Nr. 24 (C. R. – 132)
Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (24).
Farel war nach Neuchatel berufen worden und von Basel aus rasch dorthin gereist; bei Professor Grynäus waren Calvin und Farel täglich ein- und ausgegangen.
Erste Anfragen von Straßburg.
Die Gnade des Herrn sei mit dir.
Der Mann, der dein Reitpferd hierher zurückbrachte, hatte mir versprochen, in drei Tagen wiederzukommen. Nach fünf Tagen gab ich es auf, länger auf ihn zu warten und begann, mich nach einem andern Boten umzusehen. Denn ich dachte, sobald dir mein Schweigen länger vorkomme, als billig ist, werdest du es mir als Nachlässigkeit und Faulheit anrechnen. Während ich mir diese Gedanken machte, erschien mit einem Male dieser Bote, der mir zwei Tage vor seiner Abreise sein Weggehen anzeigte. Nun zu deinem Brief. Da du mir befohlen hast, dich bei Grynäus deines unhöflichen Weggehens wegen ausführlich zu entschuldigen, hab ich mit allem Eifer dir gehorcht. Beim Essen erzählte ich dem Grynäus, falls er etwa aus deinem langsamen Reisen [nach der raschen Abreise] schlösse, du seiest unhöflich, so hätte ich aus deinem Brief gesehen, dass du nur durch den Regen in deiner anfänglichen Eile aufgehalten worden seiest. Ich las dann deinen Brief vor und tat von mir aus noch dazu, was sich für eine ernstliche Entschuldigung gut zu machen schien. Es war aber bei ihm eine solche Rechtfertigung so unnötig, dass er deine unzeitgemäße Ängstlichkeit jedenfalls sehr artig aufgenommen hätte, wenn ihn die Geschäfte, in denen er jetzt ganz drinsteckt, nicht überhaupt gehindert hätten [darauf zu achten]. Wohinaus unsere Nachfolger schließlich wollen, glaube ich aus ihrem Beginnen schließen zu können. Da sie in ihrer Wut nun schon jeden Schein friedlicher Verständigung vernichtet haben, so glauben sie nur das als bestes noch tun zu müssen, dass sie uns durch Schmähungen herunterreißen und so uns beim ganzen Volk und bei den Einzelnen verhasst machen. Wir aber, da wir wohl einsehen, dass sie nicht ohne Gottes Zulassung so schmähen, sind nicht im Zweifel darüber, wohin der Wille des Herrn damit zielt. Wir wollen uns also demütigen lassen, damit wir nicht Gott, der unsere Demütigung will, widerstreben. Indessen wollen wir seinen Tag erwarten: denn rasch wird welken der Kranz des Übermuts der Trunkenen in Ephraim [Jes. 28]. Ich wünschte, Ihr machtet euch meinetwegen nicht so viel Mühe. Seit deiner Abreise habe ich ernstlich drüber nachgedacht, ob es etwa gut wäre, rasch weggerufen zu werden. Denn ich kann nicht sagen, wie mich die Furcht quält, die Leute, die nach ihrer Art uns fürchten müssen, weil sie ein schlechtes Gewissen haben, möchten glauben, wir hätten nun absichtlich einen passenden Platz besetzt, um uns für das uns widerfahrene Unrecht zu rächen, und möchten sich deshalb zu neuen Kämpfen rüsten und nicht ruhen, bis sie irgendeine neue Unruhe zu unserm Sturz erregt haben. Bin ich aber weg, so kann ein solcher Verdacht nicht so leicht aufkommen. Denn so boshaft wird doch keiner sein, dass er denkt, wir hätten irgendwelche großen Pläne bei dieser Schlichtheit unseres Vorgehens. Wenn du mir hierin noch nicht zustimmst, so wollen wir die Sache hinausschieben, bis entweder keine Hoffnung auf die Zusammenkunft mehr ist, die die Straßburger zu erstreben fortfahren, oder bis sie, wenn sie zustande kommt, uns durch ihren Ausgang zeigt, was zu tun ist. Das aber bitte ich dringend im Namen Gottes von dir, dass du nichts über mich beschließest, ohne mir vorher Meldung davon gemacht zu haben. Aus Butzers Brief siehst du, welcher Meinung er ist. Einen andern hat er an Grynäus geschrieben, den zu lesen ich noch keine Gelegenheit hatte. Ich vermute aber stark, er wolle auch jetzt noch, ich solle mich dorthin zurückziehen. Das tue ich aber nicht, wenn mich nicht eine stärkere Notwendigkeit zwingt. So viel ich merken konnte, hat der, den du kennst, dort in der ehrgeizigsten Weise versucht, sich mit Hilfe seiner guten Beziehungen einen Weg zum Predigtamt zu bereiten. Er ließ nämlich gelegentlich Worte fallen, die mehr vermuten lassen, als was sie sagen wollen. Da er hoffte, ich werde nächstens von hier fortgehen, ermunterte er mich, etwas anzufangen, was ich dann bald ihm überlassen müsste. Er wusste noch nicht, was mit dir verhandelt werden sollte, und ich habe darüber auch tüchtig geschwiegen. Er sagte: Tut es dir nicht leid, vor einer solchen Menge [von Hörern] zu schweigen? Würde dir wohl hier keine leere Kirche zur Verfügung stehen? Ich antwortete: Es wären auch hier im Hause Hörsäle, die nicht übel passen würden. Er wollte aber durchaus etwas Öffentliches. Er aß nur einmal mit uns, dann wollte er gleich durch meine Vermittlung in die Tischgenossenschaft des Grynäus aufgenommen werden. Keine Ausrede nützte etwas; er fuhr immer aufdringlicher fort, bis ich schließlich seiner Unbescheidenheit mit den Worten des Grynäus Halt gebot. Den Besitzer des Reitpferdes habe ich bezahlt; deine übrigen Aufträge vollzogen. Grynäus grüßt dich freundschaftlich, und bittet dich, es seiner vielen Arbeit wegen zu verzeihen, wenn er dir selbst jetzt nicht schreibt. Auch Oporin, Stagneus und du Tailly. Die beiden letzteren sind von hier abgereist. Der Herr behüte dich und segne, was du unternimmst, mit der Kraft deines Geistes. Du wirst verzeihen, dass ich Capitos Brief las und dir ihn wieder neu gesiegelt schicke. Butzers beide Briefe schicke zurück oder bewahre sie gut auf, je nach deinem Gutdünken, vielleicht kann man sie noch brauchen. Grüße nicht nur nach deiner Freundlichkeit, sondern wirklich in meinem Namen alle unsere Brüder, besonders die du weißt, dass ich sie meine. Wenn du willst, dass wir dir schreiben, so sorge, dass wir Boten von dir bekommen.
Basel, den 4. August 1538.
Dein Calvin.
Nachträglich habe ich noch Butzers Brief gelesen. Er mahnt darin dringlich, wir dürften nicht beieinander bleiben. Sonst, fürchtet er, möchten wir beide uns gegenseitig zu dem antreiben, wozu wir schon allzu sehr Neigung hätten. Er wünscht deshalb auch, ich möchte dorthin kommen, damit nicht mein reizbares Temperament allzu oft durch schlimme Gerüchte verwirrt werde.