Calvin, Jean - An Christophe Fabri in Neuchatel
Nr. 328 (C. R. – 1600)
Dieses schwer datierbare und unvollendete Schreiben gehört wohl hierher, das die Kongregation, in der Bolsec seine Ansichten darlegte, als kürzlich abgehalten erwähnt wird.
Verteidigung der Prädestinationslehre.
Du aber, lieber Christophe, täuschest dich sehr, wenn du meinst, der ewige Ratschluss lasse sich so auslegen, dass Gott wohl einige zur Seligkeit erwähle, aber niemand zur Verdammnis bestimme. Denn, wenn er einige erwählt, so folgt doch sicher daraus, dass nicht alle erwählt sind. Was ist nun von denen zu sagen, als dass sie eben sich selbst überlassen werden zum Verderben? Es muss eine gegenseitige Beziehung bestehen zwischen Verworfenen und Erwählten. Jerome Bolsec bekennt zwar, wie er sagt, dass eine bestimmte Zahl Menschen von Gott erwählt sind, aber dringt man näher in ihn, so muss ers auf alle Menschen ausdehnen. Denn er sagt offen, ganz gleichmäßig werde die Gnade allen angeboten, die an ihnen wirksam sei zur Seligkeit. Dass die einen sie annehmen, die andern sie abweisen, dieser Unterschied sei im freien Willen der einzelnen begründet, die dem Ruf Gottes aus eigenem Antrieb folgten. Er sagt sogar, es seien alle so mit freiem Willen ausgestattet, dass allen die Möglichkeit gegeben sei, die Seligkeit zu erlangen. Du siehst, dass so die ganze Prädestinationslehre von Grund aus zerstört wird, und der freie Wille als das aufgestellt wird, was uns zum Teil wenigstens die Seligkeit erwirbt. Mehr als lächerlich aber ist, dass Bolsec den freien Willen bekennt und sich vor dem Wort Verdienst entsetzt. Denn, wenn einer deshalb zu den Kindern Gottes gerechnet wird, weil er sich der ihm angebotenen Gnadenannahme anpasst, wie kann man ihm da ein Verdienst absprechen? Dass Bolsec diese Gesinnung hegt, oder besser, dass er in diesen Wahn verstrickt ist, hat er schon früher gezeigt; doch kam er neulich wieder damit vor uns. Vor unsere Kongregation gerufen, erreichte er durch seine spitzen Reden nichts, als dass ich ihn aus seinem Versteck ans Licht zog. Außer fünfzehn Dienern am Wort waren noch andere gute Zeugen da. Sie alle wissen, dass er, wenn er nur einen Funken Schamhaftigkeit in sich gehabt hätte, gleich zur Vernunft hätte kommen können. Zuerst aber spielte er mit knabenhaften Sticheleien; als er schon nach ein paar Worten arg bedrängt war, warf er alle Scham von sich. Er leugnete plötzlich, was er zwei-, dreimal zugegeben hatte, und was er vorher geleugnet, gab er jetzt wieder zu; er wurde schwankend in seinen grundsätzlichen Behauptungen, kam sogar ganz davon ab; ohne Maß und Ziel drehte er sich stets im selben Kreise. Er konnte auch gar nicht anders. Denn, wenn wir nicht bekennen, dass, wer zu Christo kommt, vom Vater gezogen ist [Joh. 6, 44], und dass das die besondere Wirksamkeit des heiligen Geistes an den Erwählten ist, so müssen entweder alle ohne Unterschied erwählt sein, oder es muss die Ursache der Erwählung in jedes einzelnen Verdienst liegen. Wenn der Anfang der Verwerfung erst in den [auf die Berufung] folgenden Trotz des Menschen gesetzt wird, so folgt daraus, dass bei Gott nichts fest beschlossen ist, sondern dass sein Ratschluss über die einzelnen unbestimmt ist. Bolsec bekennt, dass alle Menschen von Natur verdorben seien, dass aber Gottes Gnade allen angeboten wird, zur Besserung der angeborenen Verderbtheit. Nun behauptet er, einzelne ließen auf Antrieb ihres freien Willens diese Besserung zu, wodurch sie wirksam werde, andere aber wiesen sie in der gleichen Freiheit ab und würden dadurch doppelt verstockt, und daraus leitet er dann seine erfundene Verwerfung ab. Wer sieht nicht, dass Gottes Ratschluss dem menschlichen Willen untergeordnet wird? Ich weiß nicht, welche Feinheit du in solcher Geschmacklosigkeit zu sehen meinst. Wenn ich etwas von göttlichen Dingen verstehe, so ist das törichter und plumper erfunden, als was die Papisten sagen. Wenn die Frucht der Erwählung ein guter, rechter Wille im Menschen ist, so folgt doch daraus, dass die Verworfenen mit aller Herzensleidenschaft zum Bösen getrieben werden. Auch Paulus, wenn er sagt: es liegt nicht an jemandes Wollen [Römer 9, 16], schreibt den Verworfenen keinen Willen zu, der an sich unwirksam wäre, sondern er lehrt, es fließe ganz aus Gottes Barmherzigkeit, dass die anfangen, das Gute zu wollen und recht zu wandeln, die vorher aller Rechtschaffenheit bar waren. Man höre doch also auf, den Quell und die erste Ursache der Scheidung in Erwählte und Verworfene im menschlichen Willen anzunehmen, wenn man Gottes Wahl noch irgendwelchen Raum geben will. - - -