Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (303).

Nr. 303 (C. R. – 1415)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (303).

Der Pole Johann von Laski und Utenhoven waren Leiter der Refugianten-Gemeinde in London. Über den Jesaja-Kommentar vgl. 296. Pietro Paolo Vergerio, früher Bischof und päpstlicher Legat, war nun evangelischer Pfarrer in Graubünden. Robert Etienne, (Stephanus), Pariser Buchdrucker, kam als Refugiant nach Genf.

Von den Refugianten in England, Calvins Arbeiten, und einer unglücklichen Ehe.

Was die Zustände in England angeht, so trug ich Hugues nur auf, dir zu erzählen, das Evangelium mache dort erfreuliche Fortschritte. Den Franzosen und Deutschen [in England] ist erlaubt worden, beim Sakramentsgebrauch die reine, einfache Art der Feier, wie wir sie haben, anzuwenden. Der König sei selbst der Religion so wohl geneigt, dass er sogar einiges Interesse an mir nehme. Weil du aber aus Utenhovens Brief alles das besser erfährst, will ich nicht mehr darüber sagen. Mit dem andern Bruder, [der hier war], konnte ich fast nichts reden. Denn als wir miteinander aus der Kirche kamen, traf ich zufällig den Syndic Corne, und während ich mit dem weiter ging, entschlüpfte mir der gute Mann und kam nicht wieder. Ich fürchte, er fühlte sich beleidigt, dass ich ihn hinter dem Syndic zurücksetzte. Doch dafür werde ich mich leicht bei dir entschuldigen können, oder eher es gar nicht nötig haben. doch ich komme auf England zurück. Aus derselben Quelle wirst du noch mehr schöpfen können. Nur muss ich gestehen, dass mir eines dabei gar nicht gefällt, nämlich dass Johann von Laski so einflussreich ist, von dem ich fürchte, er lasse sich vom Wind am Hofe so treiben, dass er sich vor dem leisesten Hauche beugt. Den König zum Guten anzutreiben, habe ich bisher noch nicht gewagt, obwohl mich gleich einige dazu aufgefordert haben. Jetzt habe ich mir vorgenommen, ihm den Jesaja zu widmen. Aber weil es ein mit einem andern gemeinsam verfasstes Werk ist, so können die katholischen Briefe als passende Zugabe, wie mir scheint, noch dazu kommen. Beiden Werken werde ich seinen Namen voranstellen. Was redest du aber auch schon von Apostelgeschichte und Genesis, die kaum empfangene Embryonen sind? Wie langsam ich in der Apostelgeschichte vorwärts komme, schäme ich mich zu sagen. Aus dem Drittel, das fertig ist, sehe ich, dass es ein dickes Buch gibt. Die Genesis musste ich für eine Weile weglegen. In den letzten vier Monaten beschäftigte mich die Korrektur [der Übersetzung] des neuen Testaments. Jetzt werde ich wider Willen zu einem großen Teil des alten Testaments herbeigezogen. Ich hatte unsere Druckherrn zwar rechtzeitig gemahnt, sie sollten sich zu der Aufgabe passende, darin mir unähnliche, Leute aussuchen. Sie folgten meinem Rat nicht, und nun legen sie mir die Strafe ihrer Trägheit auf. Durchgesetzt habe ich zwar, dass Louis Bude David, Salomo und das Buch Hiob übernimmt. Doch erleichtert er mich nur durch seine Mitarbeit, nimmt mir aber die Last nicht ganz ab. Die Apokryphen habe ich auf Beza abgeladen. Was soll ich tun? Es verlangen so viele nach Bibeln, und es ist keine einzige mehr zu haben. Niemand nimmt die Mühe [des Übersetzens] auf sich. So komme ich dazu, wie der Ochs zum Pferdesattel. Auch die französische Übersetzung des Büchleins von den Ärgernissen hat einige Zeit gekostet.

Doch ich langweile dich nutzlos mit solchen Kleinigkeiten, und wenn ich Rechenschaft geben soll, weshalb ich so dumm drauflos rede, kann ich nichts sagen. Doch dessen kann ich dich versichern, ich habe nicht ohne Beschämung die Stelle in deinem Brief gelesen, in der du meinen Fleiß lobst, da ich mir doch so meiner Faulheit und Langsamkeit bewusst bin. Der Herr gebe, dass ich trotz meines langsamen Kriechens doch etwas ausrichte. Dem guten Mann, der mir deinen Brief brachte, [Laternier], sollte meine Hilfe zur Aussöhnung mit seiner Frau nicht fehlen, wenn sich nur ein wenig Hoffnung auf Erfolg zeigte. Du bist gewiss darin zu streng mit mir; denn was ich dir das letzte Mal darüber schrieb, habe ich nicht getan, um die Mühe von mir fern zu halten. Jetzt sagt er zwar, er komme gut aus mit seiner Frau; aber morgen schon erwarte ich neue Händel. Denn sie ist merkwürdig schwatzhaft und frech, dazu wenig willfährig. Der Mann aber ist so griesgrämig, dass er kaum seinen Schatten neben sich erträgt. So greift er die erbärmlichsten Kleinigkeiten auf und tadelt die Frau deswegen. Dazu gehört er zu der Menschenart, die an sich selbst mehr Geschmack findet, als recht ist. Je mehr er sich aber selbst gefällt und sich im Innern Beifall spendet, mit desto größerem Ekel stößt sie ihn weg. So kannst du selbst sehen, dass sie nicht zusammen leben können, ohne beständig zu zanken. Von Butzer habe ich seither keinen Brief mehr bekommen. Was Vergerio treibt, weiß ich nicht; er hat mir nur von Zürich geschrieben, aus bestimmten Gründen habe er noch nicht in seine Gemeinde zurückkehren können. Ich fürchte nur, er treibt zu viel; du kennst ja den unruhigen Geist dieses Volkes.

Robert Etienne ist nun ganz unser. Bald werden wir hören, welches Gewitter seine Abreise in Paris verursacht. Die Dunkel-Philosophen werden gewiss wütend sein.

Die ersten Frühlingsstürme werden mir, wills Gott, den Weg nach Neuchatel öffnen, da ich diesen Herbst nicht, wie ich gehofft, habe kommen können. Meine Kollegen alle, de Normandie und sein Schwiegervater, der eine Bude, der hier ist (Jean ist nämlich nach Frankreich gereist, um seine Schwiegermutter herzuholen), de Trie, der andere Colladon grüßen dich von Herzen und so liebevoll wie möglich, ebenso viele andere. Grüße meinen Gevatter Christophe, Faton, Michel und dein Haus vielmals von mir. Auch Merveilleux nicht zu vergessen. Dass ich das Meer von Ärgernissen nur schluckweise bewältigt habe, darf dich nicht wundern; wisse, ich fürchtete, es könnte mich verschlingen, wenn ichs ausschöpfen wollte. Der Herr erhalte dich gesund und segne stets dein Wirken.

Genf, 10. November 1550.
Dein
Johannes Calvin.

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