Nr. 311 (C. R. – 1443)
Calvin, Jean - An Eduard VI., König von England.
Widmungsschreiben zum Kommentar zu den katholischen Briefen.
Über das Konzil zu Trient.
Schon wieder komme ich vor dich, bester König. Denn wenn ich neulich meinen Kommentar zum Jesaja als ein deiner Majestät hoffentlich angenehmes Geschenk dir widmete, so ist dadurch mir selbst noch nicht genug getan. So habe ich mir vorgenommen, die gewöhnlich so genannten katholischen Briefe als Dreingabe, um mein Geschenk voll zu machen, beizufügen, so dass beide Werke gleichzeitig in deine Hände kämen. Sicher geschieht diesen Briefen, da sie ja an weit entlegene Völkerschaften und an die in verschiedenen Gegenden zerstreuten Juden gerichtet sind, damit nichts Neues, wenn sie auch jetzt übers Meer wandern und manchen Umweg machen müssen, bis sie zu deiner Majestät kommen. Freilich, hoch gerühmter König, bringe ich dir persönlich meine Werke so dar, dass sie, mit deinem Namen an der Spitze veröffentlicht, allen Menschen nützen sollen. Wahrlich, wenns je eine Zeit gab, da man Gottes Wahrheit mutig und frei heraus sagen musste, so ists heute, wie jedermann sieht. Ganz zu schweigen von der furchtbaren Verfolgungswut, die überall gegen die Bekenner der Wahrheit entfesselt wird, ganz zu schweigen auch von den Ränken aller Art, hier heimliche Intriguen, dort offene Waffengewalt, mit denen Satan sie bekämpft, so spotten selbst in den Ländern, wo noch vor kurzem die reine evangelische Lehre ihren Sitz hatte, nun durch das ehebrecherische Deformationsinterim die Trabanten des römischen Antichrists Christi nicht anders, als ob sie ihm ein Schilfrohr statt des Zepters in die Hand gäben und eine Dornenkrone auf sein Haupt setzten [Matth. 27, 29]. Und obwohl diese schlauen Verderber nichts anderes hofften, als das reine Evangelium durch solche Kunstgriffe allmählich umzubringen, so gaben gerade die solcher unwürdiger Verspottung Christi in jämmerlicher Schwäche nach, die hundertmal lieber ihr Leben hätten aufs Spiel setzen müssen, als durch ihr treuloses Schweigen eine kurze Schonung von, ich weiß nicht wie viel, Tagen zu erkaufen. Unterdessen heißts noch, der Papst wolle durch eine neue Kreuzigung des Gottessohns den letzten Akt des Trauerspiels aufführen und den Mummenschanz eines Konzils wieder beginnen. Denn wenn er auch zur Vertilgung des Christennamens und zur Erdrosselung der Kirche schon ohnedies in wilder Mordgier wütet, so soll ihm doch zur feierlichen Abschlachtung dieses scheinbaren Konzils gleichsam das geweihte Opfermesser sein. Schon Paul III. hat solcher Art, während er alle schlachten und morden ließ, deren Leben eine Verteidigung der Wahrheit war, das anrüchige Konzilgespenst, mit allen möglichen Farben schön geschminkt, zu Trient erscheinen lassen, um das Evangelium mit diesem letzten Blitzstrahl zu treffen und zu zerstreuen. Doch die ganze Veranstaltung ging, nachdem die guten Väter begonnen hatten, durch das Wetterleuchten einiger Sessionen die Augen der Einfältigen zu blenden, in Rauch auf, zerstreut durch ein heimliches, rasch entstandenes Lüftchen vom heiligen Stuhl her; nur um den Schrecken festzuhalten, lagerte sich noch eine Weile das Wölklein über Bologna. Nun soll sich ja sein Nachfolger, Julius III., der auf dem Theater zu Trient die Hauptrolle spielte, wieder zu solchem Feldzugsplan rüsten, als ob, um die evangelische Lehre aus dem Gedächtnis zu tilgen, nichts anderes mehr nötig wäre, als die Blitze grausam-schrecklicher Konzilsbeschlüsse auf uns zu schleudern. Freilich behaupten sehr viele auch, er tue nur dergleichen. Doch tut das nicht viel zur Sache, ob er sein Konzil nur vorgeblich oder im Ernst einberuft. Die Tatsache ist klar bezeugt: seitdem Luther das Papsttum in Wanken brachte, haben alle, die diese Burg der Tyrannei inne hatte, obwohl sie doch von einem Konzil, so wie sie es nämlich halten wollten, einige Unterstützung wohl erwarten durften, dieses Heilmittel nicht anders gescheut, als ein Kranker an seinem über und über mit Schwären bedeckten Leib jede Berührung auch des rücksichtsvollsten Arztes fürchtet. So ist es eine alte, jedem Kind geläufige Redensart, ein Konzil könne dem Papsttum nicht anders helfen, denn als Brenneisen oder Operationsmesser. Und doch sehe ich keinen Grund, weshalb die Päpste sich so sehr vor einem Konzil fürchten, es sei denn, dass die Furcht eben die unzertrennliche Begleiterin des schlechten Gewissens ist. Denn was war, ich bitte, vor kurzem jene Menschenanhäufung in Trient, der sie den Namen eines hochheiligen, allgemeinen und ökumenischen Konzils gaben, anders, als ein leeres Schreckmittel? Das konnte doch das Vergnügen des Papstes nicht mehr stören als das Trompetengeschmetter und das Paukengetön, an denen er sich täglich ergötzt. Wenn einmal wirklich eine Synode von überall her ernstlich versammelt würde, dann wäre vielleicht Grund zu der Befürchtung, dass das Murren dieser großen Menge größeren Lärm erregen könnte. Wer glaubt aber, der Papst lasse sich durch ein Scheinkonzil, wie es das in Trient war, mehr erschrecken als durch eine Kinderklapper, und schlummere nicht vielmehr wie mit einem beruhigenden Schlafmittelchen dabei süß ein? Denn da werden zwei oder drei Kardinäle nach dem Spruch des Papstes und aus seinen intimsten Busenfreunden erwählt und abgeordnet werden, um das Steuer des Konzils in der Hand zu halten. Derselbe Tyrann wird dann irgendeinen Hungrigen aus seiner Höflingsschar mit ein paar Dukaten im Monat dazu bringen, als Patriarch verkleidet als seine Meinung sklavisch vorzutragen, was man ihm diktiert hat. So war z. B. in Trient jener Robert, ein Blinder, den ich selbst einmal ebenso lächerlich als unehrlich in Regensburg für den Papst eifern sah, als er mich durch seine Schmeicheleien für eine Unterredung mit Kardinal Contarini gewinnen wollte. Dann werden aus ganz Italien die Drei-Groschen-Bischöfe herbeieilen, deren dort eine große Menge ist. Es kommen vielleicht auch aus Frankreich und Spanien ein paar windige, eitle Menschen, andere wieder mit übelberüchtigtem Vorleben, die dann nach ihrer Rückkehr zu Hause sich rühmen werden, sie hätten der katholischen Kirche gute, treue Dienste geleistet. Aus allen Mönchslöchern wird eine ganze Flut von Fröschen zu jenem Sumpf hüpfen und um die Wette durch ihr Quaken die Wahrheit verjagen wollen. Wie, erfinde ich mit dieser Schilderung etwas Neues? führe ich nicht vielmehr jedermann die Zusammenkunft deutlich vor Augen, die man neulich zu Trient gesehen hat? Was braucht also der Papst von diesen seinen Thronwächtern zu fürchten, die allesamt erstens, wie er weiß, seine Untertanen und in seiner Hand sind und zweitens jeder für seine Person nichts anderes suchen, als des Papstes Wohlgefallen auf jede Weise zu erringen? Besonders unser Julius, der ja in dieser Art vorzugehen ein geriebener Kunde ist, kann sich ein Konzil, wie ers mag, zum Scherz zusammenstellen und dabei nach seiner Art seinen Spaß haben. Dass er in kurzer Frist mehrere Dominikaner mit dem roten Hut schmückte, ist sicher kein undeutliches Vorspiel solcher Dinge. Zwar, wie man sagt, war dieser Orden bei ihm stets in besonderer Gunst; aber diese Freigebigkeit [in Kardinalshüten] hat doch einen tieferen Grund. Natürlich weiß er zur Genüge, dass er nichts Unverschämteres gibt als diese Bettelmönche, wie er denn schon oft ihre gemeine, schmutzige Unterwürfigkeit nach seinen Wünschen missbraucht hat. Wiederum weiß er, dass es jetzt, da er sie zu solchem Ehrenrang erhoben hat, nichts Kühneres und Aufdringlicheres gibt als sie, er mag ihnen befehlen, wider Recht und Gerechtigkeit zu handeln, wie er will. Er weiß auch wohl, dass in Zukunft noch viele hungrige Hunde nach diesem Preise gierig sind und deshalb in jeden Streit stürzen, in den er sie hetzt. Und doch will ich nicht sagen, dass die unrecht haben, die behaupten, er wolle gar kein Konzil; denn, wenn er seine Theatergesellschaft zusammengestellt hat, so wird ohne Mühe irgendein Platzregen zu erregen sein, der die ganze Aufführung stört. Wenn ihm passt, kann er auch gleich am Anfang die Schnüre des Vorhangs durcheinander bringen. So nichtig eine Konzilskomödie aber auch sein mag, zur Niederwerfung Christi und zur Vernichtung der Reste der Kirche glaubt er sie brauchen zu können wie eine Herkuleskeule.
Sollen wir nun, da dieser Fürst der Gottlosigkeit so übermütig Gottes Ehre und unser aller Heil Hohn spricht, dazu schweigen und die heilige Sache verraten? Hundertmal lieber, wenns sein muss, will ich den Tod, als dass wir eine so unwürdige, frevelhafte, barbarische Unterdrückung der reinen Lehre aus Feigheit unaufgedeckt lassen. Nehmen wir einmal an, so wenig glaublich es ist, der Papst und seine Schar denke ernstlich an die Einberufung eines Konzils, so würde ja natürlich Christus nicht mit so auf den ersten Blick erkennbarem, offenem Spott gehöhnt, aber die Verschwörung gegen ihn, die so entstünde, wäre nicht weniger frevelhaft. Ja, je glänzender ein päpstliches Konzil aufträte, um den Schein des Ernstes zu erwecken, eine umso schädlichere und umso mehr zu fürchtende Pest zum Verderben der Kirche wäre es. Denn dass eine Versammlung, die auf Anregung des Antichrists einberufen wäre, von Gottes Geist gelenkt würde, dass die Sklaven Satans nur ein wenig nach Mäßigung trachteten, darf man nicht hoffen. Erstlich wird dort den obersten Vorsitz führen ein offener, geschworener Feind Christi, der Papst. Wenn er auch sehr dergleichen tut, als frage er nach der Meinung der dabeisitzenden Väter, so werden sie alle, erschreckt schon von seinem Anblick, für das stimmen, was ihm, dem einen, beliebt. Was brauchts aber auch der Verstellung in einer Versammlung, die zu jeder Gottlosigkeit mehr als einträchtig ist? Ich will nicht davon reden, wie ein jeder Kardinal an sich ist. Dass in dem ganzen Kollegium, - einen sehr heiligen Senat wird mans nennen, - teils epikuräische Verachtung Gottes herrscht, teils wilder Hass gegen die Wahrheit und offene Wut gegen alle Frommen, ist handgreiflich. Und besteht nicht der Bischofsstand aus denselben Ungeheuern? Nur sind unter den Bischöfen noch viele faule Esel, die zwar weder Gott offenkundig verraten, noch gar so feindlich die reine Lehre bekämpfen, aber sie führen sich in ihren korrupten Zuständen so wohl, dass sie keine Besserung wollen. Rechne dazu, dass die entscheidende Autorität bei den paar Leuten liegen wird, die, weit entfernt vom Trachten nach Frömmigkeit, sich als die eifrigsten Schützer des römischen Stuhls erweisen werden; die andern sind nur Zahl. Wer den grausamsten Antrag gegen uns stellt, hat die große Mehrheit für sich, nicht nur des abstimmenden Haufens, sondern auch der Führer, die, sei es freiwillig und eifrig von ihrem eignen Wunsch oder ihrem Ehrgeiz dazu gebracht, sei es aus Furcht gezwungen, beipflichten werden. Ich bin jedoch nicht so unbillig, dass ich nicht zugebe, es seine vielleicht einige da von gesunderem Urteil und sonst nicht übelgesinnt; aber sie werden nicht den Mut haben, dem bösen Willen der ganzen Körperschaft zu widerstehen. Unter tausend sind vielleicht zwei oder drei so tapfer, ein halbwegs freies Wort für Christum zu wagen, wie es zu Trient Pietro Paolo Vergerio war. Aber das heilige Konzil wird schon ein Mittel bereithalten, dass ihm solche Leute nicht lange zur Last fallen. Denn entweder wird man sie in den Kerker werfen und bald zum Widerruf bringen, oder sie werden ihre allzu freien Reden mit dem Tod besiegeln, oder man wird ihnen den Becher des ewigen Schweigens kredenzen. Gegen uns aber wird man mit solcher Billigkeit verfahren, dass man uns als Ketzer von unbezwinglicher, beklagenswerter Verstocktheit erklärt, wenn wir nicht die Regeln für eine rechte Reformation vom heiligen Konzil erbitten und mit seinen Entscheidungen (mögen sie sein, wie sie wollen) uns sofort beruhigen.
Dass wir die Autorität eines gesetzmäßigen Konzils, wenn ein solches abgehalten werden könnte, nicht scheuen, haben wir früher in klaren Beweisen genügend bezeugt. Wenn aber nun die offenen Gegner Christi fordern, dass ihnen die letzte Entscheidung, über die es keine weitere Berufung mehr gibt, übertragen werde, und zwar mit der Bedingung, dass sie über die religiöse Frage nach ihrer Meinung und nicht nach Gottes Wort entscheiden dürfen, wie sollen wir da gehorchen können, ohne Christum mit Wissen und Willen zu verleugnen? Und es darf uns keiner vorwerfen, wir seien von vornherein misstrauisch. Sie sollen ein Konzil gewähren, in dem uns Freiheit gegeben wird, die Sache unserer Frömmigkeit zu verteidigen. Wenn wir uns dann weigern, hinzukommen und Rechenschaft abzulegen über alles, was wir getan haben, dann haben sie erst das Recht, uns wegen Eigensinns zu verdammen. Aber weit entfernt, dass wir die Macht hätten, recht zu denken und zu reden, wird man uns zweifellos sogar an der gesetzlich vorgeschriebenen Verteidigung unserer Sache hindern. Denn wir würden die, die nicht einmal die freundlichste Mahnung, sozusagen ein leises Lispeln, ertragen, die klar tönende Donnerstimme der Wahrheit aufnehmen können? Das zeigen sie ja auch deutlich und ohne Verstellung. Sie laden uns ein, aber geben sie uns nur einen Sitz, wenn auch nur auf den untersten Bänken? Nein, sagen sie, es darf keiner sitzen, er sei denn gesalbt und trage die Mitra. So mögen sie sitzen, wenn man nur auf uns hört, wenn wir stehend die Wahrheit sagen! Sie werden erwidern, sie hätten uns ja freigebig Gehör versprochen. Ja so, dass wir eine Bittschrift einreichen dürfen, dann gleich hinausgewiesen werden und, nachdem sie ein paar Tage gelärmt und geschrieen haben, zur Verurteilung wieder vorgeladen werden. Von Lärmen rede ich, nicht als ob in dieser Versammlung eine Auseinandersetzung verschiedener Meinungen zu erwarten wäre, sondern nur, weil es ihnen als eine unerträgliche Schmach erscheinen wird, dass fromme Bischofsohren von uns so unehrerbietig beleidigt werden. Es ist klar, welch lauten Entrüstungssturm es bei ihnen gäbe. Gewiss aber wird eine vernünftige Disputation über unsere Sache so wenig von ihnen zu erreichen sein, dass man auch nicht auf eine Spur von wirklichem Kennenlernen hoffen darf. Wir verlangen, dass der Gottesdienst von unzähligen abergläubischen Bräuchen, durch die er verdorben und begraben ist, gesäubert und in seiner ursprünglichen Reinheit wieder hergestellt werde. Da werden nun diese unheiligen Schwätzer von nichts als Satzungen der Vorfahren, uralten Bräuchen und Zeremonien plappern. Als ob die Kirche, die durch das himmlische Lehramt der Propheten und Christi unterwiesen ist, keine andere Art der Gottesverehrung hätte, als die Romulusbrut im Bann der Greisenphantasien des Numa Pompilius in dumpfer Furcht sie übte! Wo bleibt denn da jener einfältige Gehorsam, den der Herr überall so sehr verlangt und so unerbittlich fordert? Wenn über die Verderbtheit und den elenden, unglückseligen Zustand der Menschennatur, über die Gnade und Wirksamkeit Christi, über unsere als Geschenk uns angebotene Seligkeit verhandelt wird, so bringen sie anrüchige Schulsätze großartig vor als endgültige Entscheide, die außer aller Diskussion stünden. Der heilige Geist lehrt uns in der Schrift, unser Geist sei mit solcher Blindheit geschlagen, die Leidenschaften unseres Herzens seien so verkehrt und verdreht, unsere ganze Natur sei so verderbt, dass wir nichts könnten als sündigen, bis er, der heilige Geist, einen neuen Willen in uns bilde. Er zwingt uns, die wir verstrickt sind im Netz des ewigen Todes, beraubt alles Vertrauens auf unsere Werke, uns allein in den Schutz der Barmherzigkeit Gottes zu flüchten und unsere ganze Gerechtigkeit darein zu setzen. Er ladet uns ein zu Gott, bezeugt uns, dass nur in Christi Blut Gott versöhnt wurde und heißt uns, auf Christi Schutz vertrauend, unverzagt vor Gottes Richterstuhl treten. Dass man von alldem nichts hört, ist in ihren ewigen Beschlüssen festgesetzt, und die verletzen gilt ihnen größere Sünde, als Gott samt allen Engeln die Glaubwürdigkeit absprechen. Über die Sakramente lassen sie kein Wort zu, das abweicht vom üblichen Brauch. Was heißt das aber anders, als auch nur der geringsten Verbesserung den Weg abschneiden? Und doch ist leicht zu zeigen, wie verdreht und verkehrt im Papsttum die Verwaltung der Sakramente ist, so dass nichts mehr dem echten Gebot Christi Verwandtes daran ist, wie fälschende Verderbnis dazugekommen ist, ja wie sie zu schmählicher Heiligtumsschändung geworden ist. Diese Frage darf man aber nicht anrühren. diesen Theologastern ist das schon ein geläufiges Wort geworden, das sie überall in ihren Schriften hinwerfen, solle der Bestand der Kirche unversehrt bleiben, so müsse man sich vor allem hüten, dass man im Konzil keinen Zweifel aufkommen lasse über die Streitfragen der Gegenwart.
Erst neulich ist ein abgeschmacktes Buch in italienischer Sprache erschienen von einem gewissen Muzio, eine bloße Abschlachtung des Gegners ohne jedes Salz, in dem er das ausführlich behandelt, es bleibe nichts anderes übrig, als dass die ehrwürdigen Väter, sobald sie zum Konzil zusammenträten, verkündeten, über diese ganze Frage seien sie bereits im Klaren; sie müssten uns nur zur Anerkennung dieses blutdürstigen Entscheids zwingen. Ich brächte zwar das misstönige Krächzen dieses Unglück verheißenden Uhus gar nicht vor, hätte nicht Papst Julius diesem Werk eine Breve als Empfehlung beigegeben. Daraus mögen die Leser ihr Urteil bilden, dass nur auf ein solches Konzil zu hoffen ist, wie Muzio als Herold es anpreist, da Julius das billigt.
Da wir nun sehen, wie diese Antichristen mit verzweifelter Hartnäckigkeit zur Abschlachtung der reinen Lehre stürzen, in ebensolcher Frechheit ruhig frohlocken und aus keinem andern Grund ihr Scheinkonzil veranstalten, als um über die Niederlage des Evangeliums einen letzten Siegesgesang anzustimmen, so wollen auch wir unsern Mut sammeln, unsererseits, angetan mit Waffen der Wahrheit, der Fahne unseres Feldherrn zu folgen. Wenn nur die einfache, reine Schriftlehre strahlt, wie sie soll, so muss jeder, der sich nicht weigert, die Augen aufzutun, erkennen, dass das Papsttum ein ungeheurer, fluchwürdiger Gräuel ist, durch Satans Kunst gebildet aus einer Häufung zahlloser Irrtümer. Denn wir machen mit festen Zeugnissen deutlich, dass Gottes Ehre im Papsttum ehrfurchtslos zerrissen und auf erfundene Götzen verteilt ist, dass bei Gott selbst kaum ein Hundertstel dessen bleibt, was ihm zukommt. Dazu, wenn sie irgendetwas vom Gottesdienst übrig lassen, so bleibt doch kein Teil davon echt, so sehr ist alles mit abergläubischen, menschlichen Erfindungen angefüllt. Dass mit ebensolchen Erfindungen auch das Gesetz Gottes unwürdig verdeckt ist, können wir auch zeigen. Auch dass die armen Seelen unter dem Joch von Menschen gehalten werden, statt von Gottes Geboten geleitet, dass sie unter der drückenden Last so vieler Satzungen seufzen und leiden, ja mit grausamer Tyrannei unterjocht werden. Wir bezeugen, dass mit diesem Gehorsam, der Übertretung [des Gebotes Gottes] ist, nichts erreicht wird, als dass sie immer tiefer in dieses Labyrinth hineingeraten. Ebenso klar lehren wir nach der Schrift, dass die Bedeutung Christi im Papsttum fast vernichtet, seine Gnade zum großen Teil verschüttet ist, dass die armen, von ihm weggerissenen Seelen mit verderblichem Vertrauen auf ihre eigne Kraft und ihre Werke aufgebläht werden. Wir können beweisen, dass die Anrufung Gottes, wie sie in seinem Wort als einzige Zuflucht zur Seligkeit geboten ist, [im Papsttum] von Grund aus umgestürzt ist. Wir können offen zeigen, dass die Sakramente teils durch erdichtete Äußerlichkeiten verfälscht sind, teils einen ganz andern Sinn erhalten haben; dass ihnen unfrommer Weise die Kraft des heiligen Geistes zuerkannt und fälschlich das zugeschrieben wird, was Christo eigen ist. Die Siebenzahl, die sie keck zurechtgemacht haben, können wir ihnen entwinden. Die Messe, die sie als Opfer betrachten, können wir ihnen nachweisen als hässliche Verleugnung des Todes Christi und an ihr klar zeigen, wie sie dazu noch voll Lästerung steckt. Sicher bleibt, sobald nur die Schriftautorität gilt, keiner dieser Punkte, bei dem unsere Gegner nicht verstummen müssten. Das verhehlen sie auch gar nicht, indem sie sagen, wegen des zweideutigen Sinns der Schrift müsse die Entscheidung beim Urteil der Kirche stehen. Ich bitte, sieht da nicht jedermann, dass Gottes Wort zurückgesetzt und alle Entscheidung damit ihnen übertragen wird? Freilich geschlossene Bibelbücher küssen sie, als ob sie sie anbeteten, aber durch den Vorwurf der dunkeln, verworrenen Vieldeutigkeit nehmen sie der Schrift die Geltung nicht anders, als ob kein Buchstabe geschrieben stünde. Sie mögen sich noch schöne Namen beilegen und tun, als brächten sie nichts vor, als was der heilige Geist ihnen geböte, wie sie sich rühmen -, das ist doch fest beschlossen bei ihnen, dass allen andern Gründen der Abschied gegeben wird und allein zuverlässig ist – ihr Gutdünken. Damit nun die Gläubigen nicht von irgendeinem Wind falscher Lehre umgetrieben werden und den schlauen Haarspaltereien der Gottlosen anheim fallen, so sollen sie wissen, wie es sie ihre Glaubenserfahrung lehrt, dass gewiss nichts fester ist als die Schriftlehre, und mögen sich auf diese Stütze ruhig verlassen. Da wir nun diese Schriftlehre schmählich von den bösen Fabeln der Sophisten entstellt sehen, und eben heute die gedungenen Wortklauber des Papstes wieder am Werk sind, mit ihrem Rauch das Licht zu verfinstern, so müssen wir umso mehr uns mühen, ihren Glanz wieder herzustellen.
Was mir noch bleibt vom Leben, das will ich, wenn ich Muße und Freiheit dazu habe, vor allem diesem Bestreben widmen. Die erste Frucht meiner Arbeit möge die Kirche, der ich verpflichtet bin, so aufnehmen, dass sie umso länger Bestand hat. Denn wenn mir auch neben der Führung meines Amtes nur wenig Zeit bleibt, so will ich doch, so wenig es ist, sie anwenden zu dieser Art Schriftstellerei.
Um nun wieder auf dich zurückzukommen, hochberühmter König, so hast du hier als unbedeutendes Pfand meiner Verehrung meinen Kommentar, worin ich die katholischen Briefe, in denen sonst manches dunkel und versteckt ist, so zu erklären versuche, dass einem nur etwas fleißigen Leser das Verständnis des wahren Sinnes vertraut werden muss. Und wie die Schriftausleger, jeder nach seiner Fähigkeit, Waffen liefern zur Bekämpfung des Antichrists, so musst du dich daran erinnern, dass es deiner Majestät Aufgabe ist, damit die Religion unversehrt in Kraft bleibe, die treue, echte Auslegung der Schrift vor schändlicher Verleumdung zu schützen. Nicht umsonst gebietet Gott durch Mose, sobald ein König seines Volkes den Thron bestiegen habe, solle er sich einen Gesetzesband abschreiben lassen [5. Mose 17, 18]. Auch wenn er schon vorher persönlich ein eifriger Leser der Schrift war? Ja, damit die Könige wissen, dass sowohl sie einer besonderen Kenntnis der Lehre bedürfen, als dass ihnen auch die besondere Pflicht auferlegt wird, die Schrift zu hüten und zu schirmen, deshalb weist der Herr seinem Gesetz als heiligen Wohnort den Königspalast an. Weil nun aber in dieser Beziehung deine heldenhafte Geistesgröße weit hinaus reicht über das, was dein Alter erwarten lässt, so will ich nicht mehr Worte machen, dich darin zu festigen. Lebwohl, edelster König. Der Herr fahre fort, deine Majestät mit seiner Treue zu beschirmen, wie ers bisher getan hat. Er leite dich und deine Räte mit dem Geist der Klugheit und der Stärke und erhalte dein ganzes Königreich in Glück und Frieden.
Genf, 24. Januar 1551.