Nr. 209 (C. R. – 937)
Calvin, Jean - An Herrn des Falais in Basel.
Weggelassen sind die Glückwünsche zur Geburt eines Töchterchens und allerlei Bemerkungen über den Druck und die Übersetzung der Apologie, die Miete des Perrin´ schen Hauses, den Druck der Kommentare in Straßburg. Perrin war noch in Paris. Der geöffnete Brief ist Nr. 200. Der hier erwähnte Freier Fräulein von Wilerzys ist unbekannt. Der Schluss dieses Briefes ist von Calvin diktiert.
Von indiskreten Leuten.
- - Ich merke, man übertreibt in Basel wie überall, was wir hier für Unruhen hatten. In Lyon hat man mich tot gesagt auf mehr als zwanzig verschiedene Arten. Im ganzen Land erzählt man sich Wunderdinge, von denen wir hier, Gott sei Dank, nichts spüren. Freilich, Zündstoff hat der Satan hier genug. Aber das Feuer erlischt rasch wie Strohfeuer. Die Todesstrafe, die man über einen der Gesellen verhängt hat, hat bewirkt, dass die andern die Hörner herunter taten. Was für ein Gesicht uns Ihr Hausbesitzer [Perrin] machen wird, wenn er heimkommt, weiß ich nicht. Er gab sich den Anschein, als guter Freund von uns zu scheiden, obwohl er mich mied, mehr aus Scham und Scheu als aus anderen Gründen. Unterdessen hat nun seine Frau so die Teufelin gemacht, dass sie das Weite suchen musste. Er ist nun schon zwei Monate abwesend; er wird wohl zahm tun müssen, wenn er heimkommt. Bis jetzt haben wir es hier noch recht erträglich gehabt, was die Lage derer angeht, die Gott dienen. Wären wir nicht mehr bedrängt, es ginge uns zu wohl. Ich glaube wohl, dass [Perrin] meinen Brief [an Sie] öffnen konnte, und dass das Valerand [Poulain] und dem Ehrenmann, bei dem er wohnt, die Kühnheit gegeben hat, den Brief noch einmal in Augenschein zu nehmen. Wie dem nun auch sei; wenn er sich darüber beklagt, wie er es tut, so muss er sich ja dazu in erster Linie als einen bekennen, der fremde Briefe öffnet, was doch nur die Handlungsweise eines Schwindlers ist. Sein beleidigendes Schimpfen wiegt für mich nicht mehr, als seine ganze Persönlichkeit für mich Gewicht hat, nämlich etwas weniger als eine Feder. Dazu kommt, dass man merkt, dass er betrunken oder doch stark angeheitert war, als er so schrieb. Wenns nicht so weit kommt, dass er uns mit Steinen bewirft, so wird es unsrer Geduld, der Ihren und der meinen, nicht zu hart ankommen, seine Beleidigungen zu ertragen. Wir sind nicht besser als David, selbst wenns darauf ankäme, noch mehr geschmäht zu werden, und er ist Simeis wohl wert [II. Sam. 16, 5 – 13]. Darin wie in wichtigeren Dingen wollen wir Gott bitten, er möge uns die Gnade schenken, Berufung einzulegen an seinem Gerichtstag, und jetzt die Verleumdung derer, die im Finstern richten, zu verachten. Valerand so auf Irrwegen zu sehen, tut mir mehr leid, als alles Übrige. - - .
Mit der Heirat [Fräulein von Wilerzys] wäre ich, wenn es mich anginge, durchaus nicht einverstanden. Sie sehen, in welcher Vertraulichkeit ich Ihnen antworte. Die Familie ist recht ausgehungert. Der savoyische Adel ist nämlich sehr verschieden von dem Ihres Landes. Der Mann ist an sich gut, aber nicht so fest, dass er sich nicht missleiten ließe; dazu Krankheiten unterworfen, besonders wegen zu dicken Blutes. Sie fürchten, man werde Sie tadeln [wenn Sie ihn abweisen]; ich fürchte im Gegenteil, man würde sagen, um die Sache los zu sein usw., hätten Sie ihn zu rasch und unüberlegt angenommen. Verzeihen Sie, wenn ich zu weit gehe; aber ich würde eher den andern wählen, den ich kenne, wenn ich zu entscheiden hätte. Aber nun muss ich mich bescheiden; ich habe schon das Maß des Erlaubten überschritten. Ehe ich fertig schreiben konnte, habe ich mich erkältet, und es hat sich mir so scharf auf die Schulter geworfen, dass ich keinen Federstrich tun kann ohne große Schmerzen. - -
Ich empfehle mich, Monsieur, Ihrer und Ihrer Frau Gemahlin Gewogenheit, richte Ihnen auch die Empfehlungen meiner Frau aus und bitte den Herrn, er möge Sie bewahren in seinem heiligen Schutz und Ihnen den Segen erhalten, den er Ihnen gegeben, dass Sie Früchte davon sehen und dadurch noch mehr Freude und Trost empfangen; kurz, er möge Ihnen beistehen in allem und überall. Es tut mir leid, dass ich nicht wenigstens einen halben Tag bei Ihnen sein kann, mit Ihnen zu lachen und dabei zu warten, ob man nicht auch das arme Kindlein endlich lachen machen kann, wenns schreit und weint. Denn das ist ja der erste Ton, den wir anstimmen zum Lebensanfang; lachen können wir dann erst recht, wenn wir aus diesem Leben geschieden sind.
Genf, 16. August 1547.
Ich möchte Sie noch bitten, mein Unwohlsein in Betracht zu ziehen und mich der lieben Gesellschaft [in Ihrem Hause] empfehlen.
Ihr Diener und ergebener Bruder
Johann Calvin.