Nr. 26 (C. R. – 140)
Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (26).
Im September 1538 reiste Calvin von Basel nach Straßburg. Butzer unterhandelte unterdessen noch mit den Berner Pfarrern, vor allem Kuntz und Simon Sulzer. Der am Schluss der Briefe erwähnte Hermann war ein Wiedertäufer in Leyden, mit dem Calvin im Jahre 1537 in Genf öffentlich disputiert hatte. Thomas Barbarin Pfarrer in Neuchatel.
Verhandlung mit Genf, vom Anfang in Straßburg und den Wiedertäufern in Metz.
Gnade und Friede vom Herrn sei mit dir, von Herzen geliebtester Bruder.
Ich habe mich in solcher Eile von Basel losgerissen, dass ich – neben unzähligen andern Dummheiten meines armen Gehirns – auch den Brief, den ich für dich zurückzulassen versprochen hatte, mit mir nahm. Es war übrigens damals kaum etwas Schreibenswertes vorhanden. Drei Tage nach meiner Ankunft fehlte mir zwar ein Bote nicht und war auch schon Einiges passiert, was Stoff bot. Aber weil ich fürchtete, den Brief nur mit Gefahr dem Mann anvertrauen zu können, wollte ich es lieber bis heute verschieben. Dass Kuntz in seiner Weise geschrieben hat, verhehlte Butzer nicht; denn, das allein hat ihn veranlasst, mir den Brief nicht vorzulesen, dass er mir nicht umsonst Ärger bereiten wollte. Daraus entnimm, wie bitter es gewesen sein muss, dass Butzer in seiner Vorsicht meinte, ohne schwere Kränkung könne ich nicht drüber wegkommen. Sulzer pries zugleich die versöhnliche Freundlichkeit Kuntzens. Er hatte die Hoffnung, es könnte zwischen uns und Kuntz und den bisher uns feindlich gesinnten Ratsherrn wohl eine Versöhnung zustande kommen, wenn wir zuerst unsern guten Willen in einem Brief erklärten. Das hielt Butzer auch für nichts, wie es ja auch ganz lächerlich ist. Stelle dir vor, dass man solches hoffen kann! Wo sollten wir denn anfangen. Sollen etwa wir trachten, die andern zu besänftigen, als ob wir die Urheber des Streits wären? Und selbst wenn wir uns dessen nicht weigerten, wie wären die Beleidigungen wieder gut zu machen? Meine Meinung ist wenigstens, so könnte man weder das Vergangene bessern, noch gehörig für die Zukunft sorgen. Ja, wenn wir auch vor Gott und seinem Volke bekennen wollen, dass durch unsern Mangel an Erfahrung, unsere Sorglosigkeit, unsere Nachlässigkeit und unser Irren es zum Teil wenigstens dahin gekommen ist, dass die uns anvertraute Kirche so elend zusammengebrochen ist, so ist es trotzdem unsere Pflicht, unsere Reinheit und Unschuld geltend zu machen gegenüber denen, durch deren Betrug und Bosheit, Unredlichkeit und Schändlichkeit ein Zusammenbruch dieser Art erfolgte. Gern werde ichs also vor Gott und allen Frommen bekennen, dass unsere Unerfahrenheit und Sorglosigkeit es verdiente, so hart gestraft zu werden; dass aber durch unsere Schuld die arme Kirche so zusammenbrach, das werde ich nie zugeben. Ganz anders freilich ist unser Schuldbewusstsein vor Gottes Angesicht, aber kein Mensche kann uns nur ein Teilchen Schuld zurechnen. Wer sähe nicht, dass wir dann in Zukunft allem Spott ausgesetzt wären auf diese Weise! Denn jeder würde dann schreien, wir weigerten uns keiner Beschimpfung, wenn wir nur wieder eingesetzt würden. Doch wird der Herr hoffentlich einen bessern Weg bereiten. Denn Butzer hört nicht auf zu schreiben; dessen Ansehen dürfen sie nicht verachten. Als Verachtung aber erscheint es, wenn sie ihm nicht schließlich in Etwas nachgeben. Es ist seine letzte Hoffnung, wenn er die Zusammenkunft nicht erwirken kann, auch bis zum nächsten Frühjahr nicht, dann noch ein Heilmittel zu finden. Und vielleicht wills Gott, dass es so besser ist, weil unterdessen sich alles besser ausreift. Am Sonntag habe ich hier eine Predigt gehalten. Da sie der Gemeinde durch lobende Worte aller Kollegen anempfohlen war, waren viele da, teils Hörer, teils Zuschauer. Die Brüder haben im Sinn, sobald sie eine kleine Gemeinde entstehen sehen, auch die Austeilung des Abendmahls zu gestatten. In Metz, wo schon alles der wahren Religion Feind ist und der Rat sich zu ihrer Vernichtung verschworen hat unter Beihilfe der Priester, hat sich jetzt auch noch die Hefe der Wiedertäufer zur Erregung neuen Anstoßes eingeschlichen. Zwei wurden in die Mosel gestürzt, einer schimpflich gebrandmarkt und verbrannt. Soviel ich durch allerlei Anhaltspunkte herausbringen konnte, war der Barbier, der den Hermann begleitete, einer von ihnen. Ich fürchte, diese Pest hat sich unter den einfachen Leuten weit verbreitet in der Stadt Metz. Der Herr behüte dich und seine andern Knechte, und lasse sein Werk durch eure Hände gedeihen. Grüße sie mir alle; namentlich den Thomas und die andern, die, da sie dich beherbergen, auch meine Gastfreunde sind.
[Straßburg, Sept. 1538.]
Dein Calvin.