da ganz im Allgemeinen die Schmähsucht und die Leidenschaftlichkeit verurteilt werden, die die Ruhe der Kirche stören, dass aber die vorliegende Sache mit keinem Wort berührt wird. Obwohl Ihr es nun noch vor kurzem nicht für gut fandet, auf unsere Bitte an Euern Rat zu gelangen und offen diese Sache zu übernehmen, wohl weil sie Eures Erachtens noch nicht ausgereift war, so müssen wir Euch jetzt doch wieder bei der heiligen Gemeinschaft unseres Amtes beschwören, Ihr möget es Euch nicht verdrießen lassen, uns zweierlei zu gewähren. Erstens, dass Ihr unsere Lehre, gegen die böse Menschen ein grundloses Gekläff erheben, ein Zeugnis erstellt. Zweitens, dass Ihr [Eurer Obrigkeit] klar macht, wie notwendig es ist, die Frechheit [der Gegner] zu dämpfen. Diese Forderung ist so billig, dass wir nicht glauben, mit Aufwand vieler Worte oder mit Heftigkeit in Euch dringen zu müssen. Hat unser Bitten bei Euch Erfolg, und wir vertrauen darauf, so wird aber sofort gehandelt werden müssen, weil dieser Bote auch ein Schreiben von uns an den Rat mitnimmt, das aber nicht im Rathaus gelesen werden sollte, ehe man Eure Rede angehört hat. Jedenfalls wird man sich darum bemühen müssen, dass Euer Vorgehen der Beschlussfassung des Rats zuvorkommt. Wollt Ihr uns also helfen, so wirds der Mühe wert sein, am Tag nach Übergabe dieses Briefes vor den Rat zu treten, damit es nicht zu spät geschieht, wenn die Sache bereits verhandelt ist. Welche Kühnheit Jerome [Bolsec] aus dem Schweigen Eures Rates schöpft, soll in kurzen Zügen angedeutet sein, damit seine Tollwut Euch Mut mache, Abhilfe zu suchen. Er hat seither unaufhörlich in privaten Tischgesprächen, in Wirtshäusern, auf der Straße ein Geschrei gemacht, Calvin sei ein Nichtsnutz und Ketzer. Erst vor kurzem hat er ein paar Genfer Bürgern vor einer großen Menge von Zuhörern höhnisch vorgeworfen, ihre Stadt hege einen gottlosen Ketzer. Auch hat er zwei Dienern am Wort gesagt, dem Servet sei schweres Unrecht geschehen, und durch Calvins ungerechte Tyrannei sei die gute Sache unterdrückt worden. Es ist auch gar nicht zu verwundern, dass dieser heillose, windige Geselle sich solche Frechheit herausnimmt, da er sieht, dass den Dienern am Wort solche Freiheit zum Schmähen gewährt wird. Welche Zerrüttung der Verhältnisse uns in Kürze droht, wenn man nicht rechtzeitig dagegen einschreitet, mögt Ihr in Eurer Klugheit selbst erwägen. Lebtwohl, beste Brüder. Der Herr rüste Euch aus mit dem Geiste der Klugheit und der Kraft und behüte Euch mit seinem Schutze.
Genf, 27. November 1554.
Eure Brüder und Kollegen
die Diener am Wort und Seelsorger der Kirche von Genf:
Johannes Calvin. | Abel Poupin. |
Francois Bourgoing. | Michel Cop. |
Raymond Chauvet. | Jean Fabri. |
De St.-André. |